JudikaturJustiz3Ob2066/96m

3Ob2066/96m – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. April 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei H.P*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Weinwurm und andere Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die verpflichtete Partei P*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch den Geschäftsführer Faustino P*****, dieser vertreten durch den mit Beschluß des Bezirksgerichtes Gmünd vom 30.Jänner 1996, GZ 1 E 3431/94-20, bestellten Kurator Dr.Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in Gmünd, wegen S 232.012,40 sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 27.Februar 1995, GZ 1 R 4/95-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gmünd vom 20.Dezember 1994, GZ 1 E 3431/94-2, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Der Antrag des für die verpflichtete Partei bestellten Kurators, die betreibende Partei dazu zu verpflichten, ihm die Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen, bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei beantragte, ihr aufgrund des Versäumungsurteils des Landesgerichtes Wr.Neustadt vom 19.11.1993, 22 Cg 357/93p zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von S 232.012,40 sA gegen die Verpflichtete "P***** Gesellschaft mbH, ***** G*****" die Exekution durch Pfändung und Überweisung der Forderung der Verpflichteten auf Einzahlung der Stammeinlage gegen den Drittschuldner "F*****" zu bewilligen. Für den Fall der Ergebnislosigkeit dieser Exekution stellte die betreibende Partei weitere Exekutionsanträge.

Das Erstgericht wies den Exekutionsantrag ab, weil ein Zahlungsverbot an einen ausländischen Drittschuldner im Ausland mangels gegenteiliger Bestimmungen in Staatsverträgen nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht bewilligte infolge Rekurses der betreibenden Partei die beantragte Exekution und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der hier zu lösenden, für die Rechtsentwicklung besonders bedeutsamen Rechtsfrage fehle, welche Ausnahmen vom Grundsatz gestattet werden sollen, daß Zahlungsverbote an Drittschuldner im Ausland nicht zugestellt werden dürfen. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, maßgebend sei, ob die zu pfändende Forderung vor einem inländischen Gericht geltend gemacht werden könne. Dies sei im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Gerichtsstand des § 92 b JN der Fall, weil es sich um eine Streitigkeit nach § 51 Abs 1 Z 6 JN handle. Das Vermögen, auf das die betreibende Partei greifen will, sei ein Anspruch, der vor einem österreichischen Gericht geltend gemacht werden könne; daher komme es nicht darauf an, daß die Zustellung an den Drittschuldner im Ausland erfolgen muß.

Das Erstgericht verfügte die Zustellung des Exekutionsantrages und dieses Beschlusses des Rekursgerichtes an den Drittschuldner im Rechtshilfeweg über die Pretura Circondariale di Trento. Nach deren Bericht vom 11.4.1995 (ON 9, 11) konnte die Zustellung nicht vorgenommen werden, weil P***** nach "V*****" übersiedelt sei.

Auf Antrag der betreibenden Partei verfügte das Erstgericht die Zustellung an den Drittschuldner in ***** G*****. Diese Zustellung konnte an dieser Abgabestelle nicht vorgenommen werden, weil der Empfänger laut Postfehlbericht vom 24.5.1995 verzogen war.

Auch die Zustellungen an die Verpflichtete konnten weder unter dieser Anschrift noch an der bisherigen Abgabestelle ***** G*****, vorgenommen werden, weil die Empfängerin laut Postfehlberichten verzogen war.

Die betreibende Partei beantragte unter Vorlage von Meldeauskünften des Stadtamtes G***** vom 28.8.1995, daß sich der Drittschuldner am 25.4.1994 nach 38057 T*****, polizeilich abgemeldet habe, und des Zentralmeldeamtes vom 21.9.1995, daß für diesen keine Daten für eine Meldeauskunft vorlägen, die Bestellung eines Abwesenheitskurators für F***** sowohl in dessen Eigenschaft als Drittschuldner als auch als Geschäftsführer der verpflichteten Partei.

Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag mit Beschluß vom 30.1.1996 (Stampiglie grün) und bestellte Dr.Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in Gmünd, zum Kurator gemäß § 112 ZPO. Das Edikt wurde an die Gerichtstafel angeschlagen.

F***** ist einziger Geschäftsführer der Verpflichteten. Ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Verpflichteten wurde mangels Vermögens abgewiesen (Eintragung im Firmenbuch am 27.5.1994).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Verpflichteten ist nicht berechtigt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß die Verpflichtete sowohl von der betreibenden Partei schon im Exekutionsantrag und in den weiteren Schriftsätzen also auch von den Vorinstanzen unrichtig "P***** Gesellschaft mbH" bezeichnet wurden. Tatsächlich lautet die registrierte Firma "P***** Baugesellschaft mbH", wie aus den von der betreibenden Partei mit dem Rekurs ON 3 in Fotokopie vorgelegten Gesellschaftsvertrag (Notariatsakt vom 25.9.1996) und dem mit dem Antrag ON 19 vorgelegten Firmenbuchauszug vom 3.11.1994 hervorgeht.

Dementsprechend war die Verpflichtete im Spruch dieser Entscheidung mit ihrem richtigen Firmenwortlaut zu bezeichnen.

Nach dem Verfahrensgang seit dem vom Rekursgericht gefaßten, nunmehr mit Revisionsrekurs angefochtenen Exekutionsbewilligungsbeschluß ist die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, wann Zahlungsverbote an Drittschuldner im Ausland zugestellt werden dürfen, nicht mehr zu lösen (zur Zulässigkeit eines Zahlungsverbotes gegen einen ausländischen Drittschuldner s nunmehr 3 Ob 98/95). Vielmehr ist das Erstgericht aufgrund des Berichtes der zuständigen Pretura über den erfolglosen Versuch der Zustellung der Exekutionsbewilligung an den Drittschuldner im Rechtshilfeweg davon ausgegangen, daß der letzte Aufenthalt des Drittschuldners im Inland lag. Da der Aufenthalt des Drittschuldners nunmehr unbekannt war, bestellte das Erstgericht für ihn nach §§ 115, 116 ZPO iVm § 78 EO einen Kurator.

Auch der Umstand, daß der Drittschuldner, wie sich nach der Bewilligung der Exekution durch das Rekursgericht ergeben hat, unbekannten Aufenthalts ist, stellt kein Hindernis für die Exekutionsbewilligung dar.

Die Zustellung des Zahlungsverbotes an einen für den Drittschuldner zu bestellenden Abwesenheitskurator wurde vom Obersten Gerichtshof bereits in der Entscheidung GlUNF 1646 gebilligt. Die Auffassung, daß die Exekution auf Geldforderungen des Verpflichteten nach § 294 EO nur dann zulässig ist, wenn der Aufenthalt des Drittschuldners schon im Pfändungsantrag angegeben werden könne, entspreche nicht dem Gesetz. Denn nach § 21 ABGB seien Abwesende den Pflegebefohlenen gleichgestellt. Es sei daher die Zustellung des Zahlungsverbots an den für den abwesenden Drittschuldner nach § 276 ABGB bestellten Kurator der Zustellung an den bestellten Vertreter eines pflegebefohlenen Drittschuldners gleichzustellen. Auch könne nicht mit Grund behauptet werden, daß nur bei gleichzeitiger persönlicher Verständigung des Drittschuldners die an den Verpflichteten zu erlassende Weisung eine Bedeutung habe. Endlich sei im Stadium der Exekutionsbewilligung nicht zu erörtern, welche Konsequenzen möglicherweise sich daraus ergeben, daß das Zahlungsverbot nicht zu eigenen Handen des Drittschuldners, sondern zu Handen eines Abwesenheitskurators zugestellt wird. Die entgegengesetzte Anschauung würde dazu führen, daß jedes erwirkte Zahlungsverbot bei Einlangen der "Fehlrelation" (d.i. Postfehlbericht) wieder aufgehoben werden müßte.

Dagegen wurde von Rekursgerichten (LGZ Wien RPflSlgE 1964/31; LGZ Wien RPflSlgE 1962/24; LGZ Wien ZBl 1937/180, in Glosse als ständige Rechtsübung bezeichnet) die Ansicht vertreten, sei der Drittschuldner unbekannten Aufenthalts, könne die Pfändung auch nicht durch Zustellung des Zahlungsverbots an einen Abwesenheitskurator vorgenommen werden.

Diese Meinung vertreten auch Heller/Berger/Stix (2129). Sei der Drittschuldner unbekannten Aufenthalts, so könne die Pfändung nicht vollzogen werden. Die Zustellung des Zahlungsverbots an einen Kurator (§§ 115, 116 ZPO iVm § 78 EO) könne niemals die Wirkung haben, daß dem Drittschuldner selbst die Zahlung als untersagt gilt und die von ihm an den Verpflichteten geleistete Zahlung rechtsunwirksam ist. Der Kurator komme als zahlungspflichtig nicht in Frage, er sei auch nicht in der Lage, Zahlung zu leisten, weder an den Verpflichteten noch an den betreibenden Gläubiger, die Zustellung des Zahlungsverbots an ihn würde vollständig ins Leere gehen. Ferner sei zu bedenken, daß in dem Pfändungsbeschluß auch eine Aufforderung zur Erklärung im Sinn des § 301 EO erlassen werden könne. Wäre man der Ansicht, daß die Zustellung an den Drittschuldner durch öffentliche Bekanntmachung geschehen könne, so müßte dem abwesenden Drittschuldner die Haftung im Sinn des § 301 EO jedesmal treffen, weil er die geforderte Erklärung binnen 14 Tagen nicht abgeben könne und der Kurator hiezu nicht legitimiert sei; derselbe könnte mit Rücksicht darauf, daß er von dem Stand der gepfändeten Forderung keine Kenntnis habe, auch eine wahre und vollständige Erklärung nicht abgeben.

Auch Pollak (System**2 930 FN 97) lehrt, das Zahlungsverbot könne nicht einem Kurator wegen unbekannten Aufenthalts oder durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden.

Die Gegenansicht vertritt schon Petschek (Die Zwangsvollstreckung in Forderungen nach österreichischem Rechte, 80 ff). In der Glosse zu ZBl 1937/180 wird darauf verwiesen, daß die gegenteilige Rechtsübung dem bündigen Wortlaut des § 18 Abs 3 EO widerstreite.

Hanusch (Forderungspfändung bei unbekanntem Aufenthalt des Drittschuldners, RdW 1987, 44 ff) kam zu dem Ergebnis, der Schutz des Drittschuldners, dessen Aufenthalt unbekannt sei, sei bei Bestellung eines Kurators ausreichend gewährleistet. Die Behauptung, daß eine Kuratorbestellung nicht sinnvoll sei, weil die Pfändung ins Leere gehe, sei unzutreffend. Dem betreibenden Gläubiger werde dadurch die Durchsetzung seines Rechts ermöglicht.

Der erkennende Senat hält an der schon in der Entscheidung GlUNF 1646 vertretenen Rechtsansicht fest. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß eine Kuratorbestellung bei unbekanntem Aufenthalt des Drittschuldners nicht zulässig wäre. Auch in einem solchen Fall ist das Interesse des betreibenden Gläubigers an einer Pfändung der Forderung des Verpflichteten zu bejahen, um den Rang gegenüber anderen Gläubigern zu wahren. Hanusch (aaO 45) zeigt zutreffend auf, daß ansonsten, wenn mehrere Glaubiger auf dieselbe Forderung Exekution führen, jene Priorität genießen würden, denen es rasch und vor den anderen gelingt, bei Auftauchen des Drittschuldners die Zustellung des Zahlungsverbotes zu erwirken. Für den Rang des Pfandrechtes ist die Reihenfolge der Zustellungen entscheidend. Ältere Forderungen könnten unter diesen Umständen erst zuletzt zum Zuge kommen. Bei der Möglichkeit der Zustellung des Zahlungsverbotes an einen Kurator ist hingegen unabhängig von der Dauer der Unbekanntheit des Aufenthaltes des Drittschuldners der Rang hälterer Gläubigerforderungen gegenüber jüngeren Gläubigerforderungen gewahrt. Bereits aus diesem Grund geht die Zustellung an einen Kurator nicht völlig ins Leere.

Daraus, daß der Kurator selbst nicht zahlungspflichtig ist, läßt sich nicht ableiten, daß eine Kuratorbestellung für den Drittschuldner nicht zulässig wäre. Diese Situation ist im übrigen auch bei Klagen, Zahlungsaufträgen und Exekutionsanträgen, deren Zustellung an einen Kurator unbestritten zulässig ist, gegeben (Hanusch aaO 46).

Auch aus der Unmöglichkeit der Abgabe einer wahrheitsgemäßen Drittschuldnererklärung durch den Kurator folgt nicht die Unzulässigkeit einer Kuratorbestellung, zumal eine Haftung nach § 301 EO nur bei Verschulden in Frage kommt (Hanusch aaO 46 f).

Da somit eine schon bei der Exekutionsbewilligung von Amts wegen zu beachtende Zwecklosigkeit (3 Ob 98/95) hier nicht von vornherein angenommen werden kann, haftet der angefochtenen Exekutionsbewilligung kein Fehler an, sodaß dem Revisionsrekurs der Verpflichteten ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO, § 78 EO.

Die Kosten des Kurators hat hier dasjenige im Prozeßinstanzenzug tätig gewordene Gericht zu bestimmen, das den Kurator bestellt hat (vgl EvBl 1972/299).

Das Erstgericht wird zu beachten haben, daß nach dem auch im Exekutionsverfahren anzuwendenden § 117 Abs 2 EO eine Einschaltung des Ediktes über die Kuratorbestellung in der Wiener Zeitung vorzunehmen ist. Die Kuratorbestellung war jedoch bereits mit dem Anschlag an der Gerichtstafel rechtswirksam (Gitschthaler in Rechberger, ZPO, Rz 2 zu §§ 116-118 mwN).