JudikaturJustiz4Ob279/04i

4Ob279/04i – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Februar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Mag. Thomas Schweiger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. D***** Gesellschaft mbH, 2. D***** GmbH Co KG, beide *****, beide vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, wegen 22.652,15 EUR sA, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 12. Oktober 2004, GZ 6 R 105/04k 17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 16. März 2004, GZ 1 Cg 131/03i 13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin, ein Dachdeckerunternehmen, kaufte im Rahmen einer länger bestehenden Geschäftsbeziehung bei der Zweitbeklagten (deren persönlich haftende Gesellschafterin die Erstbeklagte ist) Profilbahnen des Materials Uginox. Die bestellten Materialien wurden der Klägerin im Sommer 1999 geliefert und von dieser bei einem ihrer Kunden verlegt.

Nicht mehr strittig ist, dass auf diesen Geschäftsfall die allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Zweitbeklagten (in der Folge: AGB) anzuwenden sind, die auszugsweise wie folgt lauten:

11. Schadenersatz

11.1. Schadenersatzansprüche etwa wegen Lieferverzug, Vertragsrücktritt, mangelhafter Lieferung sowie aus welchen Gründen auch immer, insbesondere auch im Zusammenhang mit Bestimmungen der Produkthaftung, können gegen uns nur geltend gemacht werden, wenn wir grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz zu verantworten haben. Ebenso sind sonstige Schadenersatzansprüche, insbesondere auch solche wegen positiver Vertragsverletzung oder wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss ausgeschlossen, es sei denn, dass wir Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu vertreten haben.

11.2. Schadenersatzansprüche umfassen in jedem Fall nur die reine Schadensbehebung, nicht aber auch Folgeschäden und entgangenen Gewinn. Sie verjähren - sofern nicht früher eine Verjährung eintritt - spätestens drei Jahre nach erfolgter Lieferung.

Die Klägerin führte gegen jenen Kunden, bei dem sie die bei der Zweitbeklagten gekauften Profilbahnen verlegt hat, einen Werklohnprozess beim deutschen Landgericht Kempten, in dem sie zum Teil unterlag. Im Endurteil des Landgerichts vom 8. 11. 2002 wurde unter anderem festgestellt, dass aufgrund des engen Biegeradius (bombiertes Dach) bei der Montage (beim Begehen) Knicke entstehen mussten und diese zwangsläufig zu Rissen führten, was die Undichtheit des Daches zur Folge hatte. Der Klägerin ist jedenfalls seit 9. 10. 2001 bekannt, dass Sachverständige den engen Krümmungsradius des bombierten Daches für Rissbildungen bei Verwendung des Materials Uginox verantwortlich machen. Die Klägerin hat der Zweitbeklagten als ihrer Lieferantin im Verfahren vor dem Landgericht mit Schriftsatz vom 26. 11. 2001 den Streit verkündet und sie aufgefordert, dem Rechtsstreit auf ihrer Seite beizutreten; die Zweitbeklagte ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 26. 11. 2003 überreichten Klage Schadenersatz und/oder Regress in Höhe der im Endurteil des Landgerichts Kempten festgestellten Mängelbehebungskosten von 22.652,15 EUR sA. Die von der Zweitbeklagten gelieferten Profiltafeln seien für die vorgesehene Verwendung nicht geeignet gewesen, weil es aufgrund des engen Biegeradius bei der Montage zu Knicken und in der Folge zu Rissen und zur Undichtheit des Daches gekommen sei. Die mangelnde Eignung stehe aufgrund des im Verfahren vor dem Landgericht Kempten ergangenen Urteils fest. Die Klägerin habe das gekaufte Material ordnungsgemäß verlegt. Sie habe der Zweitbeklagten vor Vertragsabschluss Pläne zur Verfügung gestellt und sie von der geplanten Verwendung der Profilbahnen in Kenntnis gesetzt: dennoch habe die Zweitbeklagte sie nicht über die mangelnde Eignung des Materials für den beabsichtigten Verwendungszweck aufgeklärt. Wäre eine Aufklärung erfolgt, hätte die Klägerin ihren Auftraggeber warnen und dessen Entscheidung abwarten können. Die Zweitbeklagte habe die Warnpflicht zumindest grob fahrlässig verletzt, weil sie gewusst habe, dass das Material für den vorgesehenen Biegeradius nicht verwendbar sei. Die Bestimmungen der AGB über den Schadenersatzausschluss sowie die Verjährung seien sittenwidrig und gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Der Klägerin seien die den Lauf der Verjährungsfrist auslösenden Umstände erst aufgrund des im Verfahren vor dem Landgericht Kempten eingeholten Sachverständigengutachtens bekannt geworden. Der in den AGB der Zweitbeklagten enthaltene Ausschluss von Schadenersatzansprüchen beziehe sich nur auf direkte Schadenersatzansprüche, nicht jedoch auf Regressansprüche. Die von ihr erhobene Regressforderung sei erst mit der tatsächlichen Feststellung ihres Schadens entstanden und noch nicht verjährt.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die Zweitbeklagte habe mangelfreie Profilbahnen geliefert, die auch bei einem Biegeradius unter 20 m zu verwenden seien. Bei ordnungsgemäßer Montage wären keine Materialrisse aufgetreten. Die Klägerin habe bereits in ihrer im Verfahren vor dem Landgericht Kempten am 22. 9. 1999 erstatteten Klagebeantwortung auf in den Profilbahnen aufgetretene Risse hingewiesen. Dass die Klägerin dennoch keine Mängelrüge erhoben habe, obwohl sie jedenfalls ab diesem Zeitpunkt hiezu verpflichtet gewesen wäre, schließe Schadenersatzansprüche aus. Die Beklagten hätten ihre Warnpflicht nicht verletzt. Sie seien mit der Planung, Produktauswahl und Verlegung des bestellungsgemäß gelieferten Produkts nicht befasst gewesen. Die Klägerin habe ihre Kaufentscheidung selbst getroffen. Die Verlegungsart sei den Beklagten nicht bekannt gewesen. Die Klägerin betreibe ein Dachdeckerunternehmen und sei zur Prüfung der Gebrauchstauglichkeit der von ihr bestellten Elemente verpflichtet und hiezu auch in der Lage gewesen. Der Anspruch sei im Hinblick auf Punkt 11.2 der AGB (Liefertermin Frühjahr 1999) verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Vereinbarung des Beginns der (dreijährigen) Verjährungsfrist mit Lieferung benachteilige die Klägerin nicht gröblich. Die Verjährung sei neben dem Schuldnerschutz auch durch öffentliche Interessen geprägt. § 1502 ABGB setze der privatautonomen Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsparteien insofern Grenzen, als auf die Einrede der Verjährung weder im Voraus verzichtet, noch eine längere als die jeweils gesetzlich bestimmte Verjährungsfrist vereinbart werden könne. Die Klägerin habe spätestens im Oktober 2001 von der behaupteten Schadensursache gewusst; zu diesem Zeitpunkt wäre es ihr möglich gewesen, einer drohenden Verjährung durch Klage entgegenzuwirken.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Nichtigkeit einer in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Bestimmung, wonach die Verjährungsfrist mit der Lieferung zu laufen beginne, fehle. Punkt 11 der AGB gelte auch für Schadenersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss. Die darin enthaltene Vereinbarung, wonach der Lauf der Verjährungsfrist mit Lieferung in Gang gesetzt werde, sei gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und verschlechtere - gemessen am dispositiven Recht und an der Rechtsprechung, wonach die Verjährung von Ersatzansprüchen nicht vor dem tatsächlichen Eintritt eines Schadens in Gang gesetzt werde - die Rechtsposition des Käufers ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung. Die Bestimmung könne insbesondere auch dazu führen, dass die Geltendmachung eines Schadens unmöglich sei, falls dieser erst später als drei Jahre nach Lieferung eintrete. Ohne Bedeutung sei, dass der Klägerin die Einbringung einer Klage spätestens im Oktober 2001 möglich gewesen wäre, weil die Angemessenheitskontrolle auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen habe. Selbst wenn man die Auffassung verträte, im Rahmen einer geltungserhaltenden Reduktion von Punkt 11.2. 2. Satz AGB wäre für das Einsetzen des Laufes der Verjährungsfrist auf die sichere Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts abzustellen, so wäre der behauptete Schadenersatzanspruch nicht verjährt, stehe doch fest, dass der Klägerin erst seit 9. 10. 2001 bekannt sei, dass Sachverständige den engen Krümmungsradius des bombierten Daches für die Rissbildungen verantwortlich machten. Soweit die Klägerin einen Regressanspruch geltend mache - was nach dem bisherigen Vorbringen noch unklar und zu erörtern sei -, führe die Auslegung von Punkt 11 der AGB zum Ergebnis, dass Regressansprüche hievon nicht erfasst seien. Rückgriffsansprüche entstünden nicht schon mit dem Eintritt des Schadens beim geschädigten Dritten, sondern erst mit der tatsächlichen Befriedigung des Schadenersatzanspruchs. Punkt 11 der AGB setze den Beginn der Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt der Lieferung an, also zu einem Zeitpunkt, in dem mit diesem Rechtsgeschäft im Zusammenhang stehende Regressansprüche noch nicht entstanden sein könnten. Der geltend gemachte Anspruch sei daher nicht verjährt. Ausgehend von einer anderen Rechtsansicht habe sich das Erstgericht nicht mit dem weiteren Prozessvorbringen der Parteien auseinandergesetzt; damit seien entscheidungserhebliche Umstände in erster Instanz unerörtert geblieben (§ 496 Abs 1 Z 3 ZPO). Das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der gegen diese Entscheidung ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof die Gültigkeit einer Klausel wie der in Frage stehenden in allgemeinen Geschäftsbedingungen noch nicht zu beurteilen hatte; das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

Die Beklagten vertreten den Standpunkt, Schadenersatzansprüche seien schon deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin keine fristgerechte Mängelrüge erhoben habe. Sie übersehen damit, dass die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch nicht aus einem Mangel der Ware selbst, sondern aus einer Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten (nämlich der unterlassenen Aufklärung über die mangelnde Eignung der bestellten Ware für den vorgesehenen Verwendungszweck) ableitet. Ist aber die Ware an sich mängelfrei, besteht keine Rügepflicht nach §§ 377, 378 HGB ( Kramer in Straube, HGB³ §§ 377, 378 Rz 53 mwN; Kerschner in Jabornegg, HGB § 378 Rz 35; vgl auch 1 Ob 680/80 = SZ 53/164).

Nach Auffassung der Beklagten ist die Vereinbarung, wonach Schadenersatzansprüche spätestens drei Jahre nach Lieferung verjähren, nicht gröblich benachteiligend und damit wirksam. Auch die Gewährleistungsfrist beginne mit der Ablieferung zu laufen; unbeachtlich sei, wann erstmals ein Mangel festgestellt werden könne. Für einen verantwortlichen Unternehmer sei es geboten, im Verkehr mit anderen Unternehmern die Gefahr der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen auf einen überschaubaren Zeitraum einzugrenzen. Dazu ist zu erwägen:

Bei der in einem beweglichen System vorzunehmenden Beurteilung, ob eine in AGB oder in einem Vertragsformblatt enthaltene Bestimmung den Vertragspartner gröblich benachteiligt (§ 879 Abs 3 ABGB), hat sich der Rechtsanwender am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren. Abweichungen vom dispositiven Recht können unter Umständen schon dann eine gröbliche Benachteiligung sein, wenn sich dafür keine sachliche Rechtfertigung ins Treffen führen lässt, jedenfalls aber dann, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur Rechtsposition des anderen steht. Die Beurteilung, ob die Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm sachlich gerechtfertigt ist, erfordert damit, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, eine umfassende, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Interessenabwägung (1 Ob 1/00d = JBl 2001, 232 mwN).

Der Beurteilung einer vertraglichen Abrede als sittenwidrig iSd § 879 Abs 3 ABGB steht es nicht entgegen, wenn beide Vertragspartner Kaufleute sind; allenfalls ist im Einzelfall eine besonders gravierende Ungleichgewichtslage in den durch den Vertrag festgelegten Rechtspositionen zu fordern. Je weniger die Bevorzugung eines Vertragspartners - gemessen am dispositiven Recht - sachlich gerechtfertigt erscheint, desto eher wird auch im Handelsverkehr die Sittenwidrigkeit zu bejahen sein (1 Ob 144/04i; RIS Justiz RS0119323).

Werden diese Grundsätze im vorliegenden Fall angewandt, ist bei der gesetzlichen Regelung der Verjährung anzusetzen. Anders als die Gewährleistungsfrist des § 933 ABGB beginnt die kurze (dreijährige) Verjährungsfrist für Entschädigungsklagen (§ 1489 ABGB) mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann ( M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1489 Rz 3 mwN).

Die hier zu beurteilende Vereinbarung einer Vorverlegung des gesetzlichen Fristbeginns kommt im Ergebnis einer freizeichnungsähnlichen Verjährungsverkürzung gleich ( Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt AGBG 9 § 9 Rz 158). Die zu einer vertraglichen Verkürzung von Verjährungsfristen in Lehre und Rechtsprechung angestellten Überlegungen können daher auch im Anlassfall dienlich sein.

In Österreich wird die Vereinbarung einer kürzeren als der gesetzlichen Verjährungsfrist - in den Grenzen des § 879 ABGB - grundsätzlich für zulässig erachtet ( M. Bydlinski aaO § 1502 Rz 1 mwN; RIS Justiz RS0034782). Eine solche Vereinbarung kann auch in AGB erfolgen (1 Ob 1/00d = JBl 2001, 232; RIS Justiz RS0114323).

Auch in Deutschland ist die Verkürzung von Verjährungsfristen grundsätzlich zulässig. Ob durch eine solche Verkürzung eine nicht hinzunehmende Benachteiligung eines Vertragspartners (vgl § 9 dAGBG) eintritt, ist im Weg einer Interessenabwägung zu beurteilen. Nach Rechtsprechung und Lehre ist darauf abzustellen, ob die Verkürzung zu einer weitgehenden Verhinderung oder erheblichen Behinderung der Durchsetzung berechtigter Ansprüche führt, was immer dann der Fall ist, wenn die Zeit zur Prüfung der Sach- und Rechtslage unangemessen verkürzt wird oder wenn die verbleibende Frist die Zeit nicht abdeckt, in der Mängel gewöhnlicherweise auftreten ( Coester in Staudinger, BGB 13 § 9 AGBG Rz 546 mwN; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher AGBG4 § 11 Nr 10f Rz 12). Zu berücksichtigen ist, welche Zeit üblicherweise erforderlich ist, um bestimmte Ansprüche geltend machen zu können ( Wolf aaO). Benachteiligungen eines Vertragspartners können durch ein besonderes Interesse der Verwenderseite an einer Verkürzung aufgewogen werden, etwa wenn die Zeit zur Entdeckung der Mängel beim entsprechenden Vertragstyp generell nicht erforderlich ist ( Coester aaO).

Im Anlassfall ist Punkt 11 der AGB an den Verjährungsbestimmungen des dispositiven Rechts zu messen. § 1489 ABGB bewirkt, dass dem Ersatzberechtigten selbst in Fällen, in denen der Ersatzanspruch im Zusammenhang mit einer Warenlieferung steht, regelmäßig die ungekürzte dreijährige Verjährungsfrist auch dann zur Verfügung steht, wenn ihm Schaden und Ersatzpflichtiger erst nach der Lieferung bekannt werden. Demgegenüber bewirkt die hier zu beurteilende Abrede nach Punkt 11 der AGB im zuletzt genannten Fall eine Verkürzung der Verjährungsfrist um den Zeitraum, der zwischen Warenlieferung und Kenntnis von Schaden und Ersatzpflichtigem liegt. Dies führt bei mehr als drei Jahre nach der Lieferung eintretenden Schäden dazu, dass der Ersatzberechtigte seinen Anspruch überhaupt nicht geltend machen kann. Um eine derartige Bestimmung dennoch als sachgerechten Interessenausgleich beurteilen zu können, bedürfte es gewichtiger Gegeninteressen des Ersatzpflichtigen. Solche sind nicht ersichtlich.

Die Beklagten haben dazu geltend gemacht, die Klausel diene ihrer Rechtssicherheit, weil sie Ersatzforderungen gegen sie auf einen überschaubaren Zeitraum beschränke. Hält man diesem Interesse den drohenden Rechtsverlust des Berechtigten entgegen, und orientiert man sich am gesetzlichen Leitbild des dispositiven Rechts, wonach dem Ersatzberechtigten hinreichend Zeit zur Prüfung und Geltendmachung seiner Ansprüche zur Verfügung stehen soll, kann eine Klausel unter dem Gesichtspunkt eines ausgewogenen Interessenausgleichs keinen Bestand haben, bei der sogar ein gänzlicher Verlust berechtigter, aber innerhalb von drei Jahren nach Lieferung noch nicht erkennbarer Ansprüche möglich ist. Es kann auch +nicht davon ausgegangen werden, dass beim hier vorliegenden Vertragstyp (Lieferung von Materialien für die Dachdeckung) typischerweise keine Zeit zur Entdeckung von Mängeln erforderlich sei.

Dem Hinweis der Beklagten auf die - von einer Erkennbarkeit des Mangels unabhängige - Gewährleistungsfrist des § 933 ABGB ist entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber in § 933 ABGB und § 1489 ABGB deutlich unterschiedliche Regelungen betreffend den Beginn des Fristenlaufs getroffen hat; beide Fälle sind aber in den ihnen zugrunde liegenden Wertungen nicht vergleichbar. Der Gewährleistungsanspruch setzt kein Verschulden voraus; damit steht dem Nachteil (von der Erkennbarkeit des Mangels unabhängiger Fristbeginn) ein Vorteil (Erleichterung bei der Geltendmachung) gegenüber. Dazu kommt, dass die Gewährleistung Schadenersatzansprüche nicht ausschließt und der Käufer - hat er die Gewährleistungsfrist versäumt - bei Verschulden des Verkäufers noch immer den Ersatz des Mangelschadens (oder eines Folgeschadens) aus dem Titel des Schadenersatzes fordern kann.

Wenn die Beklagten in ihrem Rekurs (unter Berufung auf Rechtsprechung) eine Verkürzung der Verjährungszeit auf sechs Monate oder ein Jahr ab Kenntnis von Schaden und Ersatzpflichtigem für zulässig erachtet und Punkt 11 der AGB in diesem Sinn geltungserhaltend reduziert ausgelegt wissen wollen, ist dies schon im Ansatz verfehlt: Die von den Rekurswerberinnen gewünschte Auslegung bedeutete nämlich keine bloße Reduktion einer zu weiten Klausel auf bestimmte enger gefasste - schon zuvor darunter fallende - Sachverhalte, sondern gäbe der Klausel einen gänzlich neuen - vom Vertragswillen der Parteien bei Vertragsabschluss nicht umfassten - Inhalt. Einer solchen Umdeutung steht die Parteiautonomie der Vertragsteile entgegen.

Abschließend berufen sich die Beklagten auf die vereinbarte Haftungsbeschränkung für den Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit; die Klägerin habe in diese Richtung nichts vorgebracht, sodass ihr Begehren schon aus diesem Grund unberechtigt sei. Dies widerspricht nicht nur dem Akteninhalt (vgl das Vorbringen in der Streitverhandlung vom 16. 3. 2004 ON 12 S. 7), sondern die Klägerin übersieht auch, dass die Haftungsbeschränkung bisher noch gar nicht Gegenstand des Verfahrens war. Eine Erörterung dieser Umstände wird daher - ebenso wie die Frage der Rechtsnatur der verfolgten Ansprüche (Schadenersatz oder Regress) - wie vom Berufungsgericht aufgetragen im fortgesetzten Verfahren zu erfolgen haben.

Dem Rekurs kann kein Erfolg beschieden sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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