JudikaturJustiz3Ob156/14h

3Ob156/14h – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, *****, gegen die beklagten Parteien 1. A***** F*****, und 2. A***** F*****, beide vertreten durch Gloss Pucher Leitner Schweinzer Burger Gloss, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 36 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. Juni 2014, GZ 47 R 126/14y 38, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 26. Februar 2014, GZ 76 C 7/13m 32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 818,66 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 136,44 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom 25. Mai 2010, AZ 14 C 267/08w des Bezirksgerichts St. Pölten, wurde die Klägerin verpflichtet die von ihrer Liegenschaft ausgehenden Immissionen, basierend auf den auf dieser Liegenschaft im Jahr 1998 und 2006 errichteten Hochwasserschutzbauten, auf die Liegenschaft der Beklagten zu unterlassen. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass die Baumaßnahmen das Fließverhalten eines Baches veränderten, wodurch das im Eigentum der Beklagten stehende linke Bachufer beeinträchtigt wurde und mit einer iSd § 413 ABGB nachteiligen unzulässigen Einwirkung zu rechnen war.

Das Erstgericht bewilligte den Beklagten mit Beschluss vom 2. Mai 2013 die Unterlassungsexekution gemäß § 355 EO und verhängte über die Klägerin eine Geldstrafe von 1.500 EUR, weil sie keine Maßnahmen getroffen habe, um weitere Immissionen zum Nachteil der Beklagten zu verhindern.

Die Klägerin beantragte die Unzulässigerklärung der Unterlassungsexekution. Sie habe nie gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Es sei zu keinen Auswaschungen gekommen, die auf die errichteten Hochwasserschutzbauten zurückzuführen seien. Abgesehen davon, dass der Ausgang eines anhängigen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens abzuwarten sei, wären bauliche Maßnahmen aufgrund von Witterungsverhältnissen und aufgrund der Schonzeit für bestimmte Fische in der Zeit von 15. September bis 15. März nicht möglich gewesen. Die Klägerin treffe daher auch kein Verschulden an einem allfälligen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung.

Die Beklagten wendeten ein, an der faktischen örtlichen Situation habe sich nichts geändert, das von der Klägerin beabsichtigte Projekt biete keinen ausreichenden Schutz vor den untersagten Immissionen.

Das Erstgericht wies das Impugnationsklagebegehren ab. Die Klägerin verstoße nach wie vor gegen das Unterlassungsgebot.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Judikatur zum nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruch auch auf einen Anspruch nach § 413 ABGB anwendbar sei. § 413 ABGB enthalte Regelungen betreffend die Rechte und Pflichten der Eigentümer von Ufergrundstücken und konkretisiere das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot. Bei Maßnahmen zur Abwehr des Wassers handle es sich um eine Spezialbestimmung zur nachbarrechtlichen Regelung des § 364 ABGB, welche unabhängig von den Kriterien der Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit Abwehransprüche einräume. Der eigentliche Inhalt des nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruchs sei, dass der Verpflichtete dafür zu sorgen habe, dass ein Nachbar nicht durch Immissionen beeinträchtigt werde, wobei die Art, wie dies zu geschehen habe, dem Verpflichteten überlassen bleibe. Der Exekutionstitel richte sich daher auf eine im materiellen Recht vorgezeichnete Verpflichtung auf dauerndes, künftiges, inhaltlich vom Verpflichteten zu bestimmendes Handeln. Der Exekutionstitel sei kein Handlungsverbot, sondern ein „Erfolgsverbot“. Wer durch einen Gesetzesverstoß einen Störungszustand geschaffen habe, störe weiter, solange dieser Zustand nicht beseitigt sei. Die Pflicht zum Handeln folge aus dem vorangegangenen Verhalten. Die Klägerin habe nur im Ergebnis beeinträchtigende Immissionen zu unterlassen. Sie habe aktive Verhinderungshandlungen gegen die Immissionen zu setzen, um den verpönten Erfolg zu verhindern. Ein diese Verpflichtung enthaltender Exekutionstitel sei nach § 355 EO zu vollstrecken. Unstrittig sei, dass die Klägerin bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz keine tatsächlichen Handlungen gesetzt habe und die dem Titelverfahren zugrundeliegenden Hochwasserschutzbauten nach wie vor unverändert vorhanden seien. Daraus folge, dass der im Titelverfahren festgestellte Dauerzustand nach wie vor bestehe und die Klägerin keine Maßnahmen gesetzt habe, um diesen Zustand zu ändern. Ihr Begehren sei daher unberechtigt. Nur tatsächliche, in der Natur wirksame Maßnahmen seien geeignet, die Immissionen zu beseitigen. Seit Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels seien mehr als zwei Jahre verstrichen, wobei die Klägerin zunächst ein Jahr überhaupt keine Schritte gesetzt habe. Auf mangelndes Verschulden könne sie sich daher nicht berufen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Impugantionsbegehren weiter verfolgt, ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden, Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hielt bereits zu 1 Ob 227/10d im Verfahren zur Schaffung des hier gegenständlichen Exekutionstitels fest, dass § 413 ABGB (vergleichbar § 39 WRG) als Spezialbestimmung für Maßnahmen zur Abwehr des Wassers das allgemeine im § 364 Abs 1 ABGB zum Ausdruck gebrachte nachbarrechtliche Rücksichtnahmebegebot konkretisiert. Dass ein auf § 413 ABGB beruhender Unterlassungstitel einem allgemein nachbarrechtlichen Titel gleich zu behandeln ist, kann daher nicht zweifelhaft sein.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bildet die Auslegung eines Exekutionstitels im Einzelfall von hier nicht vorliegenden, im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilungen abgesehen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (3 Ob 54/11d mwN). Die dem Berufungsurteil zugrundeliegende Rechtsansicht, dass der nachbarrechtliche Unterlassungstitel ein bloßes Erfolgsverbot und kein Handlungsverbot beinhalte und damit den Verpflichteten zu einem der Art nach ihm zu überlassenden Handeln zwingen will, das bewirken soll, dass die verbotene Immission unterbleibt, entspricht der Rechtsprechung (RIS Justiz RS0010566). Die Ersteingriffs oder Wiederholungsgefahr bildet eine materielle Klagevoraussetzung für den nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruch (1 Ob 227/10d mwN; RIS Justiz RS0010553), weshalb der Exekutionstitel in Form des Immissionsunterlassungsgebots das Bestehen der Gefahr von (allenfalls erstmaligen) Immissionen voraussetzt. Es ist daher auch jedenfalls vertretbar, diesen Exekutionstitel dahin auszulegen, dass ihm schon dadurch zuwider gehandelt wird, dass diese konkret bestehende Immissionsgefahr durch die Hochwasserschutzbauten der Klägerin nicht durch tatsächliche Maßnahmen beseitigt wurde (vgl Wagner , Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht, 525 f). Die Revisionswerberin geht bei der Auslegung des Exekutionstitels nur vom reinen Wortlaut des Spruchs aus und leitet aus den von ihrer Liegenschaft „ausgehenden Immissionen“ ... „basierend auf die ... Hochwasserschutzbauten“ ab, dass die beweispflichtigen Beklagten tatsächlich konkret eingetretene Immissionen zu beweisen hätten. Wohl ist bei der Auslegung des Exekutionstitels in erster Linie der Spruch maßgebend, bei dessen Undeutlichkeit sind aber auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen (RIS Justiz RS0000296; RS0000300 [T16]). Der angeführte Text des Spruchs ist nicht völlig zweifelsfrei. Unter Heranziehung der Entscheidungsgründe wird klar, dass die Schutzbauten eine Änderung des Fließverhaltens des Baches und damit eine Beeinträchtigung des den Beklagten gehörienden linken Bachufers bewirkten und dass das Unterlassungsgebot die Beseitigung der bestehenden Gefährdung bezweckt.

Im Gegensatz zu der von der Revisionswerberin vertretenen Auffassung widerspricht es den Grundsätzen der Rechtsprechung daher nicht, wenn die Vorinstanzen die Exekutionsführung aufgrund der weiterbestehenden Gefährdung als zulässig ansahen und nicht davon abhängig machten, ob tatsächlich weitere der Unterlassungsverpflichtung der Klägerin widersprechende Erfolge eingetreten sind. Den von der Klägerin aufgeworfenen Verfahrens und Beweisfragen kommt daher keine Relevanz zu.

Da die Beklagten auf die Unzulässigkeit der klägerischen Revision hinwiesen, hat ihnen die Klägerin gemäß §§ 41, 50 ZPO die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (Revisionsbeantwortung) zu ersetzen.

Rechtssätze
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