JudikaturJustiz4Ob147/20a

4Ob147/20a – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Dezember 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon. Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers V*****, vertreten durch Kosesnik Wehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die Beklagten 1. V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Kustor und Dr. Sabine Prossinger, Rechtsanwälte in Wien, 2. ***** OG, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR), über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2020, GZ 1 R 29/20x 51, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. November 2019, GZ 11 Cg 52/18m 35, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Erstbeklagten die mit 1.251,36 EUR (darin 208,56 EUR USt) und der Zweitbeklagten die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer jeweiligen Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Erstbeklagte ist die deutsche Herstellerin, die Zweitbeklagte die österreichische Generalimporteurin von Fahrzeugen, die im Zusammenhang mit dem „VW Abgasskandal“ stehen.

[2] Der klagende Verband beanstandet von den Beklagten anlässlich ihrer Rückrufaktion getätigte Äußerungen und nimmt sie – gestützt auf § 2 UWG – auf Unterlassung (zwei Begehren und zwei Eventualbegehren zum ersten Begehren) und Urteilsveröffentlichung in Anspruch.

[3] Das Erstgericht gab nur dem ersten der beiden Unterlassungsbegehren sowie dem Veröffentlichungsbegehren statt.

[4] Das Berufungsgericht wies infolge Berufungen der Beklagten mit Teilurteil das erste Unterlassungsbegehren samt erstem Eventualbegehren ab und hob das Ersturteil hinsichtlich des zweiten Eventualbegehrens und des Veröffentlichungsbegehrens auf und trug dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil mit einer außerordentlichen Revision zu rechnen sei und angesichts der Vielzahl der betroffenen Konsumenten ein Gleichklang in der Anfechtbarkeit aller Bestandteile der Berufungsentscheidung wünschenswert sei.

[5] Der Kläger ficht (nur) den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts mittels Rekurs an und beantragt, der Klage insoweit stattzugeben; die Erst- und Zweitbeklagten beantragen mit ihrer jeweiligen Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Rekurs ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .

[7] 1. Dass zum selben Themenkomplex mehrere ähnliche Verfahren bereits anhängig sind oder in Betracht kommen, begründet für sich genommen noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS Justiz RS0042742 [T15]).

[8] 2.1. Der Rekurswerber hat darzulegen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint. Eine Rechtsrüge, die sich auf die bloße und nicht weiter ausgeführte pauschale Behauptung beschränkt, das Gericht habe die Sache rechtlich unrichtig beurteilt, ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Dies gilt auch, wenn die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts bloß mit „Leerformeln“ als unrichtig bezeichnet wird (vgl RS0043312 [T8, T9, T13]). Die bloß formelhafte Rüge einer unrichtigen Lösung der Rechtsfrage ermöglicht nämlich keine Prüfung, ob die Entscheidung zweiter Instanz eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RS0043654).

[9] 2.2. Im vorliegenden Fall lässt der Rekurswerber in seinen Ausführungen nicht erkennen, welche Rechtsfragen das Berufungsgericht unrichtig beurteilt haben soll, und aus welchen Gründen dies der Fall sei. Er beschränkt sich darauf, ohne nähere Begründung zu behaupten, dass eine Klagsstattgebung angezeigt sei, ohne jedoch darzulegen, weswegen die Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluss nicht im Einklang mit der Judikatur stehe. Eine erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht dargetan (vgl RS0043654 [T9]).

[10] 3.1. Das (allein noch verfahrensgegenständliche) zweite Eventualbegehren lautet zusammengefasst, die Beklagten schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr in Österreich zu unterlassen,

den unrichtigen Eindruck zu erwecken, das von ihnen angebotene Softwareupdate für diejenigen Dieselfahrzeuge der Marken VW, Audi, Skoda oder Seat (…) könnte vorgenommen werden, ohne dass dies mit einer Verschlechterung hinsichtlich Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Motor-leistung und Drehmoment sowie Geräuschemissionen verbunden sei, dies insbesondere durch Aussagen wie (…), wenn es – je nach Einsatzbedingung, insbesondere im Stadtverkehr – nach dem Softwareupdate zu erhöhter Rußbildung kommt, was Probleme mit dem Abgasrückführungssystem wie das schnellere Verrußen des Partikelfilters nach sich zieht, was wiederum ein häufiger erforderliches Regenerieren bedingt, das seinerseits zu höherem Kraftstoffverbrauch und damit zu höheren CO2-Emissionen und zu erhöhten Geräuschemissionen führt und darüber hinaus mit der Verschiebung der Drehmomentkurve eine Verschlechterung des Drehmoments im meist verwendeten unteren und mittleren Drehzahlbereich einhergeht.

[11] 3.2. Wenn ein Unterlassungsgebot konditional ( wenn ) mit bestimmten Prüftatsachen verknüpft wird, kann es nur dann erlassen werden, wenn auch diese Tatsachen bewiesen wurden (RS0037440 [T19] = 4 Ob 184/18i, Gewichtsreduktion ; 4 Ob 24/19m). Der Kläger hat die Abweichung von den wirklichen Begebenheiten somit konditional (durch die Verknüpfung mit wenn ) in sein Unterlassungsbegehren aufgenommen. Damit hat er auch das Prüfkalkül für die behauptete Abweichung von den Tatsachen festgelegt. Werden in einem in das Unterlassungsbegehren aufgenommenen Konditionalsatz zwei Bedingungen genannt und mit einem und verknüpft, so müssen auch beide erfüllt sein, um das Unterlassungsgebot zu rechtfertigen (vgl 4 Ob 184/18i [5.]).

[12] 3.3. Hier nannte der Kläger mehrere Bedingungen, welche er durch mehrere Bindeworte sowie durch das Wort „und“ verknüpfte. Somit müssen in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung sämtliche aufgezählten Bedingungen erfüllt sein, um dem Unterlassungsgebot stattgeben zu können.

[13] 3.4. Aufgrund der vom Kläger vorgegebenen Kausalkette kommt ein Teilen des Begehrens nach der zitierten (und vom Berufungsgericht auf den vorliegenden Sachverhalt zutreffend angewendeten) Judikatur nicht in Betracht. Es reicht daher nicht aus, wenn vom Erstgericht festgestellt wurde, dass bei der Fahrzeugtype VW Golf durch das Update Verschlechterungen der Motorengeräusche hervorgerufen werden, zumal keine Feststellungen hinsichtlich der Rußbildung oder den weiteren im Konditionalsatz genannten Faktoren getroffen wurden.

[14] 4.1. Die Prüfung, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen noch weitere Beweise notwendig sind, ist ein Akt der Beweiswürdigung. Zweck des Rekurses ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof; ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht richtig – oder wird gar nicht bekämpft – kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob und inwieweit die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (RS0043414 [T12]; RS0042179 [T17]). Denn hält das Berufungsgericht, ausgehend von einer richtigen Rechtsansicht, die erstgerichtlichen Feststellungen für unzureichend und weitere Feststellungen für erforderlich, so kann der Oberste Gerichtshof, der nicht auch Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RS0043414 [T8]).

[15] 4.2. Wie zu Pkt 3. ausgeführt ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur konditionalen Verknüpfung des konkreten Unterlassungsgebots zutreffend. Die Frage, ob weitere Beweisaufnahmen notwendig sind, ist daher einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen.

[16] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben jeweils auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.