JudikaturJustiz3Ob517/82

3Ob517/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Klinger als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 11. April 1980 verstorbenen Franz F*****, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin mj Waltraud G*****, vertreten durch den Kollisionskurator Dr. Helmut S*****, Notariatskandidat in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 30. November 1981, GZ 13 R 689/81 40, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 1. September 1981, GZ 3 A 253/80 33, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Beschluss des Gerichts zweiter Instanz dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts (Punkte 2 und 3 desselben) mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass Helene G***** und der Kollisionskurator Dr. Helmut S*****, die nach der Entscheidung des Erstgerichts nur gemeinsam über den von der Bank für Oberösterreich und Salzburg einzuräumenden Kredit verfügungsberechtigt sind, außerdem angewiesen werden, die Kreditsumme nur zur Deckung von Nachlassverbindlichkeiten, insbesondere zur Erfüllung der Pflichtteilsforderungen, zu verwenden und dem Gericht den Vollzug dieser Anordnung unverzüglich nachzuweisen.

Text

Begründung:

Der am 11. 4. 1980 verstorbene Erblasser Franz F***** hatte in seinem Testament von 7. 12. 1979 seine uneheliche Tochter Waltraud G*****, geboren am 22. 9. 1963, zur Alleinerbin eingesetzt und seine drei ehelichen Kinder aus erster Ehe 1.) Adelheid S*****, 2.) Josef F***** und 3.) Maria L***** auf den Pflichtteil beschränkt. Gemäß Punkt III) des Testaments verpflichtete er die Alleinerbin, falls sie kinderlos versterben sollte, einen Viertelanteil der Liegenschaft EZ 866 KG *****, die dem Erblasser zu drei Viertelanteilen gehört hatte, seiner Lebensgefährtin Helene G***** bzw in deren Vorversterbensfalle deren Kindern und einen Hälfteanteil der Liegenschaft seinen drei ehelichen Kindern zu gleichen Teilen zu vermachen, sie werde verpflichtet, bei Erreichung der Großjährigkeit eine dementsprechende letztwillige Anordnung zu errichten.

Aufgrund dieses Testaments gab die Minderjährige Waltraud G***** eine bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass ab (ON 30), die vom Gericht angenommen wurde (Punkt 1 des Beschlusses ON 33).

Die drei ehelichen Kinder erhoben zu 1 Cg 85/81 des Landesgerichts Linz gegen die durch die erbserklärte Erbin vertretene Verlassenschaft eine Pflichtteilsklage und begehrten unter Vorbehalt höherer Ansprüche die Auszahlung des Pflichtteils in Höhe von je 340.000 S.

Die erbserklärte Erbin anerkannte in einer Eingabe vom 28. 8. 1981 (ON 32) die Pflichtteilsforderung in Höhe von je 290.819,61 S und brachte vor, dass der zur Auszahlung der Pflichtteile erforderliche Betrag von 872.458,85 S nur durch Verkauf der erblasserischen Liegenschaft aufgebracht werden könne. Verkaufsverhandlungen seien schon eingeleitet. Um einen Notverkauf zu verhindern, bei dem erfahrungsgemäß geringere Verkaufserlöse erzielbar seien, sei die Aufnahme eines Darlehens zweckmäßig. Die Bank für Oberösterreich und Salzburg habe der erblasserischen Lebensgefährtin Helene G***** und der erbserklärten Erbin mj Waltraud G***** einen Kredit in Höhe von 1.000.000 S eingeräumt, dies gegen pfandrechtliche Sicherstellung aus der erblasserischen Liegenschaft. Die erbserklärte Erbin beantrage daher die abhandlungsbehördliche und vormundschaftbehördliche Genehmigung der entsprechenden Pfandbestellungsurkunde und einer diesbezüglich beantragten Anmerkung der Rangordnung.

Das Erstgericht erteilte mit Punkt 2.) und 3.) des Beschlusses ON 33 die beantragten Genehmigungen mit der Auflage, dass über den Kredit Helene G***** und der für die mj Waltraud G***** bestellte Kollisionskurator Dr. Helmut S*****, Notariatskandidat, nur gemeinsam verfügungsberechtigt sind. Das Erstgericht war der Auffassung, dass die Kreditaufnahme im Interesse der mj Alleinerbin gelegen sei. Die vom Erblasser verfügte Nacherbschaft werde von den Berechtigten nach der bisherigen Verfahrenslage offenbar nicht angenommen werden, sie sei auch rechtlich fraglich, zumal die Liegenschaft zur Erfüllung beträchtlicher Pflichtteilsforderungen verkauft werden müsse. Vor einer weiteren Entscheidung sei daher eine Klarstellung angezeigt.

Infolge Rekurses der drei ehelichen Kinder des Erblassers änderte das Gericht zweiter Instanz diesen Beschluss hinsichtlich der erteilten abhandlungsbehördlichen Genehmigung darin ab, dass der Antrag der erbserklärten Erbin auf abhandlungsbehördliche Genehmigung der Pfandbestellungsurkunde und der Grundbuchseingabe für die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Eintragung eines Pfandrechts von 1,3 Mio S ob der Liegenschaft EZ 866 KG ***** hinsichtlich eines erblichen Hälfteanteils, für den testamentarisch die Nacherbschaft zugunsten der drei ehelichen Kinder des Erblassers verfügt wurde, abgewiesen werde.

Das Gericht zweiter Instanz fasste Punkt III des Testaments als die Verfügung einer fideikommissarischen Substitution zugunsten der drei ehelichen Kinder bezüglich einer Hälfte der Liegenschaft EZ 866 KG ***** auf. Gemäß § 613 ABGB könne daher ein Pfandrecht nur mit Zustimmung der Nacherben einverleibt werden. Allerdings könne zur Hereinbringung einer Nachlassschuld, wozu auch Pflichtteilsansprüche gehörten, ein Zwangspfandrecht bewilligt werden, wenn der Exekutionstitel aus der Zeit vor der Einantwortung stamme. Ähnliche Verfügungen des Vorerben ohne Zustimmung des Nacherben seien aber vor der Einantwortung nur dann zulässig, wenn sie notwendig seien, um das Vermögen den Nacherben möglichst zu erhalten und gleichzeitig die dem Vorerben an den Nachlassvermögen zustehenden Rechte zu gewährleisten. Diese Voraussetzungen träfen aber hier nicht zu, da nicht sichergestellt sei, dass der Kreditbetrag den Interessen der Nacherben entsprechend verwendet werde. Überdies stelle die Belastung mit einem Pfandrecht von 1,3 Mio S eine erhebliche Erschwerung bei einem Verkauf dar.

Gegen den Beschluss des Gerichts zweiter Instanz wendet sich der Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt werde.

Dem Revisionsrekurs kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Umstand, dass die drei ehelichen Kinder als Nacherben eingesetzt sind, wobei in diesem Verfahren nicht zu untersuchen ist, ob nicht allenfalls nur eine sogenannte Substitution auf den Überrest vorliegt, schließt nicht aus, dass sie trotzdem schon jetzt Pflichtteilsansprüche geltend machen können; denn gemäß § 774 ABGB muss der Pflichtteil dem Noterben ganz freibleiben und gemäß § 787 Abs 1 ABGB ist nur das anzurechnen, was der Noterbe durch Verfügung des Erblassers „wirklich“ aus der Verlassenschaft erhält ( Weiß in Klang 2 III 864 und 922, EvBl 1957/347, ebenso kürzlich 3 Ob 603/81). Dass die Nacherben, falls der Nacherbfall einmal eintreten sollte, für den Fall des Antritts der Nacherbschaft den erhaltenen Pflichtteil wieder herausgeben müssen, bzw sich ihn bei der Auseinandersetzung mit ihren Miterben anrechnen lassen müssen ( Weiß in Klang 2 III 864), kann daran nichts ändern.

Die Verlassenschaft ist daher genötigt, die Pflichtteilsansprüche der drei ehelichen Kinder sofort zu erfüllen. Zur Erfüllung von Nachlassschulden, und dazu gehören Pflichtteilsansprüche, kann aber auch das von der Substitution betroffene Vermögen verwertet werden, ohne dass die Nacherben zustimmen müssen (SZ 46/28, SZ 49/103). Zur Bestreitung solcher dringender Zahlungen kann dabei gemäß § 145 Abs 1 AußStrG unter anderem auch die Verpfändung einer zum Nachlass gehörenden Liegenschaft bewilligt werden.

Da im vorliegenden Fall feststeht, dass die minderjährige Vorerbin nicht in der Lage ist, die Pflichtteilsforderung der drei ehelichen Kinder und die übrigen Nachlassverbindlichkeiten ohne Inanspruchnahme des wertmäßig überwiegend aus den drei Viertel Liegenschaftsanteilen des Erblassers an der Liegenschaft EZ 866 KG ***** bestehenden Nachlassvermögens zu decken, hat daher das Erstgericht den Antrag auf Aufnahme eines entsprechenden Kredits mit Recht auch abhandlungsgerichtlich genehmigt. Weshalb bei einem eventuell nötigen Verkauf durch eine hypothekarische Belastung der Kaufpreis nachteilig beeinflusst werden könnte, ist nicht ersichtlich. Die Aufnahme einer Hypothek trägt im Gegenteil sowohl den Interessen der Nacherben wie auch den ebenfalls zu beachtenden Interessen der Vorerbin (vgl dazu RZ 1961, 182) Rechnung.

Es war daher der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen. Gemäß § 193 AußStrG war aber die schon vom Erstgericht verfügte Sicherung dahin zu verdeutlichen, dass den beiden über die Kreditsumme verfügungsberechtigten Personen ausdrücklich die Weisung erteilt wird, die Kreditsumme nur zur Abdeckung von Nachlassverbindlichkeiten zu verwenden und sich über die Verwendung der Kreditsumme bei Gericht auszuweisen.