JudikaturJustiz3Ob152/15x

3Ob152/15x – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin I*****, spol. s.r.o., *****, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin A***** s.r.o., *****, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Ausstellung einer Bescheinigung gemäß Art 54 EuGVVO 2000, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. April 2015, GZ 47 R 49/15a 21, womit der Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 22. Jänner 2015, GZ 12 E 1396/14g 17, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag der Antragstellerin auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bewilligte der Antragstellerin als betreibender Partei mit Beschluss vom 14. 11. 2014 (ON 14) aufgrund mehrerer näher bezeichneter liechtensteinischer, zuvor rechtskräftig für Österreich für vollstreckbar erklärter Urteile zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 1.307.427,88 EUR sA die Fahrnis- und Forderungsexekution gegen die Antragsgegnerin (Verpflichtete) und bestimmte die Kosten mit 5.225,44 EUR. Dieser Beschluss ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schriftsatz vom 30. 12. 2014 (ON 17) beantragte die Antragstellerin in Ansehung des Kostentitels die Ausstellung einer Bescheinigung nach Art 54 EuGVVO 2000. Diesem Antrag entsprach das Erstgericht einerseits durch Übermittlung einer solchen Bescheinigung und andererseits durch Beschlussfassung unter Verwendung der „Stampiglie grün“.

Das Rekursgericht wies den von der Antragsgegnerin gegen diesen auch ihr zugestellten Beschluss erhobenen Rekurs, mit dem sie geltend machte, die Voraussetzungen für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung lägen aus mehreren Gründen nicht vor, ebenso wie die von der Antragstellerin erstattete Rekursbeantwortung zurück. Die Bescheinigung nach Art 54 EuGVVO sei nichts anderes als eine erweiterte Form der Vollstreckbarkeitsbestätigung nach nationalem Recht, weshalb die diesbezüglichen Vorschriften sinngemäß anzuwenden seien. Bei der Bestätigung der Vollstreckbarkeit nach inländischem Recht handle es sich um einen mit Rekurs nicht anfechtbaren Beschluss, dem nur deklarative Wirkung zukomme.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur allfälligen Anfechtbarkeit von Bescheinigungen nach Art 54 EuGVVO vorliege.

In ihrem ordentlichen Revisionsrekurs macht die Antragsgegnerin geltend, die sinngemäße Anwendung des § 7 Abs 3 EO sei nicht sachgerecht, weil eine Vollstreckbarkeitsbestätigung nach österreichischem Recht nur den verfahrensrechtlichen Umstand des Eintritts der formellen Vollstreckbarkeit festhalte, während eine Bestätigung nach Art 54 EuGVVO 2000 darüber hinaus auch die (implizite) Bestätigung beinhalte, die Entscheidung falle unter den Anwendungsbereich der EuGVVO und sei in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar; dies könne eine Rechtsfrage von erheblicher Komplexität darstellen, sodass der abgeschwächte Rechtsschutz nach § 7 Abs 3 EO nicht ausreichend sei.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung , den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig , er ist aber nicht berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

1. Weder der hier noch anzuwendenden (Art 66 EuGVVO 2012) EuGVVO 2000 noch den österreichischen Verfahrensvorschriften ist eine ausdrückliche Regelung über die (Nicht-)Anfechtbarkeit einer Bescheinigung nach Art 54 EuGVVO 2000 zu entnehmen.

2. Gemäß § 514 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO ist zwar jeder Beschluss erster Instanz anfechtbar, soweit der Rekurs nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Die in der EO vorausgesetzte Bestätigung der (Rechtskraft und) Vollstreckbarkeit ist aber ein nicht der formellen Rechtskraft fähiger Beschluss, gegen den kein Rechtsmittel, sondern nur der Rechtsbehelf des § 7 Abs 3 EO offen steht (RIS-Justiz

RS0001582 [T1]).

3.1. Der in Art 54 EuGVVO 2000 vorgesehenen urkundlichen Bescheinigung mittels Formblatts sind alle für die Entscheidung im Vollstreckungsstaat erforderlichen Angaben zu entnehmen, nämlich insbesondere das Ursprungsland, das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, nähere Angaben zur betreffenden Entscheidung (unter anderem Datum, Aktenzeichen und Parteien, sowie Spruch); weiters enthält das Formblatt die Bestätigung der inländischen Vollstreckbarkeit und führt den Titelschuldner an ( G. Kodek in Czernich/Tiefenthaler/G. Kodek , Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht 3 Art 54 EuGVVO Rz 2; Rassi in Fasching/Konecny 2 , Art 54 EuGVVO Rz 8). Demzufolge handelt es sich bei der Bescheinigung gemäß Art 54 EuGVVO 2000 um nichts anderes als eine erweiterte Form der im nationalen Recht ohnehin bekannten Vollstreckbarkeitsbestätigung ( Klauser/Kodek , ZPO 17 , Anm 3 zu Art 54 EuGVVO).

3.2. Nach der trotz der insoweit irreführenden Überschrift „Europäischer Vollstreckungstitel“ auch auf Bescheinigungen nach Art 54 EuGVVO 2000 anwendbaren (ErläutRV 928 BlgNR XXII. GP 4) - Vorschrift des § 7a Abs 1 letzter EO ist auf die Aufhebung oder Berichtigung einer solchen Bestätigung § 7 Abs 3 EO entsprechend anzuwenden.

3.3. Wie bereits das Rekursgericht richtig erkannt hat, kann an diesem Ergebnis auch der Umstand nichts ändern, dass das Erstgericht über den Antrag der Antragstellerin einen (überflüssigen) Bewilligungsbeschluss gefasst hat.

4. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann keine Rede davon sein, dass die Bescheinigung nach Art 54 EuGVVO 2000 auch (für andere Mitgliedstaaten bindend) beinhalte, dass die Entscheidung unter den Anwendungsbereich der EuGVVO falle und in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar sei. Der Titelschuldner kann nämlich im (ausländischen) Verfahren zur Vollstreckbarerklärung unter anderem auch die allfällige Unrichtigkeit der Ausstellung der Bescheinigung geltend machen, etwa dass gar keine „Entscheidung“ iSd Art 32 EuGVVO 2000 vorliege ( G. Kodek aaO, Art 43 EuGVVO Rz 11; Rassi aaO, Art 43 EuGVVO Rz 35).

5. Das von der Revisionsrekurswerberin behauptete Rechtsschutzdefizit besteht nicht. Gegen eine Entscheidung nach § 7 Abs 3 EO steht das Rechtsmittel des Rekurses (und gegebenenfalls des Revisionsrekurses) offen.

6. Das Rekursgericht hat deshalb die inhaltliche Behandlung der im Rekurs erhobenen Einwendungen der Antragsgegnerin gegen die Ausstellung einer Bescheinigung nach Art 54 EuGVVO 2000 zu Recht abgelehnt, sodass der Revisionsrekurs erfolglos bleiben muss.

7. Das Verfahren zur Erteilung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit ist kein Akt des Exekutionsverfahrens; es ist vielmehr Teil des Titelverfahrens. Das Verfahren richtet sich nach den für das Titelverfahren geltenden Bestimmungen ( Jakusch in Angst , EO 2 § 7 Rz 98 mwN). Das führt hier allerdings, da sich die begehrte Bescheinigung nach Art 54 EuGVVO auf einen im Exekutionsverfahren geschaffenen Kostentitel bezieht, zur Anwendung der Regeln der EO über das Rechtsmittelverfahren. Dieses ist grundsätzlich einseitig. Da es nicht um die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels, sondern um die Ausstellung einer Bescheinigung nach Art 54 EuGVVO für einen im Inland geschaffenen Titel geht, ist die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens anordnende Bestimmung des § 84 Abs 1 EO unanwendbar.

Daraus folgt, dass die von der Antragstellerin erstattete Revisionsrekursbeantwortung zwar der ständigen Rechtsprechung des Senats entsprechend nicht zurückzuweisen ist; sie dient allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist daher nicht zu honorieren (RIS Justiz RS0118686 [T11, T12]).

Rechtssätze
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