JudikaturJustiz4Ob110/13z

4Ob110/13z – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. August 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** AG, *****, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Pramberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 13. Mai 2013, GZ 3 R 95/12f 9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Um als bekannte Marke branchenübergreifend geschützt zu sein, genügt es, wenn die Marke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch diese Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist (17 Ob 4/09a). Bezugsgröße für die Prüfung der Bekanntheit einer Marke ist nicht unbedingt die breite Öffentlichkeit; vielmehr ist auf die von der Marke konkret betroffenen Verkehrskreise abzustellen. Dabei sind nicht feste Prozentsätze maßgebend. Vielmehr sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere der Marktanteil der Marke, die Intensität, die geographische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat (17 Ob 27/11m).

1.2. Von dieser Rechtsprechung ist das Rekursgericht nicht abgewichen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls die Marken der Klägerin als bei den angesprochenen Verkehrskreisen bekannte Marken beurteilt hat, weil die Klägerin mit ihren Produkten Marktführerin mit einem Marktanteil von mehr als 67 % im Inland und knapp 68 % im Ausland ist.

2.1. Eine bekannte Marke ist nach Art 9 Abs 1 lit c GMV (Art 5 Abs 2 MarkenRL) gegen eine unlautere Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung geschützt (17 Ob 15/09v; RIS Justiz RS0118990, RS0115930).

Die Benutzung einer Marke durch einen Dritten als Hinweis auf die Bestimmung einer von diesem Dritten vertriebenen Ware ist notwendig, wenn eine solche Benutzung praktisch das einzige Mittel ist, der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über diese Bestimmung zu liefern, um das System eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Markt für diese Ware zu erhalten (17 Ob 2/11k mwN; vgl RIS Justiz RS0124424 [T1]).

2.2. Die Beklagte hat in einem Werbefilm über ihr Pistenmanagementsystem mehrmals mit der Marke der Klägerin versehene Pistenfahrzeuge auffällig ins Bild gerückt und im Internet in einer Überschrift zu einer news-Mitteilung ihre eigene Marke unmittelbar neben einer Marke der Klägerin genannt, obwohl ihre Produkte in Pistenraupen jedes Herstellers eingebaut werden können. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die beanstandeten Markennutzungen seien keine zulässigen Bestimmungsangaben und erweckten den unrichtigen Eindruck eines wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den Streitteilen, ist bei dieser Sachlage nicht zu beanstanden.

3.1. Ein Unterlassungsgebot ist zu weit gefasst, wenn die Beklagte damit zu Unterlassungen verhalten wird, zu denen sie bei richtiger Auslegung des materiellen Rechts nicht verpflichtet wäre (RIS Justiz RS0037461). Mögliche Rechtfertigungsgründe und daraus resultierende Ausnahmen vom gerichtlichen Verbot müssen allerdings nicht zwingend in den Spruch aufgenommen werden, gelten diese doch auf Grund des Gesetzes unabhängig davon, ob sie im Spruch des Unterlassungsgebots ausdrücklich erwähnt werden oder nicht. Liegt der rechtfertigende Tatbestand vor, kann auf Grund des hier ergangenen gerichtlichen Unterlassungsgebots nicht erfolgreich Exekution geführt werden (vgl RIS Justiz RS0114017).

3.2. Die Befürchtung der Beklagten, sie dürfe künftig ihre Produkte in Verkaufsgesprächen nicht als tauglich auch für Pistenraupen der Klägerin anpreisen, ist angesichts dieser Rechtsprechung, von der das Rekursgericht bei der Neufassung des Unterlassungsgebots nicht abgewichen ist, unbegründet.

4.1. Nach § 10b Abs 1 MSchG (Art 7 Abs 1 MarkenRL, Art 13 Abs 1 GMV) gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, sie für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Das Ausschließlichkeitsrecht des Markeninhabers fällt daher weg, wenn er (ausdrücklich oder konkludent) seine Zustimmung zum Inverkehrbringen im EWR erteilt oder wenn er die Ware selbst im EWR in Verkehr bringt (17 Ob 16/09s mwN).

4.2. Die Frage einer Erschöpfung des Markenrechts in diesem Sinn stellt sich entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin im Anlassfall nicht, weil der Beklagten nicht vorgeworfen wird, sie habe als Wiederverkäuferin Marken der Klägerin für Pistenraupen benutzt, die die Klägerin (oder ein Dritter mit deren Zustimmung) im EWR in Verkehr gebracht hat. Für Dienstleistungen an erschöpften Waren (hier: Einbau von Produkten der Beklagten) gilt der Erschöpfungsgrundsatz grundsätzlich nicht (EuGH 23. 2. 1999, C 63/97 BMW Rn 56 f).

Rechtssätze
7
  • RS0118990OGH Rechtssatz

    20. April 2021·3 Entscheidungen

    Die Anlehnung an eine fremde Leistung und die Ausnutzung eines guten Rufs ist nicht stets verwerflich. Es muss zur objektiven Rufausbeutung etwas Anstößiges hinzutreten, Anhaltspunkte hiefür bilden etwa die Verwendung identischer Zeichen, die Behinderung des Markeninhabers in der eigenen wirtschaftlichen Verwertung der Marke auf dem fraglichen Waren/Dienstleistungsgebiet und vor allem die - meist naheliegende, wenn nicht konkret widerlegte - Zielrichtung, am fremden Ruf zu schmarotzen.

  • RS0115930OGH Rechtssatz

    24. Januar 2017·3 Entscheidungen

    Der Image-/Renommeeschutz greift nur, wenn die Benützung des jüngeren Zeichens in unlauterer Weise erfolgt und kein rechtfertigender Grund vorhanden ist; es müssen demnach besondere Umstände für die Verwerflichkeit der Anlehnung vorliegen.