JudikaturJustiz3Ob638/86

3Ob638/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. März 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** S***, vertreten durch Dr. Rudolf Bruckenberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Karl P***, Kaufmann, Salzburg, Sigmundsplatz 2, vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung und Zwischenfeststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 26. Februar 1986, GZ 32 R 300/85-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 15. Mai 1985, GZ 15 C 1424/84-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 3.781,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer und S 384,-- Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hat seit Jahren auf dem im Eigentum der klagenden Partei stehenden, als öffentliches Gut ausgewiesenen Grundstück 3714 der EZ 724 KG Innere Stadt Salzburg (Universitätsplatz) einen Verkaufskiosk (Würstelstand) aufgestellt. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Rechtsnatur dieses Benützungsverhältnisses.

Die klagende Partei begehrt die Räumung der strittigen Grundstückfläche. Sie macht geltend, daß es sich um ein zivilrechtliches Benützungsverhältnis eigener Art handle, das dem Beklagten zuletzt mit Senatsbeschluß vom 11. Dezember 1981 die Aufstellung bis 31. Dezember 1985 erlaubt habe, dies aber nur, solange der Beklagte den Kiosk persönlich benütze, und nicht für den Fall der Weitergabe ohne Zustimmung der klagenden Partei. Im Zusammenhang mit einer solchen geplanten Weitergabe habe der Beklagte die klagende Partei hinisichtlich der begehrten Ablösungssumme irregeführt. Dies sei ein Grund, das Benützungsverhältnis zu widerrufen. Die klagende Partei habe den Widerruf ausgesprochen, sodaß der Beklagte das Grundstück titellos benütze.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und stellte den Zwischenantrag auf Feststellung, daß zwischen den Streitteilen hinsichtlich der strittigen Grundfläche ein "geschütztes" Bestandsverhältnis bestehe. Er wendete ein, daß er Mieter sei, sodaß er ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes nicht zur Räumung verpflichtet sei. Er habe regelmäßig den begehrten Mietzins bezahlt. Bei den Weitergabeverhandlungen sei er nicht unredlich vorgegangen. Zu einer Aufhebung des Mietverhältnisses sei es daher nicht gekommen. Es mangle im übrigen aber auch schon an einem rechtsgültigen Widerruf des behaupteten Benützungsverhältnisses.

Das Erstgericht gab der Klage statt und wies den Zwischenfeststellungsantrag ab (Formulierung: "Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ..... unterliegt nicht den Bestimmungen des MRG bzw MG").

Das Berufungsgericht verwarf die von der beklagten Partei erhobene Berufung wegen Nichtigkeit und bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision zulässig sei.

Die Vorinstanzen trafen im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Am 15. Jänner 1979 erwarb der Beklagte den Kiosk vom früheren Eigentümer Viktor G*** um den Kaufpreis von S 80.000,--. Er selbst betrieb den Kiosk nur bis Juli 1979, seither wird der Betrieb von Viktor S*** geführt. Dieses Unterbenützungsverhältnis sollte im Juni 1984 auslaufen. Über die Räumung durch Viktor S*** ist ein Rechtsstreit anhängig.

Die klagende Partei behandelte den Verkaufskiosk ähnlich einem Marktstand und begehrte auch ein Benützungsentgelt nach Markttarifen, tolerierte es aber, daß die Verkaufstätigkeit nicht nur während des täglich abgehaltenen Marktes, sondern auch außerhalb der Marktzeit ausgeübt werde. Sie versuchte später, eine nähere rechtliche Fixierung unter anderem dadurch zu erreichen, daß sie im Jahre 1980 dem Beklagten einen Mietvertragsentwurf übermittelte. In diesem Entwurf wäre ein monatlich wertgesicherter Mietzins von S 980,-- vorgesehen und die Untervermietung an Viktor S*** ausdrücklich gestattet gewesen. Der Beklagte unterfertigte wohl diesen Vertragsentwurf, die klagende Partei jedoch nicht. Die Zusendung des Entwurfs war ohne Deckung durch einen Gemeinderatsbeschluß erfolgt.

In der Gemeinderatssitzung vom 9. Dezember 1981 beschloß die klagende Partei, für den Verkaufsstand des Beklagten (und etliche ähnliche Verkaufsstände) eine zivilrechtliche Aufstellungsgenehmigung zu erteilen, wobei eine Benützungsgebühr nach der Gebrauchsgebührenordnung der klagenden Partei zu entrichten sei. Damit sollte auch für die bisher verwaltungsrechtlich nicht bewilligte Benützung des Kiosks außerhalb der Marktzeit eine Regelung getroffen werden. Mit einem Schreiben vom 13. Jänner 1982 wurde der Beklagte von diesem Gemeinderatsbeschluß verständigt, wobei unter anderem auf die Notwendigkeit einer Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde nach der StVO und dem Ortsbildschutzgesetz hingewiesen und die persönliche Ausübung zur Bedingung gemacht (aber die derzeitige Benützung durch Viktor S*** zustimmend zur Kenntnis genommen) wurde. Die Genehmigung werde bis 31. Dezember 1985 erteilt, wobei mit einer Verlängerung gerechnet werden könne, wenn keine öffentlichen Interessen entgegenstünden, und könne in begründeten Fällen, zB Nichteinhaltung von Auflagen, jederzeit widerrufen werden.

Der Beklagte unterfertigte entgegen einer diesbezüglichen Aufforderung dieses Schreiben nicht, sondern machte mit Schreiben vom 8. Februar 1982 geltend, daß er Mieter sei. Er bot aber Verhandlungen wegen einer endgültigen Weitergabe seiner Rechte an Viktor S*** an, der den Kiosk um S 130.000,-- ablösen wolle, wenn er zu den von der klagenden Partei beschlossenen Bedingungen ein neues Benützungsrecht eingeräumt erhalte. Die klagende Partei stimmte diesem Vorschlag im Frühjahr 1983 zu. Am 10. Oktober 1983 teilte aber der Beklagte der klagenden Partei mit, daß sich die Verhandlungen mit Viktor S*** zerschlagen hätten.

Es ist nicht erwiesen, daß der Beklagte je den laut Vertragsentwurf des Jahres 1980 vorgesehenen "Mietzins" entrichtete; wohl aber bezahlte er das regelmäßig vorgeschriebene Marktentgelt und auch die späteren Vorschreibungen auf Grund des Gemeinderatsbeschlusses vom 9. Dezember 1981.

Als Viktor S*** in der Folge behauptete, der Beklagte habe eine Ablöse von S 800.000,-- begehrt, nahm dies die klagende Partei zum Anlaß, mit Schreiben vom 28. November 1983 den Widerruf der Aufstellungsgenehmigung zum 31. Dezember 1983 auszusprechen. Auf Grund dieser Feststellungen waren die Vorinstanzen der Auffassung, daß es nicht zum Abschluß eines Mietvertrages gekommen sei. Dem Beklagten sei nur ein privatrechtliches Sondernutzungsrecht am öffentlichen Gut eingeräumt worden. Aus dem nicht unterfertigten Mietvertragsentwurf könne nichts abgeleitet werden. Auch stillschweigend sei es nicht zum Abschluß eines Mietvertrages gekommen. Besonders das Berufungsgericht wies in diesem Zusammenhang auf die im Salzburger Stadtrecht enthaltenen Bestimmungen hin, welche für solche Verträge die Schriftform voraussetzen, was gegen eine Anwendung des § 863 ABGB spreche.

Die Zulassung der Revision begründete das Berufungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Rechtsnatur solcher "Gestattungsverträge".

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsabweisung (gemeint aber wohl auch im Sinne des Zwischenantrages auf Feststellung) abzuändern oder es aufzuheben.

Die klagende Partei rügt in der Revisionsbeantwortung, daß das Berufungsgericht den Streitgegenstand mit einem S 60.000,-- übersteigenden Betrag bewertet und die Revision zugelassen habe, und beantragte im übrigen, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig.

Ein Verstoß gegen die Bewertungsgrundsätze der §§ 54 bis 60 JN ist nicht erkennbar. Die Bewertung des Berufungsgerichtes ist daher gemäß § 500 Abs 4 ZPO für das Revisionsgericht bindend. Wegen der umstrittenen Rechtsnatur von Vertragsbeziehungen der vorliegenden Art sind auch die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO gegeben. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Soweit der Beklagte neuerlich als Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO rügt, daß die Klageführung nicht durch einen Gemeinderatsbeschluß der klagenden Partei gedeckt sei, ist die Revision unzulässig. Der Beschluß des Berufungsgerichtes, mit dem eine wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen wurde, kann nämlich - weil keiner der Fälle des § 519 Abs 1 ZPO vorliegt - weder mit Rekurs noch mit Revision bekämpft werden (MietSlg 36.807 ua., Fasching, Handbuch Rz 1905).

Für die Beurteilung der Frage, ob dem Beklagten an dem im Eigentum der klagenden Partei stehenden öffentlichen Gut (Straßengrund) ein über den Gemeingebrauch hinausgehendes Sondergebrauchsrecht zusteht und ob mangels eines solchen Benützungsrechtes die Räumung der strittigen Grundfläche begehrt werden kann, sowie zur Entscheidung über das von der beklagten Partei gestellte Zwischenfeststellungsbegehren steht - wie schon vom Erstgericht zutreffend erkannt wurde - der Rechtsweg offen (vgl. SZ 47/131, SZ 49/132, SZ 52/62, SZ 53/38).

Dabei muß zwischen den verwaltungsrechtlich zu erteilenden Bewilligungen und der zivilrechtlichen Gestattung der Benützung einer bestimmten Grundfläche unterschieden werden. So bedarf die Benützung des strittigen Straßengrundes einer straßenpolizeilichen Bewilligung nach § 82 StVO, allenfalls zusätzlich einer straßenverwaltungsrechtlichen Bewilligung nach § 8 des Salzburger Landesstraßengesetzes und für den Bereich eines Ortsbildschutzgebietes auch einer Genehmigung nach § 14 Salzburger OrtsbildschutzG. In Betracht kommt weiters die Vergabe eines Marktplatzes im Sinne der §§ 330, 331 GewO durch Bescheid. Daß aus irgendwelchen Gründen die Voraussetzungen für eine dieser Bewilligungen weggefallen seien oder solche Bewilligungen allenfalls durch Bescheid der jeweils zuständigen Verwaltungsbehörden widerrufen worden seien, wurde von der klagenden Partei nie geltend gemacht und kann daher auch keinen Einfluß auf den Umfang der zivilrechtlichen Benützungserlaubnis ausüben.

Die zivilrechtliche Gestattung eines Sonderbenützungsrechtes am öffentlichen Gut erfolgt im Rahmen der sogenannten Privatwirtschaftsverwaltung. Der zuständige Rechtsträger ist hier in der Gestaltung grundsätzlich frei, er könnte sich also insbesondere auch der Rechtsfigur eines Bestandvertrages bedienen. Bis zum Jahr 1980 bestand im vorliegenden Fall kein Mietverhältnis. Den ausdrücklichen Abschluß eines Mietvertrages hat kein Teil geltend gemacht. Es kam aber auch nicht zum stillschweigenden Abschluß eines solchen Vertrages. Für diesen Zeitraum steht nur fest, daß die klagende Partei der beklagten Partei (wie schon ihrem Rechtsvorgänger) einen Marktstandplatz zur Verfügung stellte, das Benützungsentgelt nach Markttarifen verlangte und bezahlt erhielt, und die Benützung der entsprechenden Grundfläche auch außerhalb der Marktzeiten gestattete. Für diese zusätzliche Gestattung hat sie aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen kein zusätzliches Entgelt begehrt. Wenn eine Gemeinde iSd § 330 Abs 2 GewO als Vergütung für die Überlassung einer Grundfläche während der Marktzeit ein privatrechtliches Entgelt verlangt und der Vertragspartner der Gemeinde dieses Entgelt bezahlt und den Marktstandplatz in Anspruch nimmt, liegt kein konkludentes Verhalten iSd § 863 ABGB vor, das den Schluß zuließe, die Vertragsteile wollten ein Bestandverhältnis begründen. Es kann darin auch nicht eine Umgehung mietrechtlicher Schutzbestimmungen erblickt werden. Die über die Ausübung des Marktrechtes hinausgehende Benützung der strittigen Grundfläche wurde aber unentgeltlich gestattet, sodaß auch in diesem Umfang kein Bestand recht entstehen konnte.

Der Versuch des Jahres 1980, das Benützungsverhältnis in ein Mietverhältnis umzuwandeln, scheiterte daran, daß der Gemeinderat dies ausdrücklich ablehnte. Die Zusendung eines bloßen Mietvertragsentwurfes war kein Antrag iSd § 862 Abs 1 ABGB. Der sodann einseitig von der klagenden Partei beschlossenen Neuregelung, statt einer Benützung der Grundfläche nach der Marktordnung einen Sondergebrauch iSd von der klagenden Partei erlassenen Gebrauchsgebührenordnung zu gestatten, hat der Beklagte widersprochen. Er hat zwar in der Folge nicht mehr nur die (niedrigeren) Gebühren nach der Marktordnung, sondern die (höheren) Gebühren nach der Salzburger Gebrauchsgebührenordnung entrichtet. Wegen seines ausdrücklichen Widerspruchs sind aber die Punkte 1.4. und 2.5. der Gebrauchsgebührenordnung für Salzburg nicht anwendbar, wonach der Gestattungsvertrag schon durch die Bezahlung des vorgeschriebenen Benützungsentgeltes (Punkt 1.4.) bzw. dadurch, daß der Beklagte auf Grund der ihm zur Kenntnis gebrachten Zustimmung der klagenden Partei von der ihm erteilten zivilrechtlichen Berechtigung Gebrauch machte (Punkt 2.5.), zustandekomme. Da beide Teile unmittelbar nach Zustellung des Vorschlages der klagenden Partei auch in Verhandlungen über die Ausgestaltung ihrer Vertragsbeziehungen eintraten, die klagende Partei dann aber unmittelbar nach dem Scheitern der Verhandlungen die vorliegende Klage erhob, kann in der Zahlung der Gebrauchsgebühren auch kein konkludentes Verhalten nach § 863 ABGB erblickt werden. Es kann auch nicht angenommen werden, es sei zwischen den Streitteilen zumindest zu einem Teilkonsens in der Richtung gekommen, daß der beklagten Partei auf jeden Fall die von der klagenden Partei in ihrem Schreiben vom 13. Jänner 1982 angebotenen Rechte zustehen sollten; denn nichts spricht dafür, daß die klagende Partei diese beschränkten Rechte auch für den Fall einräumen wollte, daß der Beklagte weiterhin Mietrechte in Anspruch nehme, und umgekehrt hat der Beklagte nicht zum Ausdruck gebracht, er wolle sich mit dem ihm angebotenen Sondergebrauchsrecht abfinden (vgl. JBl 1987, 180). Es muß daher nicht untersucht werden, ob ein solcher Gestattungsvertrag, wäre er zustandegekommen, ein privatrechtliches Vertragsverhältnis eigener Art wäre (vgl. SZ 19/238, JBl 1958, 363 und Klang in Klang 2 V 7) oder ob er unter gewissen Umständen doch als Bestandvertrag zu qualifizieren wäre (vgl. etwa die Bedenken von Stanzl in Klang 2 IV/1, 685 f zu den oben zitierten Entscheidungen). Weiters muß nicht geprüft werden, ob der von der klagenden Partei herangezogene Grund für den Widerruf ihrer nur einseitig verfügten und nicht wirksam zustandegekommenen Gestattung der Benützung der strittigen Grundfläche besteht.

Mangels eines zwischen den Streitteilen bestehenden Bestandverhältnisses muß auch nicht untersucht werden, inwieweit die kündigungsrechtliche Übergangsbestimmung des § 49 Abs 1 MRG zum Tragen käme.

Der Beklagte benützt also die strittige Grundfläche titellos und ist daher zur Räumung verpflichtet. Sein Zwischenfeststellungsantrag ist unberechtigt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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