JudikaturJustiz2Ob84/17t

2Ob84/17t – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon. Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des L***** R*****, geboren ***** 2007, vertreten durch seine Eltern A***** R***** und E***** R*****, alle *****, über den Revisionsrekurs des Dr. A***** K*****, vertreten durch Mag. Andreas Krautschneider, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Jänner 2017, GZ 43 R 618/16z 22, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 28. Oktober 2016, GZ 83 Pg 55/16g 18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts ersatzlos aufgehoben wird.

Der Rechtsmittelwerber hat die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Urgroßvater des Minderjährigen starb am 5. Mai 2015. In seinem Testament hatte er dem Minderjährigen 31.323,68 EUR vermacht und dazu Folgendes verfügt:

„Der Betrag ist von meinen Erben auf einem Kapitalsparbuch sicherzustellen, welches [beim Rechtsmittelwerber] als Legatsvollstrecker zu hinterlegen ist. Diesem erteile ich den unwiderruflichen Auftrag, das Legat meinem Urenkelsohn nach Erreichen seines 18. Lebensjahres auszuhändigen.“

Im Verlassverfahren wurde der Nachlass den Testamentserben eingeantwortet. Der Gerichtskommissär wurde angewiesen, den vermachten Betrag dem Erbenmachthaber zu übermitteln, der ihn dem Rechtsmittelwerber ausfolgen sollte. Dieser wiederum wurde „ermächtigt und beauftragt“, den Betrag auf „einem Kapitalsparbuch einzuzahlen, welches er nach Erreichen des 18. Lebensjahrs [des Minderjährigen] diesem auszuhändigen hat“. Sicherungsmaßnahmen iSv § 176 Abs 2 AußStrG ordnete das Gericht nicht an. Der Einantwortungsbeschluss wurde – wie sich aus dem beigeschafften Verlassakt ergibt – den Eltern des Minderjährigen bisher nicht zugestellt.

Das vom Verlassenschaftsgericht verständigte Pflegschaftsgericht ersuchte den Rechtsmittelweber, die Einzahlung des Legats auf ein Sparbuch des Minderjährigen nachzuweisen. Dieser gab daraufhin die Daten eines auf seinen eigenen Namen lautenden Sparbuchs bekannt. Das Pflegschaftsgericht „sperrte“ dieses Sparbuch und forderte die Bank auf, über die erfolgte Sperre und den Guthabensstand zu berichten. Die Bank bestätigte zwar den Guthabensstand, teilte aber mit, dass das Sparbuch nicht „gesperrt“ werde, weil es nicht auf den Minderjährigen, sondern auf den Rechtsmittelwerber laute. Der Rechtsmittelwerber lehnte es in der Folge ab, das Sparbuch auf den Namen des Minderjährigen zu identifizieren oder es den Eltern herauszugeben.

Daraufhin trug das Erstgericht dem Rechtsmittelwerber auf, den vermachten Betrag auf einem auf den Minderjährigen lautenden Sparbuch anzulegen, dies gegebenenfalls unter Mitwirkung der Eltern, und das „Sparbuch bzw eine Kopie“ dem Gericht zur „weiteren Veranlassung und Bestätigung“ vorzulegen. Es ging (erkennbar) davon aus, dass der vermachte Betrag zum Vermögen des Minderjährigen gehöre, und leitete daraus die Notwendigkeit einer Veranlagung nach den §§ 215 ff ABGB ab. Dazu sei der Rechtsmittelwerber – offenbar aufgrund von § 133 Abs 4 AußStrG – aufzufordern.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es verwies auf die seiner Ansicht nach zutreffende Auffassung des Erstgerichts und führte weiter aus, dass der Rechtsmittelwerber als Testamentsvollstrecker das dem Minderjährigen vermachte Legat zu verwalten und dabei dessen Interessen zu wahren habe. Insofern stehe er unter der Aufsicht des Pflegschaftsgerichts. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage fehle.

In seinem Revisionsrekurs macht der Rechtsmittelwerber geltend, dass ein Vermächtnis nur ein obligatorisches Recht begründe; zudem sei es im vorliegenden Fall aufschiebend bedingt. Es liege daher kein Mündelgeld vor, sondern ein von ihm zu verwaltendes Vermögen der Erben. § 133 Abs 4 AußStrG begründe keine Möglichkeit, Dritten Aufträge zu erteilen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig , er ist auch berechtigt .

1. Der Minderjährige ist uneigentlicher Nachlegatar .

1.1. Der Erblasser ist am 5. Mai 2015 gestorben. Daher sind die Bestimmungen des ErbRÄG 2015 nach § 1503 Abs 7 Z 2 ABGB noch nicht anzuwenden. Die Rechtsstellung des Minderjährigen in Bezug auf das ihm zugewendete Legat ist daher nach der früheren Rechtslage zu beurteilen.

1.2. Ein Vermächtnis begründet nur einen obligatorischen Anspruch des Legatars ( Welser in Rummel/Lukas 4 § 535 Rz 1; RIS-Justiz RS0012630), der sich zunächst gegen den Nachlass und nach der Einantwortung gegen die Erben richtet ( Welser in Rummel/Lukas 4 § 535 Rz 1). Hat der Erblasser diesen Anspruch mit einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung versehen, so kann der Legatar ihn erst mit Eintritt der Bedingung oder des Termins durchsetzen. Bis dahin gelten nach § 707 ABGB aF die Regeln der fideikommissarischen Substitution. Das Legat ist daher ein uneigentliches Nachlegat, die Erben haben die Stellung eines Vorlegatars ( Welser in Rummel/Lukas 4 § 652 Rz 4; Eccher in Schwimann/Kodek 4 § 652 Rz 2; RIS-Justiz RS0107196).

1.3. Ein solcher Fall liegt hier vor: Der Erblasser hat verfügt, dass das Vermächtnis erst „nach Erreichen des 18. Lebensjahrs“ des Minderjährigen zu erfüllen ist. Dabei kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob darin eine Befristung oder – was dem Wortlaut und wohl auch dem Zweck der Zuwendung (7 Ob 553/95s) eher entspricht – eine aufschiebende Bedingung liegt (zur Abgrenzung Welser in Rummel/Lukas 4 §§ 704–706 Rz 4; Eccher in Schwimann/Kodek 4 § 704 Rz 1). Denn jedenfalls besteht derzeit kein durchsetzbarer Anspruch des Minderjährigen auf Leistung des vermachten Betrags.

2. Das Nachlegat war nach § 176 Abs 2 AußStrG im Verlassverfahren sicherzustellen.

2.1. Nach dieser Bestimmung ist für die in § 176 Abs 1 AußStrG genannten Ansprüche vor der Einantwortung Sicherheit zu leisten, wenn sie Pflegebefohlenen zustehen. Sie erfasst durch den Verweis auf § 176 Abs 1 AußStrG „andere erbrechtliche Ansprüche als die eines Erben“. Darunter fallen nach den Materialien „alle auf die Verlassenschaft bezogenen Rechte, die sich aus dem Recht der Vermögensnachfolge von Todes wegen ('erbrechtliche Ansprüche') ergeben, ohne eine Erbenstellung zu verleihen“ (EB zur RV des AußStrG, 224 BlgNR 22. GP 111). Ausdrücklich genannt werden Legat und Pflichtteil (ebenso Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 176 Rz 1); Bittner (in Rechberger , AußStrG 2 § 176 Rz 1) verweist zutreffend darauf, dass die Bestimmung auch die Nacherbschaft erfasst. Insofern ist die Sicherung zwar in Bezug auf Liegenschaften gesondert geregelt (§ 178 Abs 2 Z 1 AußStrG); im Übrigen besteht aber kein Zweifel an der Anwendbarkeit von § 176 Abs 2 AußStrG. Diese Bestimmung ist zwingend, eine abweichende Anordnung des Erblassers ist unwirksam ( Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 176 Rz 5).

2.2. Dieses Ergebnis folgt auch aus historischer Auslegung. „Begünstigte“ Nachlegate, also insbesondere solche, die Pflegebefohlenen ausgesetzt waren, waren schon nach § 160 AußStrG 1854 sicherzustellen (2 Ob 572/91; 7 Ob 115/99h). Auch diese Bestimmung war zwingend (2 Ob 360/38 SZ 20/135). Dass die Neuregelung in § 176 AußStrG insofern zu Änderungen führen sollte, ist den Materialien nicht zu entnehmen.

2.3. Das Legat wäre daher im Verlassverfahren vor der Einantwortung von den Erben – allenfalls auch aus dem Nachlass (§ 176 Abs 3 AußStrG) – sicherzustellen gewesen. Aus dem Verweis von § 176 Abs 2 Satz 1 AußStrG auf § 56 ZPO ergibt sich, dass dafür ein Erlag bei Gericht notwendig gewesen wäre; die nach § 176 Abs 2 Satz 2 AußStrG ebenfalls mögliche Hinterlegung beim Gerichtskommissär wäre wohl nur vorübergehend in Betracht gekommen, weil dessen Amt mit der Einantwortung endet. Hätten die Erben trotz fristgebundener Aufforderung keine Sicherheit geleistet, wäre nach § 176 Abs 2 Satz 3 AußStrG ein – vollstreckbarer ( Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 176 Rz 5) – Beschluss zu erlassen gewesen.

2.4. Ungeachtet dessen hat das Verlassenschaftsgericht die Einantwortung ohne vorherige Sicherstellung beschlossen. Da dieser Beschluss in das durch § 176 Abs 2 AußStrG begründete Recht des Minderjährigen eingreift, wäre er auch dessen Eltern zuzustellen gewesen. Denn ein Legatar ist dann Beteiligter im Verlassverfahren (und damit rekursberechtigt), wenn durch eine Verfügung des Verlassenschaftsgerichts unmittelbar in seine Vermögensrechte eingegriffen wurde (RIS-Justiz RS0006582, RS0006590; zuletzt etwa 1 Ob 177/14g). Das trifft insbesondere dann zu, wenn – wie hier – eine gebotene Sicherstellung unterblieb (7 Ob 115/99h). Die Einantwortung ist daher noch nicht rechtskräftig.

3. Hingegen fehlt der hier strittigen Anordnung des Pflegschaftsgerichts eine rechtliche Grundlage.

3.1. Den Beschlüssen der Vorinstanzen liegt offenkundig die Ansicht zugrunde, dass der vermachte Geldbetrag schon zum Vermögen des Minderjährigen gehöre. Das trifft schon wegen dessen Stellung als Legatar – also als bloß obligatorisch Berechtigter – nicht zu. Insofern weist der Rechtsmittelwerber zutreffend darauf hin, dass er weiterhin Erbenvermögen verwaltet. Aus demselben Grund liegt auch kein Fall des § 166 ABGB (Vermögenszuwendung unter Ausschluss des Verwaltungsrechts der Eltern) vor. Denn diese Bestimmung – die unter Umständen eine pflegschaftsgerichtliche Betrauung des Testamentsvollstreckers mit der Verwaltung des zugewendeten Vermögens ermöglichte – wäre nur bei einer bereits wirksamen Vermögenszuwendung an einen Minderjährigen anwendbar, was beim bloßen Bestehen eines bedingten oder betagten Anspruchs nicht zutrifft.

3.2. Nur dieser Anspruch ist daher derzeit Bestandteil des Vermögens des Minderjährigen. Insofern ist tatsächlich § 133 AußStrG anwendbar. Die darin angeordnete Pflicht des Pflegschaftsgerichts zu Aufsicht und Sicherung bezieht sich allerdings nur auf das Verhältnis zwischen dem Pflegebefohlenen und seinem gesetzlichen Vertreter. Es soll verhindert werden, dass dieser – oder eine andere vom Gericht mit der Vermögensverwaltung betraute Person – seine Befugnis missbraucht (9 Ob 117/04b; 3 Ob 115/10y; 7 Ob 136/13w). Nur diesem Zweck dient auch die in § 133 Abs 4 AußStrG genannte „Sperre von Guthaben“: Damit wird dem Schuldner – in der Regel einem Kreditinstitut oder einer Versicherung – mitgeteilt, dass eine Verfügung des gesetzlichen Vertreters ohne Zustimmung des Gerichts unwirksam ist und eine darauf beruhende Leistung nicht schuldbefreiend wirkt (9 Ob 7/04a; 7 Ob 54/04y). Eine solche Mitteilung könnte zwar hier auch gegenüber dem Rechtsmittelwerber erfolgen. Ein Anlass dafür besteht aber nicht, da aufgrund seines bisherigen Verhaltens nicht anzunehmen ist, dass er den bei ihm erlegten Betrag – gegen die Verfügung des Erblassers – an die Eltern des Minderjährigen herausgibt.

3.3. Hingegen ist ein weitergehender Auftrag im Pflegschaftsverfahren nicht möglich. Das Pflegschaftsgericht darf in die Rechte Dritter nicht unmittelbar eingreifen; es hat sich vielmehr darauf zu beschränken, dem gesetzlichen Vertreter, wenn dies notwendig sein sollte, die notwendigen Aufträge zu geben und Genehmigungen und Ermächtigungen zum Vorgehen gegenüber Dritten zu erteilen (9 Ob 54/05i; 3 Ob 115/10y; 7 Ob 136/13w). In 5 Ob 139/00b wurde zwar darüber hinaus (obiter) erwogen, dass bei „spezifischer Gefährdung des Kindeswohls“ auch einem Dritten Aufträge erteilt werden könnten. Diese Gefährdung müsste sich aber aus dem Verhalten des Obsorgeberechtigten ergeben; damit begründete Maßnahmen könnten nur vorläufigen Charakter haben. Demgegenüber kann die Nichterfüllung (berechtigter) Ansprüche des Pflegebefohlenen durch einen Dritten selbstverständlich nicht dazu führen, dass das Pflegschaftsgericht dem Dritten vollstreckbare Aufträge erteilt. Umso mehr muss das gelten, wenn der Anspruch des Pflegebefohlenen aufschiebend bedingt oder noch nicht fällig ist; selbst wenn in diesem Fall – aus welchem Grund auch immer – eine Sicherstellungspflicht bestünde, könnte sie nicht im Pflegschaftsverfahren durchgesetzt werden. Das gilt auch im Verhältnis zu einem Testamentsvollstrecker, dem die Erfüllung eines Legats aufgetragen ist. Selbst wenn insofern ein unmittelbarer Anspruch bestehen sollte (vgl 6 Ob 778/83; GlU 7379), wäre der Vollstrecker – außer bei einer Betrauung mit der Verwaltung iSv § 166 ABGB – als Dritter anzusehen.

4. Aus diesem Grund hat der Revisionsrekurs des Testamentsvollstreckers Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts ersatzlos aufgehoben wird. Es bleibt den Eltern unbenommen, im Verlassverfahren die – bisher nicht erfolgte – Zustellung des Einantwortungsbeschlusses zu beantragen und in der Folge gegen diesen Rekurs zu erheben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 139 Abs 2 AußStrG.