JudikaturJustiz2Ob109/19x

2Ob109/19x – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. M***** L*****, 2. F***** L***** und 3. L***** L*****, alle *****, alle vertreten durch Mag. Dr. Hans Herwig Toriser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen zuletzt 1. (erstklagende Partei) 64.633,53 EUR sA, 2. (zweitklagende Partei) 36.619,09 EUR sA und 3. (drittklagende Partei) 36.969,29 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 9.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 13. Februar 2019, GZ 4 R 1/19b 139, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 25. Oktober 2018, GZ 21 Cg 12/14w 134, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Revisionsbeantwortung wird, soweit sie von der zweitklagenden und der drittklagenden Partei erstattet wurde, zurückgewiesen.

II. Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung hinsichtlich der erstklagenden Partei einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei 2.248 EUR samt 4 % Zinsen seit 14. 7. 2011 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der erstklagenden Partei weitere 62.385,53 EUR samt 4 % Zinsen aus 50.062,06 EUR vom 14. 7. 2011 bis 27. 6. 2016, aus 45.652,90 EUR vom 28. 6. 2016 bis 9. 7. 2018 und aus 61.385,53 EUR [sic!] seit 10. 7. 2018 zu bezahlen, wird abgewiesen.“

III. Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Ehemann der Erstklägerin und Vater des Zweitklägers sowie der Drittklägerin kam am ***** 2011 bei einem Schiunfall in einem von der beklagten Partei betriebenen Schigebiet ums Leben.

Die Kläger begehrten jeweils „Trauerschmerzengeld“, Behandlungskosten und entgangenen Unterhalt, die Erstklägerin zusätzlich Begräbniskosten, pauschale Unkosten, Entsorgungskosten sowie Kosten des Hausverkaufs bzw Wohnungswechsels. Sie stellten auch Feststellungsbegehren.

Mit Teil und Teilzwischenurteil des Obersten Gerichtshofs vom 19. 1. 2016, AZ 2 Ob 186/15i , wurden die Leistungsbegehren der Kläger als jeweils dem Grunde nach im Ausmaß von 50 % zu Recht bestehend erkannt und die Leistungsmehrbegehren sowie die Feststellungsbegehren zur Hälfte abgewiesen.

Im fortgesetzten Verfahren anerkannte die beklagte Partei die Feststellungsbegehren der Kläger als zur Hälfte zu Recht bestehend, worauf am 3. 7. 2017 ein Teilanerkenntnisurteil erging.

Gegenstand des nunmehrigen Revisionsverfahrens ist nur mehr der Zuspruch von Schmerzengeld an die Erstklägerin im Endurteil.

Diese begehrte zuletzt (ua) ein „Trauerschmerzengeld“ von 11.000 EUR, ausgehend von einem ungekürzten Anspruch von 22.000 EUR. Der Unfalltod ihres Ehemanns sei ein überwältigendes traumatisches Erlebnis mit krankheitswertigen Folgeerscheinungen gewesen. Die Erstklägerin habe eine Gesundheitsschädigung erlitten und sei nach wie vor in psychotherapeutischer Behandlung. Sie sei mit dem Verstorbenen 13 Jahre verheiratet gewesen. Insgesamt habe eine 23 jährige Gemeinschaft und in der Familie eine äußerst innige Bindung bestanden. Die beklagte Partei habe ihre Pistensicherungspflicht überdies grob fahrlässig verletzt.

Die beklagte Partei wendete ein, eine krankheitswertige Beeinträchtigung der Erstklägerin habe nur während eines kurzen Zeitraums bestanden. Das dafür angemessene (anteilige) Schmerzengeld von 2.000 EUR sei bereits bezahlt worden. Ein darüber hinausgehendes Trauerschmerzengeld könne die Klägerin nicht beanspruchen, weil die beklagte Partei keine grobe Fahrlässigkeit zu verantworten habe.

Das Erstgericht sprach der Erstklägerin insgesamt 9.276,80 EUR, darin ein „Trauerschmerzengeld“ von 9.000 EUR sA, zu und wies das Mehrbegehren von 55.356,73 EUR sA ab. Es stellte dazu ergänzend fest:

Der Unfalltod ihres Ehemanns war für die Erstklägerin ein überwältigendes traumatisches Erlebnis mit krankheitswertigen Folgeerscheinungen. Die Auswirkungen dieser traumatischen Erfahrungen umfassten den gesamten Lebensbereich der Erstklägerin. Sie litt aufgrund des Unfalltodes ihres Ehemanns an einer Anpassungsstörung mit Krankheitswert. Der Krankheitswert war in jener Zeit gegeben, als die Erstklägerin nach dem Unfall im Februar 2011 bis zum 29. 3. 2011 fünf Therapiestunden bei einer Psychotherapeutin in Anspruch nahm. Disloziert in seinen Ausführungen zur Beweiswürdigung stellte das Erstgericht weiters fest, dass dabei von einem „leichtgradigen Schmerzzustand“ auszugehen war.

Rechtlich beurteilte es den Sachverhalt dahin, dass für den gesamten Trauerschmerz (mit und ohne Krankheitswert) eine Globalbemessung geboten sei. Die Erstklägerin habe durch das Ableben ihres Ehemanns, mit dem sie innig verbunden gewesen sei, eine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung mit Krankheitswert erlitten, weshalb das begehrte Trauerschmerzengeld von (ungekürzt) 22.000 EUR angemessen sei. Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Verstorbenen im Ausmaß von 50 % sowie nach Abzug des von der beklagten Partei bereits bezahlten Betrags von 2.000 EUR seien ihr noch 9.000 EUR zuzusprechen.

Das von der beklagten Partei gegen den 248 EUR sA übersteigenden Zuspruch an die Erstklägerin angerufene Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es der Erstklägerin insgesamt 9.248 EUR (darin unverändert ein „Trauerschmerzengeld“ von 9.000 EUR) sA zusprach und das Mehrbegehren abwies. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, nahe Angehörige eines Getöteten könnten für den ihnen verursachten „Schockschaden“ mit Krankheitswert Schmerzengeld begehren. Ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger („Trauerschmerzengeld“), der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung iSd § 1325 ABGB geführt habe (also keinen Krankheitswert gehabt habe), komme nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht. Auch in solchen Fällen, in denen seelische Schmerzen mit Krankheitswert und ohne Krankheitswert zu beurteilen seien, sei am Grundsatz der Globalbemessung des Schmerzengeldes festzuhalten. Die von der beklagten Partei angestrebte gesonderte Beurteilung von Schmerzengeld für bloße Trauer einerseits und für die Trauer mit Krankheitswert andererseits sei damit unvereinbar. Schmerzperioden könnten zwar auch im Fall seelischer Schmerzen der Bemessung zugrunde gelegt werden, seien im Rahmen der Globalbemessung aber nur Orientierungshilfe. Bei der Höhe von Schock oder Trauerschmerzengeld stelle die Judikatur insbesondere auch auf die Intensität der familiären Bindung ab. Unter Bedachtnahme darauf, dass der Verlust eines Lebenspartners, mit dem der bisherige Alltag geteilt worden sei, als besonders schmerzlich empfunden werde, habe der Oberste Gerichtshof bei Verlust naher Angehöriger, die mit den Klägern in Hausgemeinschaft gelebt hätten, Schmerzengeld von rund 20.000 EUR für angemessen erachtet. Mit Rücksicht auf diese Judikatur und den Grundsatz, dass sich bei der Globalbemessung eine zur „bloßen“ Trauer hinzutretende Gesundheitsbeeinträchtigung nur „erhöhend“ auswirke, sei dem Erstgericht im konkreten Fall keine korrekturbedürftige Fehlbemessung des Schmerzengeldes unterlaufen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich mit der Begründung zu, es fehle höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob der Grundsatz der Globalbemessung seelischer Schmerzen, der einer gesonderten Beurteilung von Schmerzengeld für bloße Trauer einerseits und für Trauer mit Krankheitswert andererseits entgegenstehe, auch für einen Fall gelte, in welchem dem Schädiger – wie auch hier – kein grobes Verschulden zur Last liege.

Nur gegen den Zuspruch des „Trauerschmerzengeldes“ von 9.000 EUR sA an die Erstklägerin richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn der Abweisung dieses Teilbegehrens abzuändern.

Die klagenden Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig , weil dem Berufungsgericht bei der Prüfung des Schmerzengeldanspruchs der Erstklägerin eine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Sie ist auch teilweise berechtigt .

Zu I.: Die Revisionsbeantwortungen des Zweitklägers und der Drittklägerin sind nicht zulässig. Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass mehrere aus einem Unfall Geschädigte nur formelle Streitgenossen im Sinn des § 11 Z 2 ZPO sind (RS0110982). Daher sind der Zweitkläger und die Drittklägerin durch den Zuspruch an die Erstklägerin nicht beschwert (§ 13 ZPO; RS0125569). Die von ihnen erstattete Revisionsbeantwortung ist unzulässig und demnach zurückzuweisen.

Zu II.: Die beklagte Partei macht geltend, aus den Feststellungen des Erstgerichts ergebe sich lediglich ein „Schockschaden“ mit Krankheitswert für die Dauer von 39 Tagen. Ein grob fahrlässiges Verhalten der beklagten Partei liege nicht vor. Das Berufungsgericht habe entgegen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine Abgrenzung zwischen krankheitswertigem „Schockschaden“ und „bloßem“ Trauerschmerzengeld vorgenommen, obwohl letzteres nur bei grober Fahrlässigkeit zu ersetzen sei. Der vom Berufungsgericht herangezogenen Judikatur des Obersten Gerichtshofs, wonach sich bei der Globalbemessung des Schmerzengeldes für seelische Schmerzen das Erleiden einer eigenen Gesundheitsschädigung als „erhöhend“ auswirke, seien Sachverhalte zugrunde gelegen, in welchem der Schädiger grob fahrlässiges Verhalten zu verantworten gehabt habe oder der Anspruch auf „bloßes“ Trauerschmerzengeld unstrittig gewesen sei. Diese Voraussetzungen lägen jedoch im vorliegenden Fall nicht vor, weshalb der Zuspruch an Schmerzengeld eklatant aus dem Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung falle.

Hiezu wurde erwogen:

1. Das Berufungsgericht hat die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zutreffend dargelegt, nach der Angehörigen eines Getöteten für den ihnen verursachten „Schockschaden“ mit Krankheitswert Schadenersatz gebührt, weil diese „Dritten“ durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen sind (2 Ob 202/18x; 2 Ob 189/16g mwN; RS0116865). Für die dadurch erlittenen seelischen Schmerzen mit Krankheitswert gebührt ihnen aus einer in der Regel an die Feststellung von Schmerzperioden (als Orientierungshilfe) anknüpfenden, aber nicht darauf beschränkten Gesamtbetrachtung auch Schmerzengeld (vgl 2 Ob 143/15sa; 2 Ob 99/08k; RS0122794; RS0118172; Karner , Trauerschmerzengeld nach grob schuldhaft verursachter Totgeburt, RdM 2017/63, 68 [73]).

Auch für den Seelenschmerz über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung iSd § 1325 ABGB geführt hat, kann Schmerzengeld gebühren. Ein Ersatz dieses „bloßen Trauerschadens“ ohne Krankheitswert kommt jedoch nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht (RS0115189). An dieser Voraussetzung hat der Oberste Gerichtshof trotz einiger kritischer Stimmen in der Lehre ausdrücklich festgehalten (zuletzt 2 Ob 189/16g).

2. Es entspricht weiters ständiger Rechtsprechung, dass auch das Schmerzengeld wegen seelischer Schmerzen global zu bemessen ist und zwar auch dann, wenn seelische Schmerzen mit Krankheitswert mit ersatzfähigen seelischen Schmerzen wegen „bloßer“ Trauer ohne Krankheitswert zusammentreffen (1 Ob 114/16w; 2 Ob 143/15s; 2 Ob 212/04x). In einem solchen Fall wirkt sich dieses Zusammentreffen erhöhend auf den Schmerzengeldanspruch aus. Gesonderte Zusprüche haben – trotz Hinzutreten eines weiteren Zurechnungsgrundes – nicht zu erfolgen (1 Ob 114/16w; 2 Ob 143/15s; Karner , RdM 2017/63, 68 [73 f]; Danzl , Aktuelle [Fort ]Entwicklungen beim Schmerzengeld, ZVR 2016/200, 456 [458]). Voraussetzung für diese „erhöhende Wirkung“ ist allerdings, dass sowohl die Anspruchsvoraussetzungen für den Ersatz von krankheitswertigen psychischen Beeinträchtigungen als auch jene für den Ersatz des „bloßen Trauerschadens“ vorliegen, also insbesondere eine unfallkausale psychische Beeinträchtigung des Angehörigen mit Krankheitswert und das qualifizierte Verschulden des Schädigers am Tod oder der schweren Verletzung des nahen Angehörigen (vgl 1 Ob 114/16w; 2 Ob 143/15s; 2 Ob 212/04x). Das ist hier nicht der Fall.

3. Die Grundsätze, nach denen die Pistensicherungspflicht des Pistenerhalters zu beurteilen ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits in dem in diesem Verfahren ergangenen Teil und Teilzwischenurteil, AZ 2 Ob 186/15i, dargelegt. Darin wurde auch auf die Entscheidung 1 Ob 41/00m hingewiesen, in der unter ähnlichen Voraussetzungen die Verneinung einer Verletzung der Pistensicherungspflicht gebilligt und ausgesprochen wurde, dass eine erkennbare, für das alpine Gelände geradezu typische, bewaldete Steilböschung, bei der die Schipiste kein zusätzliches Gefahrenmoment wie etwa eine scharfe, nach außen hängende Kurve aufweist, in der Regel nicht durch Fangnetze gesichert werden muss. Daran anknüpfend vertrat der erkennende Senat die Rechtsansicht, dass angesichts des im vorliegenden Fall bestehenden Pistenverlaufs, bei dem eine scharfe und „deutlich“ nach außen hängende Kurve mit sehr starker Richtungsänderung durchfahren werden musste und aufgrund der relativen Steilheit des Geländes, die entsprechend hohe Fahrgeschwindigkeiten mit sich brachte, die beklagte Partei zur Sicherung der Unfallstelle vor der Gefahr eines Absturzes über die an den Pistenrand anschließende, steil abfallende Böschung verpflichtet gewesen wäre, ohne dass dadurch ihre Sorgfaltspflichten überspannt worden wären.

Ein grob fahrlässiges Verhalten der beklagten Partei, das dann anzunehmen wäre, wenn ihr ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen (RS0030272) und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar wäre (vgl RS0030644; RS0030477), lässt sich dem Sachverhalt aber auch unter der Berücksichtigung des anzulegenden Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB nicht entnehmen. Denn nach den insoweit maßgebenden Feststellungen des ersten Rechtsgangs (vgl 2 Ob 186/15i) war die bevorstehende Richtungsänderung für aufmerksame Schifahrer aus 180 m Entfernung erkennbar. Überdies hatte die beklagte Partei das angebrachte Absperrband mit farbigen Fähnchen gekennzeichnet gehabt. Schließlich wurde im ersten Rechtsgang auch die Feststellung getroffen, dass die Geschäftsführung der beklagten Partei von allfälligen früheren Unfällen im Bereich der Unfallstelle keine Kenntnis hatte.

4. Ausgehend davon erweist sich der Zuspruch an Schmerzengeld für die seelischen Schmerzen der Erstklägerin durch die Vorinstanzen als deutlich überhöht. Das Berufungsgericht orientierte sich an Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, in denen nahen Angehörigen des Unfallopfers Schmerzengeld für seelische Schmerzen sowohl mit als auch ohne Krankheitswert global zugesprochen wurden. Mangels grober Fahrlässigkeit liegen im vorliegenden Fall aber die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung „bloßer“ Trauer naher Angehöriger bei der Bemessung des Schmerzengelds für die krankheitswertigen seelischen Schmerzen der Erstklägerin nicht vor. Angesichts der Feststellungen zu Dauer und Intensität der seelischen Schmerzen mit Krankheitswert hält der Senat ein Schmerzengeld von (ungekürzt) 8.000 EUR für angemessen. Unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von 50 % sowie der von der beklagten Partei geleisteten Teilzahlung ergibt sich ein restlicher Schmerzengeldanspruch von 2.000 EUR.

Die Revision hat daher teilweise Erfolg. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind in diesem Sinne abzuändern.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO.

Rechtssätze
4
  • RS0116865OGH Rechtssatz

    14. Dezember 2023·3 Entscheidungen

    Nach der neueren Rechtsprechung gebührt nahen Angehörigen eines Getöteten für den ihnen verursachten "Schockschaden" mit Krankheitswert ebenfalls Schmerzengeld, weil diese "Dritten" durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen sind (vergleiche RIS-Justiz RS0031111). Die Rechtswidrigkeit einer solchen Körperverletzung wird dabei zwar nicht aus dem Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche die Erstverletzung verhindern soll, aber aus der bei Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung abgeleitet. Die Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung wird dadurch eingegrenzt, dass es eines besonders starken Zurechnungsgrundes bedarf, also die Verletzungshandlung gegenüber dem Angehörigen in hohem Maß geeignet erscheint, einen Schockschaden herbeizuführen. Der Schock muss im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein. Auslöser für die erlittene psychische Erkrankung in diesem Sinne kann aber bei nahem Verwandten auch die Todesnachricht sein, weil bei einer besonders engen persönlichen Verbundenheit, wie sie zwischen nahen Angehörigen typischerweise besteht, die Erstschädigung (Tötung) auch für den dritten Schockgeschädigten so gefährlich ist, dass von einer deliktischen Zufügung des Schockschadens gesprochen werden kann (so schon 2 Ob 79/00g).