JudikaturJustiz5Ob20/00b

5Ob20/00b – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger, Baumann Partner, Rechtsanwälte, 4020 Linz, Europaplatz 7, sowie Dr. Markus Andreewitch und Dr. A. Nicholas Simon, Rechtsanwälte, 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen die beklagte Partei (zugleich Gegnerin der gefährdeten Partei) C***** GmbH, *****, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon Partner, Rechtsanwälte, 1060 Wien, Am Getreidemarkt 1, wegen Herausgabe und Feststellung (Streitwert S 500.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 7. Dezember 1999, GZ 4 R 245/99y-11, womit deren Rekurs gegen die einstweilige Verfügung des Landes- als Handelsgerichtes Linz vom 22. Oktober 1999, GZ 5 Cg 224/99g-5, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den Rekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung des Landes- als Handelsgerichtes Linz vom 22. 10. 1999, 5 Cg 224/99g-5, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind als weitere Kosten des Provisorialverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Mit der im Kopf dieser Entscheidung angeführten einstweiligen Verfügung wurde der Gegnerin der gefährdeten Partei nach vorheriger Anhörung aufgetragen, der gefährdeten Partei binnen zwei Tagen Passwörter für diverse Software-Produkte zur Verfügung zu stellen. Die Anordnung sollte bis zur rechtskräftigen Erledigung des Hauptverfahrens gelten, in dem es - vor dem Hintergrund eines Lizenzstreites - im Wesentlichen ebenfalls um die Bereitstellung der Passwörter zur Gewährleistung eines störungsfreien EDV-Betriebs für Bankgeschäfte geht.

Den von der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen diese einstweilige Verfügung erhobenen Rekurs hat die zweite Instanz mit der Begründung zurückgewiesen, der Rechtsmittelwerberin fehle die Beschwer. Sie bezog sich dabei auf ein Vorbringen in der Rekursbeantwortung der gefährdeten Partei, wonach ihre Gegnerin "... dem gerichtlichen EV-Gebot vom 22. 10. 1999 durch Zurverfügungstellung neuer Passwörter entsprochen" habe. Damit sei die mit dem Sicherungsantrag angestrebte Leistung bewirkt und der Sicherungszweck erreicht worden; es fehle der Gegnerin der gefährdeten Partei das auch noch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung erforderliche Anfechtungsinteresse. Da dies dem Standpunkt der einhelligen Judikatur entspreche, wurde überdies ausgesprochen, dass - bei einem festgestellten Wert des Entscheidungsgegenstandes von mehr als S 260.000 - der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung macht die Gegnerin der gefährdeten Partei geltend, die Annahme, die Erfüllung eines gerichtlichen Leistungsbefehls beseitige das Rechtsschutzinteresse an dessen Anfechtung, widerspreche der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, so etwa den Entscheidungen 2 Ob 560, 561/80 (EvBl 1981/101) und 4 Ob 527/89 (ZVR 1989/140). Zur Anfechtung einstweiliger Verfügungen werde - ebenfalls im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Rekursgerichtes - judiziert, dass ein Anfechtungsinteresse jedenfalls bis zur Abklärung allfälliger Schadenersatzansprüche nach § 394 EO (2 Ob 547/95 = JBl 1996, 599) bzw bis zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach § 399 EO (1 Ob 2334/96h = JBl 1997, 467) fortbestehe. Damit erweise sich der Revisionsrekurs als zulässig; in der Sache werde beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die meritorische Erledigung des gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rekurses aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht bei der Verneinung des Rechtsschutzinteresses der Gegnerin der gefährdeten Partei zur Anfechtung der einstweiligen Verfügung die Rechtslage verkannte. Es kann über ihn auch gleich entschieden werden, weil die in § 402 Abs 1 EO angeordnete Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens nicht gilt, wenn lediglich über die Richtigkeit einer zweitinstanzlichen Formalentscheidung und nicht unmittelbar über den Gegenstand des Provisorialverfahrens abzusprechen ist (JBl 1997, 467 mwN).

Die Berechtigung des Revisionsrekurses ergibt sich aus Folgendem:

Zutreffend weist die Revisionsrekurswerberin darauf hin, dass die Beschwer desjenigen, der einen gerichtlichen Leistungsbefehl bekämpft, nicht dadurch wegfällt, dass er vor oder während des Rechtsmittelverfahrens die ihm auferlegte Leistung erbringt (vgl RIS-Justiz RS0000723; zuletzt 2 Ob 6/98s). Geht es um die Befolgung einer einstweiligen Verfügung, ist dieser Grundsatz schon damit zu rechtfertigen, dass ein solcher Beschluss gemäß § 402 Abs 4 iVm § 67 Abs 1 EO schon vor seiner Rechtskraft - abgesehen vom Fall der Zuerkennung aufschiebender Wirkung gemäß § 524 Abs 2 ZPO sogar bei Erhebung eines Rekurses - in Vollzug gesetzt werden könnte (3 Ob 94, 95/91 mwN). Im idealtypischen Fall der sofortigen Erfüllung eines einstweiligen Gebots wäre demnach dem Gegner der gefährdeten Partei jegliche Anfechtungsmöglichkeit genommen, würde man ihm allein schon deswegen die Beschwer aberkennen. Die Judikatur hält denn auch an der Anfechtbarkeit zeitlich überholter einstweiliger Verfügungen bis zu deren Aufhebung nach § 399 EO fest (JBl 1997, 467).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 52 ZPO.