JudikaturJustiz2Ob180/06v

2Ob180/06v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans Rudolf H*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und andere, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Ludwig Pramer und andere, Rechtsanwälte in Linz, wegen (ausgedehnt) EUR 41.058,40 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 28. Juni 2006, GZ 1 R 41/06i-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 1. Dezember 2005, GZ 3 Cg 151/05y-14, „in der Fassung des Berichtigungsbeschluss vom 9. Dezember 2005, GZ 3 Cg 151/05y-16", bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Berufungsurteil wird ersatzlos aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Zustellung einer Ausfertigung des mit Beschluss vom 9. 12. 2005, 3 Cg 151/05y-16, berichtigten Urteiles vom 1. 12. 2005, 3 Cg 151/05y-14, an beide Parteien zwecks Ingangsetzung der beiderseitigen Berufungsfristen gemäß § 464 Abs 1 ZPO aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 2. 1. 2007, 20 Sa 1/07h, über das Vermögen der beklagten Partei das Ausgleichsverfahren eröffnet wurde (ON 40), was jedoch keinen Unterbrechungsgrund ex lege für das vorliegende (Rechtsmittel )Verfahren darstellt (RIS-Justiz RS0036836: auch nicht analog § 7 KO).

Der Kläger begehrt (im Verfahren erster Instanz nach zweimaliger Ausdehnung) Ruhebezugsnachzahlungen (zuletzt in Höhe von EUR 41.058,40 sA) aus einem mit der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei geschlossenen Vorstandsvertrag. Strittig zwischen den Parteien war dabei die Berücksichtigung einer gesetzlichen Knappschaftspension samt Anrechnung eines weiteren Bezuges als Mitglied des Vorstandes der Versicherungsanstalt des Österreichischen Bergbaues. Das Erstgericht sprach ihm mit Urteil vom 1. 12. 2005 brutto EUR 38.358,57 sA zu und wies das Mehrbegehren von EUR 2.699,83 brutto sA ab.

Über Berichtigungsantrag der klagenden Partei während laufender Rechtsmittelfrist (ON 15) berichtigte das Erstgericht - neben dem Streitverhandlungsprotokoll vom 14. 11. 2005 - auch Spruch und Gründe seines Urteiles; nach dem neu gefassten Spruch wurde die beklagte Partei schuldig erkannt, dem Kläger brutto EUR 40.686,85 sA zu zahlen, und wurde das Mehrbegehren in Höhe von brutto EUR 370,55 sA abgewiesen. Lediglich der Berichtigungsbeschluss, nicht auch eine berichtigte neue Ausfertigung des Ersturteiles, wurde den Parteien zugestellt, wobei nach der Aktenlage auch nicht eine „Abforderung" der (ursprünglichen) Ausfertigungen zu diesem Zwecke gemäß § 419 Abs 2 letzter Satz ZPO erfolgte. Auf der Urschrift des Berichtigungsbeschlusses findet sich auch ein Vermerk des Erstrichters „neue Rechtsmittelfrist für Berufung" (AS 75). Einem gegen den Berichtigungsbeschluss erhobenen Rekurs der beklagten Partei gab das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht mit Beschluss vom 28. 6. 2006 nicht Folge (ON 24).

Während des anhängigen Rekursverfahrens erhob die beklagte Partei gegen das Ersturteil in der Fassung vor dem (zu diesem Zeitpunkt bekämpften und damit noch nicht rechtskräftigen) Berichtigungsbeschluss Berufung und Kostenrekurs (ON 20), welcher das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht mit identer Drei-Richterbesetzung mit Urteil vom selben Tag (28. 6. 2006) nicht Folge gab und weiters aussprach, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei (ON 25). Im Kopf des Berufungsurteiles wird als angefochtene Entscheidung hiebei das Ersturteil vom 1. 12. 2005 „idF des Berichtigungsbeschlusses vom 9. 12. 2005" genannt, welches somit auch inhaltlich der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt wurde. In der hiegegen erhobenen außerordentlichen Revision werden von der beklagten Partei als Revisionsgründe Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht (ON 26). Hauptanfechtungspunkt ist hierin, dass es für das Berufungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung über die Berufung mangels Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses noch kein berichtigtes Urteil gegeben habe; trotzdem habe das Berufungsgericht mangels Zustellung einer berichtigten Urteilsausfertigung über eine „noch gar nicht erhobene" Berufung gegen das Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses entschieden und einer solchen keine Folge gegeben.

Nach Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof stellte die beklagte Partei einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Ersturteiles in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses (ON 28), den das Erstgericht abwies, welche Entscheidung jedoch über Rekurs der beklagten Partei vom Rekursgericht mit Beschluss vom 9. 11. 2006 (rechtskräftig) dahin abgeändert wurde, dass die Bestätigung der Vollstreckbarkeit aufgehoben wurde (ON 36). Begründend führte das Rekursgericht hiezu ua aus, dass aus der wie vor zusammenfassend wiedergegebenen Verfahrenschronologie folge, „dass die Berufungsfrist gegen das berichtigte Urteil erst mit der - noch nicht erfolgten - Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung zu laufen beginnt. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass über die von der Beklagten am 13. 1. 2006 eingebrachte Berufung ON 20 vom Berufungsgericht schon entschieden wurde. Wenn im Falle der Berichtigung des Urteiles für eine Partei - wie hier - eine zweifelhafte Lage herbeigeführt wurde, so kann sie ihre bereits gegen das unberichtigte Urteil erhobene Berufung durch einen weiteren Berufungsschriftsatz ergänzen; beide Schriftsätze sind dann als eine Einheit aufzufassen. Das ursprünglich eingebrachte Rechtsmittel wäre auch durch ein neues ersetzbar. In Bezug auf das Urteil idF des Berichtigungsbeschlusses ist die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen, wenngleich die Erhebung eines Rechtsmittels schon ab dem Zeitpunkt zulässig wäre, ab dem das Erstgericht an seine Entscheidung gebunden ist, also auch schon vor Zustellung des berichtigten Urteiles."

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Die klagende Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher beantragt wird, das gegnerische Rechtsmittel zu „verwerfen", in eventu zurückzuweisen bzw ihm keine Folge zu geben. Wie das Berufungsgericht bereits unter Hinweis auf RIS-Justiz RS0041778 und insbesondere 1 Ob 59/02m zutreffend ausgeführt hat, kann eine Partei, wenn - wie hier - durch die Berichtigung des Urteiles eine zweifelhafte bzw neue Lage herbeigeführt wurde, ihre bereits gegen das unberichtigte Urteil erhobene Berufung nicht nur durch einen weiteren Berufungsschriftsatz ergänzen (in welchem Falle beide Schriftsätze dann als Einheit aufzufassen wären), sondern auch das ursprünglich eingebrachte Rechtsmittel ersetzen (so auch schon SZ 65/116). Im Sinne dieser zuletzt genannten Entscheidung hätte daher nach erfolgter rechtskräftiger Berichtigung des Ersturteiles der beklagten Partei die Gelegenheit gegeben werden müssen, ihre bereits erhobene Berufung zu ergänzen oder durch eine neue zu ersetzen. Solches ist jedoch nach der Aktenlage bislang unterblieben und wurde der Rechtsmittelwerberin (so wie übrigens auch ihrem Gegner, der ja durch die Abweisung eines Teilmehrbegehrens seinerseits beschwert ist) nicht einmal bisher eine berichtigte Entscheidung zugestellt, ab welchem Zeitpunkt die Berufungsfrist neu zu laufen begonnen hätte (M. Bydlinski in Fasching/Konecny, ZPO2 Rz 12 zu § 419; RIS-Justiz RS0041797). Daraus folgt jedoch, dass die vom Berufungsgericht über die Berufung der beklagten Partei nach dem Vorgesagten verfrüht gefällte Entscheidung wenn nicht unter Umständen sogar mit Nichtigkeit, jedenfalls aber mit einem Mangel in der Qualität des § 503 Z 2 ZPO behaftet ist und daher (ersatzlos) zur Nachholung der genannten unverzichtbaren Verfahrensschritte aufzuheben war. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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