JudikaturJustiz4Ob217/99m

4Ob217/99m – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Zechner und die Hofrätin es Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Fritz R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Regina R*****, vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 56.250 S sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Jänner 1999, GZ 45 R 381/98g-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 25. November 1997, GZ 7 C 19/97z-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 4.871,04 S (darin 811,84 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Rahmen eines zwischen den Streitteilen anhängigen Unterhaltsverfahrens verpflichtete das Erstgericht den nunmehrigen Kläger zusätzlich zu den von ihm zu tragenden Kosten der Ehewohnung zur Leistung einstweiligen Unterhaltes von 27.200 S monatlich an die Beklagte (einstweilige Verfügung vom 24. 1. 1992, 7 C 61/91t-20 des Bezirksgerichtes Hietzing). Das Urteil im Hauptverfahren erging am 18. Jänner 1995. Es setzte - zusätzlich zu den vom Unterhaltsschuldner allein zu tragenden Kosten der Ehewohnung - die monatliche Unterhaltsleistung mit 22.650 S vom 1. 10. 1991 bis 31. 12. 1991, mit 22.300 S vom 1. 1. 1992 bis 31. 12. 1992 und mit 23.450 S ab 1. 1. 1993 - jeweils abzüglich der bereits geleisteten monatlichen Unterhaltszahlungen aus der Erfüllung der einstweiligen Verfügung und abzüglich der bereits erbrachten anteiligen Naturalleistungen - fest. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wurde abgewiesen. Die Zustellung des erstgerichtlichen Urteiles erfolgte am 24. 1. 1995. Das Berufungsgericht gab der Berufung der nunmehrigen Beklagten teilweise Folge und änderte das Zinsenbegehren ab, der Berufung des nunmehrigen Klägers gab es nicht Folge. Die Berufungsentscheidung wurde den Parteien am 27. 3. 1996 zugestellt.

Der Kläger begehrt nun Rückersatz der von ihm zwischen Februar 1995 bis April 1996 aufgrund der einstweiligen Verfügung geleisteten Unterhaltsbeiträge, soweit diese über den späteren (rechtskräftigen) Zuspruch im Hauptverfahren hinausgehen. Das erstgerichtliche Urteil im Hauptverfahren sei am 24. 1. 1995 zugestellt worden, sodaß ein gutgläubiger Verbrauch des Differenzbetrags ab diesem Zeitpunkt nicht mehr angenommen werden könne. Die monatliche Überzahlung betrage ab Februar 1995 3.750 S, bis April 1996 sohin insgesamt 56.250 S.

Die Höhe der eingeklagten Überzahlung steht außer Streit. Die Beklagte bestritt lediglich dem Grunde nach und wendete gutgläubigen Verbrauch der erhaltenen Unterhaltsbeiträge ein.

Das Erstgericht verneinte einen gutgläubigen Verbrauch der Überzahlung und verpflichtete die Beklagte zum Rückersatz. Der nach § 382 Z 8 lit a EO zuerkannte einstweilige Unterhalt diene der Befriedigung des Unterhaltsanspruchs während des Scheidungs- bzw Unterhaltsverfahrens. Für seine Rückforderung müßten dieselben Grundsätze gelten wie für die Rückforderung eines sonstigen Unterhalts. In Anwendung des im Zusammenhang mit § 1437 ABGB entwickelten Nachteilsausgleichsgedankens seien Leistungen mit Unterhaltscharakter nicht mehr rückforderbar, wenn sie gutgläubig verbraucht worden seien. Die Gutgläubigkeit müsse hinsichtlich des Bestehens einer Behaltenscausa für die empfangenen Leistungen gegeben sein. Redlichkeit sei nicht mehr gegeben, wenn der Empfänger bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des Empfanges hätte zweifeln müssen. Die Redlichkeit sei anhand objektiver Kriterien zu beurteilen, wobei die Rechtsprechung in Fällen der Bekämpfung von Unterhaltstiteln Unredlichkeit bereits ab Klagezustellung annehme. Umso mehr scheide Redlichkeit dann aus, wenn der Unterhaltsberechtigte in einer - wenngleich noch nicht rechtskräftigen Entscheidung - ausdrücklich auf den Abzug des bereits geleisteten einstweiligen Unterhaltes hingewiesen werde. Das erstgerichtliche Urteil im Hauptverfahren enthalte nämlich die ausdrückliche Anordnung, wonach die zugesprochenen Unterhaltsbeiträge abzüglich des aus der Erfüllung der einstweiligen Verfügung bereits geleisteten einstweiligen Unterhalts zu zahlen seien. Mit Zustellung dieser Entscheidung hätte die Beklagte daher die auf sie zukommende Rückzahlungsverpflichtung klar erkennen können. Aufgrund der Höhe des zugesprochenen Unterhalts wäre es ihr auch möglich gewesen, diese Differenzbeträge zurückzulegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der über den Einzelfall hinausgehenden Frage der Relevanz der Gutgläubigkeit des Verbrauchs oder des endgültigen Zukommens der aufgrund einer einstweiligen Verfügung erhaltenen Unterhaltsbeiträge unterschiedliche Entscheidungen bekannt seien und eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Die Frage der Gutgläubigkeit des Unterhaltsberechtigten sei nicht nach subjektivem Empfinden, sondern nach objektiven Kriterien zu prüfen. Die Rechtsprechung gehe bei Bestehen eines Unterhaltstitels ab dem Zeitpunkt der Zustellung einer Klage auf Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung vom Wegfall des guten Glaubens aus. Dieser Grundsatz müsse in zumindest gleichem Maß für die Zustellung eines Urteils im Unterhaltsprozeß gelten. Die Unterhaltsberechtigte müsse somit auch bei Vorliegen einer einstweiligen Verfügung ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Urteils im Hauptverfahren, das ihr niedrigere Unterhaltsbeiträge im Vergleich zur einstweiligen Verfügung zuerkenne, grundsätzlich mit der Möglichkeit einer Rückersatzverpflichtung rechnen. Gutgläubigkeit der Beklagten scheide somit im vorliegenden Fall aus, sodaß nicht mehr geprüft werden müsse, ob die erhaltenen Beiträge noch im Vermögen der Beklagten vorhanden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin vertritt die Auffassung, verbrauchter einstweiliger Unterhalt könne grundsätzlich und unabhängig von der Frage der Gutgläubigkeit nicht zurückgefordert werden; er stehe dem Unterhaltsberechtigten endgültig zu. Sie übersieht dabei, daß die Rechtsprechung einstweiligen Unterhalt nicht schlechthin, sondern nur mit der Einschränkung "in der Regel" als endgültig zustehend beurteilt (1 Ob 12/98s; 1 Ob 235/98k; 1 Ob 97/99t; RIS-Justiz RS0005261).

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können ohne Rechtsgrundlage gezahlte Unterhaltsbeiträge (mangels echter Bereicherung) nur dann nicht zurückgefordert werden, wenn sie gutgläubig verbraucht wurden (SZ 13/262; SZ 58/57; JBl 1996, 727; 1 Ob 2267/96f mwN; 1 Ob 1/98y mwN; RIS-Justiz RS0033609; Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 12 zu § 1437; Honsell/Mader in Schwimann, ABGB2 Rz 18 ff zu § 1437). Der Oberste Gerichtshof wendet diesen Grundsatz auch auf im Rahmen eines einstweiligen Unterhalts nach § 382 Z 8 lit a EO erhaltene Unterhaltsbeiträge aus der Erwägung an, die zugrundeliegende einstweilige Verfügung bilde für sich allein keine ausreichende rechtliche Grundlage, weil der so festgesetzte Unterhalt nur vorschußweise zu zahlen sei, während die endgültige rechtliche Zuweisung vom Ergebnis des ordentlichen Verfahrens abhänge (EvBl 1984/151; JBl 1996, 727). Im Rahmen des einstweiligen Unterhalts bezogene Beiträge könnten daher bei Schlechtgläubigkeit des Empfängers zurückgefordert werden, wenn sie nicht der sich aus dem Gesetz ergebenden Unterhaltspflicht entsprechen (JBl 1996, 727). Diese Auffassung hat der Oberste Gerichtshof auch in 1 Ob 235/98k aufrechterhalten.

Auch ein Großteil der Lehre (Huber, Endgültige Zuweisung bei einstweiligem Unterhalt, JBl 1984, 182 ff; König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren Rz 130; Deixler-Hübner, Wiederaufnahme im Verfahren nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO, Beitr ZPR V (1995) 10 ff; Rummel aaO; Honsell/Mader aaO tritt für die Rückforderbarkeit einstweilig geleisteten Unterhalts ein, wobei die Rückforderbarkeit des Übergenusses auf Grund der einstweiligen Verfügung überwiegend unter Hinweis auf § 394 EO - unabhängig vom guten Glauben - bejaht wird (König aaO; Huber aaO).

Die Frage, ob ein Übergenuß an einstweiligem Unterhalt nach § 394 EO unabhängig vom guten Glauben des Empfängers zurückgefordert werden kann, oder der gute Glaube eine Rückforderung ausschließt, braucht hier (mangels Gutgläubigkeit der Beklagten bei Erhalt der über den Zuspruch im Hauptverfahren hinausgehenden Beträge) nicht abschließend untersucht zu werden:

Der kondizierende Kläger hat die Unredlichkeit der Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt. (SZ 60/136; 2 Ob 9/96; 1 Ob 1/98y; RIS-Justiz RS0010271 und RS0010182; Honsell/Mader aaO Rz 8). Die Redlichkeit bezieht sich auf die Existenz des Kondiktionsanspruchs, wobei bereits Fahrlässigkeit schadet (SZ 57/64; JBl 1996, 727; Rummel aaO Rz 2 zu § 1437). Entgegen der Auffassung der Revision ist dabei nicht ausschlaggebend, ob der einstweilige Unterhalt "erschlichen" oder in auffallend sorgloser Weise entgegengenommen und verbraucht wurde. Die Redlichkeit des Empfängers fehlt nicht erst bei auffallender Sorglosigkeit oder gar Vorsatz, sondern schon dann, wenn der Empfänger der Leistung zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, wohl aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit der ihm rechtsgrundlos ausgezahlten Beträge auch nur zweifeln hätte müssen (DRdA 1993, 214 [Wachter]; JBl 1996, 727; 1 Ob 1/98y; RIS-Justiz RS0103057; vgl RIS-Justiz RS0033826; Honsell/Mader aaO Rz 5 ff). Dabei hat die Rechtsprechung in Fällen der Bekämpfung von Unterhaltstiteln schon bisher auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klage oder des Antrags im Verfahren außer Streitsachen abgestellt. Ab diesem Zeitpunkt müsse der Bereicherte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ihm (danach) ausgezahlten Beträge haben (EF 24.909 ff; SZ 58/57; Rummel aaO Rz 2 zu § 1437 mwN).

Bei Anwendung dieser Grundsätze muß auch im vorliegenden Fall der gute Glaube der Beklagten bei Verbrauch der ab Februar 1995 zugekommenen Überzahlung verneint werden. Die Beklagte hat das erstgerichtliche Urteil im Hauptverfahren über ihre Unterhaltsklage am 24. 1. 1995 zugestellt erhalten. Sie konnte daraus erkennen, daß der monatliche Unterhalt geringer als der ihr aus der einstweiligen Verfügung zukommende Betrag festgesetzt wurde. Ferner wurde sie darauf hingewiesen, daß in Erfüllung der einstweiligen Verfügung bereits geleistete Zahlungen in Abzug zu bringen seien. Daraus mußte sie zweifelsfrei erkennen, daß bei Weiterbezug des einstweiligen Unterhalts in der bisherigen Höhe im Falle einer Bestätigung des Ersturteils ein Übergenuß entstehen werde, auf den sie mangels Zuspruchs im Hauptverfahren keinen Anspruch habe. Wenngleich diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig war und die Klägerin noch auf einen Erfolg ihrer Berufung hoffen konnte, hätte sie doch ab diesem Zeitpunkt (gleich einem Unterhaltsempfänger, dem die Herabsetzungsklage zugestellt wird) zumindest Zweifel an der Höhe der ihr aufgrund der einstweiligen Verfügung zukommenden und daher nur einstweiligen Zahlungen haben müssen. Daß die Beklagte bei dieser Sachlage schützenswerter sein sollte als jener Unterhaltsempfänger, der nach Zustellung der Klage, mit der der bisherige Unterhaltstitel bekämpft wird, den auf dem bekämpften Titel beruhenden Unterhalt bezieht und verbraucht, ist nicht zu erkennen. Die Vorinstanzen haben den guten Glauben der Beklagten an die Rechtmäßigkeit des ihr ab Februar 1995 ausgezahlten Differenzbetrages somit zu Recht verneint. Mangels Gutgläubigkeit ist die Beklagte daher nicht berechtigt, die im Rahmen des einstweiligen Unterhalts vorschußweise erhaltenen Differenzbeträge zu dem im Hauptverfahren niedriger festgesetzten Unterhalt zu behalten, ohne daß es noch darauf ankäme, ob sie diesen Betrag tatsächlich verbraucht hat.

Die Vorinstanzen haben den Anspruch des Klägers auf Rückersatz des der Höhe nach unbekämpften Differenzbetrags zu Recht bejaht. Die unberechtigte Revision der Beklagten mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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