JudikaturJustiz3Ob207/08z

3Ob207/08z – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in den verbundenen Exekutionssachen der betreibenden Partei „P*****" *****gmbH, *****, vertreten durch Roschek Biely, Rechtsanwälte OG in Wien, wider die verpflichtete Partei R***** d.d. *****, vertreten durch Kaan Cronenberg Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 218.018,50 EUR sA (AZ 69 E 667/05p) und 72.672,83 EUR (AZ 69 E 668/05k), infolge ordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. August 2008, GZ 47 R 275/08a 197, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. Mai 2008, GZ 69 E 667/05k 192, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Rekursentscheidung wird aufgehoben und dem Rekursgericht die meritorische Entscheidung über den Rekurs der verpflichteten Partei aufgetragen.

Die Entscheidung über die Revisionsrekurskosten wird vorbehalten.

Text

Begründung:

Aufgrund des Schiedsspruchs der Außenhandelsarbitrage bei der Wirtschaftskammer Jugoslawien in Belgrad vom 7. Juli 1988, AZ T 82/84, wurde der betreibenden Partei mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Mai 1989 zur Hereinbringung von 3 Mio ATS sA die Exekution durch Pfändung von vier Wortmarken der verpflichteten Partei bewilligt (GZ 30 Nc 104/89 4; Exekutionsverfahren nunmehr AZ 69 E 667/05p des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien), mit Beschluss desselben Gerichts vom 11. Oktober 1995 (GZ 30 Nc 104/89 30), aber zur Hereinbringung von 1 Mio ATS die Exekution durch Pfändung des nationalen Anteils an zwei beim internationalen Patentamt registrierten Wort Bildmarken und an einer Wortmarke (Exekutionsverfahren nunmehr AZ 69 E 668/05k des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien). Die Entscheidungen über die Verwertungsanträge sind jeweils noch ausständig. Die beiden Exekutionsverfahren wurden am 25. Februar 2008 verbunden (ON 188). Nach der Einstellung der Exekutionsverfahren mit Beschluss vom 21. Oktober 2005 in Ansehung einzelner Markenrechte (ON 150) wird das Exekutionsverfahren nur mehr in Ansehung der unter der RegNr. 84786 registrierten Wort Bildmarke „R*****", der unter der RegNr. IR 194075 registrierten Wort Bildmarke „R*****" mit Schutzausdehnung für Österreich und der unter der RegNr. IR 518002 registrierten Bildmarke „D***** " mit Schutzausdehnung für Österreich fortgeführt.

Nach Einholung eines Gutachtens über den Wert der Markenrechte (ON 109; Ergänzungen des Gutachtens ON 129, zu ON 132, zu ON 172) legte die betreibende Partei über Aufforderung des Erstgerichts Pachtbedingungen für die Zwangsverpachtung der Markenrechte vor (ON 181). Dazu nahm die verpflichtete Partei über Aufforderung des Exekutionsgerichts Stellung und äußerte Abänderungswünsche (ON 190).

Das Erstgericht genehmigte die von der betreibenden Partei vorgelegten, fünfzehn Punkte umfassenden Pachtbedingungen nahezu zur Gänze (mit Ausnahme der in P 9. vorgeschlagenen Verzugszinsenregelung).

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der verpflichteten Partei zurück. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht sei mit Beschluss über die Bewilligung der Pachtbedingungen zu entscheiden und nach Genehmigung der Pachtbedingungen die Zwangsverpachtung zu bewilligen und auszusprechen, auf welche Weise diese zu erfolgen habe. Die Entscheidung über die Genehmigung der Pachtbedingungen könne auch abgesondert vor der Bewilligung der Zwangsverpachtung getroffen werden. Nach Ansicht des Rekursgerichts fehle der verpflichteten Partei bei der Genehmigung der Pachtbedingungen die erforderliche Beschwer. Nach der Aktenlage sei bisher noch keine Entscheidung über die Verwertung der gepfändeten Markenrechte erfolgt. Es könne noch nicht beurteilt werden, ob die Verpachtung heranzuziehen sei. Jedenfalls derzeit könne noch nicht über die Genehmigung der Pachtbedingungen entschieden werden. Es wäre widersinnig und verursachte unnötigen Verfahrensaufwand, zunächst über die Pachtbedingungen zu entscheiden, wenn sich in weiterer Folge herausstelle, dass die Verwertung der Markenrechte durch Zwangsverwaltung zu erfolgen habe. Der gegenteiligen Ansicht im Schrifttum ( Heller/Berger/Stix , EO4, 2443) könne nicht gefolgt werden, weil im Gegensatz zur Zwangsversteigerung hier die Verwertungsart noch nicht feststehe. Der verpflichteten Partei sei auch nicht darin zu folgen, dass mit dem angefochtenen Beschluss implizit auch über die Verwertungsart entschieden worden sei. Dies ergebe sich weder aus der Aktenlage noch aus dem Spruch der Entscheidung.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Genehmigung von Pachtbedingungen an sich und/oder gesondert anfechtbar sei. In der Vorentscheidung AZ 3 Ob 201/07s sei diese Frage offen gelassen worden.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die verpflichtete Partei die Abänderung dahin, dass der erstinstanzliche Beschluss ersatzlos behoben werde, hilfsweise die Aufhebung der Rekursentscheidung zur meritorischen Erledigung des Rekurses der verpflichteten Partei durch das Rekursgericht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

I. Die Verwertung von gepfändeten Markenrechten (§ 331 EO) erfolgt nur subsidiär durch Verkauf im Wege der öffentlichen Versteigerung, wenn die anderen Verwertungsarten, nämlich die Zwangsverwaltung oder Zwangsverpachtung (§§ 334 ff EO) überhaupt nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Kostenaufwand ausführbar sind (§ 332 Abs 1 EO). Aus bestimmten Gründen kann die vom Exekutionsgericht anzuordnende Zwangsverpachtung die vorteilhafteste Verwertungsart sein (§ 340 Abs 1 EO). Auf die Zwangsverpachtung durch öffentliche Versteigerung oder Freihandverpachtung finden gemäß § 340 Abs 2 EO die Bestimmungen über die Versteigerung beweglicher Sachen sinngemäß Anwendung, daneben sind aber auch „Anleihen" bei den Bestimmungen über die Liegenschaftsexekution zu machen, insbesondere in Ansehung der Pachtwertschätzung und der Pachtbedingungen ( Oberhammer in Angst , EO², § 340 Rz 6). So erfolgt, wie in der Liegenschaftsexekution, keine gerichtliche Festsetzung des Schätzwerts. Die Bekanntgabe des vom Sachverständigen ermittelten Schätzwerts ist unanfechtbar (3 Ob 201/07s). Vor Bewilligung der Zwangsverpachtung ist in der Verwertungstagsatzung die Frage der Zweckmäßigkeit der Verwertungsart zu klären. Zur Verfahrensbeschleunigung können aber schon vor dieser Tagsatzung - wie hier - vom betreibenden Gläubiger die Pachtbedingungen vorgelegt werden ( Oberhammer aaO Rz 8). Nach Genehmigung der Pachtbedingungen ist die Zwangsverpachtung zu bewilligen und auszusprechen, ob eine Verpachtung durch öffentliche Versteigerung oder eine Freihandverpachtung zu erfolgen hat ( Oberhammer aaO Rz 10).

II. Ausgehend von dieser Rechtslage ist die Rechtsansicht des Rekursgerichts zu überprüfen, dass mit der bekämpften Genehmigung der Pachtbedingungen die Verwertung der Markenrechte noch nicht feststehe und dass sich die verpflichtete Partei deshalb durch die erfolgte Genehmigung nicht für beschwert erachten könne. Es wäre „widersinnig", zuerst über die Pachtbedingungen zu entscheiden und dann doch die Zwangsverwaltung zu bewilligen. Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Es trifft zu, dass mit der Genehmigung der Pachtbedingungen noch nicht abschließend (weder ausdrücklich noch schlüssig) vom Erstgericht über die Verwertungsart abgesprochen wurde. Weder die Aufforderung zur Vorlage von Pachtbedingungen noch die Genehmigung derselben bindet das Erstgericht an die Verwertungsart der Zwangsverpachtung. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts ist es aber nicht „widersinnig", schon vor der Festlegung der Verwertungsart über die Pachtbedingungen abzusprechen, weil die schon vorliegende Schätzung und die vorgeschlagenen Pachtbedingungen eine verlässliche Beurteilungsgrundlage für die Frage schaffen, welche Verwertungsart (Zwangsverpachtung, Zwangsverwaltung oder doch die subsidiäre Verwertungsart des Verkaufs) die vorteilhafteste ist.

2. Die erstinstanzliche Genehmigung der Pachtbedingungen ist dahin zu verstehen, dass sie für den Fall der nachträglichen Bewilligung der Zwangsverpachtung erteilt wurde. Bei Eintritt dieser Bedingung wären die Parteien an die Genehmigung gebunden. Wegen dieser Bindungswirkung ist der Genehmigungsbeschluss keineswegs rechtlich irrelevant. Nach Bewilligung der Zwangsverpachtung muss das Genehmigungsverfahren nicht nochmals durchgeführt werden. Daraus folgt ein Anfechtungsinteresse der verpflichteten Partei. Von einer fehlenden Beschwer kann demnach keine Rede sein.

3. Im Exekutionsverfahren nach den §§ 331 ff EO fehlen Bestimmungen über die Pachtbedingungen, deren Genehmigung und die Anfechtbarkeit des Genehmigungsbeschlusses. Auch hier ist eine „Anleihe" (analoge Anwendung) bei der Rechtslage der Liegenschaftsexekution zu machen. Dort gelten seit der EO Nov 2000 die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen (§§ 147, 150, 151, 152 EO). Wenn davon abweichende Versteigerungsbedingungen vorgelegt werden, ist der Genehmigungsbeschluss mit Rekurs anfechtbar (3 Ob 85/07g = Zak 2007, 358; Angst in Angst , EO², § 146 Rz 6a). Für die Verwertungsarten nach den §§ 332 ff EO gibt es keine Normativbedingungen, die (analog) unanfechtbar wären. Ein Ausschluss der Anfechtung der von der betreibenden Partei vorgelegten Pachtbedingungen verletzte das offenkundige Rechtsschutzbedürfnis der verpflichteten Partei, die sich gegen willkürliche und nachteilige Bedingungen, die etwa eine Verschleuderung des Exekutionsobjekts bewirkten, nicht zur Wehr setzen könnte. Gegen eine aufgeschobene Anfechtbarkeit der Genehmigung der Pachtbedingungen gemeinsam mit der Anfechtung der nachfolgenden Bewilligung der Zwangsverpachtung sprechen das Fehlen einer gesetzlichen Regelung und die schon erläuterte sinngemäße Anwendung der Rechtslage in der Liegenschaftsexekution.

Der Senat gelangt aus den dargelegten Gründen zu folgendem Rechtssatz:

Wenn nach Pfändung von Markenrechten (§ 331 Abs 1 EO) noch vor Bewilligung der Verwertungsart der Zwangsverpachtung (§ 340 Abs 1 EO) das Exekutionsgericht die vom Betreibenden vorgelegten Pachtbedingungen genehmigt, steht dem Verpflichteten das Rekursrecht zu. Seine Beschwer ist trotz des Umstands zu bejahen, dass das Exekutionsgericht im fortgesetzten Verfahren eine andere Verwertungsart (Verkauf der Markenrechte gemäß § 332 Abs 1 EO oder die Zwangsverwaltung gemäß § 334 Abs 1 EO) beschließen könnte.

III. Bei der verfehlten Zurückweisung des Rekurses als unzulässig durch das Rekursgericht ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, gleich in der Sache selbst zu entscheiden (RIS Justiz RS0007037). Das Rekursgericht wird über den Rekurs der verpflichteten Partei meritorisch zu entscheiden haben.

Der Ausspruch über die Revisionsrekurskosten ist vorzubehalten (§ 52 ZPO iVm § 78 EO).

Rechtssätze
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