JudikaturJustiz4Ob119/14z

4Ob119/14z – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juli 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Dr. N***** J*****, vertreten durch die Dr. Helene Klaar Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beklagten Dr. C***** J*****, vertreten durch Dr. Reinhard Mikula, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 97 ABGB, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. Mai 2014, GZ 45 R 129/14z 20, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen verboten dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung, selbst oder als wirtschaftlicher Eigentümer der Eigentümergesellschaften an einer Veräußerung, Verpfändung, Belastung oder an einer sonstigen Verfügung über die beiden angrenzenden Liegenschaften mitzuwirken, auf denen sich die Ehewohnung der Streitteile befindet.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Beklagte macht in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend, das Rekursgericht sei zu Unrecht von seinem beherrschenden Einfluss auf die Eigentümergesellschaften ausgegangen. Überdies sei durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung ohne Anhörung des Beklagten in dessen verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrechte eingegriffen worden.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt der Beklagte jedoch keine im Sinn von § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen auf:

1. Auch die mittelbare Verfügungsbefugnis des anderen Ehegatten im Rahmen einer Gesellschaft, in der ihm (bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise) aufgrund seiner organschaftlichen Stellung ein beherrschender Einfluss zusteht, genügt für die Annahme einer Verfügungsberechtigung über die Wohnung, die im Eigentum der Gesellschaft steht, im Sinn des § 97 ABGB (7 Ob 86/03b; Beck in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR [2011] § 97 ABGB Rz 12).

2. Ob sich bei Anteilsverschiebungen bei Gesellschaften eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten ergibt, ist immer in Bezug auf den konkreten Einzelfall zu prüfen (vgl 6 Ob 88/06v = RIS Justiz RS0118809 [T1]).

3. Im vorliegenden Fall nahmen die Vorinstanzen als bescheinigt an, dass die Liegenschaft 1 im Eigentum einer KG steht, deren einziger Komplementär der Beklagte ist. Hinsichtlich der Liegenschaft 2 ist der Beklagte (nach Verkauf der Hälfte der Geschäftsanteile und Aufgabe der Geschäftsführerfunktion) 50 % Gesellschafter der einzigen Komplementärin und je 25 % Gesellschafter zweier Kommanditistinnen der Eigentümerin und hinsichtlich der gesamten Liegenschaft (1+2), auf der sich die Ehewohnung befindet, ist der Beklagte einziger Gesellschafter-Geschäftsführer der Mietergesellschaft. Wenn die Vorinstanzen aufgrund dieser Konstellation von einer Verfügungsberechtigung des Beklagten über die Wohnmöglichkeit ausgingen, stellt dies keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung dar. Auch wenn der Beklagte keinen beherrschenden Einfluss auf die Eigentümer-KG der Liegenschaft 2 haben mag wie im Revisionsrekurs vorgebracht , so ergibt sich die Verfügungsberechtigung über die Ehewohnung schon aus seiner Stellung als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Mietergesellschaft. Der oben genannte Verkauf der Hälfte der Geschäftsanteile samt Aufgabe der Geschäftsführerfunktion ist daher für die Verfügungsberechtigung an der Ehewohnung irrelevant, denn auch Bestandrechte vermitteln Verfügungsrechte im Sinn von § 97 ABGB (vgl 7 Ob 86/03b ua). Im Übrigen zieht auch die Stellung des Beklagten als einziger Komplementär (und damit allein vertretungsbefugter Gesellschafter) der Eigentümer-KG der Liegenschaft 1 eine maßgebliche Einflussmöglichkeit auf die Ehewohnung nach sich.

4. Zur behaupteten Grundrechtsverletzung ist auszuführen, dass zwar im Regelfall auch im Provisorialverfahren die Garantien des Art 6 EMRK voll anwendbar sind, jedoch in Ausnahmefällen, etwa dann, wenn wie hier die Effektivität der Maßnahme von einer raschen Entscheidung abhängt, die einseitige Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners zulässig ist, weil ja der nachfolgend mögliche Widerspruch das rechtliche Gehör sicherstellt (vgl RIS Justiz RS0028350 [T9]).

Rechtssätze
3