JudikaturJustiz4Ob210/07x

4Ob210/07x – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold L*****, vertreten durch Mag. Raimund Hudik, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Leopold K*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten Univ. Doz. Dr. Stephan G*****, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 50.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 750 EUR), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juli 2007, GZ 15 R 143/07w-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Mai 2007, GZ 29 Cg 42/06w-12, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte ist Facharzt für Radiologie und betreibt eine Ordination mit Kassenvertrag. Am 15. 3. 2005 ließ er sich dort von Univ.-Doz. Dr. Stephan G***** (in der Folge: Vertreter) vertreten. An diesem Tag suchte der Kläger - über Empfehlung seines Hausarztes - zum ersten Mal die Ordination des ihm zuvor nicht bekannten Beklagten auf. Der Vertreter führte am Kläger eine Darmuntersuchung (Irrigoskopie) durch. Der dem Kläger nach der Untersuchung übergebene schriftliche Befund weist im Kopf Name, Anschrift und Ordinationszeiten des Beklagten auf; der Befund war vom Vertreter unter Anführung seines eigenen Namens unterhalb der Wortfolge „Mit bestem Dank für die Zuweisung und kollegialen Grüßen“ unterschrieben. Der Beklagte rechnet in solchen Vertretungsfällen die vom Vertreter gegenüber dem Patienten erbrachten Leistungen selbst mit dem zuständigen Sozialversicherungsträger ab und entlohnt den Vertreter direkt abhängig von der Zahl und der Art der von ihm vorgenommenen Untersuchungen. Auch der Vertreter ist Facharzt für Radiologie, besitzt verschiedene Zusatzausbildungen und war Professor am Allgemeinen Krankenhaus in Wien; er führt keine eigene Ordination und hat den Beklagten in den vergangenen Jahren immer wieder im Fall von Verhinderungen in dessen Ordination vertreten.

Der Kläger begehrte 50.000 EUR sA Schadenersatz und die Feststellung, dass der Beklagte ihm gegenüber für die Folgen der nicht lege artis durchgeführten Untersuchung und Befundung vom 15. 3. 2005 hafte. Der in dessen Ordination erstellte Befund sei mangelhaft gewesen. Zur Abklärung der in den Bildern erkennbaren, aber im Befund nicht erwähnten Auffälligkeiten in Gestalt eines „Apfelputzentumors“ hätte unverzüglich zumindest eine Coloskopie durchgeführt werden müssen. Dann hätte sein nunmehriger Zustand verhindert werden können. Er leide mittlerweile - nicht einmal eineinhalb Jahre später - an einem stenosierenden Rektumkarzinom mit Leber- und Lungenmetastasen; er habe sich wegen eines drohenden Darmverschlusses operieren lassen und Chemotherapien unterziehen müssen. Spät- und Dauerfolgen seien nicht ausgeschlossen. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass der im Befund genannte Name des Vertreters ein Mitarbeiter des Beklagten sei. Auch auf den Röntgenaufnahmen sei der Name des Beklagten aufgeschienen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die dem medizinischen Standard entsprechende Untersuchung des Klägers habe nicht er, sondern sein Vertreter als Substitut durchgeführt. Dieser Umstand sei bereits im Befundbericht offengelegt worden. Außerdem sei die Irrigoskopie ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die behauptete verzögerte Diagnostik sei für den jetzigen Zustand des Klägers nicht ursächlich.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es konnte nicht feststellen, warum sich der Beklagte am Tag der Untersuchung des Klägers vertreten ließ, und ob sich der Vertreter beim Kläger - wie er dies sonst üblicherweise tut - vorgestellt hat. Rechtlich führte es aus, ein Arzt dürfe trotz seiner Pflicht zur persönlichen und unmittelbaren Heilbehandlung für den Fall seiner Verhinderung einen Vertreter bestellen. Da der „Urlaubsvertreter“ eines Arztes weder vom Vertretenen abhängig sei noch unter dessen Aufsicht handle, sondern die Behandlung selbständig und eigenverantwortlich ausübe, sei er kein Gehilfe iSd § 1313 a ABGB. Der Vertreter habe durch seine Unterschrift auf dem Befund hinreichend deutlich offengelegt, dass nicht der Beklagte selbst die Untersuchung durchgeführt habe.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurück; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 805/53 = SZ 27/6 = JBl 1954, 437 die Ansicht nahelegen könnte, der Vertreter eines Arztes, der dessen Ordination unter Verwendung der Rezeptformulare, Stempel und des Briefpapiers fortführe, scheide als Erfüllungsgehilfe aus. Es sei dies die einzige Entscheidung zur Frage der Haftung eines freiberuflichen Arztes für einen im Verhinderungsfall in der Ordination des Verhinderten tätigen Vertreter. Dort habe die behandelnde Kassenärztin (Gynäkologin) nach Durchführung einer Untersuchung der schwangeren Klägerin ihren Urlaub angetreten; während des Urlaubs habe ein Berufskollege ihre Ordination übernommen und die Entbindung an der Klägerin durchgeführt; dabei sei ihm ein Kunstfehler unterlaufen. Durch Abgabe des Krankenscheins in der Ordination der Beklagten habe dort die Klägerin den Anspruch auf laufende ärztliche Betreuung im entsprechenden Quartal auf Kosten der Gebietskrankenkasse erworben, ohne dass dadurch die Beklagte in ihrem vertraglichen Recht gegenüber der Kasse auf gelegentliche Vertretung beschränkt worden wäre. Die ärztliche Behandlung der Klägerin sei nach deren Untersuchung, die keine Komplikationen bei der Geburt habe befürchten lassen, beendet gewesen; darüber hinaus habe kein Schuldverhältnis zwischen den Parteien bestanden. Es fehle auch an jeder Abhängigkeit des Urlaubsvertreters von dem auf Urlaub befindlichen Arzt; der Urlaubsvertreter habe wie jeder Arzt seinen Beruf persönlich, unmittelbar und unter eigener Verantwortung auszuüben. Die Vertretung eines Arztes durch einen anderen Arzt sei daher nicht Gehilfenschaft iSd § 1313a ABGB, sondern Substitution, bei der man nur für Auswahlverschulden hafte. Nicht ins Gewicht fielen rein administrative Umstände, wie etwa dass der gegen Tagespauschale, Quartier und Verpflegung tätige Urlaubsvertreter den Ordinationsraum der Beklagten samt Instrumentarium benütze und dass die Honorare der vom Substituten behandelten Privatpatienten bzw die Leistungen des Sozialversicherungsträgers für die Kassenpatienten dem vertretenen Arzt zugingen.

In der Literatur sei diese Entscheidung auf berechtigte Kritik gestoßen. Nach Völkl-Torggler (Die Rechtsnatur des ärztlichen Behandlungsvertrags in Österreich, JBl 1984, 72 [77]) könne auch ein Selbständiger Erfüllungsgehilfe sein, wenn er vom Schuldner zur Erfüllung seiner Verpflichtungen herangezogen werde. Das Tätigwerden eines Urlaubsvertreters als Substitut setze ein bestehendes Vollmachtsverhältnis zwischen dem Arzt und dem Patienten voraus, in dessen Rahmen der Arzt berechtigt sei, die Erfüllung seiner Verpflichtungen einem Substituten zu übertragen. Engljähringer (Ärztlicher Behandlungsvertrag, ÖJZ 1993, 488 [495]) weise darauf hin, dass eine Substitution voraussetze, dass im Zeitpunkt der Berufung des Substituten mit dem Patienten überhaupt ein Schuldverhältnis - ein Behandlungsvertrag - bestehe. Steiner und Fleisch (Ärztliche Substitutionsbefugnis, AnwBl 1997, 702) merkten kritisch an, den Obersten Gerichtshof störe es nicht, dass der Vertreter gleichsam im Namen der Vertretenen behandelt habe; das sei als bloß administrativ bedingte Erscheinung beurteilt worden.

Jene in erster Linie berufsrechtliche Beurteilung des Obersten Gerichtshofs greife zu kurz und übersehe, dass die zivilrechtliche Substitution, die auf ärztliche Tätigkeiten im Rahmen eines Behandlungsvertrags (idR als freier Dienstvertrag) analog angewendet werde, ein bestehendes Schuldverhältnis voraussetze. Das Gebot der persönlichen Berufsausübung nach § 49 Abs 2 ÄrzteG 1998 bedeute dementsprechend nur, dass ein Arzt eine einmal übernommene Behandlung - außer bei Vorliegen eines anerkannten Verhinderungsfalls oder einer Gestattung des Patienten - nicht gegen den Willen des Patienten auf einen Substituten übertragen dürfe. Entgegen diesen Überlegungen habe der Oberste Gerichtshof in der erörterten Entscheidung das Vorliegen einer Substitution bejaht, gleichzeitig jedoch das Bestehen eines Schuldverhältnisses zur (bisher behandelnden) Gynäkologin verneint. Er habe dabei offenbar den Fall einer zulässigen Vertretung („erlaubte Substitution”) vor Augen gehabt. Aus dem Vorliegen eines anerkannten Vertretungsfalls könne aber nicht per se auf das Bestehen einer zivilrechtlichen Substitution geschlossen werden, sondern es sei lediglich der Schluss gerechtfertigt, dass bei tatsächlichem Vorliegen einer Substitution diese auch iSd § 1010 ABGB erlaubt sei. Unzutreffend sei ferner, dass die persönliche und unmittelbare Berufsausübung durch einen Arzt das Vorliegen einer Gehilfeneigenschaft ausschließe. Erfolge nämlich die Behandlung durch den Urlaubsvertreter in den Räumlichkeiten des Ordinationsinhabers, so könne dieser aufgrund der möglichen organisatorischen und personellen Anordnungen die Rahmenbedingungen für die Erfüllung des Behandlungsvertrags festlegen. Davon abgesehen sei der Urlaubsvertreter nicht gehindert, mit dem Ordinationsinhaber bei fachlichen Fragen, etwa langjährige Patienten betreffend, Rücksprache zu halten. Eine Weisungsbefugnis des Schuldners gegenüber seinem Erfüllungsgehilfen sei im Übrigen nach herrschender Meinung nicht erforderlich; es genüge vielmehr, wenn er den Erfüllungsgehilfen in sein Erfüllungs- bzw Interessensverfolgungsprogramm miteinbezogen habe. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen einem Erfüllungsgehilfen und einem Substituten könnten daher nicht anhand des Kriteriums der Weisungsfreiheit gelöst werden. Berufliche Eigenverantwortlichkeit sei nicht mit fachlicher Weisungsfreistellung gleichzusetzen; die Bindung ausgebildeter Ärzte an fachliche Weisungen ihrer vorgesetzten Ärzte sei grundsätzlich unbestritten. Ein angestellter Arzt werde als Erfüllungsgehilfe seines Dienstgebers tätig, obwohl ihn ebenso die Verpflichtung zur persönlichen und unmittelbaren Berufsausübung treffe. Es sei daher das gesetzliche Gebot zur persönlichen und eigenverantwortlichen Berufsausübung mit der Beurteilung eines Arztes als Erfüllungsgehilfe durchaus in Einklang zu bringen. Übernehme daher ein Urlaubsvertreter nur im Innenverhältnis zum vertretenen Arzt dessen Aufgaben und erfülle ohne eigenes Rechtsgeschäft mit dem Patienten die Behandlungsverpflichtung des Vertretenen, so sei er als Erfüllungsgehilfe gemäß § 1313a ABGB anzusehen. Dies gelte auch dann, wenn der Gehilfe vor Vertragsabschluss eingesetzt worden sei, um künftige Verträge zu erfüllen. Es sei daher vorerst zu prüfen, ob der Urlaubsvertreter mit dem Patienten einen eigenen, ihn selbst verpflichtenden Behandlungsvertrag abgeschlossen habe, oder ob er ohne Abschluss eines eigenes Rechtsgeschäfts die bestehende Behandlungspflicht des Vertretenen erfüllt habe.

Nach dem Grundsatz der freien Arztwahl bedürfe es für das Zustandekommen des Behandlungsvertrags der Willenseinigung zwischen dem vom Patienten gewählten Arzt und Ersterem. Allgemein komme bei der Behandlung eines (Kassen-)Patienten in der Ordinationsstätte die Rechtsbeziehung mit dem Praxisinhaber als behandelnder Arzt zustande. Werde der Patient in der Zeit, während der sein Vertrauensarzt auf Urlaub weile, von diesem an einen anderen - in der eigenen Praxis ordinierenden - Arzt verwiesen und suche der Patient die Ordination des anderen Arztes auf, so sei eine konkludente Zustimmung des Patienten zur Fremdbehandlung anzunehmen; der Behandlungsvertrag komme daher unmittelbar - also ohne Stellvertretung- mit dem Urlaubsvertreter zustande. Davon zu unterscheiden sei der Fall, dass der Arzt als Vertreter für eine bestimmte Zeit die Ordinationsräume des vertretenen Kollegen samt Personal und Betriebsmittel einschließlich Stempel, Briefpapier und Rezepte benütze und die Behandlungen in der Praxis des Vertretenen weiterführe. Bei der ambulanten Behandlung durch einen schon bekannten Arzt sehe der deutsche Bundesgerichtshof dessen Vertreter in ständiger Rechtsprechung als Erfüllungsgehilfen des Vertretenen an, wenn sich der Patient in die Praxis des Vertretenen begebe und sich dort vom Vertreter behandeln lasse, anstatt einen anderen Arzt aufzusuchen und mit diesem einen Behandlungsvertrag abzuschließen. Auch ein Belegarzt, der während seines Urlaubs die Fortsetzung der Behandlung im Belegkrankenhaus seinem Urlaubsvertreter überlasse, werde regelmäßig nur dann von seinen Behandlungspflichten befreit, wenn er dies mit dem Patienten ausdrücklich vereinbare und dieser einen selbständigen Behandlungsvertrag mit dem Urlaubsvertreter abschließe. Andernfalls werde der Vertreter als Erfüllungsgehilfe für den vertretenen Arzt tätig. In der Frage, ob während der Urlaubsabwesenheit eines Arztes dessen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag fortbestünden, sei die Interessenslage maßgeblich; eine Änderung der vertraglichen Beziehungen müsse für den Patienten erkennbar sein. Nach Bohle (Wahlärztliche Leistungen, KU 4/97, 293 ff) genüge es für eine stillschweigende Vertretungsvereinbarung nicht, dass der Patient die ärztliche Leistung vom Vertreter entgegennehme, ohne sich zur Wehr zu setzen; es müsse vielmehr eine reale Möglichkeit bestehen, der Erbringung der Leistung durch den Vertreter zu widersprechen.

Im Anlassfall habe der Kläger keinen Kontakt zum Beklagten gehabt, bevor er dessen Ordination aufgesucht habe. Trete gegenüber dem Patienten nicht der Praxisinhaber als behandelnder Arzt auf, so sei die Frage, mit wem der Vertrag zustandegekommen sei, nach den rechtsgeschäftlichen Stellvertretungsregeln zu lösen. Im Hinblick auf den das Stellvertretungsrecht beherrschenden Offenlegungsgrundsatz sei der Handelnde mangels ausdrücklichen Handelns in fremdem Namen danach zu beurteilen, ob er - gemessen am Erkenntnishorizont des Erklärungsempfängers- für einen Dritten handeln wolle. Einer Offenlegung bedürfe es nicht, wenn dem anderen Teil das Handeln in fremdem Namen nach der Verkehrssitte zumindest aus den Umständen erkennbar sei; es genüge, wenn sich das Geschäft eindeutig auf ein Unternehmen beziehe, für das der Handelnde einschreiten könne. Sei erkennbar, dass der Handelnde im Namen eines bestimmten Unternehmens abschließe, so berechtige und verpflichte er den jeweiligen Unternehmensträger. Nach § 56 Abs 1 Z 2 ÄrzteG 1998 habe der Arzt seine Ordinationsstätte durch eine entsprechende äußere Bezeichnung kenntlich zu machen und solle so dem Patienten gegenüber bei der freien Arztwahl deutlich in Erscheinung treten. Er sei daher verpflichtet, sein eigenes Ordinationsschild anzubringen sowie eigenes Briefpapier und einen eigenen Ordinationsstempel zu verwenden. Suche ein Patient eine bestimmte Ordination auf und weise deren äußeres Erscheinungsbild auf einen bestimmten Inhaber hin, so sei dieser als potentieller Vertragspartner anzusehen. Nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfts (im stellvertretungsrechtlichen Sinn) komme der Vertrag somit grundsätzlich, also ohne einen eindeutigen gegenteiligen Hinweis, mit dem Ordinationsträger zustande. Mangels einer entsprechenden Aufklärung trete dem Patienten gegenüber gar kein anderes Rechtssubjekt in Erscheinung. Nach dem Empfängerhorizont seien die Vorgänge in der Ordination einschließlich der ärztlichen Tätigkeiten dem Ordinationsinhaber zuzurechnen. Ohne eine Klarstellung könne der Patient gar nicht unterscheiden, ob der Ordinationsinhaber selbst, ein Vertreter oder ein angestellter Arzt bei der Behandlung tätig werde. Mit „einem fremden Arzt in der (falschen) Ordination“ müsse der Patient nicht rechnen. Auch die Verwendung der Betriebsmittel des Ordinationsinhabers, insbesondere der Räumlichkeiten samt Instrumenten, des Personals sowie von Stempel, Rezepten und Briefpapier, erweckten beim durchschnittlichen Patienten den Eindruck, der Handelnde trete im Namen des Ordinationsinhabers auf. Alle diese Umstände sowie die eigentliche ärztliche Tätigkeit sprächen für die Eingliederung des Handelnden in das dem Patienten gegenüber in Erscheinung tretende Unternehmen und damit für eine Tätigkeit im Rahmen des Ordinationsbetriebs. Der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, ein Urlaubsvertreter sei ein „an der (fremden) Ordinationsstätte völlig eigenständig amtierender Arzt“, könne somit nur für den Fall zugestimmt werden, dass gegenüber dem Patienten unmissverständlich klar gestellt werde, dass der Arzt nicht für den Ordinationsinhaber tätig worden sei. Eine solche Klarstellung sei hier nicht erfolgt. Die sofortige Nennung des Namens des Geschäftsherrn durch den Vertreter werde nicht verlangt, es genüge, wenn sich der Geschäftspartner jederzeit danach erkundigen oder darüber informieren könne. Hier sei der Befund auf Briefpapier des Beklagten geschrieben und dessen Name im Zusammenhang mit der Berufsbezeichnung „Facharzt für Radiologie“ auffällig hervorgehoben worden. Der Vertreter sei daher unzweifelhaft im Namen des Beklagten tätig geworden. Dafür spreche letztlich auch die zwischen dem Beklagten und seinem Vertreter gehandhabte Praxis der Honorarabrechnung, die gegenüber der jeweiligen Krankenkasse durch den Beklagten erfolgt sei.

Auch an einer Vollmacht des Vertreters, für den Beklagten mit den Patienten Behandlungsverträge abzuschließen, sei nicht zu zweifeln. Eine Vollmacht könne auch schlüssig erteilt werden, wobei das unmissverständliche Erklärungsverhalten iSd § 863 ABGB vom Vertretenen im Verhältnis zum schlüssig Bevollmächtigten gesetzt werden müsse. Da der Beklagte dem Vertreter immer wieder seine Ordination samt Infrastruktur überlassen und sämtliche Patienten gegenüber der jeweiligen Krankenkasse abgerechnet habe, sei eine schlüssige Bevollmächtigung des Vertreters zur Zuführung von Patienten zu unterstellen. Jedenfalls lägen aber die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht vor. Dafür werde ein dem Vertretenen zurechenbarer äußerer Tatbestand verlangt, der nach dem maßgeblichen objektiven Erklärungswert gemessen am Empfängerhorizont des Dritten geeignet sei, bei diesem den begründeten Glauben zu erwecken, der Vertreter sei zur Abgabe der zu beurteilenden rechtsgeschäftlichen Erklärung befugt. Die vom Geschäftsherrn seinem Vertreter erlaubte Verwendung von Geschäftspapier und Firmenstempel könne in Verbindung mit der Überlassung der Geschäftsräume einen solchen zurechenbaren äußeren Tatbestand begründen. Da der Vertreter die Ordinationsräumlichkeiten samt Praxiseinrichtung und Briefpapier des Beklagten benützt habe, seien ausreichende Zurechnungselemente für eine Anscheinsvollmacht des Vertreters gegeben.

Nach dem Grundsatz der freien Arztwahl bedürfe es einer Willenseinigung zwischen dem Patienten und dem von ihm gewählten Arzt. Der Kläger habe die Ordination des Beklagten über Empfehlung seines Hausarztes aufgesucht. Die Patientenerwartung habe somit darin bestanden, in der Ordination des Beklagten unter dessen Verantwortung eine Untersuchung vornehmen zu lassen. Nach den Vorstellungen des Klägers habe „er die Rechtsbeziehung somit zum Rechtsträger der Ordination sowie des Kassenvertrags begründet“, ja er sei nach Auffassung des Erstgerichts sogar der Ansicht gewesen, vom Beklagten behandelt zu werden. Der Behandlungsvertrag sei daher sowohl nach dem Willen der Beteiligten als auch nach den äußeren Umständen zwischen dem Kläger und dem Beklagten zustandegekommen. Im Rahmen dieses Behandlungsvertrags mit dem Beklagten sei dessen Vertreter als Erfüllungsgehilfe tätig geworden. Sei der Behandlungsvertrag auf Grund der Anscheinsvollmacht des Vertreters zustandegekommen, so hafte der Beklagte für dessen Handlungen als Anscheinserfüllungsgehilfe, weil bei Vorliegen einer Anscheinsvollmacht für ein Handeln im Rahmen der Vollmacht, also innerhalb des vertraglichen Zurechnungszusammenhangs, ebenfalls eine Haftung nach § 1313a ABGB in Betracht komme. Nicht jeder beliebige Verhinderungsfall führe übrigens zu einer zivilrechtlichen Substitutionsbefugnis iSd § 1010 ABGB; ohne Gestattung des Patienten oder Vorliegen eines Notfalls müsse ein berufsrechtlich anerkannter Vertretungsfall (wie Urlaub, Krankheit oder Fortbildung) vorliegen. Da der Grund für die Vertretung des Beklagten nicht feststehe, könne auch nicht vom Bestehen einer zivilrechtlichen Substitutionsbefugnis des Beklagten ausgegangen werden. Bei einer unerlaubten Substitution hafte der Substituent aber für alle Schäden, die er durch die unzulässige Substitution verursacht habe. Der Beklagte habe somit für allfällige Fehlleistungen des Vertreters einzustehen, weshalb die Passivlegitimation zu bejahen sei. Da das Erstgericht die behauptete Pflichtverletzung des Vertreters und den daraus resultierenden Schaden nicht geprüft habe, sei die angefochtene Entscheidung zufolge relevanter Stoffsammlungsmängel aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur vertraglichen Haftung eines abwesenden Arztes für ein Fehlverhalten des von ihm beauftragten und in seiner Ordination tätigen Vertreters, der das Vertretungsverhältnis gegenüber einem erstmals die Ordination aufsuchenden Patienten vor der Behandlung nicht (ausdrücklich) offengelegt hat, fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Beklagte macht geltend, beim Kläger liege die Besonderheit vor, dass er Kassenpatient gewesen sei, der ärztliche Leistungen nur im Rahmen seines Sozialversicherungsverhältnisses in Anspruch habe nehmen können und dem behandelnden Arzt kein (eigenes) Entgelt habe leisten wollen. Zwar müsse auch ein Kassenpatient zur Vermeidung eines Rechtsschutzdefizits einen ärztlichen Vertragspartner haben, doch habe ein Arzt, der einen selbständigen Arzt als seinen Urlaubsvertreter bestelle, typischerweise kein eigenes Interesse daran, mit den in seiner Abwesenheit in seiner Ordination behandelten Patienten einen Behandlungsvertrag im eigenen Namen und unter eigener Verantwortung abzuschließen und seinen Vertreter insofern zu bevollmächtigen. Für einen solchen Verpflichtungswillen spreche auch nicht das gewählte Verrechnungssystem zwischen Sozialversicherungsträger und Vertragsarzt; dies erlaube keine Rückschlüsse auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Vertragsarztes für die Behandlung von Kassenpatienten. Der vom Berufungsgericht abgelehnten Entscheidung 2 Ob 805/53 sei zu folgen und nach in ergänzender Vertragsauslegung ein Schuldverhältnis zwischen dem abwesenden Kassenvertragsarzt und dem vom Vertreter behandelten Patienten zu verneinen. Der abwesende Kassenvertragsarzt verspreche den in seine Ordination kommenden Patienten keine eigene Behandlung, sondern nur die Vermittlung eines anderen selbständigen Arztes zur Behandlung. Der behandelnde vertretende Arzt hafte dem Patienten für Behandlungsfehler ohnehin deliktisch, weshalb es kein Wertungswiderspruch sei, ihm ferner die vertragliche Haftung für die von ihm erbrachten ärztlichen Leistungen aufzuerlegen, zumal auch das Personal des abwesenden Ordinationsinhabers ihm gegenüber weisungsgebunden sei und unter seiner ärztlichen Verantwortung handle. Zwar müsse dem Patienten die Person seines Vertragspartners erkennbar geworden sein, es sei jedoch für den Kläger nach dem Inhalt des ihm übergebenen Befunds ohnehin klar gewesen, dass die Untersuchung nicht vom Beklagten, sondern vom Vertreter durchgeführt worden sei. Dass der Kläger - untypischerweise - nicht bloß eine kostenfreie Behandlung durch (irgend-)einen Kassenarzt, sondern eine Behandlung durch den Ordinationsinhaber persönlich wünsche, habe er vor der Untersuchung nicht offengelegt. Die Innehabung einer Ordination unter Verwendung von Briefpapier des Ordinationsinhabers begründe noch keinen Vertrauenstatbestand, an den Rechtsfolgen unter dem Gesichtspunkt einer Anscheinsvollmacht geknüpft werden könnten. Wie sich aus der Entscheidung 7 Ob 136/06k ableiten lasse, sei es aus Sicht des Patienten auch bei der hier maßgebenden Ausgangslage klar, dass der abwesende Arzt nicht für den ihn vertretenden behandelnden Arzt haftungsrechtlich einstehen wolle.

1.1. Die vertragliche Haftung des niedergelassenen Arztes gegenüber einem Patienten knüpft am - zumeist konkludent abgeschlossenen (vgl 7 Ob 136/06k) - Behandlungsvertrag an. Die berufsrechtlichen Vorschriften über die persönliche, selbständige und eigenverantwortliche Berufsausübung eines Arztes (vgl §§ 3, 31, 49 ÄrzteG 1998) lassen die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen über das Stellvertretungsrecht und die Gehilfenhaftung unberührt. Gleiches gilt - entgegen der im Rekurs vertretenen Auffassung - auch für die zwischen dem Sozialversicherungsträger, einem niedergelassenen Vertragsarzt und dem von diesem beauftragten Vertreter vereinbarten Abrechungsmodalitäten im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung von Kassenpatienten: Ein in der Ordination eines Vertragsarztes vorsprechender Patient kennt solche Vereinbarungen regelmäßig nicht und ist daran nicht beteiligt; sie haben daher keine Auswirkungen auf seine durch den Behandlungsvertrag erworbene Rechtsposition gegenüber dem behandelnden Arzt.

1.2. Es ist in Lehre und Rechtsprechung unstrittig, dass auch selbständige Unternehmer und Ärzte Erfüllungsgehilfen sein können ( Karner in KBB² § 1313a Rz 4; Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1313a Rz 9 - je mwN). So haftet der Belegarzt für das schuldhafte und schadensursächliche Verhalten aller wirtschaftlich selbständigen Ärzte, die im Zuge der Operationsvorbereitung bestimmte für die Erfüllung des Behandlungsvertrags unentbehrliche ärztliche Leistungen unter seiner Oberleitung in Fragen der Operationsorganisation erbringen; sie werden als seine Erfüllungsgehilfen tätig (RIS-Justiz RS0112629 [T1, T3]).

1.3. Überweist hingegen ein Facharzt einen Patienten an einen anderen selbständig tätigen Facharzt, so kommt ein eigener Behandlungsvertrag im Rahmen dessen Fachgebiets zwischen dem Arzt und dem Patienten zustande. Der Patient beauftragt den von ihm zunächst aufgesuchten Arzt, wenn er nichts Gegenteiliges zum Ausdruck bringt, mit der Auswahl des individuellen Arztes, an den überwiesen werden, und der seinerseits die Leistung erbringen soll. In diesem Fall besteht keine Haftung des überweisenden Arztes für Fehlleistungen des behandelnden Arztes (7 Ob 136/06k).

2.1. Das Berufungsgericht ist bei Anwendung allgemeiner Grundsätze des Stellvertretungsrechts zum Ergebnis gelangt, dass unter den konkreten Umständen des Anlassfalls ein Behandlungsvertrag zwischen dem abwesenden Vertragsarzt, vertreten durch den von ihm beauftragten Vertreter, und dem Kläger zustandegekommen ist; insofern genügt es, auf die insgesamt zutreffenden Ausführungen der zweiten Instanz zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2.2. Der Argumentation des Beklagten im Rechtsmittel, er habe mit den in seiner Abwesenheit seine Ordination aufzusuchenden Patienten- auch nach dem äußeren Anschein - keinen Behandlungsvertrag im eigenen Namen und unter eigener Verantwortung abschließen wollen, ist entgegenzuhalten, dass der erstmals in seiner Ordination vorsprechende Kläger nach dessen Erkenntnishorizont aufgrund der bereits vom Berufungsgericht aufgezeigten Gründe der Meinung sein musste, entweder vom Ordinationsinhaber persönlich oder zumindest innerhalb seines Verantwortungsbereichs behandelt zu werden. Diesen zurechenbaren Vertrauenstatbestand hat der Beklagte dadurch geschaffen, dass er es unterlassen hatte, den Kläger mittels entsprechender Maßnahmen (zB Anbringen eines entsprechenden Hinweises am Ordinationsschild oder an der Eingangstür zum Behandlungsraum, Anweisung an den Vertreter oder sein Personal, die Patienten entsprechend zu informieren) über den Vertretungsfall vor Beginn der Behandlung aufzuklären.

2.3. Deliktische und vertragliche Haftung wegen des Handelns einer als Stellvertreter eingesetzten Person beruhen auf unterschiedlichen Grundlagen; es ist daher - entgegen der im Rekurs vertretenen Auffassung - kein Wertungswiderspruch, wenn deliktische und vertragliche Haftungsfolgen an unterschiedlichen Voraussetzungen anknüpfen.

2.4. Dass es einem Kassenpatienten regelmäßig gleichgültig sei, von welchem Vertragsarzt er behandelt werde, wie der Beklagte behauptet, ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend. Im Anlassfall spricht gegen einen solchen Geschäftswillen schon der Umstand, dass der Kläger die Ordination des Beklagten aufgrund einer Empfehlung seines Hausarztes aufgesucht hat. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass der Kläger gerade von dem ihm empfohlenen Beklagten behandelt werden wollte.

2.5. Die Entscheidungen 2 Ob 805/53 und 7 Ob 136/06k sind nicht einschlägig. In beiden Fällen bestand - im Gegensatz zum Anlassfall - aus der Sicht des Patienten kein Zweifel über die Identität des behandelnden Arztes, und es wurden keine stellvertretungsrechtlichen Fragen im Kontext mit einer schlüssigen Bevollmächtigung oder einer Anscheinsvollmacht erörtert.

Im Fall 2 Ob 805/53 wurde eine Haftung der zunächst behandelnden beklagten Kassenärztin für ihren Urlaubsvertreter vor allem deshalb verneint, weil die Behandlung der Klägerin durch die Beklagte dort nach dem Ergebnis der Untersuchung beendet war und die Klägerin später ein neues Vertragsverhältnis mit dem Urlaubsvertreter einging. Nach der Entscheidung 7 Ob 136/06k kommt im Fall der Überweisung eines Patienten an einen anderen selbständig tätigen Facharzt mit diesem ein eigener, dessen Fachgebiet betreffender Behandlungsvertrag zustande, weshalb der an einen Facharzt überweisende Arzt nicht für dessen Fehlleistungen haftet.

Aus beiden Entscheidungen ist für den Standpunkt des Beklagten, ein abwesender Kassenvertragsarzt verspreche den die Ordination aufsuchenden Patienten keine Behandlung in eigener zivilrechtlicher Verantwortung, nichts zu gewinnen. Diese Ansicht des Beklagten ist nach den Erwägungen unter 2.1., 2.2. und 2.4. widerlegt.

3. Die voranstehenden Ausführungen lassen sich in folgender Weise zusammenzufassen:

Die vertragliche Haftung eines niedergelassenen Arztes gegenüber einem Patienten für Behandlungs- und/oder Diagnosefehler knüpft an den zumeist konkludent abgeschlossenen Behandlungsvertrag an. Die berufsrechtlichen Vorschriften über die persönliche, selbständige und eigenverantwortliche Berufsausübung durch einen Arzt lassen die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen über das Stellvertretungsrecht und die Gehilfenhaftung unberührt. Auch die zwischen Sozialversicherungsträger, niedergelassenem Vertragsarzt und von diesem beauftragten Vertreter vereinbarten Abrechnungsmodalitäten für die vertretungsweise ärztliche Behandlung von Kassenpatienten sind für die aufgrund von Behandlungsverträgen zu lösenden Haftungsfragen im Allgemeinen nicht von Belang. Ein abwesender Kassenvertragsarzt haftet für ein Fehlverhalten des in seinem Auftrag in seiner Ordination tätigen Vertreters als Erfüllungsgehilfen, sofern ein die Ordination aufsuchender Patient vor der Behandlung über einen Vertretungsfall aufgrund eines mit dem Vertreter abzuschließenden Behandlungsvertrags nicht aufgeklärt wird und deshalb nach seinem Erkenntnishorizont den Eindruck gewinnen muss, vom (tatsächlich abwesenden) Ordinationsinhaber oder zumindest innerhalb seines zivilrechtlichen Verantwortungsbereichs behandelt zu werden.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

Rechtssätze
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