JudikaturJustiz5Ob103/14d

5Ob103/14d – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Dr. O***** *****, vertreten durch Mag. Jürgen Spindlböck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin R***** F*****, vertreten durch Lansky, Ganzger + Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen §§ 3, 6 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. September 2013, GZ 40 R 54/13g 13, mit dem über Rekurs des Antragstellers der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 15. Jänner 2013, GZ 8 Msch 1/13g 2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang der Zurückweisung ersatzlos behoben und dem Erstgericht die Einleitung des Verfahrens über den gesamten Sachantrag unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit seinem unmittelbar ohne Vorschaltung der Schlichtungsstelle - bei Gericht eingebrachten Antrag begehrte der Antragsteller, soweit für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung, die Erlassung eines Sachbeschlusses (im Antragsschriftsatz als „Endbeschluss“ bezeichnet), mit dem der Antragsgegnerin die Durchführung von Erhaltungs und Verbesserungsarbeiten aufgetragen werden möge, und zwar

- die Warm und Kaltwasserleitungen, welche zu den Wohnungen Nr 5 [gemeint wohl: und Nr 4] führen, im gesamten Haus zu erneuern;

- den Verputz im Badezimmer und Vorraum und der Küche der Wohnung Nr 5 und im Bereich des Wohnzimmers Nr 4 abzuschlagen, weitere Schimmelspuren und Feuchtigkeiten zu entfernen sowie Verputz, Fliesen, Tapeten und Malerei im Badezimmer und Vorraum der Wohnung Nr 5 und im Wohnzimmer der Wohnung Nr 4 zu erneuern.

Zur Begründung führte er zusammengefasst aus, die Antragsgegnerin habe die Steigleitung für die Wasserführung unter Berufung darauf abgesperrt, dass in dem über der Wohnung Nr 5 gelegenen Objekt ein Wasserschaden aufgetreten sei und die gesamte Steigleitung aufgrund von Altersschwäche getauscht gehöre. Wegen des Wasserschadens im Jahr 2012 sei es zur Durchfeuchtung der Decke und Schimmelbildung gekommen. Zu 8 C 850/12g des Erstgerichts sei ein Verfahren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich der Reparatur der Wasserleitung bzw Wasserzufuhr anhängig, weswegen die unmittelbare Zuständigkeit des Gerichts gegeben sei.

Das Erstgericht wies den Antrag zur Gänze wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs zurück.

Über Rekurs des Antragstellers änderte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es den Antrag, der Antragsgegnerin mögen die im Einzelnen genannten Erhaltungsarbeiten zur Entfernung von Schimmel- und Feuchtigkeitsspuren aufgetragen werde, zurückwies (und insoweit die Entscheidung des Erstgericht bestätigte). Im Umfang der vom Antragsteller begehrten Erneuerung der Warm- und Kaltwasserleitungen, welche zu den Wohnungen führten, hob es den Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts hingegen auf und trug diesem die Einleitung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Zum Zeitpunkt der Anbringung des außerstreitigen Antrags sei das Verfahren über die einstweilige Verfügung wegen der Reparatur der Wasserleitungen und der Wasserzufuhr im gegenständlichen Haus und des Bezugs von Kalt- und Warmwasser für den Antragsteller noch anhängig gewesen. Nach § 37 Abs 3 Z 20 MRG sei damit insoweit die Zuständigkeit des Gerichts direkt ohne Anrufung der Schlichtungsstelle gegeben. Darüber hinaus könne sich der Antragsteller auf diese Zuständigkeitsnorm nicht berufen.

Über Zulassungsvorstellung des Antragstellers gemäß § 63 AußStrG erklärte das Rekursgericht den Revisionsrekurs für zulässig, weil nach Ansicht des Antragstellers der mittels einstweiliger Verfügung erhobene Anspruch auf Erneuerung der Wasserleitungen im Zusammenhang mit den im Antrag begehrten Verbesserungen hinsichtlich des Schimmelbefalls stünde, und ein derartiger Zusammenhang aus dem unmittelbar bei Gericht gestellten Sachantrag durchaus ableitbar sei.

Der Antragsteller beantragt in seinem Revisionsrekurs, die Entscheidung des Rekursgerichts im Umfang der Zurückweisung zu beheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über seinen Antrag auch insoweit aufzutragen.

Die Antragsgegnerin begehrt, das Rechtsmittel des Antragstellers wegen Unzulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs zurückzuweisen; in eventu, diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, weil dem Rekursgericht eine zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist; er ist auch berechtigt.

Im Hinblick auf die Beteiligung eines ausländischen Staats ist einleitend voranzustellen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Rechtsstreitigkeit aus einem Privatrechtsverhältnis handelt, die der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen ist (RIS Justiz RS0045581).

1. Die Vorschaltung der Schlichtungsstellen vor Befassung der Gerichte in außerstreitigen Mietrechtssachen gemäß § 39 MRG stellt eine zwingende Verfahrensvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren bei sonstiger Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges dar (RIS Justiz RS0070782; RS0116912). Eine Ausnahme besteht nach § 37 Abs 3 Z 20 MRG, wenn ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bei Gericht gestellt wird. Ab diesem Zeitpunkt kann ein Verfahren vor der Gemeinde gemäß § 39 nicht mehr anhängig gemacht werden. Der Antrag in der Hauptsache ist dann unmittelbar bei Gericht einzubringen (vgl RIS Justiz RS0117374).

2. Der Umfang der (unmittelbaren) gerichtlichen Zuständigkeit richtet sich in einem solchen Fall nach dem zu sichernden Anspruch (5 Ob 240/02h SZ 2002/136 = RIS Justiz RS0117376). Wurde bereits ein Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung bei Gericht eingeleitet, kommt es für die (unmittelbare) Zulässigkeit des gerichtlichen Verfahrens entscheidend darauf an, dass vor Gericht derselbe Anspruch geltend gemacht wird. Zur Klärung der Frage, ob derselbe Anspruch vorliegt, ist auf die Rechtsprechung zu

m Verfahren über die „Sache“ im Sinne der §§ 39 und 40 MRG abzustellen und der herrschende zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff heranzuziehen (vgl dazu RIS-Justiz RS0070055 [T4, T5]; RS0

109931 [T1]; vgl auch M. Mohr in Hausmann / Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 39 MRG Rz 9).

3. Der Antragsteller hat seinen Sachantrag gemäß §§ 3 und 6 MRG zu einem Zeitpunkt bei Gericht angebracht, als das von ihm mit Bezug auf dieselben Bestandobjekte eingeleitete Sicherungsverfahren noch (schon: 6. 9. 2012) anhängig war. Gegenstand der beantragten einstweiligen Verfügung war nach dem anspruchsbegründenden Sachverhalt (ON 1 in 8 C 850/12g des Erstgerichts) die Durchführung von Reparaturarbeiten an den Wasserleitungen des Hauses zur Sicherung der Zuleitung von Wasser in die Bestandobjekte des Antragstellers. Was die nunmehr im

Sachantrag gemäß § 6 MRG genannten Arbeiten anlangt, hat bereits das Rekursgericht darauf verwiesen, dass sie, soweit die Reparatur der Wasserleitungen angesprochen ist, bereits Gegenstand des Sicherungsantrags waren, und daraus zutreffend die unmittelbare gerichtliche Zuständigkeit abgeleitet.

4. W enn ein innerer Zusammenhang mehrerer ins außerstreitige Verfahren verwiesener Begehren besteht, erübrigt sich in bereits gerichtsanhängigen Verfahren die Anrufung der Schlichtungsstelle. Ein solcher Zusammenhang mehrerer Begehren liegt vor, wenn sie der Gesetzgeber gemeinsam in eines der Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG verweist oder die Verbindung verschiedener Verfahren anordnet (RIS Justiz RS0116942).

In solchen Fällen erübrigt sich die Anrufung der Schlichtungsstelle, weil gemäß § 39 Abs 1 MRG in Gemeinden, die eine Schlichtungsstelle haben, die „Sache“ vorher bei der Schlichtungsstelle anhängig gemacht werden muss und nicht jeder einzelne der „Sache“ zuzuordnende Antrag (5 Ob 144/02h). Bei Angelegenheiten, die verschiedenen Tatbeständen des § 37 Abs 1 MRG zuzuordnen sind, handelt es sich demgegenüber um verschiedene Sachen, für die jeweils die zwingende Verfahrensvoraussetzung des § 39 MRG uneingeschränkt gilt (5 Ob 73/11p; Klicka in Hausmann / Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 39 Rz 7a).

5.

Der Antragsteller stützt die in seinem Sachantrag gemäß § 6 Abs 1 MRG genannten Arbeiten auf den einheitlichen Kompetenztatbestand des § 37 Abs 1 Z 2 MRG. Auch die Arbeiten im Inneren der Wohnung stehen nach dem anspruchsbegründenden Sachverhalt im Zusammenhang mit der Reparaturbedürftigkeit der Wasserleitungen. Damit kann entgegen der Ansicht des Rekursgerichts nicht mehr von einem Vorliegen verschiedener Anträge, die in keinem inneren Zusammenhang stünden, ausgegangen werden. Da das Verfahren auf Erlassung der einstweiligen Verfügung die Gerichtsanhängigkeit eines (wesentlichen und untrennbaren) Teils der im Sachantrag genannten Arbeiten bewirkte, erübrigte sich auch hinsichtlich des darüber hinausgehenden Begehrens die Anrufung der Schlichtungsstelle.

6. Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung geltend macht, das gegenständliche Bestandverhältnis würde nicht in den Vollanwendungsbereich des MRG fallen, weil das Gebäude im Jahr 1969 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Förderungsmittel errichtet worden sei, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot, das auch im besonderen Außerstreitverfahren nach § 37 MRG gilt (RIS Justiz RS0070485).

7. Damit ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben und dem Erstgericht die Einleitung des Verfahrens über den Sachantrag im gesamten Umfang aufzutragen.

8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.

Rechtssätze
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