JudikaturJustiz3Ob68/04b

3Ob68/04b – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****vertreten durch Dr. Roland Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T***** GmbH, Zweigniederlassung Wien, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei V***** GmbH Co, ***** vertreten durch Dr. Christian Ransmayr, Rechtsanwalt in Linz, wegen 30.273,60 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2004, GZ 5 R 99/03w-208, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

In der außerordentlichen Revision wird als erhebliche Rechtsfrage angeführt, das Berufungsgericht habe "zweifach gegen die Rsp zu § 488 Abs 4 ZPO" verstoßen.

Die Berufungsverhandlung am 27. November 2003 nahm nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls nach dem Referat des Berichterstatters und den Parteienvorträgen folgenden Verlauf:

"Der Berufungssenat teilt mit, ergänzende Feststellungen treffen zu wollen, konkret zur Höhe des Behebungsaufwands für die Mängel und zu den Mängelrügen, dies anhand ua der SV-Gutachten.

Die Frage des Beklagtenvertreters, welche Feststellungen der Senat auf Grund welcher Beweismittel treffen würde, muss einer allf. Entscheidung des Berufungsgerichts nach Verlesung des Aktes vorbehalten bleiben.

Die Parteienvertreter sprechen sich nicht gegen eine Verlesung des Aktes aus.

Beschluss

Das Berufungsgericht beschließt die Ergänzung des Beweisverfahrens

zur Verlesung des Aktes samt Beilagen.

Der Akt wird verlesen.

Die Parteienvertreter legen Kostennoten ein.

Der Vorsitzende erklärt die Verhandlung für geschlossen und verkündet den Beschluss, die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorzubehalten."

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 488 Abs 4 ZPO dem Berufungsgericht aufgetragene vorherige Bekanntgabe, dass es gegen die erstinstanzliche Würdigung eines (bestimmten) Beweises Bedenken habe, um den Parteien Gelegenheit zu geben, eine neuerliche Aufnahme dieses Beweises durch das Berufungsgericht zu beantragen, kommt nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur im Falle einer Beweiswiederholung durch das Berufungsgericht in Betracht, nicht aber bei einer Beweisergänzung (3 Ob 235/01g, 3 Ob 158/03m; RIS-Justiz RS0118769; E. Kodek in Rechberger2, § 488 ZPO Rz 4 mwN). Soweit das Berufungsgericht nur eine Beweisergänzung vornimmt, kommt - wie sich dies schon aus dem Wortlaut des § 488 Abs 4 ZPO ergibt ("Erwägt das Berufungsgericht von den Feststellungen des Erstgerichts abzuweichen, ...") - § 281a ZPO ohne die Beschränkung des § 488 Abs 4 ZPO zur Anwendung (3 Ob 235/01g mwN; E. Kodek aaO). Der ggt. nicht näher begründeten E 7 Ob 546/92 = RZ 1993/91 kann nicht gefolgt werden. Gibt das Berufungsgericht bekannt, dass es die Beweisergänzung zu einem eindeutigen Beweisthema (in casu: Höhe des Behebungsaufwands für die Mängel und zu den Mängelrügen) vorzunehmen gedenkt und war das Unterbleiben von Feststellungen zu diesem Streitpunkt Gegenstand der Berufung, dann war klar, dass das Berufungsgericht vom Erstgericht darüber nicht getroffene Feststellungen für rechtlich erheblich hält (vgl. 10 Ob 2/03x).

Die beklagte Partei behauptet, das Berufungsgericht habe hier nicht nur ergänzende, sondern "vom Ersturteil abweichende, sogar gegenteilige Feststellungen" getroffen, ohne vorher darauf hingewiesen zu haben, welche es für bedenklich hält. Das Erstgericht habe nämlich auf Seite 25 der Urteilsausfertigung festgestellt, dass die Parteien auf Mängelrügen verzichteten, die abgesehen davon ohnehin rechtzeitig gewesen seien, und dass der Behebungsaufwand den Klagsbetrag überstiegen habe. Tatsächlich hat der Erstrichter dort folgendes ausgeführt: "Auf Mängelrüge wegen Gewährleistung wurde vertraglich verzichtet. Die verzeichneten Schadenshöhen (= Behebungskosten) sind ortsüblich angemessen (Sachverständigengutachten)." Wie das Erstgericht aber im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (insb Seite 37 der Urteilsausfertigung) klar stellte, lag nach den Parteienvereinbarungen kein genereller Verzicht auf eine Mängelrüge als Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch vor. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht keineswegs Feststellungen getroffen, die von denjenigen des Erstgerichts abweichen. Was die Höhe des - den Gegenstand der Aufrechnungseinrede bildenden - Behebungsaufwands betrifft, hat die zweite Instanz die Parteien in der Berufungsverhandlung ohnehin ausdrücklich darauf hingewiesen, hiezu ergänzende Feststellungen treffen zu wollen. Weiters soll das Berufungsgericht nach Ansicht der beklagten Partei - entgegen bisheriger Rsp - nicht zwischen Gewährleistung und Garantie unterschieden haben. Konkret vertritt die beklagte Partei die Ansicht, die klagende Partei hafte nach den vertraglichen Vereinbarungen für Mängel auch ohne deren Rüge. Damit wird eine Frage der Vertragsauslegung im Einzelfall geltend gemacht; hiebei handelte es sich grundsätzlich um keine erhebliche Rechtsfrage; eine auffällige Fehlbeurteilung im Einzelfall liegt nicht vor. Ein Abweichen von den erstgerichtlichen Feststellungen kann - wie bereits ausgeführt - dem Berufungsgericht ebenfalls nicht vorgeworfen werden; das Erstgericht hat nämlich entgegen der Behauptung der beklagten Partei in der außerordentlichen Revision einen Verzicht der Parteien auf Mängelrüge nicht generell, somit auch als Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, festgestellt. Soweit die beklagte Partei schließlich geltend macht, das Berufungsgericht habe beim Zinsenzuspruch zu Unrecht § 473a ZPO nicht angewendet, ergibt sich Folgendes: Der zufolge seiner Aufrechnungseinrede in erster Instanz obsiegende Beklagte hat ein Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung des Ausspruchs, dass die Klagsforderung zu Recht besteht; er ist jedoch nicht verpflichtet, die ihm ungünstige Feststellung im Spruch über das Bestehen der Klageforderung zu bekämpfen, weil diese wegen des rechtlichen Zusammenhangs zur Gegenforderung nicht allein in Rechtskraft erwachsen kann (2 Ob 49/79 = ZVR 1980/163 u.a.; RIS-Justiz RS0040742, RS0041053). Wenngleich damit der zweitinstanzliche Hinweis (Seite 24 der Urteilsausfertigung zweiter Instanz), die beklagte Partei habe den entsprechenden Ausspruch über die Zinsen in Spruchpunkt 1. des Ersturteils nicht angefochten, nicht zielführend ist, muss die beklagte Partei dennoch darauf verwiesen werden, dass sie im langjährigen Verfahren erster Instanz das Verzugszinsenbegehren der klagenden Partei von 11 % p.a. seit dem Klagstag aus dem Titel des Schadenersatzes nie konkret bestritten hat. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO wird auch in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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