JudikaturJustiz5Ob310/03d

5Ob310/03d – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Februar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R. ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Renate Wimmer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Dr. Peter P*****, 2.) Gerhard S*****, 3.) Dr. Verena A*****, 4.) Dr. Johannes Heinrich B*****, 5.) Verlassenschaft nach Gertrude B*****, 6.) Dkfm. Dr. Franz B*****, 7.) Dr. Wolfgang H*****, 8.) Dorothea R*****, 9.) Erika B*****, 10.) Helmut R*****, 11.) Christian R*****, 12.) Dkfm. Monika S*****, die 1. 5. und 7. 11. beklagten Parteien vertreten durch Dr. Renate Steiner, Rechtsanwältin in Wien, die 6. und 12. beklagten Parteien vertreten durch Dr. Dieter Gradwohl, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1.) Dkfm. Isabella B*****, vertreten durch Dr. Beatrix Wollner, Rechtsanwältin in Wien, 2.) Dr. Beatrix W*****, wegen Feststellung, über die Revision der 1., 2. und 7. beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 1. April 2003, GZ 40 R 382/02a 40, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 9. September 2002, GZ 18 C 761/01d 35, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die 1., 2. und 7. beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 749,08 (darin EUR 124,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind schlichte Miteigentümer einer Liegenschaft, auf welcher ein vermietetes Hotel errichtet wurde. In den 1973/74 abgeschlossenen Kaufverträgen wurde die Aufteilung der Erträgnisse dieses Anlageprojektes nach den in den einzelnen Kaufverträgen enthaltenen Quadratmeterangaben und somit nach dem jeweiligen Kapitaleinsatz der einzelnen Käufer und nicht nach den grundbücherlichen Anteilen vereinbart. Die Erträgnisse (Mieteinnahmen) wurden vom Beginn an bis heute auf Grund dieses Verteilungsschlüssels abgerechnet. Die Aufwendungen wurden zunächst nach dem Grundbuchsstand verrechnet, ab 1981 ebenfalls nach den Anteilen am Ertrag. Mit Kaufvertrag vom 1. 7. 1999 verkauften die Nebenintervenienten ihre Liegenschaftsanteile an die klagende Partei; die Überbindung eines Aufteilungsschlüssels erfolgte nicht.

Die klagende Partei begehrte zunächst (als Antragstellerin) im außerstreitigen Verfahren zu 6 MSch 33/03g des Erstgerichtes die Feststellung, dass der Verteilungsschlüssel zwischen den Miteigentümern der Liegenschaft für Aufwendungen und Nutzungen seit 21. 7. 1999 (vgl AS 117) den grundbücherlichen Miteigentumsanteilen entspreche.

Mit Beschluss vom 2. 1. 2001 (ON 11) sprach das Erstgericht gemäß § 40a JN aus, dass für diese Rechtssache das streitige Verfahren gilt. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit Beschluss vom 22. März 2003, 40 R 36/01t (ON 14).

In der Folge wies das Erstgericht das Klagebegehren mit Urteil ab. Die klagende Partei sei zwar an die Vereinbarung eines vom Gesetz abweichenden Verteilungsschlüssels nicht gebunden, jedoch fehle zur Beendigung mangels Einigung ein rechtsgestaltender Akt des Außerstreitrichters.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinne ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000, , nicht jedoch EUR 20.000, - übersteige und dass die Revision nicht zulässig sei, und führte im Wesentlichen folgendes aus:

Das Erstgericht übertrage in seiner rechtlichen Beurteilung Lehre und Rechtsprechung zur Frage einer Benützungsvereinbarung auf die völlig anders geartete Frage der Aufteilung von Erträgnissen und Aufwendungen der Liegenschaft. Für die Benützungsfrage sei jedoch typisch, dass (falls keine Einigung der Miteigentümer vorliege) über die Benützung der gemeinsamen Sache oder Teile der gemeinsamen Sache durch den Außerstreitrichter eine gerichtliche Benützungsregelung zu treffen sei. Im Falle der Unwirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung bestehe eben eine gesetzliche Regelung, die die Aufteilung der Benützung der gemeinschaftlichen Sache regle, nicht. Anders sei die Rechtslage bei der Aufteilung von Aufwänden und Erträgnissen. Hier finde sich eine gesetzliche Regelung sowohl im ABGB als auch im Bereich des Wohnungseigentums im WEG. § 839 ABGB bestimme, dass die gemeinschaftlichen Nutzungen und Lasten nach dem Verhältnis der Anteile ausgemessen werden. Dies bedeute jedoch, dass bei Unwirksamkeit einer abweichenden Vereinbarung ein rechtsgestaltender Beschluss des Außerstreitrichters auf Verteilung im Gegensatz zur Benützungsregelung weder erforderlich noch vorgesehen sei. Im Falle einer Unwirksamkeit eines einvernehmlichen Aufteilungsschlüssels auch nur für einen Miteigentümer folge im Übrigen zwingend, dass es an der erforderlichen Vereinbarung eines abweichenden Verteilungsschlüssels durch sämtliche Miteigentümer fehle. Im Falle des Fehlens einer derartigen Grundlage für die Vereinbarung gelte der gesetzliche Verteilungsschlüssel. Zutreffend habe im vorliegenden Fall das Erstgericht einen Eintritt der Klägerin in den abweichenden Verteilungsschlüssel verneint. Mangels aufrechter Wirksamkeit dieses abweichenden Verteilungsschlüssels hätten daher die gesetzlichen Verteilungsvorschriften Anwendung zu finden. Im Falle des Bestreitens der Anwendung dieser Verteilungsvorschriften bestehe ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Anwendbarkeit dieses Verteilungsschlüssels. Das Erstgericht habe daher zu Unrecht die Klägerin auf eine vorgängige Rechtsgestaltung durch den Außerstreitrichter verwiesen und die Klage abgewiesen. Das erstgerichtliche Urteil sei daher in Richtung einer Klagsstattgebung abzuändern gewesen.

Auf Antrag der 1., 2. und 7. beklagten Parteien gemäß § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision (doch) zulässig sei, weil die Auslegung der Geschäftsverteilung nicht das Entscheidungsmonopol des Berufungssenates sein könne, dem der konkrete Verstoß vorgeworfen werde.

In ihrer Revision machen die 1., 2. und 7. beklagten Parteien Nichtigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung durch einen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat zurückzuverweisen; hilfsweise wird beantragt, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen oder die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen im Wesentlichen geltend, das Berufungsurteil sei gemäß § 477 Abs 1 Z 2 iVm § 260 Abs 4 ZPO nichtig, weil ein nach der Geschäftsverteilung unzuständiger Berufungssenat entschieden habe; der Senat 40 des Berufungsgerichtes sei für Bestandsachen (Wohnrechtssachen) zuständig, nicht aber für die vorliegende Streitigkeit zwischen schlichten Miteigentümern. Zur Zeit des Eintrittes der klagenden Partei in die Miteigentümergemeinschaft habe eine besondere Verteilungsvereinbarung bestanden; sollte diese der klagenden Partei nicht überbunden worden sein, müsste sie rechtsgestaltend eine Aufhebung oder Änderung der Verteilungsvereinbarung herbeiführen.

Hiezu wurde erwogen:

Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor. Das Verfahren wurde als wohnrechtliche Außerstreitsache begonnen. Für die Prüfung, ob diese Verfahrensart, oder - wie das Erstgericht gemäß § 40a JN entschieden hatte - das streitige Verfahren gelte, war ein wohnrechtlicher Fachsenat des Rechtsmittelgerichtes zuständig. Erst mit der Rechtskraft der Entscheidung dieses Senates stand nämlich die Unzulässigkeit des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens fest. Gegenteiliges behaupten auch die Rechtsmittelwerber nicht. Wurde der Akt in der Folge aber mit einem weiteren Rechtsmittel (Berufung) dem Rechtsmittelgericht vorgelegt, so blieb es nach dessen Geschäftsverteilung (Punkt D 1 VI) bei der Zuständigkeit der bereits tätig gewordenen Senatsabteilung (vgl auch ON 39 verso).

In der Sache selbst ist gemäß § 839 ABGB davon auszugehen, dass bei schlichtem Miteigentum die gemeinschaftlichen Nutzungen und Lasten nach dem Verhältnis der Anteile ausgemessen werden. Diese Bestimmung ist dispositiv (SZ 58/158; RIS Justiz RS0013801; Gamerith in Rummel, ABGB3 § 839 Rz 1). Die Vereinbarung eines vom Gesetz abweichenden Aufteilungsschlüssels ist eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB (MietSlg 31.533; Gamerith § 834 Rz 2). Dies bedeutet nach der Rechtsprechung im Ergebnis, dass Einstimmigkeit oder Genehmigung eines Mehrheitsbeschlusses durch den Außerstreitrichter erforderlich ist (Gamerith § 834 Rz 8 mwN).

Im vorliegenden Fall bestand zunächst Einvernehmen über einen von § 839 ABGB abweichenden Aufteilungsschlüssel. Während eine solche Vereinbarung im Wohnungseigentumsrecht seit dem 3. WÄG auch Einzelrechtsnachfolger bindet (§ 19 Abs 5 WEG 1975, § 32 Abs 7 WEG 2002), existiert eine entsprechende Vorschrift für das schlichte Miteigentum nicht. Hier kann der Einzelrechtsnachfolger den Beitritt zur seinerzeitigen Vereinbarung ablehnen, wenn es - wie im vorliegenden Fall - an einer vertraglichen Überbindungsklausel fehlt; damit kann aber die nötige Übereinstimmung aller Miteigentümer nicht mehr erreicht werden, die Vereinbarung wird hinfällig (vgl zu § 19 Abs 1 Z 2 WEG 1975 idF vor dem 3. WÄG: 5 Ob 73/89 = MietSlg 42/10 = WoBl 1990/64 [Call]; 5 Ob 277/01y = immolex 2002/124). Dies führt dazu, dass die Aufteilung der Nutzungen und Lasten bis auf weiteres nach dem gesetzlichen Aufteilungsschlüssel des § 839 ABGB, also nach Miteigentumsanteilen zu erfolgen hat, wie dies die klagende Partei begehrt.

Das Berufungsgericht hat die Rechtsfrage somit richtig gelöst, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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