JudikaturJustiz4Ob118/19k

4Ob118/19k – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Priv. Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin mj E***** K*****, geboren am ***** 2009, vertreten durch die Mutter S***** K*****, diese vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen den Beklagten Dr. M***** G*****, vertreten durch Dr. Josef Dengg und andere Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, wegen 57.861 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Mai 2019, GZ 6 R 43/19i 27, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die minderjährige Klägerin nahm mit ihrer Mutter, einer Freundin und deren Mutter an einem von einer politischen Partei im Freien veranstalteten „Silvesterpunsch“ teil. Der Beklagte war der Parteiobmann der Ortsgruppe dieser Partei. Er füllte vier Becher mit einem kostenlos abgegebenen Kinderpunsch und stellte sie vor den beiden Frauen und ihren Töchtern ab. Alle vier nahmen die Becher vom Tisch in ihre Hände, da sie aber zu heiß waren, stellten sie sie wieder zurück auf den Tisch. Aus nicht feststellbaren Gründen fiel danach einer der Becher um, wobei sich die Klägerin durch die auslaufende Flüssigkeit am Bein verbrühte und schwere Verletzungen erlitt. Der Beklagte meldete den Vorfall seiner privaten Haftpflichtversicherung, die der Klägerin 3.000 EUR zahlte.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten insgesamt 57.861 EUR Schadenersatz. Durch die Versicherungszahlung liege ein Anerkenntnis vor; im Übrigen hafte der Beklagte wegen seines sorglosen Verhaltens, weil er ein siedend heißes Getränk in unmittelbarer Nähe von Kindern abgestellt habe.

Der Beklagte wendete ein, er habe den Becher nicht umgestoßen. Er sei auch nicht der Veranstalter des Festes gewesen, sondern bloß freiwilliger Mitarbeiter. Auch liege kein Anerkenntnis vor, er habe lediglich eine telefonische Schadenmeldung bei seinem Versicherungsvertreter erstattet, die schriftliche Schadenmeldung an die Versicherung sei ohne sein Wissen erfolgt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Einer Warnung vor der Hitze des Getränks hätte es im konkreten Fall nicht bedurft, weil alle vier Gäste die Becher von den Tischen in die Hände genommen und wegen der Hitze zum Abkühlen wieder zurück auf den Tisch gestellt hätten. Überdies sei die Klägerin von ihrer Mutter gewarnt worden. Es sei daher kein haftungsbegründender Umstand gegeben. Aus der Versicherungsmeldung sei kein konstitutives Anerkenntnis abzuleiten. Die Versicherung habe die Klägerin aufgefordert, „unverbindlich“ ihre Forderungen bekanntzugeben. Daraus sei kein Verpflichtungswille abzuleiten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin macht in ihrer außerordentlichen Revision keine erheblichen Rechtsfragen geltend; die Revision ist daher unzulässig.

1. Der Beklagte war nicht Veranstalter: Das Erstgericht hat sich zutreffend auf die Rechtsprechung berufen (RIS Justiz RS0071150, RS0102113), wonach politischen Parteien Partei und Rechtsfähigkeit zukommt und Veranstalterin eines Festes einer Gemeindeorganisation der Partei ohne eigene Rechtspersönlichkeit die jeweilige Landesparteiorganisation ist. Damit scheidet die Haftung des Beklagten, der bloß freiwilliger Mitarbeiter bei der Veranstaltung war, als Veranstalter aus.

2.1. Die Revision macht geltend, den Beklagten habe eine erhöhte Sorgfaltspflicht getroffen, weil keine schenkungsähnliche Rechtshandlung vorgelegen sei.

2.2. Nach der Rechtsprechung schließt eine bloß erhoffte Gegenleistung den Schenkungscharakter (die Unentgeltlichkeit) nicht aus (vgl RS0018852 [T9]). So wird etwa die Unentgeltlichkeit durch das bloße Erwarten der weiteren Pflege (durch den Beschenkten) nicht ausgeschlossen (RS0018852 [T10]).

2.3. Der Umstand, dass die Veranstaltung mit Ausschank von Gratis-Getränken der (politischen) Werbung gedient hat und sich die veranstaltende politische Partei erhofft haben mag, durch ihre Freigiebigkeit letztlich das Wahlverhalten der Besucher zu ihren Gunsten zu beeinflussen, reicht nach der zitierten Rechtsprechung nicht, um den Schenkungscharakter auszuschließen. Aus den Feststellungen ergeben sich auch sonst keinerlei Anhaltspunkte, die gegen eine Schenkung sprechen würden. Die Revision legt auch nicht nachvollziehbar dar, weshalb für den Beklagten, der nicht Veranstalter war, ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab, der über die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten hinaus ginge, gelten solle.

3.1. Die Klägerin ist beweispflichtig, dass der Schaden bei Erfüllung der den Beklagten treffenden Warnpflicht und Aufklärungspflicht nicht eingetreten wäre (vgl RS0022700 [T3]).

3.2. Nach dem festgestellten Handlungsablauf war die Klägerin bereits vor der Gefahr eines heißen Getränks gewarnt und gab durch ihr Verhalten (Zurückstellen des heißen Bechers) zu erkennen, die Gefahr erkannt zu haben; auch wies die Mutter der Klägerin die Kinder an, aufzupassen. Es hätte daher auch eine explizite Warnung des Beklagten das Umstürzen des Bechers nicht verhindern können. Den gegenteiligen Beweis hat die Klägerin weder angetreten, noch erbracht.

4. Soweit sich die Klägerin auf ein konstitutives Anerkenntnis des Beklagten stützt, ist sie auf Folgendes zu verweisen:

4.1. Ein konstitutives Anerkenntnis setzt die Absicht des Erklärenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zu schaffen (RS0032496 [T1]). Diese Absicht ist nach der Vertrauenstheorie zu beurteilen (RS0032496 [T5]). Das konstitutive Anerkenntnis kommt dadurch zustande, dass der Gläubiger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts ernstlich das Bestehen einer Forderung behauptet und der Schuldner Zweifel am Bestehen der Forderung durch sein Anerkenntnis beseitigt (RS0032818 [T5]). Ein konstitutives Anerkenntnis kann auch schlüssig durch solche Handlungen erklärt werden, die unter Berücksichtigung aller Umstände keinen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen (5 Ob 37/18d mwN; RS0014279 [T7]). Ob ein deklaratorisches (unechtes) Anerkenntnis, eine durch Gegenbeweis widerlegbare Wissenserklärung oder ein konstitutives (echtes) Anerkenntnis (eine allenfalls anfechtbare rechtsgeschäftliche Willenserklärung) vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (vgl RS0032666).

4.2. Nach den Feststellungen kontaktierte der Beklagte seine Haftpflichtversicherung, deren Vertreter für den Beklagten eine Schadensmeldung ausfüllte. Ihr Inhalt deckt sich jedoch weder mit den Angaben des Beklagten gegenüber dem Vertreter vollständig, noch wurde sie vom Beklagten unterschrieben; dieser erhielt das Schadensmeldungsformular auch nie. Die Versicherung schrieb dem Klagevertreter, dass sie „nach den uns vorliegenden Unterlagen“ von der Alleinhaftung ihres Versicherungsnehmers ausgehe und dass „unverbindlich“ die Forderungen der Klägerin bekanntgegeben werden mögen. Die Versicherung überwies sodann dem Klagevertreter 3.000 EUR, gewidmet als „Akontozahlung auf alle Ansprüche“.

4.3. Es ist keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen ein konstitutives Anerkenntnis verneint haben. Die Einzelfallentscheidung berücksichtigt, dass die erste Erklärung der Versicherung lediglich eine vorläufige Einschätzung aufgrund der damals vorliegenden Unterlagen zum Ausdruck bringt, und dass mit dem Ausdruck „unverbindlich“ klargestellt war, dass noch keine Verpflichtung eingegangen werden wollte. Dass allein die Willensbetätigung der Akontozahlung ohne weitere Erklärung, aus der sich eine Änderung der Einschätzung in der ursprünglichen Erklärung ergeben hätte, von den Vorinstanzen nicht als hinreichender Grund für ein konstitutives Anerkenntnis gewertet wurde, hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung und des den Vorinstanzen in dieser Frage eingeräumten Ermessens.

5. Der geltend gemachte Verfahrensmangel wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
6