JudikaturJustiz5Ob30/16x

5Ob30/16x – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. März 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Fund, *****, vertreten durch Broich Partnerschaft von Rechtsanwälten mbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Univ. Doz. Dr. W*****, vertreten durch Viehböck Breiter Schenk Nau Rechtsanwälte OG in Mödling, 2. Hon. Prof. DDr. H*****, vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. Dr. C*****, vertreten durch Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien und 4. Dipl. Dolmetsch Dr. F*****, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.814.731,50 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2015, GZ 2 R 184/15s 41, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Erstbeklagte, der Zweitbeklagte und als Vorsitzender der Drittbeklagte bildeten ein Schiedsgericht, das in einem vom Kläger eingeleiteten Schiedsverfahren am 20. 12. 2012 die endgültige Schiedsentscheidung fällte. Der Viertbeklagte war vor dem Drittbeklagten Vorsitzender des Schiedsgerichts gewesen. Das Erstgericht hatte ihn über Antrag des Klägers mit Beschluss vom 21. 4. 2011 für befangen erklärt.

Der Kläger klagte auf Aufhebung des Schiedsspruchs vom 20. 12. 2012. Das Aufhebungsverfahren ist noch anhängig.

Im Schiedsrichtervertrag vom 2. 11. 2009 wurde vereinbart, dass Voraussetzung für das Einbringen von Schadenersatzklagen gegen die Schiedsrichter a) die Aufhebung des Schiedsspruchs gemäß § 611 ZPO sei, und b) der Schiedsrichter mit grober Fahrlässigkeit („as defined in Austrian Supreme Court decisions“) gehandelt haben müsse. Die Schiedsparteien sowie Erst , Zweit und Viertbeklagter unterfertigten diesen Schiedsrichtervertrag.

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit Sitz im Ausland, begehrt Schadenersatz in Form von frustrierten Aufwendungen für das fruchtlose Schiedsverfahren (Anwaltskosten, Kostenvorschuss, Schiedsrichterhonorar und Gutachterkosten) sowie die Feststellung der Haftung der Schiedsrichter für künftige Schäden. Sie wirft den Schiedsrichtern eine vorsätzliche Manipulation des Verfahrens zu ihren Lasten vor. Obwohl sie bereits im Jänner 2012 ihre Schiedsklage nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Maximaldauer („Fast Track Schiedsverfahren“) wegen der befangenen Verfahrensführung und der Verstöße gegen den ordre public zurückgezogen habe, sei das Schiedsverfahren unter dem neuen Vorsitzenden fortgesetzt und trotz offensichtlicher und gegen den ordre public verstoßender Verfahrensmängel mit dem endgültigen Schiedsspruch vom 20. 12. 2012 beendet worden.

Die Beklagten wendeten soweit noch relevant ein, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als auch nach dem Schiedsrichtervertrag die erfolgreiche Anfechtung des Schiedsspruchs Voraussetzung für die vorliegende Schadenersatzklage sei.

Die Vorinstanzen das Erstgericht nach unbekämpft gebliebener Zurückweisung der in Ansehung des Viertbeklagten erhobenen Einrede der Streitanhängigkeit bzw entschiedener Rechtssache wiesen das Klagebegehren ab. Ein Schiedsrichter hafte jedenfalls erst nach erfolgreicher Anfechtung des Schiedsspruchs.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Die zivilgerichtliche Verfolgung von Schadenersatzansprüchen gegen die Schiedsrichter wird im Schiedsrichtervertrag erst nach Aufhebung des Schiedsspruchs iSd § 611 ZPO zugelassen. Die Haftung der Schiedsrichter setzt zudem grobe Fahrlässigkeit voraus.

2. Die Klägerin sieht diese Einschränkung als sittenwidrig. Sie beruft sich dabei auf jene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die den Ausschluss einer Haftung für eine hier vorgeworfene vorsätzliche Schädigung nicht zulässt (RIS Justiz RS0016582; RS0038178). Nach der vertraglichen Regelung haften die Schiedsrichter aber gerade nur bei leichter Fahrlässigkeit nicht, in den Fällen groben Verschuldens (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit: § 1304 ABGB) hingegen sehr wohl. Diese Haftung kann jedoch nur nach erfolgreicher Anfechtung des Schiedsspruchs gerichtlich geltend gemacht werden.

3. Nach der bereits vom Berufungsgericht dargestellten herrschenden Meinung in Österreich kann ein Schiedsrichter nur nach erfolgreicher Anfechtung des Schiedsspruchs iSd § 611 ZPO idF des Schiedsrechts Änderungsgesetzes 2006, BGBl I 2006/7 (zuvor § 595 ZPO) wegen seiner schiedsrichterlichen Tätigkeit schadenersatzrechtlich in Anspruch genommen werden (9 Ob 126/04a; RIS Justiz RS0119996; Petsche , Rechtsprechungsübersicht Schiedsgerichtsbarkeit, ecolex 2006, 33; Völkl/Perner , Die Haftung von Schiedsrichtern und Mediatoren, NZ 2006/24; Rechberger/Klicka , Aktuelle Fragen der Schiedsrichterhaftung im Österreichischen Recht, ÖJZ 2015/56; Krejci , Zur Schiedsrichterhaftung, ÖJZ 2007/9, 92 ff; Hausmaninger in Fasching / Konecny 2 , § 594 ZPO Rz 124; Weißmann , Drei Fragen zur Reform der Schiedsgerichtsbarkeit: Schiedsrichterqualifikation, Gültigkeit des Schiedsrichtervertrags, Schiedsrichterhaftung, FS Welser [2004] 1149 [1160]; Fasching , Schiedsgericht und Schiedsverfahren im österreichischen und im internationalen Recht, 73), sofern kein Haftungsfall der Verweigerung oder Verzögerung eines Schiedsspruchs (§ 594 Abs 4 ZPO idgF; § 584 Abs 2 ZPO aF) vorliegt.

4. Die Verknüpfung von gerichtlich durchsetzbarer Haftung und Aufhebung des Schiedsspruchs im Schiedsrichtervertrag entspricht der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zum Haftungsprivileg von Schiedsrichtern, welche in der Lehre überwiegend auf Zustimmung gestoßen ist. Sie ist aus diesem Grund nicht sittenwidrig iSd § 879 ABGB ( Krejci aaO 95; Hausmaninger aaO Rz 128).

5. Die Klägerin will dieses vertraglich festgelegte Haftungsprivileg auf vorsätzliche Schädigung nicht angewendet wissen (idS Reiner , Schiedsrichterhaftung im Österreichischem Recht, FS Koziol [2010] 1288; vgl Gal , Die Haftung des Schiedsrichters in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit [2009], 238). Sie begründet allerdings die schadenersatzrechtliche Haftung der Schiedsrichter mit jenen Vorwürfen, die sie in ihrer Anfechtungsklage erhoben hat, nämlich vorsätzlich parteilicher und ordre public widriger Verfahrensführung iSd § 611 Abs 2 Z 5 ZPO.

6. Es ist ein sinnvolles Ergebnis einer Vertragsauslegung, die schadenersatzrechtliche Haftung des Schiedsrichters im Schiedsrichtervertrag gerade in solchen Fällen, in denen die angeblich vorsätzliche, dem Schiedsspruch vorangehende Pflichtverletzung von Schiedsrichtern unter einen Anfechtungstatbestand des § 611 Abs 2 ZPO fällt und auch als solcher geltend gemacht wird, mit der Aufhebung des Schiedsspruchs zu verknüpfen: Dadurch wird die Zweigleisigkeit von Schadenersatz und Anfechtungsverfahren mit im Kern identischem Sachverhaltsvorbringen vermieden.

7. Die vertragliche Regelung erfasst demnach nicht nur einen Schaden, der im Schiedsspruch selbst, also dem ungünstigen Ausgang des Schiedsverfahrens für eine Schiedspartei liegt. Ihre Wirkung ist auf die vorangegangene, sich nach dem Vorbringen der Klägerin auf den Schiedsspruch auswirkende Tätigkeit aller Schiedsrichter, einschließlich des für befangen erklärten Viertbeklagten, zu erstrecken. Die Klägerin nimmt in diesem Verfahren den ausgeschiedenen Schiedsrichter auch nur für jene Schäden in Anspruch, die durch die Fortwirkung seiner Tätigkeit entstanden sein sollen. Jene Schäden, die aus seinen Handlungen oder Unterlassungen bis zu seiner Abberufung resultieren, hat sie hingegen separat (erfolglos: 4 Ob 197/13y) eingeklagt.

8. Der Drittbeklagte, der anstatt des ausgeschiedenen Viertbeklagten zum Vorsitzenden des Schiedsgerichts bestellt wurde, unterzeichnete den Schiedsrichtervertrag nicht. Die Klägerin bezweifelt aus diesem Grund die Wirksamkeit der vertraglichen Haftungsbeschränkung gegenüber dem neuen Vorsitzenden. Mit diesem existiert ihrer nicht näher begründeten Meinung nach kein Schiedsrichtervertrag. Es muss aber nur der Schiedsvertrag selbst schriftlich errichtet und von den Schiedsparteien unterfertigt werden (§ 583 Abs 1 ZPO; 8 Ob 4/08h mwN). Dieses Formerfordernis gilt nicht für den Schiedsrichtervertrag, der auch formfrei oder sogar konkludent geschlossen werden kann (5 Ob 633/81 = RIS Justiz RS0045403). Der Schiedsrichtervertrag mit einem Schiedsrichter kommt mit dessen Bestellung durch die dazu berufene Stelle und der Übernahme der schiedsrichterlichen Funktion zustande (RIS Justiz RS0110029). Eine Privilegierung des neuen Vorsitzenden, dessen Bestellung nur aufgrund der Befangenheit seines Vorgängers notwendig war, sowohl seinem Vorgänger als auch den verbliebenen Mitgliedern des Schiedsgerichts gegenüber wäre nicht im Sinn vernünftiger und redlicher Parteien eines Schiedsrichtervertrags gewesen. Es ist ein sinnvolles Ergebnis einer Vertragsauslegung, dass die vertragliche Haftungsregelung auch im Verhältnis zum Drittbeklagten wirkt, der anstelle des Viertbeklagten in den Schiedsrichtervertrag eingetreten ist.

9. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).