JudikaturJustiz5Ob204/23w

5Ob204/23w – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch Dr. Alois Zehetner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Mag. Christian Kies, Rechtsanwalt in Scheibbs, wegen 70.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Oktober 2023, GZ 11 R 229/23m-96, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Der Antrag, der außerordentlichen Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird zurückgewiesen.

III. Die in der außerordentlichen Revision erklärte Streitverkündung wird an das Erstgericht überwiesen.

IV. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird an das Erstgericht überwiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen die auf Schadenersatz sowie Feststellung der Haftung des Beklagten für noch nicht bestimmbare Schäden gerichteten Klagebegehren ab. Der Kläger sei nach seinem eigenen Vorbringen spätestens am 1. Dezember 2017 in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände gewesen und sämtliche Ansprüche seien daher bei Einbringung der Klage (am 21. Oktober 2021) bereits verjährt gewesen.

Rechtliche Beurteilung

[2] I. Die dagegen vom Kläger erhobene außerordentliche Revision zeigt keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.

[3] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung unterbrechen gerichtliche Schritte, die die Geltendmachung eines Rechts bloß vorbereiten, die Verjährung nicht, weshalb grundsätzlich auch ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe dafür nicht ausreicht (vgl RIS Justiz RS0034826; RS0034588; RS0034875 [T1]). Einem auf Beistellung eines Rechtsanwalts zwecks Klageführung gerichteten Verfahrenshilfeantrag kommt aber verjährungsunterbrechende Wirkung zu, wenn er den anspruchserzeugenden Sachverhalt sowie das Begehren der beabsichtigten Klage bereits deutlich erkennen lässt, die Verfahrenshilfe bewilligt und danach die Klage unverzüglich eingebracht wird (8 Ob 65/20x mwN). Für die Wertung eines Verfahrenshilfeantrags als Klageschrift reicht es nicht, dass der Antrag den Klagesachverhalt und das Klagebegehren erkennen lässt, sondern es muss dem Verfahrenshilfeantrag auch ein auf Einleitung eines Zivilprozesses und Sachentscheidung über einen Urteilsantrag gerichtetes Rechtsschutzziel zu entnehmen sein (8 Ob 65/20x = RS0034875 [T6]).

[4] 1.2 Der Kläger wendet sich einerseits gegen die Beurteilung seines Verfahrenshilfeantrags vom 10. September 2020 als nicht hinreichend konkret. Dazu vermag er allerdings nicht aufzuzeigen, dass sein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe – wie er lediglich behauptet – bereits ein Klagebegehren oder „konkretes Rechtsschutzziel“ enthalten hätte. Das Berufungsgericht hat in seiner Beurteilung den ihm eingeräumten Ermessensspielraum nicht überschritten: Der Verfahrenshilfeantrag war zunächst nur auf die Erhebung einer Klage wegen „Feststellung – Klage Schaden – Haftung diverser Verfahren ua“ gerichtet. Nach Aufforderung (Verbesserungsauftrag) klarzustellen, welche konkreten Ansprüche geltend gemacht werden sollen, wies der Kläger im Wesentlichen nur darauf hin, dass die Höhe des Schadens „derzeit nicht bezifferbar oder eruierbar“ sei. Das Erstgericht wies schließlich den Verfahrenshilfeantrag ab und das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist die Beurteilung, nach der dieser Verfahrenshilfeantrag die Verjährungsfrist nicht unterbrochen habe, nicht korrekturbedürftig.

[5] 1.3 Der Kläger beanstandet außerdem, dass er im – bereits rechtskräftig beendeten – Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht auf die fehlende Unterbrechungswirkung seines Antrags für die Verjährung hingewiesen worden sei. Abgesehen davon, dass – wie erwähnt – im Verfahren über die vom Kläger beantragte Bewilligung der Verfahrenshilfe trotz Verbesserungsauftrags seine Ansprüche nicht hinreichend konkretisiert wurden, lässt sich aus einem – nur behaupteten – Verfahrensmangel für die hier zu beurteilende Entscheidung über die Verjährung kein Argument gewinnen.

[6] 1.4 Soweit sich der Kläger – wie bereits in seiner Berufung – dagegen wendet, dass das Erstgericht keine Beweisaufnahmen durchführte, sondern seine Entscheidung aufgrund des von den Parteien erstatteten Vorbringens traf, ist er darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Verfahrensmängel, die das Berufungsgericht verneinte, in der Revision nicht geltend gemacht werden können (RS0042963; RS0106371).

II. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

[7] 2.1 Der Kläger beantragt, seiner außerordentlichen Revision aufschiebende Wirkung „gegen eine seitens des Beklagten beabsichtigte, hypothetische Exekutionsführung“ zuzuerkennen. Er beantrage „schon jetzt die Aufschiebung der Exekution unter Hinweis auf die Bestimmung des § 42 Abs 1 Z 2a EO“; der Aufschiebungsgrund sei „vollinhaltlich erfüllt“, weil die Entscheidung über die außerordentliche Revision abzuwarten sei.

[8] 2.2 Eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für eine außerordentliche Revision sieht die Zivilprozessordnung nicht vor, weshalb schon aus diesem Grund der darauf gerichtete Antrag des Klägers zurückzuweisen ist (3 Ob 181/20v; 6 Ob 220/19z).

III. Zur Streitverkündung:

[9] 3.1 Der Kläger verkündet außerdem in seiner außerordentlichen Revision der Republik Österreich den Streit und fordert sie auf, dem Verfahren als Nebenintervenientin auf seiner Seite beizutreten.

[10] 3.2 Für die Streitverkündung ist der Oberste Gerichtshof funktionell nicht zuständig (vgl 3 Ob 114/23w mwN). Angemerkt wird jedoch, dass ein Beitritt als Nebenintervenient im Revisionsverfahren nach der Rechtsprechung nicht zulässig ist (3 Ob 45/11f).

IV. Zum Verfahrenshilfeantrag:

[11] 4. Nach § 65 Abs 2 ZPO hat das Prozessgericht erster Instanz über einen Verfahrenshilfeantrag zu entscheiden, auch wenn sich die Notwendigkeit hierzu erst im Verfahren von einer höheren Instanz ergibt (4 Ob 132/11g). Ein an ein unzuständiges Gericht – auch an den Obersten Gerichtshof – gerichteter Verfahrenshilfeantrag ist in sinngemäßer Anwendung des § 44 JN dem zuständigen Gericht zu übermitteln (RS0131152).