JudikaturJustiz3Ob163/02w

3Ob163/02w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. November 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang K*****, vertreten durch Dr. Alexander Anderle, Rechtsanwalt in Wels als Verfahrenshelfer, wider die beklagten Parteien 1. mj Melanie K*****, geboren am 9. Jänner 1990, 2. mj Jakob K*****, geboren am 27. Juli 1991, 3. mj Hanna K*****, geboren am 6. Jänner 1994, und 4. mj Josef K*****, geboren am 16. Juli 1995, ***** alle vertreten durch ihre Mutter Simone K*****, diese vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 20. Februar 2002, GZ 21 R 43/02a 48, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 30. Oktober 2001, GZ 3 C 545/99d 43, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Beklagten, die minderjährigen Kinder des Klägers, führen gegen diesen Forderungsexekution zur Hereinbringung der für den Monat März 1999 rückständigen Unterhaltsbeträge und des laufenden Unterhalts. Das Drittverbot wurde am 6. April 1999 dem damaligen Dienstgeber des Klägers zugestellt. Dieser gab mit Erklärung vom 7. April 1999 die Höhe der Entgeltsansprüche des Vaters mit monatlich 6.741 S bekannt. Mit Beschluss vom 6. Oktober 1999 schränkte das Erstgericht auf Antrag der Betreibenden (und nun Beklagten) das Exekutionsverfahren infolge von Zahlungen des Klägers um 30.000 S ein und wies mit Beschluss vom 26. Jänner 2000 den Antrag der Betreibenden, die Exekutionsbewilligung an den von ihnen bekanntgegebenen neuen Dienstgebers des Vaters zuzustellen, ab.

Der Kläger begehrte das Urteil, den Unterhaltsanspruch der Beklagten ab einschließlich März 1999 bis auf einen Teilbetrag von 900 S monatlich pro Beklagtem für erloschen zu erklären. Dies begründete er im Wesentlichen mit der Verschlechterung seines Einkommens und seiner verringerten Leistungsfähigkeit. Ein Unterhaltsrückstand habe bereits im Zeitpunkt der Exekutionseinleitung nicht bestanden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Infolge Berufung der Beklagten hob das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zulässig sei.

In Behandlung der erhobenen Rechtsrüge bejahte die zweite Instanz ausdrücklich die Zulässigkeit der Oppositionsklage, weil das Exekutionsverfahren noch im Zug, also noch nicht endgültig eingestellt oder gänzlich beendet (SZ 19/196; SZ 53/112; 3 Ob 72/98d = RZ 2000/18 ua) sei. Beendet sei eine Exekution erst dann, wenn der Gläubiger bei der Forderungsexekution durch Zahlung des Drittschuldners volle Befriedigung erlangt habe (SZ 53/112; JBl 1987, 666 ua). Dass die Exekution wegen Austritt aus dem Dienstverhältnis oder Beendigung des Leistungsanspruchs ins Leere gehe, stehe der Zulässigkeit der Oppositionsklage nicht entgegen, weil dieser Fall weder einer Einstellung noch einer Beendigung der Exekution gleichgehalten werde (3 Ob 51/93). Auch die Möglichkeit der Geltendmachung von (einzelnen) Oppositionsgründen mittels Einstellungsantrag (nach § 40 EO) stehe der Zulässigkeit der Oppositionsklage nach herrschender Ansicht nicht entgegen ( Jakusch in Angst , EO, § 35 Rz 73). Nach der Rsp bedürfe es auch im vorliegenden Fall einer Entscheidung über das (gänzliche oder teilweise) Erlöschen des Unterhaltsanspruchs der Beklagten infolge der vom Kläger behaupteten (generellen) Verringerung seiner Leistungsfähigkeit und infolge der behaupteten Zahlungen. Die Feststellungen des Erstgerichts reichten nicht aus, um allenfalls auf Grund der tatsächlichen Einkünfte eine Unterhaltsbemessungsgrundlage zu errechnen. Weiters bedürfe es noch der Ergänzung der Feststellungen dazu, zu welchem Zeitpunkt eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Klägers aus psychischer Sicht überhaupt nicht mehr gegeben gewesen sei und welches Einkommen er bei realistischer Schätzung hätte erzielen können.

Es bedürfe nach Auffassung der zweiten Instanz einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof, ob (wie zu 3 Ob 51/93 entschieden) eine wenngleich nicht formell eingestellte oder beendete, aber ins Leere gegangene Exekution, aus der es (gemäß § 299 EO) zu keinem Pfandrechtserwerb (mehr) kommen könne, ausreiche, um von Einwendungen im Zuge des Exekutionsverfahrens gemäß § 35 Abs 1 EO zu sprechen. Dieser Frage komme über den Einzelfall hinaus eine erhebliche rechtliche Bedeutung zu, weil "dadurch" gerade minderjährige Unterhaltsberechtigte einem eminent hohen Kostenrisiko unterworfen würden, das im Falle eines gerade deshalb vom Gesetzgeber ins außerstreitige Verfahren verwiesenen Unterhaltsherabsetzungsbegehrens eines Unterhaltspflichtigen vermieden werden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Der irrig als ordentlicher Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs der Beklagten ist nicht zulässig.

Während die Beklagten die materiell-rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts in keiner Weise kritisieren, machen sie wiederum geltend, es wäre dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, eine allfällige Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung in einem außerstreitigen Pflegschaftsverfahren zu beantragen, ohne dass dadurch Kostenersatzpflichten ausgelöst würden. Der Kläger habe es jedoch vorgezogen, bei einer ins Leere gegangenen Exekution, die zu keinem Pfandrechtserwerb geführt habe, Einwendungen zu erheben und einen andauernden und mit erheblichen Kosten verbundenen Rechtsstreit verursachen. Die Exekutionsführung habe keine Nachteile für den Kläger mit sich gebracht, die eine Oppositionsklage rechtfertigen würden. Auch im Lichte der Judikatur zu Feststellungsklagen, die nur in Ausnahmefällen zulässig seien, sei die bisherige großzügige Judikatur zur Zulässigkeit von Oppositionsklagen, ohne dass dahinter ein rechtliches Interesse des Klägers stehe, nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe es hier auch verabsäumt, im Verfahren sein Begehren auf Kosten einzuschränken.

Der Oberste Gerichtshof ist auch bei der Behandlung eines vom Berufungsgericht zugelassenen Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO an den Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts ebensowenig gebunden wie an einen Zulassungsausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO (1 Ob 610/95; 6 Ob 2341/96z; 1 Ob 127/98b mwN; in der Sache auch 6 Ob 82/02f).

Entgegen der offenkundig von den Beklagten geteilten Ansicht des Berufungsgerichts liegen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vor.

Nach stRsp kann das Erlöschen oder die Verminderung eines im Außerstreitverfahren festgesetzten Unterhaltsanspruchs mit Klage nach § 35 EO geltend gemacht werden (SZ 16/17; EvBl 1964/210; EvBl 1965/370; 6 Ob 12/75; aus der Lehre etwa Dullinger in Burgstaller/Deixler Hübner , EO, § 35 Rz 42 mwN). Zuletzt wurde vom Obersten Gerichtshof zu 8 Ob 116/00t = ZIK 2001, 55 klargestellt, dass die Oppositionsklage auch dann zulässig ist, wenn der Unterhaltsverpflichtete bereits im außerstreitigen Verfahren einen Herabsetzungsantrag gestellt hat.

Zumindest bezogen auf den Zeitpunkt der Klageeinbringung ist die Ansicht der Beklagten, es habe dem Kläger ein tatsächliches rechtliches Interesse an der Oppositionsklage gefehlt, nicht nachvollziehbar. Die Klage wurde im April 1999 eingebracht, nach der vom Erstgericht eingeholten und auch verwerteten Auskunft des Dienstgebers, die am 14. Juni 1999 bei diesem einlangte, war er jedenfalls im Zeitpunkt der kurz davor erfolgten Auskunft noch beim selben Dienstgeber beschäftigt. Auch wenn sein Einkommen das Existenzminimum nicht erreichte, hätte sich das Pfandrecht nach § 299 EO auch auf ein im Falle einer Erhöhung erzieltes Einkommen erstreckt, ja sogar auch auf erst nach einer nicht mehr als sechs Monate dauernden Unterbrechung des Dienstverhältnisses künftig entstehende Forderungen gegen den Drittschuldner. Damit hatte er zweifellos ein rechtliches Interesse, die Oppositionsklage einzubringen, die bei gänzlichem Obsiegen zur völligen Einstellung der Exekution führen müsste.

Aus einem allfälligen Prozesskostenrisiko minderjähriger Kinder durch die Abklärung der Höhe ihres Unterhaltsanspruchs im Oppositionsprozess ist kein Argument zu gewinnen, das zur Überprüfung der einhelligen Rsp führen könnte. Zwar mag es zutreffen, dass mitunter das Fehlen einer Kostenersatzpflicht den Ausschlag dafür gibt, eine bestimmte Materie in das außerstreitige Verfahren zu verweisen ( Ballon in Fasching , Komm 2 I Rz 262), es wird dabei aber völlig übersehen, dass von vornherein keineswegs gesagt werden kann, diese Kostenregelung sei für die sozial schwächere Partei von vornherein günstiger. Ob dies der Fall ist, hängt ja vom Erfolg ab, der im Oppositionsprozess zu ganz unterschiedlichen Kostenentscheidungen zu Gunsten oder zum Nachteil der Parteien führt (§§ 41, 43 ZPO). Bei vollem Obsiegen der sozial schwächeren Partei (im vorliegenden Fall wohl der minderjährigen Beklagten) haben diese im streitigen Verfahren Anspruch auf vollen Kostenersatz, während sie in einem Außerstreitverfahren auf ihren Kosten "sitzen bleiben" (so zutreffend Ballon aaO; ihm folgend Klicka/Oberhammer , Außerstreitverfahren 3 Rz 5 und 53; zur mangelnden Relevanz des Kostenrisikos für die Einordnung einer Materie in das außerstreitige oder streitige Verfahren vgl jüngst auch 4 Ob 293/00t = EvBl 2001/89 = EFSlg 92.789, wobei dahingestellt bleiben kann, ob dem Argument, das Kostenrisiko des Kindes im Unterhaltsverfahren sei regelmäßig nur gering, zu folgen wäre).

Im Übrigen ist dem Berufungsgericht entgegenzuhalten, dass minderjährige Unterhaltsberechtigte dem von ihm gesehenen "eminent hohen" Kostenrisiko im Oppositionsprozess durchaus durch der Sach und Rechtslage entsprechende Einschränkungen der Exekution steuern können, weshalb daraus kein Argument gegen die stRsp gewonnen werden kann.

Irgendwelche (über die Kostenfrage hinausgehenden) Argumente gegen die Richtigkeit der Entscheidung 3 Ob 51/93 = EFSlg 73.069 sind weder der Berufungsentscheidung noch dem Rekurs der Beklagten zu entnehmen.

Der Rekurs ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Kostenzuspruch an die Beklagten kommt gemäß §§ 50, 40 ZPO nicht in Betracht, weil sie in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rekurses nicht hingewiesen haben, diese somit nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war.

Rechtssätze
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