JudikaturJustiz2Ob112/12b

2Ob112/12b – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Kropiunig, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die beklagte Partei (nunmehr) S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Karl Peter Resch, Rechtsanwalt in Knittelfeld, und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Mag. M***** M*****, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. März 2012, GZ 2 R 48/12i 31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. Dezember 2011, GZ 16 Cg 233/09h 26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von „B*****gesellschaft mbH“ auf „S***** GmbH“ berichtigt.

II. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.281,76 EUR (darin 546,96 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

Nach der am 26. 9. 2012 von den Generalversammlungen beider Gesellschaften beschlossenen und am 24. 10. 2012 zu FN ***** und FN ***** im Firmenbuch eingetragenen Verschmelzung der übertragenden B*****gesellschaft mbH mit der übernehmenden S***** GmbH ist diese gemäß § 96 Abs 1 Z 1 und Abs 2

GmbHG iVm § 225a Abs 3 AktG Gesamtrechtsnachfolgerin der übernommenen GmbH. Die Parteibezeichnung ist daher auf Antrag der klagenden Partei und mit Zustimmung der beklagten Partei gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.

Zu II.:

Gesellschafterinnen der B*****gesellschaft mbH waren zu 95 % die S***** GmbH und zu 5 % eine weitere GmbH. Die Gesellschaftsanteile der Hauptgesellschafterin wurden zu 99,996 % von der E***** AG gehalten.

Die beklagte Partei beauftragte die klagende Partei im Jahr 2004 mit der Lieferung, Montage und Inbetriebnahme dreier Feuerungs- und Rauchgas-reinigungsanlagen für einen Standort in Leoben. Für alle Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis wurde die Durchführung eines Schiedsverfahrens vereinbart. Nach Lieferung der Anlagen am 4. 8. 2005 legte die klagende Partei am 2. 11. 2005 die Schlussrechnung. Den ausgebrochenen Streit über das Vorliegen von Mängel trugen die Streitteile in insgesamt vier Schiedsverfahren vor einem österreichischen Schiedsgericht aus, wobei die beklagte Partei jeweils durch den Nebenintervenienten anwaltlich vertreten war. In allen Schiedsverfahren wurde von der klagenden Partei Dr. A***** P***** und von der beklagten Partei Dr. K***** K***** als Schiedsrichter nominiert. Zum Vorsitzenden des Schiedsgerichts wurde Dr. G***** Z***** bestimmt. Bei allen Mitgliedern des Schiedsgerichts handelte es sich um Rechtsanwälte.

Das mit Schiedsklage vom 30. 6. 2009 eingeleitete (hier relevante) Schiedsverfahren IV endete mit dem insgesamt 76 Randzahlen umfassenden Schiedsspruch vom 28. 10. 2009, mit welchem das zuletzt auf 482.508,85 EUR sA, in eventu Feststellung, lautende Klagebegehren abgewiesen wurde. Eine „zum Schluss der Schiedsverhandlung“ beantragte Klagsausdehnung auf 688.853 EUR sA ließ das Schiedsgericht nicht zu. Gegenstand des Schiedsverfahrens war der geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung des vereinbarten Haftungsrücklasses, dessen Fälligkeit die beklagte Partei wegen vorhandener Mängel bestritten hatte. Zum Thema „Feuerfestausmauerungen der drei Feuerfestboxen“ führte das Schiedsgericht in Rz 41 des Schiedsspruchs aus, dass die Kosten der Sanierung der Feuerfestausmauerung der gesamten Feuerboxen in Höhe von 515.409,59 EUR brutto berechtigt seien. Aus diesem Grund wurde die Schiedsklage abgewiesen.

Am 11. 11. 2009 stellte die klagende Partei beim Erstgericht den Antrag auf Feststellung, dass der von der beklagten Partei nominierte Schiedsrichter Dr. K***** K***** befangen, in eventu ausgeschlossen gewesen sei. Der Schiedsrichter werde von ihr gemäß § 589 ZPO abgelehnt, weil ihr erst nach Fällung des Schiedsspruchs Umstände bekannt geworden seien, welche geeignet seien, die Unbefangenheit des Schiedsrichters in Zweifel zu ziehen. Gleichzeitig brachte die klagende Partei beim Schiedsgericht einen Ablehnungsantrag gegen den erwähnten Schiedsrichter ein. Die ehemaligen Schiedsrichter teilten der Antragstellerin daraufhin mit, dass ihr Amt als Schiedsrichter bereits beendet sei; eine Entscheidung über den Ablehnungsantrag seitens des Schiedsgerichts erging daher nicht. Der bei Gericht gestellte Feststellungsantrag wurde rechtskräftig zurückgewiesen (vgl 6 Ob 228/10p).

Mit der am 9. 12. 2009 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei , den Schiedsspruch vom 28. 10. 2009 zur Gänze, in eventu in dessen Randzahl 41 aufzuheben.

Die klagende Partei stützte sich auf mehrere Aufhebungsgründe und brachte ua vor, das Schiedsgericht sei unrichtig zusammengesetzt gewesen, weil der Schiedsrichter Dr. K***** K***** ausgeschlossen oder doch zumindest befangen gewesen sei. Zusätzlich zu den sonstigen näher ausgeführten Ablehnungsgründen sei ihr erst nach Fällung des Schiedsspruchs zur Kenntnis gelangt, dass ein unmittelbares Naheverhältnis dieses Schiedsrichters zur (schieds )beklagten Partei bestehe. Der Schiedsrichter sei nämlich Mitglied des Aufsichtsrats der E***** AG.

Erst im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens brachte die klagende Partei vor, dass auch der Vorsitzende des Schiedsgerichts, Dr. G***** Z*****, vom Schiedsrichteramt ausgeschlossen, zumindest aber befangen gewesen sei. Die Rechtsanwaltsgesellschaft, welcher er angehöre, habe einen die verfahrensgegenständliche Anlage betreffenden Superädifikatsvertrag zwischen der (schieds )beklagten Partei und deren Minderheitsgesellschafterin verfasst.

Die beklagte Partei wandte im Wesentlichen ein, die geltend gemachten Ablehnungsgründe könnten von vornherein keine Ausgeschlossenheit oder Befangenheit der erwähnten Schiedsrichter begründen. Außerdem könnten derartige Ablehnungsgründe nach Fällung des Schiedsspruchs nicht mehr als Grund für dessen Aufhebung herangezogen werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es vertrat die Ansicht, Ablehnungsgründe, von denen eine Partei erst nach Fällung des Schiedsspruchs Kenntnis erlange, könnten grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden. Nur besonders schwere und eindeutige Fälle von Befangenheit könnten unter Umständen als Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 5 ZPO) auch noch nach Beendigung des Schiedsverfahrens zu einer Aufhebung des Schiedsspruchs führen. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht teilte im Wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, der Schiedsspruch habe gemäß § 607 ZPO zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. Hätten die Streitteile für ihren im Schiedsverfahren ausgetragenen Rechtsstreit den staatlichen Zivilprozess gewählt, wäre kein Richter aufgrund der behaupteten Ablehnungsgründe iSd § 20 JN von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen gewesen. Bei bloßer Befangenheit des Richters, möge sie noch so „schwerwiegend und eindeutig“ sein, könnte das in Rechtskraft erwachsene Urteil aber weder im Wege einer Wiederaufnahmsklage noch einer Nichtigkeitsklage aufgehoben werden. Es bestehe kein Grund, die Schiedssprüche befangener Schiedsrichter anders zu beurteilen, als die rechtskräftigen Urteile befangener staatlicher Richter. Könnten nach Fällung des Schiedsspruchs hervorgekommene „besonders schwerwiegende und eindeutige“ Fälle von Befangenheit mit Aufhebungsklage geltend gemacht werden, wäre dies ein Anreiz für Parteien des Schiedsverfahrens, sich erst nach Fällung ihnen nicht genehmer Schiedssprüche auf die Suche nach Ablehnungsgründen gegen Schiedsrichter zu machen oder mit der Geltendmachung von schon während des Schiedsverfahrens nur ihnen (und den betroffenen Schiedsrichtern) bekannten Ablehnungsgründen bis nach Fällung des Schiedsspruchs zuzuwarten.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil in der Entscheidung 6 Ob 228/10p die Frage, ob nach Fällung des Schiedsspruchs hervorgekommene Ablehnungsgründe mit Aufhebungsklage geltend gemacht werden könnten, ausdrücklich unbeantwortet geblieben sei.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben. Der Nebenintervenient beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.

Die klagende Partei macht geltend, die Ablehnung von Schiedsrichtern könne infolge der Besonderheiten des Schiedsverfahrens mit jener von staatlichen Richtern nicht gleichgesetzt werden. Die Sicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der im Schiedsverfahren tätig werdenden Schiedsrichter sei ein wesentlicher Grundsatz und eine tragende Säule der Schiedsgerichtsbarkeit. Das Berufungsgericht habe sich weder mit der einschlägigen deutschen Rechtsprechung und Lehre, noch mit der darauf Bezug nehmenden Entscheidung 7 Ob 314/04h befasst. Die nach Erlassung des Schiedsspruchs bekannt gewordenen Ablehnungsgründe konkret beziehen sich die Revisionsausführungen nur noch auf die Mitgliedschaft des Schiedsrichters Dr. K***** K***** im Aufsichtsrat der E***** AG und die den vorsitzenden Schiedsrichter Dr. G***** Z***** betreffende (angebliche) Befangenheit seien als „besonders schwerwiegende und eindeutige“ Fälle von Befangenheit zu qualifizieren. Nach den IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, denen, selbst wenn ihre Anwendung von den Parteien nicht vereinbart sei, Bedeutung bei der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der ZPO zukomme, führe etwa die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat einer Partei zu einer unabdingbaren Ausgeschlossenheit des betroffenen Schiedsrichters.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu wurde erwogen:

1. Vorbemerkung:

Die Lösung der strittigen Rechtsfrage, ob erst nach dem Schiedsspruch bekannt gewordene Ablehnungsgründe mit Aufhebungsklage geltend gemacht werden können, hat anhand der einschlägigen Bestimmungen der ZPO über die Ablehnung von Schiedsrichtern in der Fassung des mit 1. 7. 2006 in Kraft getretenen Schiedsrechts-Änderungsgesetzes 2006 (SchiedsRÄG 2006) zu erfolgen. Den Ausgangspunkt der anzustellenden Überlegungen bildet jedoch die Lehre und Rechtsprechung zur „alten“ Rechtslage. Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob die Neuregelung des Ablehnungsverfahrens durch das SchiedsRÄG 2006 im konkreten Fall eine abweichende Beurteilung erfordert.

2. Rechtslage vor dem SchiedsRÄG 2006:

2.1 § 586 Abs 1 ZPO (aF) sah vor, dass ein Schiedsrichter aus denselben Gründen abgelehnt werden kann, welche zur Ablehnung eines Richters berechtigen (§§ 19 und 20 JN). Erfasst waren demnach sowohl Ausschließungsgründe als auch Befangenheitsgründe, die jeweils mit Ablehnungsantrag geltend gemacht werden mussten ( Rechberger/Melis in Rechberger , ZPO² § 586 Rz 2). Für die Beurteilung der Befangenheit eines Schiedsrichters war daher § 19 Z 2 JN die maßgebliche Norm (vgl 9 ObA 94/04w; Rechberger/Melis aaO § 586 Rz 2).

2.2 Das Ablehnungsverfahren war nicht gesetzlich geregelt. Es entsprach herrschender Auffassung, dass über die Ablehnung eines Schiedsrichters das Schiedsgericht selbst zu entscheiden hatte und zwar in Ermangelung einer abweichenden Regelung im Schiedsvertrag in Anwesenheit und mit der Stimme des Abgelehnten (7 Ob 236/05i mwN; RIS Justiz RS0117293). Eine solche Entscheidung bedurfte der Nachprüfung durch das Gericht. § 595 Abs 1 Z 4 ZPO (aF) ermöglichte die Aufhebung des Schiedsspruchs nur, wenn die Ablehnung eines Schiedsrichters vom Schiedsgericht „ungerechtfertigt“ zurückgewiesen worden war (7 Ob 236/05i; Rechberger/Melis aaO § 586 Rz 3). Hingegen war die Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts vor dem staatlichen Gericht nicht anfechtbar, was im Schrifttum auf Kritik gestoßen ist (vgl Rechberger/Rami , Die Ablehnung von Schiedsrichtern durch die Parteien, wbl 1999, 103 [104 {FN 25}]).

2.3 In der Entscheidung 7 Ob 314/04h (= ecolex 2005/131, 288 [ Klausegger/Hanusch ]) stellte der Oberste Gerichtshof klar, dass eine erst nach Fällung des Schiedsspruchs hervorgekommene (angebliche) Befangenheit eines Schiedsrichters iSd § 19 Z 2 JN nicht mit Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann (vgl 6 Ob 228/10p). Er stützte sich dabei auf die Lehrmeinung Faschings (in Komm IV 881 ua), nach welcher nur ein später hervorgekommener Ausschließungsgrund eine Anfechtungsklage gemäß § 595 Abs 1 Z 4 ZPO (aF) rechtfertigen könne, nicht aber eine bloße Befangenheit (auf die eine solche Differenzierung ablehnenden und eine Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs mit der Ausnahme, dass niemand in eigener Sache entscheiden dürfe, schlechthin verneinenden Lehrmeinungen musste nicht näher eingegangen werden; vgl dazu Matscher , Probleme der Schiedsgerichtsbarkeit im österreichischen Recht, JBl 1975, 412, 452 [465]; Backhausen , Schiedsgerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung des Schiedsvertragsrechts [1990] 177 ff). Der 7. Senat verwies ferner unter Anführung zahlreicher Belegstellen auf die nach wie vor aktuelle (vgl 6 Ob 228/10p mwN) herrschende Auffassung in Deutschland, wonach bei ähnlicher Rechtslage (§§ 1036, 1037, 1059 dZPO) erst nach Erlass des Schiedsspruchs bekannt gewordene Ablehnungsgründe im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden könnten und Ausnahmen von diesem Grundsatz nur in besonders schwerwiegenden und eindeutigen Fällen von Befangenheit sowie bei schwerwiegenden Verstößen gegen den ordre public möglich seien. Diese Voraussetzungen lagen im Anlassfall nicht vor.

3. Derzeitige Rechtslage:

3.1 In § 588 Abs 1 ZPO wurde in Anpassung an Art 12 des UNCITRAL Modellgesetzes und § 1036 dZPO die Verpflichtung von Schiedsrichtern zur Offenlegung möglicher Ablehnungsgründe gesetzlich statuiert. Gemäß § 588 Abs 2 erster Satz ZPO kann ein Schiedsrichter nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt.

3.1.1 Anders als noch in § 586 ZPO (aF) wird im Gesetzestext nicht mehr auf die Bestimmungen über die Befangenheit und die Ausgeschlossenheit von Richtern verwiesen (§§ 19 f JN). Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung bedeutet die neue Formulierung aber keine inhaltliche Änderung der bisherigen Rechtslage (vgl ErläutRV 1158 BlgNR XXII. GP 13; Rechberger/Melis in Rechberger , ZPO³ § 588 Rz 1; Hausmaninger in Fasching/Konecny ² IV/2 § 588 Rz 80; aA etwa Koller , Das neue österreichische Schiedsrecht, JAP 2005/2006/30, 182 [185], der von der neuen Bestimmung „eine größere Reichweite möglicher Ablehnungsgründe“ als erfasst ansieht). Die Gründe für die Ablehnung staatlicher Richter sind daher unter spezieller Berücksichtigung der Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit weiterhin als Richtlinien heranzuziehen ( Riegler/Petsche , Die Bildung des Schiedsgerichts, in Liebscher/Oberhammer/Rechberger , Schiedsverfahrensrecht I [2012] Rz 5/186; Hausmaninger aaO § 588 Rz 86; idS auch die herrschende Auffassung in Deutschland: vgl Kröll , Die Ablehnung eines Schiedsrichters nach deutschem Recht, ZZP 116 [2003], 206 f; Münch in MünchKomm ZPO³ [2008] § 1036 Rn 30 mwN; für eine autonome Bestimmung der Befangenheitsgründe hingegen Matusche-Beckmann/Spohnheimer in FS von Hoffmann [2011], Überlegungen zu den Rechtsbehelfen gegen den [Nicht ]Ausschluss befangener Schiedsrichter, 1033).

3.1.2 Die in der Revision erwähnten IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration aus dem Jahr 2004 (kurz: IBA Guidelines) haben keinen normativen Charakter und bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Vereinbarung durch die Parteien ( Riegler/Petsche aaO Rz 5/156; Hausmaninger aaO § 588 Rz 30). Ziel dieser Richtlinien ist es, den Parteien, ihren Vertretern, Schiedsrichtern, Schiedsinstitutionen und staatlichen Gerichten zu Fragen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, Offenlegung und Ablehnung Hilfestellung zu leisten und so langfristig einen international üblichen Standard zu schaffen ( Riegler/Petsche aaO Rz 5/156). Die IBA Guidelines unterscheiden in ihrem Teil I sieben allgemeine Standards und bieten in Teil II praktische Anwendungshilfen, die im „Ampelsystem“ in eine rote, orange und grüne Liste gegliedert sind. Die rote Liste enthält Umstände, die entweder absolute Ausschlussgründe ( non waivable Red List ) oder ernsthafte Ablehnungsgründe ( waivable Red List ) darstellen. Die orange Liste enthält Umstände, die im konkreten Einzelfall berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit bzw Unparteilichkeit des Schiedsrichters begründen können. In der grünen Liste sind Umstände aufgezählt, die keinen Anschein einer Befangenheit begründen (vgl dazu im Detail Riegler/Petsche aaO Rz 5/165 ff; Hausmaninger aaO § 588 Rz 38; Zeiler , Schiedsverfahren [2006] § 588 Rz 12 f und Rz 22; vgl auch Münch aaO § 1036 Rn 13). Riegler/Petsche (aaO Rz 5/156) und Zeiler (aaO § 588 Rz 5) empfehlen, bei der Konkretisierung von § 588 Abs 1 und 2 ZPO die IBA Guidelines als Auslegungshilfe heranzuziehen.

3.2 In § 589 ZPO wurde das Ablehnungsverfahren in Anlehnung an Art 13 des UNCITRAL Modellgesetzes und § 1037 dZPO gesetzlich geregelt (vgl 6 Ob 228/10p). Gemäß § 589 Abs 2 ZPO hat die ablehnende Partei mangels anderer Vereinbarung binnen vier Wochen, nachdem ihr ein Ablehnungsgrund bekannt geworden ist, diesen dem Schiedsgericht schriftlich darzulegen. Bei negativer Entscheidung des Schiedsgerichts kann die ablehnende Partei gemäß § 589 Abs 3 ZPO binnen weiterer vier Wochen bei Gericht eine Entscheidung über die Ablehnung beantragen. Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.

Mit der Schaffung einer Möglichkeit der Klärung der Ablehnungsfrage während der Anhängigkeit des Schiedsverfahrens durch das staatliche Gericht wurde der im Schrifttum geäußerten Kritik an der bisherigen Rechtslage (siehe Punkt 2.2) Rechnung getragen (vgl Koller aaO 186). Die Grundsätze der Regelung entsprechen im Übrigen der herrschenden Meinung vor der Reform, weshalb nach allgemeiner Auffassung die bisherige Rechtsprechung weiterhin zur Auslegung herangezogen werden kann ( Riegler/Petsche aaO Rz 5/206; Hausmaninger aaO § 589 Rz 13).

Versäumt eine Partei die vierwöchige Frist zur Geltendmachung der Ablehnungsgründe beim Schiedsgericht oder zur Stellung eines Ablehnungsantrags beim staatlichen Gericht, ist die Geltendmachung der Ablehnungsgründe im Aufhebungsverfahren unzulässig (vgl ErläutRV 1158 BlgNR XXII. GP 13 f und 27; Riegler/Petsche aaO Rz 5/220 und Rz 5/223 [mit Ausnahmen für Ausschlussgründe aus der non waivable Red List ]; Hausmaninger aaO § 589 Rz 40 und Rz 64 sowie § 611 Rz 160; Koller aaO 186). Nach Fällung eines Schiedsspruchs kommt ein Ablehnungsverfahren jedenfalls nicht mehr in Frage, weil mit Erlassung des Schiedsspruchs das Schiedsverfahren und auch das Amt der Schiedsrichter grundsätzlich beendet sind (6 Ob 228/10p).

3.3 Gesetzlich ungeregelt blieb die (zur „alten“ Rechtslage) in 7 Ob 314/04h entschiedene (siehe Punkt 2.3) Frage, ob auf dem Boden des SchiedsRÄG 2006 ein erst nach Fällung des Schiedsspruchs hervorgekommener Ablehnungsgrund mit Aufhebungsklage (§ 611 ZPO) geltend gemacht werden kann. Sie ist, worauf der Oberste Gerichtshof in der den gegenständlichen Rechtsfall betreffenden Entscheidung 6 Ob 228/10p bereits verwiesen hat, im Schrifttum umstritten. Einigkeit besteht nur darin, dass ein Schiedsrichter unabhängig von seiner Ablehnung durch eine Schiedspartei vom Schiedsrichteramt ausgeschlossen ist, wenn er gegen das Grundprinzip verstößt, dass niemand in eigener Sache Richter sein kann. Ein derartiger Verstoß läge vor, wenn eine Schiedspartei sich selbst oder einen gesetzlichen Vertreter oder den Prozessbevollmächtigten in der konkreten Streitsache zum Schiedsrichter ernennt ( Hausmaninger aaO § 588 Rz 152; Rechberger/Melis aaO § 588 Rz 2; Riegler/Petsche aaO Rz 5/188).

3.3.1 Befürworter der (uneingeschränkten) Anfechtbarkeit:

- Rechberger/Melis (aaO § 611 Rz 7) treten für die uneingeschränkte Möglichkeit der Geltendmachung nachträglich hervorgekommener Ablehnungsgründe durch Aufhebungsklage ein. Sie begründen dies damit, dass bei nachträglichem Hervorkommen eines Ablehnungsgrundes „die Voraussetzungen des § 589 ZPO nicht erfüllt“ seien. Die Unterscheidung zwischen Ablehnungs und Ausschließungs-gründen sei spätestens jetzt obsolet geworden.

- Nach Reiner (Das neue österreichische Schiedsrecht [2006] Anm 199; ders , SchiedsRÄG 2006: Wissenwertes zum neuen österreichischen Schiedsrecht, ecolex 2006, 468; ders , Gerichte und Schiedsgerichte, ÖJZ 2009/32, 302 [304]) soll das erst nach Erlassung des Schiedsspruchs bekannt werdende Fehlen der Unabhängigkeit eines Schiedsrichters sowohl unter den Aufhebungsgrund der Z 4 (Mängel in der Bildung oder Zusammensetzung des Schiedsgerichts) als auch jenen der Z 5 (Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public ) des § 611 Abs 2 ZPO zu subsumieren sein.

- Auch Torggler (Praxishandbuch Schiedsgerichtsbarkeit [2007] 231 Rz 38) ist der Ansicht, dass der Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 4 ZPO „hauptsächlich dann in Betracht“ komme, wenn einer Partei ein Ablehnungsgrund erst nach Erlassung des Schiedsspruchs bekannt wird.

- Diese Auffassung teilen auch Riegler/Petsche (aaO Rz 5/244). Im Hinblick auf die „fundamentale Bedeutung“ der Unbefangenheit des Entscheidungsorgans stehe die Aufhebungsklage sowohl für Ausschließungsgründe als auch für „bloße“ Ablehnungsgründe offen. Es sei nicht einzusehen, warum die spätere Erkennbarkeit eines Ablehnungsgrundes innerhalb der (dreimonatigen) Aufhebungsfrist (§ 611 Abs 4 ZPO) unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen sollte.

3.3.2 Gegner der (uneingeschränkten) Anfechtbarkeit:

- Hausmaninger (aaO § 589 Rz 42 und 85 sowie § 611 Rz 160) hält die Grundsätze der Entscheidung 7 Ob 314/04h (Rechtssicherheit und Rechtsfrieden) weiterhin für maßgebend, enthält sich aber einer eigenen Äußerung zu den in Anlehnung an die deutsche Lehre und Rechtsprechung ins Auge gefassten Ausnahmen für „besonders schwere und eindeutige“ Fälle von Befangenheit. Nur Ausschlussgründe, die einem Verstoß gegen den materiellen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 8 ZPO) gleichkommen würden, könnten geltend gemacht werden.

- Klausegger/Hanusch (ecolex 2005, 289) vertreten in ihrer zustimmenden Glosse zu der Entscheidung 7 Ob 314/04h die Auffassung, dass auch nach der neuen Rechtslage die Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen eines später hervorgekommenen (angeblichen) Befangenheitsgrundes nicht vorgesehen sei. Nach Ansicht der Glossatoren wäre andernfalls zu befürchten, dass Parteien einen für sie nicht zufriedenstellenden Ausgang des Schiedsverfahrens zum Anlass nehmen könnten zu prüfen, ob nicht ein Ablehnungsgrund im engeren Sinn vorliegen könnte, und zu versuchen, im Wege der Anfechtungsklage eine inhaltliche Nachprüfung des Schiedsspruchs zu erreichen und damit die engen Anfechtungsgrenzen aufzuweichen.

- Zeiler (aaO § 589 Rz 14 und § 611 Rz 27) betont in Anlehnung an die Entscheidung 7 Ob 314/04h, dass die Ablehnung eines Schiedsrichters „jedenfalls“ nur bis zur Fällung des Schiedsspruchs erfolgen könne und bei späterem Hervortreten eines Ablehnungsgrundes grundsätzlich auch keine Anfechtung des Schiedsspruchs möglich sei. Bei besonders schwerwiegenden und eindeutigen Fällen sei aber ein Aufhebungsantrag wegen Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 5 ZPO) denkbar.

- Pitkowitz (Die Aufhebung von Schiedssprüchen [2008] Rz 294 und Rz 297) referiert zu § 611 Abs 2 Z 4 ZPO ebenfalls die Rechtsprechung zum „alten“ Recht und interpretiert diese dahin, dass nur ein nachträglich bekannt gewordener Ausschließungsgrund zu einer Aufhebung des Schiedsspruchs führen könne, nicht aber ein „bloßer“ Ablehnungsgrund.

4. Zwischenbeurteilung:

4.1 Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sieht sich der erkennende Senat nicht veranlasst, von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abzugehen, die entgegen einer Andeutung von Reiner (in ecolex 2006, 468 [FN 4]) auch nicht widersprüchlich ist. In der dort zitierten Entscheidung 9 ObA 94/04w wurde nämlich ausdrücklich betont, dass die zweitinstanzliche Rechtsansicht, eine Befangenheit des Schiedsrichters begründe einen Aufhebungsgrund, in der außerordentlichen Revision nicht in Zweifel gezogen werde. Diese Rechtsansicht blieb deshalb ungeprüft.

Die in der Entscheidung 7 Ob 314/04h vertretenen Grundsätze sind somit auch unter dem Regime des SchiedsRÄG 2006 weiterhin maßgeblich.

4.2 Wie Kröll (aaO 211 f) überzeugend darlegt, scheint zwar das Gebot der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Schiedsrichter für die uneingeschränkte Geltendmachung von Ablehnungsgründen auch noch im Aufhebungsverfahren zu sprechen, die uneingeschränkte Zulassung würde aber zu Lasten von anderen ebenso bedeutsamen Grundsätzen wie jenen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit gehen. Beide Prinzipien so der Autor seien daher, wie dies der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs entspricht (vgl BGHZ 141, 90 = NJW 1999, 2370), gegeneinander abzuwägen, wobei der Gesetzgeber die Wertung für die kollidierenden Prinzipien schon für das Verfahren vor den staatlichen Gerichten vorgezeichnet habe. Im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens müsse die Geltendmachung von Ablehnungsgründen erheblich eingeschränkt werden, ohne jedoch völlig ausgeschlossen zu sein, um dem Prinzip der Unparteilichkeit des Schiedsgerichts angemessen Rechnung zu tragen (vgl auch Geimer in Zöller , ZPO 29 § 1037 Rn 7; Münch aaO § 1037 Rn 34 f).

4.3 Diese für das deutsche Recht gewonnene und der Entscheidung 7 Ob 314/04h bereits zugrunde gelegene Erkenntnis trifft auch auf die neue Rechtslage in Österreich zu. Der Gesetzgeber, der eine Annäherung an die deutschen Rechtsnormen anstrebte, hat die Geltendmachung von Ablehnungsgründen in § 589 ZPO einem genau geregelten Verfahren unterworfen und keine Sonderregelung für den Fall getroffen, dass einer Schiedspartei erst nach Fällung des Schiedsspruchs ein Ablehnungsgrund bekannt wird. Bei einem Rechtsstreit vor den staatlichen Gerichten heilt aber selbst der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung, eine spätere Ablehnung kommt nicht in Betracht (1 Ob 18/02g mwN; 3 Ob 5/13a; RIS Justiz RS0041974, RS0046032). Nur die Ausgeschlossenheit des Richters könnte noch mit Nichtigkeitsklage gemäß § 529 Abs 1 Z 1 ZPO geltend gemacht werden und zur Durchbrechung der Rechtskraft führen. Da § 588 ZPO nur Ablehnungsgründe kennt und nicht zwischen Befangenheits und Ausschließungsgründen unterscheidet, ist diese auf Fasching zurückgehende Differenzierung, mit der sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 314/04h wie erörtert nicht befassen musste (siehe Punkt 2.3), tatsächlich obsolet ( Rechberger/Melis aaO § 611 Rz 7; idS auch schon Oberhammer , Entwurf eines neuen Schiedsverfahrensrechts [2002] 69).

4.4 Es ist somit daran festzuhalten, dass nachträglich bekannt gewordene Ablehnungsgründe im Aufhebungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden können, dass aber in krassen Fällen Ausnahmen möglich sind. Die gebotene Abwägung ist in einem auf § 611 Abs 2 Z 4 ZPO gestützten Aufhebungsverfahren durchzuführen (vgl BGHZ 140, 90 [95]). Die Frage, in welchen schwerwiegenden Fällen das Bedürfnis nach Aufhebung des Schiedsspruchs überwiegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu lösen. Bei einem Ablehnungsgrund, der einem Ausschließungsgrund iSd § 20 JN nahekommt, wird sie regelmäßig zu bejahen sein. Bei dieser Beurteilung können auch die IBA Guidelines, sofern ihre Anwendung nicht ohnehin vereinbart wurde, als Orientierungshilfe dienen.

4.5 Dazu kommt, dass der Gesetzgeber in § 611 Abs 2 Z 5 ZPO einen neuen Aufhebungsgrund geschaffen hat, der weder im UNCITRAL Modellgesetz noch in § 1059 dZPO ein entsprechendes Vorbild hat (vgl Rechberger/Melis aaO § 611 Rz 8; Hausmaninger aaO § 611 Rz 166). Nach dieser Bestimmung ist ein Schiedsspruch aufzuheben, wenn das Schiedsverfahren in einer Weise durchgeführt wurde, die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung ( ordre public ) widerspricht. Erfasst sein sollen Verfahrensfehler, die so schwer wiegen, dass sie von der Rechtsordnung nicht mehr hingenommen werden sollen ( Hausmaninger aaO § 611 Rz 170 mwN; Zeiler aaO § 611 Rz 29; Pitkowitz aaO Rz 320). Als Beispiele werden vor allem die (auch von § 611 Abs 2 Z 2 ZPO erfasste) schwere Verletzung des rechtlichen Gehörs, das Fehlen der Parteifähigkeit und der Vertretungsmacht, das Ignorieren der Rechtskraft oder die Fällung eines Schiedsspruchs ohne Beweisverfahren (vgl Hausmaninger aaO § 611 Rz 172 ff; Pitkowitz aaO Rz 322; Torggler aaO 234 f Rz 54), aber auch die Missachtung des Gebots der überparteilichen Rechtspflege und damit des Prinzips der Unparteilichkeit und der Unabhängigkeit der Schiedsrichter ( Hausmaninger aaO § 611 Rz 173 mwN; vgl auch Kröll aaO 214) genannt.

Daraus ergibt sich aber, dass die Aufhebungsklage in besonders schwerwiegenden Fällen von Befangenheit auch auf § 611 Abs 2 Z 5 ZPO gestützt werden kann.

5. Beurteilung des konkreten Falls:

5.1 Die Revisionsausführungen der klagenden Partei zur Möglichkeit der Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen Befangenheit oder Ausgeschlossenheit eines Schiedsrichters beschränken sich auf zwei der ursprünglich von ihr geltend gemachten Ablehnungsgründe. Auf diese wird im Folgenden näher einzugehen sein, während die weiteren Ablehnungsgründe der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen sind (vgl RIS Justiz RS0043338 [T15, T20], RS0043352 [T35]).

5.2 Mitgliedschaft des Schiedsrichters Dr. K***** K***** im Aufsichtsrat der Großmuttergesellschaft der beklagten Partei:

5.2.1 Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass der Schiedsrichter eines von acht Mitgliedern des Aufsichtsrats der (seinerzeitigen) Großmuttergesellschaft der beklagten Partei ist (in der Zwischenzeit wurden Enkel und Muttergesellschaft verschmolzen; siehe Punkt I.) und dass die Gesellschaften in einem Konzernverhältnis (vgl § 15 AktG) verbunden sind.

Trotz einheitlicher Leitung bleiben die in einem Konzernverbund zusammengefassten Gesellschaften aber rechtlich selbständig. Der Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft ist nicht „Konzernaufsichtsrat“. Er ist nur Organ der Obergesellschaft und nach Maßgabe des § 70 AktG ausschließlich deren Interessen verpflichtet, nicht aber den Interessen der Untergesellschaften oder einem „Konzerninteresse“ (vgl Eckert/Gassauer Fleissner Überwachungspflichten des Aufsichtsrats im Konzern, GeS 2004, 416 [419]; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer , Gesellschaftsrecht [2008] Rz 3/933; dies in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG² [2012] § 95 Rz 33).

Bei dieser Rechtslage kann entgegen der Ansicht der klagenden Partei keine Rede davon sein, dass der Schiedsrichter als „Richter in eigener Sache“ fungierte und dadurch einen dem Ausschließungsgrund des § 20 Abs 1 Z 1 JN entsprechenden Ablehnungsgrund sowie einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public (vgl Riegler/Petsche aaO Rz 5/238; laut Hausmaninger aaO § 589 Rz 152 und § 611 Rz 222 soll in diesen Fällen ein Verstoß gegen den materiellen ordre public vorliegen) verwirklicht hat. Da die Obergesellschaft in den Streitfall nicht involviert ist, ist auch keiner der entsprechenden Tatbestände der non waivable Red List der hier nur als Auslegungshilfe in Betracht kommenden IBA Guidelines (insb Punkt 1.2: „ The arbitrator is a manager, director or member of the supervisory board, or has a similar controlling influence in one of the parties. “) erfüllt (vgl Hausmaninger aaO § 588 Rz 98; Zeiler aaO § 588 Rz 12).

5.2.2 Der Aufsichtsrat hat nur das Verhalten des Vorstands der herrschenden Gesellschaft, nicht das Verhalten der Geschäftsführungen der nachgeordneten Gesellschaften zu überwachen ( Kalss in Doralt ua aaO § 95 Rz 34). Maßstab für alle Maßnahmen sind nicht die Verhältnisse der Untergesellschaften, sondern allein die Verhältnisse der Obergesellschaft ( Eckert/Gassauer Fleissner aaO 419). Zu den Aufgaben des Aufsichtsrats zählt aber jedenfalls die Überwachung und Beratung des Vorstands der Obergesellschaft bei der Konzernleitung (sofern diese tatsächlich ausgeübt wird), da es sich dabei um eine Geschäftsführungsangelegenheit iSd § 95 Abs 1 AktG handelt ( Kalss in Doralt ua aaO § 95 Rz 35; Eckert/Gassauer Fleissner aaO 422). Der Aufsichtsrat hat die Entwicklung in den Konzerntöchtern (und enkeln) so weit zu verfolgen, als es sich um für die Obergesellschaft wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten oder Vermögensbindungen handelt, und er zu beurteilen hat, ob und wie der Vorstand der Obergesellschaft auf die nachgeordneten Unternehmen Einfluss nehmen soll ( Kalss in Doralt ua aaO § 95 Rz 37). Es treffen ihn also auch „konzerndimensionale“ Überwachungsaufgaben (vgl 6 Ob 34/08f = GesRZ 2008, 225 [ Kalss ]), wofür ihm als Mittel vor allem Informationsrechte und Zustimmungsvorbehalte zur Verfügung stehen ( Eckert/Gassauer Fleissner aaO 423 ff).

5.2.3 Ausgehend von dieser grob skizzierten Rechtslage ist zu prüfen, ob der Schiedsrichter zur Offenlegung seiner Mitgliedschaft im Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens verpflichtet war und ob ein Ablehnungsgrund vorlag. Beides wäre zu bejahen, wenn dieses mittelbare Verhältnis zur beklagten Partei als Umstand zu werten ist, der nicht nur Zweifel (§ 588 Abs 1 ZPO), sondern auch berechtigte Zweifel (§ 588 Abs 2 ZPO) an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters zu wecken geeignet war. Diese Beurteilung ist nach einem objektiven Maßstab vorzunehmen, wobei die Sichtweise eines mit den relevanten Fakten vertrauten vernünftigen Dritten maßgeblich ist ( Hausmaninger aaO § 588 Rz 83; Riegler/Petsche aaO Rz 5/190).

5.2.4 Aufsichtsratsmitglieder gehen mit der Gesellschaft auch ein schuldrechtliches Verhältnis ein. Sie haben Anspruch auf Vergütung sowie Aufwandersatz und haben für Fehlleistungen zu haften (vgl Kalss in Kalss ua aaO Rz 3/493 f und Rz 3/575). Da sich ihre Überwachungspflichten in einem Konzernverbund -wenngleich nur mittelbar und in beschränktem Ausmaß auch auf die untergeordneten Gesellschaften erstrecken, ist aus objektiver Sicht ein wirtschaftliches Interesse an der Untergesellschaft, hier also der beklagten Partei, zu unterstellen. Darf dieses Interesse auch nicht überbewertet werden (wäre es „wesentlich“, wäre ein Tatbestand der non waivable Red List verwirklicht; vgl Hausmaninger aaO § 588 Rz 99), so hätte es doch den Schiedsrichter „im Zweifel“ zur Offenlegung veranlassen müssen. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist das wirtschaftliche Interesse eines Mitglieds des Aufsichtsrats im Konzernverbund aber auch geeignet, bei einem vernünftigen Dritten „berechtigte Zweifel“ an der Unparteilichkeit des Schiedsrichters in einem Schiedsverfahren, an dem eine Untergesellschaft als Partei beteiligt ist, zu wecken. Es lag somit ein Ablehnungsgrund vor.

5.2.5 Für die klagende Partei ist daraus aber nichts gewonnen. Der Ablehnungsgrund ist wegen der doch nur mittelbaren Beziehung des Schiedsrichters zur beklagten Partei nicht von jenem Gewicht, das für die Annahme eines besonders schwerwiegenden Falls von Befangenheit im Sinne der Ausführungen zu Punkt 4. erforderlich wäre. Die gebotene Abwägung zwischen den kollidierenden Prinzipien fällt daher zu Gunsten der Bewahrung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit aus. Da auch nicht gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen wurde, kann sich die klagende Partei im Aufhebungsverfahren nicht mit Erfolg auf die in Betracht kommenden Aufhebungsgründe gemäß § 611 Abs 2 Z 4 und 5 ZPO berufen.

5.3 Verfassung eines Superädifikatsvertrags zwischen der beklagten Partei und ihrer Minderheitsgesellschafterin durch die Rechtsanwaltsgesellschaft, welcher der vorsitzende Schiedsrichter Dr. G***** Z***** angehört:

5.3.1 Gemäß § 611 Abs 4 erster und zweiter Satz ZPO ist die Klage auf Aufhebung innerhalb von drei Monaten zu erheben. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der Kläger den Schiedsspruch oder den ergänzenden Schiedsspruch empfangen hat. Das war hier im Jahr 2009.

Die klagende Partei hat den den vorsitzenden Schiedsrichter betreffenden Aufhebungsgrund mit der Behauptung, dieser sei ihr erst jetzt zur Kenntnis gelangt, erstmals in ihrem Schriftsatz vom 17. 11. 2010 (Rekurs gegen einen Unterbrechungsbeschluss) geltend gemacht, wobei sie das dazu erstattete Tatsachenvorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 30. 9. 2011 zu ihrem „heutigen Vorbringen“ erhob.

Der Oberste Gerichtshof hat bei Prüfung der Rechtzeitigkeit in der Entscheidung 6 Ob 186/97i auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnis vom Anfechtungsgrund abgestellt. Dies geschah aber auf der gesetzlichen Grundlage des § 596 Abs 2 ZPO (aF), dessen zweiter Satz lautete: „ Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem der Schiedsspruch zugestellt wurde, wenn aber der Anfechtungsgrund erst später bekannt wurde, mit dem Tage, an welchem die Partei vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.

Der zweite Halbsatz dieser Bestimmung wurde durch das SchiedsRÄG 2006 nicht übernommen, ohne dass die Gesetzesmaterialien Aufschlüsse über das Motiv für diese Einschränkung geben (vgl ErläutRV 1158 BlgNR XXII. GP 28). Aus den nachstehenden Gründen kommt es aber auf die Frage, ob der Aufhebungsgrund rechtzeitig geltend gemacht wurde, ohnedies nicht entscheidend an, weshalb auf sie nicht weiter eingegangen werden muss.

5.3.2 Die klagende Partei bezog sich mit ihrem Vorwurf auf den von ihr vorgelegten „Superädifikats und Bestandvertrag“ vom 2. 5. 2005 (Beilage ./V), der eine der von ihr gelieferten Anlagen zum Gegenstand gehabt habe und von jener „Wiener Großkanzlei“ verfasst worden sei, der auch der vorsitzende Schiedsrichter angehört habe. Im Hinblick auf eine geplante Anteilsübernahme durch die Minderheitsgesellschafterin hätten beide Vertragsparteien ein „immenses wirtschaftliches Interesse“ an einem günstigen Ausgang des Schiedsverfahrens gehabt, weshalb es nicht darauf ankomme, wessen rechtliche Interessen die Anwaltskanzlei vertreten habe.

5.3.3 Bei der Bewertung anwaltlicher Tätigkeit für eine Schiedspartei oder ein im Konzern verbundenes Unternehmen ist nach herrschender Auffassung danach zu unterscheiden, ob die Tätigkeit dieselbe oder eine andere Sache betrifft und ob es sich um eine gegenwärtige oder frühere (bereits abgeschlossene) Tätigkeit handelt. Dabei ist grundsätzlich nicht entscheidend, ob der Schiedsrichter persönlich befasst war, wenn die Sozietät, welcher der Schiedsrichter angehört, die Interessen der Schiedspartei vertreten hat (vgl Lachmann in FS Geimer [2002], Gedanken zur Schiedsrichterablehnung aufgrund Sozietätszugehörigkeit 518 ff; Hausmaninger aaO § 588 Rz 107; Riegler/Petsche aaO Rz 5/170 ff [einschränkend in Rz 5/192 FN 413]). Als Beispiele für das Vorliegen berechtigter Zweifel (§ 588 Abs 2 ZPO) werden bei Riegler/Petsche (aaO Rz 5/192) folgende Konstellationen angeführt: Regelmäßige und für den Schiedsrichter oder seine Anwaltssozietät wirtschaftlich relevante Beratung der ernennenden Schiedspartei (oder eines verbundenen Unternehmens); Vorbefassung in derselben Sache durch den Schiedsrichter oder seine Anwaltssozietät; gegenwärtige Vertretung oder sonstige Tätigkeit für (und wohl auch gegen) eine Schiedspartei oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen; langjährige Vertretung einer Schiedspartei oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens als Rechtsanwalt.

Die IBA Guidelines verweisen in Standard 6 („ Relationships “) darauf, dass die frühere oder aktuelle Tätigkeit der Anwaltssozietät für eine Schiedspartei nicht automatisch einen Befangenheitsgrund bedeute. Vielmehr hänge es davon ab, ob eine entsprechende Dienstleistungstätigkeit in der Vergangenheit liege oder gegenwärtig ausgeübt werde und ob der Schiedsrichter in die spezielle Sache involviert (gewesen) sei (vgl Hausmaninger aaO § 588 Rz 36; Riegler/Petsche aaO Rz 5/163).

5.3.4 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde etwa im Fall der früheren anwaltlichen Vertretung einer Schiedspartei in einer Steuerangelegenheit kein Ablehnungsgrund erblickt (5 Ob 208/71). Auch die frühere einmalige Vertretung einer Schiedspartei in einer gänzlich anderen Schiedssache wurde als nicht ausreichend erachtet, um ein „besonderes Naheverhältnis“ zwischen dem Schiedsrichter und der Partei herzustellen (7 Ob 96/03y). Hingegen wurde ein solches Naheverhältnis in einem Fall bejaht, in welchem der Schiedsrichter die Schiedspartei langjährig in zahlreichen anderen Rechtssachen vertreten hatte (9 ObA 94/04w).

5.3.5 Der „Superädifikats und Bestandvertrag“ wurde unterstellt man das Vorbringen der klagenden Partei als richtig (Feststellungen liegen dazu nicht vor) zwischen der beklagten Partei und ihrer Minderheitsgesellschafterin abgeschlossen. Er berührte nicht das Rechtsverhältnis der nunmehrigen Streitteile, demnach auch nicht „dieselbe Sache“, die zwischen ihnen im Schiedsverfahren streitig war. Aus dem Vorbringen der klagenden Partei ergeben sich auch keine Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Rechtsanwaltsgesellschaft mit Ausnahme der Vertragsverfassung im Jahr 2005 in sonstigen Angelegenheiten die Interessen der beklagten Partei oder eines anderen Konzernunternehmens vertreten hat. Die klagende Partei releviert demnach im Ergebnis ein früheres, zur Zeit des Schiedsverfahrens IV bereits abgeschlossenes einmaliges Tätigwerden der Rechtsanwaltsgesellschaft für die beklagte Partei und/oder ein weiteres Konzernunternehmen (die Minderheitsgesellschafterin) in einer anderen (als „derselben“) Sache als Ablehnungsgrund.

5.3.6 Nach Auffassung von Lachmann (aaO 522) wäre ein derartiger Sachverhalt vom Schiedsrichter zwar zu offenbaren gewesen; er begründe jedoch in aller Regel keinen Ablehnungsgrund (idS wohl auch Hausmaninger aaO § 588 Rz 107 und Riegler/Petsche aaO Rz 5/192). Nach den Standards der IBA Guidelines liegt allenfalls ein der „ Orange List “ zu unterstellender Sachverhalt vor (vgl Riegler/Petsche Rz 5/168).

Der erkennende Senat gelangt vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis, dass der Schiedsrichter den relevierten Umstand „im Zweifel“ zwar offenlegen hätte müssen. „Berechtigte Zweifel“ an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters wären bei einem informierten vernünftigen Dritten aber nicht aufgekommen. Es lag daher kein Ablehnungsgrund iSd § 588 Abs 2 ZPO vor.

6. Ergebnis und Kosten:

6.1 Aus den dargelegten Erwägungen ist das Hauptbegehren nicht berechtigt.

Das Eventualbegehren, den Schiedsspruch nur im Umfang der Rz 41 aufzuheben, hatte die klagende Partei auf den Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 3 zweite Variante ZPO (Verbot der Entscheidung ultra petita ) gestützt, den sie im Rechtsmittelverfahren nicht mehr weiterverfolgte. Darauf ist nicht weiter einzugehen.

6.2 Der Revision muss daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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