JudikaturJustiz3Ob183/20p

3Ob183/20p – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon. Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Hosp, Hegen Rechtsanwaltspartnerschaft in Salzburg, gegen die beklagte Partei RP***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 68.810,99 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 21.552 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Juli 2020, GZ 6 R 72/20f 15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 6. April 2020, GZ 13 Cg 77/19g 11, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.959,12 EUR (darin 326,52 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.842,20 EUR (darin 235,20 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin betreibt einen Landgasthof und beauftragte die beklagte Architekturgesellschaft im Herbst 2013 mit Planungsarbeiten für einen Umbau (Sanierung und Aufstockung) des Gebäudes. Die Beklagte übermittelte nach einer Kostenaufstellung und Vorentwurfsplanung weitere Planungsunterlagen („Entwurfs- und Einreichungsplanung“). Der Leistungsumfang hinsichtlich der für das Revisionsverfahren relevanten Entwurfs- und Einreichplanung wurde wie folgt definiert: „Durcharbeitung des grundsätzlichen Lösungsvorschlages der Aufgabe aufgrund des genehmigten Vorentwurfs unter Berücksichtigung der Rahmenendbedingungen (…)“ und „Erstellung von behördlich geforderten Einreichplänen auf Grundlage des freigegebenen Entwurfs, Führung der notwendigen Verhandlungen bis zur Baubewilligung Einreichung (...)“.

[2] Die Klägerin zahlte die dafür jeweils verrechneten Honorare. Beiden Seiten war bewusst, dass das geplante Bauvorhaben den vorgeschriebenen Abstand zum Nachbargrundstück nicht einhalten würde. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass eine Bewilligung des Vorhabens voraussetze, „die Gemeinde mit ins Boot“ zu holen und die Zustimmung der Nachbarn zu erhalten, dann werde man das Projekt „durchbringen“. Um die Einholung der Zustimmung der Nachbarn sollte sich die Klägerin kümmern; dass die Klägerin dem Bauansuchen aber ihrerseits eine Begründung für die Zulässigkeit der Abstandsunterschreitung anschließen sollte, war nicht vereinbart. In der Bauverhandlung Anfang Oktober 2016 stellte sich heraus, dass das Vorhaben in der eingereichten Fassung (abgesehen von fehlenden gewerbebehördlichen Projektunterlagen) in der derzeitigen Form nicht bewilligungsfähig war, weil das Ansuchen keine Begründung für die Abstandsunterschreitung enthielt. Der beigezogene Amtssachverständige wies in dieser Verhandlung darauf hin, dass auch eine – hier fehlende – Zustimmung der Nachbarn zur Abstandsunterschreitung nicht zur Genehmigung führe. Es hätte daher einer Projektänderung bedurft. Ob das Projekt bei Änderung der Planungsunterlagen bewilligungsfähig gewesen wäre, konnte nicht festgestellt werden. Die Klägerin nahm letztlich von der Realisierung Abstand.

[3] Die Klägerin begehrte (soweit noch Gegenstand des Revisionsverfahrens) aus dem Titel des Schadenersatzes die Rückzahlung des der Beklagten geleisteten Honorars für die Entwurfs- und Einreichplanung (16.200 EUR) sowie den Ersatz der für die Einreichung aufgewendeten Kosten des Brandschutzkonzepts (3.960 EUR) und der Planverfassung für die Bauplatzerklärung (1.392 EUR). Da die Beklagte nicht auf die konkreten baurechtlichen Voraussetzungen hingewiesen habe, sei ihr eine Verletzung ihrer Warnpflicht vorzuwerfen. Die verfassten Planungsunterlagen wiesen erhebliche Mängel auf und seien für die Klägerin nicht brauchbar gewesen; jede weitere Änderungsplanung wäre mit derart hohen Kosten verbunden gewesen, dass die Baukosten bei weitem überschritten worden wären.

[4] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die Bewilligung sei an der fehlenden – vereinbarungsgemäß von der Klägerin einzuholenden – Zustimmung der Nachbarn zu einer Abstandsunterschreitung gescheitert; dass diesbezüglich Schwierigkeiten bestanden hätten, sei allen Beteiligten immer klar gewesen. Eine Warnpflichtverletzung sei der Beklagten daher nicht vorzuwerfen. Außerdem seien die Ansprüche verjährt.

[5] Das Erstgericht sprach der Klägerin 21.552 EUR sA zu und wies 47.258,99 EUR sA (unbekämpft) ab (Kosten der Vorentwurfsplanung, Vermessungskosten, Anmietung und Errichtung der Parkfläche sowie Rechtsanwaltskosten).

[6] Nach der von der Baubehörde anzuwendenden Bestimmung des § 25 Abs 8 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz, LGBl Nr 69/1968 idF LBGl Nr 31/2009, könne die Baubehörde ausnahmsweise, aber nur unter vier näher geregelten Voraussetzungen, die sämtliche erfüllt sein müssten, auf Antrag die Unterschreitung der festgesetzten Abstände durch Bescheid zulassen; bei keinem dieser gesetzlichen Kriterien komme es auf eine Zustimmung der Nachbarn an. Die Klägerin sei zwar von der Beklagten auf die Problematik der Abstandsunterschreitung hingewiesen worden, allerdings nicht darauf, dass die Zustimmung der Nachbarn für die Bewilligung gar nicht entscheidend sei, sondern die Behörde eine objektive Überprüfung durchzuführen habe. Insoweit sei auch das (von der Beklagten verfasste) Ansuchen ungenügend geblieben und bereits aus diesem Grund nicht bewilligt worden, was der Beklagten anzulasten sei. Wegen einer Verletzung der Aufklärungspflichten iSd § 1168a ABGB stehe der Klägerin die Rückforderung des Werklohns für die Planerstellungen zu, die für sie ohne Wert geblieben seien. Auch die im Zusammenhang mit der Planung/Einreichung dieses Vorhabens von der Klägerin aufgewendeten („frustrierten“) Kosten des Brandschutzkonzepts (3.960 EUR) und der Planverfassung für die Bauplatzerklärung (1.392 EUR) habe die Beklagte ihr zu ersetzen.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das gesamte Klagebegehren ab.

[8] Ausgehend von den übernommenen Feststellungen kam es zu dem Ergebnis, dass eine Verpflichtung der Beklagten, über die konkreten gesetzlichen Voraussetzungen der Ausnahmebewilligung aufzuklären, die Warnpflicht überspanne. Die tatsächliche Bewilligung des Projekts sei nicht Teil des von der Beklagten herzustellenden Werks gewesen. Ein verständiger Bauherr in der Position der Klägerin habe schon aus dem Hinweis darauf, dass man die Zustimmung der Nachbarn brauche und die Gemeinde „mit ins Boot holen“ müsse und dann das Projekt „durchbringen“ werde, erkennen können, dass trotz Zustimmung von Gemeinde und Nachbarn das Ziel der Bewilligung „nur durch Überwindung nicht bloß unbeträchtlicher Hindernisse erreicht werden“ könne. Aufgrund der „ausreichenden Warnung“ sei den von der Klägerin erhobenen Ansprüchen „die Grundlage entzogen“.

[9] Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit dem Argument zu, dass die Rechtsfrage, ob ein Architekt bei einem gewerblichen Bauprojekt darauf hinweisen müsse, dass die zuständige Behörde trotz Zustimmung von Nachbarn und Befürwortung der Gemeinde eine objektive Prüfung durchzuführen habe, über den Einzelfall hinaus gehe.

[10] Die Klägerin begehrt in ihrer wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils, hilfsweise die Aufhebung der Berufungsentscheidung.

[11] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision ist zulässig und berechtigt , weil die Entscheidung des Berufungsgerichts einer Korrektur bedarf.

[13] 1.1 Der übliche Vertrag zwischen einem Bauherrn und einem mit der Planungsarbeit beauftragten Architekten ist – zumindest in der Regel – als Werkvertrag zu qualifizieren (6 Ob 216/10y = RIS Justiz RS0021309 [T6] mwN). Wenn über die Herstellung der Baupläne hinaus dem Architekten die Verrichtung von Vertretungshandlungen aufgetragen wurde, kann ein gemischter Vertrag vorliegen, der auch Elemente eines Bevollmächtigungsvertrags enthält (RS0019644; RS0019364).

[14] 1.2 Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist – jedenfalls, soweit es die Erstellung der Pläne für die behördliche Einreichung betrifft, – nach den Bestimmungen über den Werkvertrag zu beurteilen (2 Ob 277/08m mwN). Die von der Beklagten für die Klägerin erstellten Pläne waren nach den Feststellungen vor allem deswegen grundsätzlich nicht bewilligungsfähig, weil sie keine Begründung enthielten, die eine – von der Behörde unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise zu erteilende – Nachsicht betreffend die Unterschreitung der gesetzlichen Abstände ermöglicht hätte. Bereits das Erstgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass es für diese Nachsicht der kumulativ genannten Voraussetzungen des § 25 Abs 8 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz (ua unbillige Härte der Abstandseinhaltung für den Ausnahmewerber, keine erhebliche Beeinträchtigung benachbarter Grundstücke oder Bauten, Vorteil des Ausnahmewerbers größer als Nachteil für benachbarte Grundstücke und Bauten) bedurft hätte, zu denen die Beklagte in den Einreichplänen nichts ausführte.

[15] 1.3 Im Hinblick auf den festgestellten, zwischen den Streitteilen vereinbarten Leistungsumfang sind die Mängel der eingereichten Planunterlagen, die eine Bewilligung des von der Klägerin angestrebten Bauprojekts hinderten, nicht geringfügig (vgl RS0119978).

[16] 1.4 Hat der Werkunternehmer den Mangel des Werks verschuldet, kann der Werkbesteller nicht nur den Mangelfolgeschaden, sondern auch das Entgelt für das unbrauchbare Werk aus dem Titel des Schadenersatzes verlangen (RS0018607; 9 Ob 14/14w; 7 Ob 23/13b mwN). Ob das auch für einen ursprünglich unbehebbaren Mangel gilt (dazu P. Bydlinski in KBB 6 § 933a Rz 9), muss nicht geprüft werden: Abgesehen davon, dass hier nicht feststeht, dass das Projekt auch bei Verbesserung der Projektunterlagen nicht bewilligungsfähig gewesen wäre, verweist die Beklagte selbst darauf, dass sie keinen Erfolg im Sinn einer behördlichen Bewilligung schuldete. Demgemäß liegt die Mangelhaftigkeit des Werks der Beklagten auch nicht in der nicht erteilten Bewilligung, sondern in der mangelhaften Planerstellung und der mangelnden Begründung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs 8 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz. Ihr fehlendes Verschulden hat die behauptungs- und beweispflichtige Beklagte (§ 1298 ABGB) nicht erwiesen.

[17] 1.5 Ob und mit welchem Aufwand eine Verbesserung möglich gewesen wäre, muss nicht geprüft werden: Die Behauptung der Beklagten, die Bewilligung sei an der fehlenden, von der Klägerin nicht erreichten Zustimmung der Nachbarn gescheitert, steht im klaren Widerspruch zu § 25 Abs 8 lit a bis d Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz, die eine solche Voraussetzung gerade nicht enthält. Dass die Beklagte bereit gewesen wäre, eine zumindest grundsätzlich geeignete Begründung für eine solche Ausnahmegenehmigung nachzureichen (und damit ihre Planungsleistungen zu verbessern), hat sie nicht vorgebracht, sondern sich im Verfahren bis zuletzt auf den – unzutreffenden – Standpunkt gestellt, die allein von der Zustimmung der Nachbarn abhängige Bewilligung des Vorhabens sei Sache der Klägerin gewesen. Sie hat daher durch die ernsthafte Bestreitung eines Mangels ihre fehlende Bereitschaft zur Mangelbeseitigung dokumentiert, weshalb der schadenersatzrechtliche Anspruch auf Rückersatz des Werklohns auch ohne Setzung einer Mangelbeseitigungsfrist begehrt werden kann (vgl Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 933a Rz 67 und § 933 Rz 300; 8 Ob 126/15k).

[18] 1.6 Es steht fest, dass die Klägerin erst in der Verhandlung Anfang Oktober 2016 von der Mangelhaftigkeit der Leistungen der Beklagten erfuhr. Der Verjährungseinwand ist daher unberechtigt. Dem Vorbringen (vgl S 14 in ON 6), der Klägerin sei bereits vor diesem Zeitpunkt bekannt gewesen, dass es einer Einigung mit den Nachbarn betreffend die Abstandsunterschreitung bedürfe, ist erneut entgegenzuhalten, dass es auf diese (fehlende) Einigung nicht ankommt.

[19] 1.7 Zutreffend hat daher das Erstgericht der Klägerin sowohl den Rückersatz des Werklohns für die nicht brauchbare Planungsarbeit als auch den Ersatz für die frustrierten Kosten zuerkannt, die der Höhe nach jeweils unstrittig sind.

[20] 2. Einer – sowohl von den Parteien als auch den Vorinstanzen jeweils zur Begründung herangezogenen – Bezugnahme auf die Warnpflicht des Werkunternehmers bedarf es daher hier nicht.

[21] 3. In Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts war das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

[22] 4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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