JudikaturJustiz2Ds6/17f

2Ds6/17f – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Richter hat am 3. Oktober 2017 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Dr. Schwab und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Jensik und Dr. Höllwerth als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer im Disziplinarverfahren gegen den Richter Mag. K*****, wegen Pflichtverletzung nach § 57 Abs 1 RStDG über dessen Berufung gegen das Erkenntnis des Oberlandesgerichts Linz als Disziplinargericht vom 23. Mai 2017, GZ 113 Ds 2/17b 21, wegen des Ausspruchs über Schuld, Strafe und den Kostenersatz, nach mündlicher Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators Erster Generalanwalt Mag. Knibbe, des Beschuldigten und dessen Verteidigers Dr. Praxmarer zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Beschuldigte hat die mit 300 Euro bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschuldigte eines Dienstvergehens (§ 101 Abs 1 RStDG) schuldig erkannt. Danach hat er in einem Pflegschaftsverfahren nach den am 12. Mai 2016 und am 25. Mai 2016 bei Gericht eingelangten Mitteilungen des Amtes für Kinder- und Jugendhilfe von vorläufig getroffenen Maßnahmen der Pflege und Erziehung bei Gefahr im Verzug gemäß § 211 ABGB über den am 27. Mai 2016 eingelangten Antrag der Kindesmutter auf Überprüfung der vorläufigen Zulässigkeit dieser Maßnahmen entgegen § 107a Abs 1 AußStrG nicht binnen vier Wochen entschieden, sondern erst durch die mit 20. Juli 2016 und 3. August 2016 datierten Beschlüsse, die er erst am 27. Juli 2016 und 11. August 2016 der Geschäftsstelle zur Abfertigung übergeben hat, obgleich diesen Beschlussfassungen keine Beweisaufnahmen oder Erhebungen vorausgegangen sind, sowie über den am 4. Juli 2016 eingebrachten Antrag des Kindesvaters auf vorläufige Kontaktregelung, über dessen Antrag vom 25. Juli 2016 auf Ermöglichung von Besuchen der Eltern und über die Anträge der Kindesmutter vom 27. Juli 2016 bis zu seinem Urlaubsantritt am 24. August 2016, abgesehen von der Erteilung von Verbesserungsaufträgen (Übergabe der mit 3. August 2016 datierten Verbesserungsbeschlüsse zur Abfertigung an die Geschäftsstelle am 11. August 2016) nicht entschieden und hiedurch die Verpflichtung nach § 57 Abs 1 RStDG, die ihm übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen, verletzt. Gemäß § 104 Abs 1 lit a RStDG wurde ein Verweis ausgesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über Schuld, Strafe und den Kostenersatz kommt keine Berechtigung zu.

Der Oberste Gerichtshof hat zu Ds 31/13, EvBl LS 2014/131, 789, Ds 2/13, EvBl LS 2013/115, 689 und Ds 26/13, EvBl 2014/80, 472, die Rechtsnatur von Berufungs- und Beschwerdeverfahren nach dem RStDG grundlegend klargestellt. Demnach bedeutet der Verzicht des RStDG auf die in der StPO vorgesehene Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe, dass der von den Kategorien der (die Schuldfrage betreffenden) Nichtigkeitsgründe erfasste Fehlerbereich von der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erfasst wird (§ 139 Abs 1 erster Fall RStDG). Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld spricht im RStDG daher die Berufungspunkte des § 464 Z 1 und 2 erster Fall StPO an.

Während aber in Betreff von Berufungen nach der StPO (mit Ausnahme jener wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe [§ 464 Z 1 StPO]) keine Begründungsobliegenheit, vielmehr nur eine Obliegenheit gilt, den Berufungspunkt zu bezeichnen, verlangt § 139 Abs 2 RStDG für die Berufung gegen Disziplinarerkenntnisse auch, „die Umstände, durch die“ der Berufungspunkt „begründet werden soll, bestimmt anzugeben“, womit – ebenso wie bei Behandlung einer Beschwerde – Bindung des Obersten Gerichtshofs an das Vorbringen des Rechtsmittelwerbers besteht.

Soweit die Berufung mit weitwendigen Erwägungen jenseits schuldrelevanter Tatumstände den Anfechtungskalkül missachtet, war darauf nicht einzugehen.

Der Antrag auf „Einholung eines betriebspsychologischen Sachbefundes zum Beweis dafür, dass sich der Disziplinarbeschuldigte im Zeitraum von Mitte Mai 2016 bis Herbst 2016 in einer äußerst schwierigen und ihn sehr belastenden Situation durch die überfordernde Arbeitsauslastung und das laufende Disziplinarverfahren mit bevorstehender Verhandlung vor dem OGH befunden habe, wobei er von vorgesetzter Stelle keine Unterstützung erfahren habe und keine Maßnahmen ergriffen worden seien, um Arbeitsausfälle oder verzögerte Erledigungen zu erfassen und zu vermeiden, sodass ihm die konkreten Erledigungszeiten von mehr als vier Wochen nicht vorgeworfen werden könnten, zumal § 107a AußStrG eine Erledigung möglichst binnen 4 Wochen Frist und nicht die Ausfertigung gemäß § 270 StPO oder § 415 ZPO strikte binnen gesetzlicher Frist vorschreibt“, enthielt keinen Hinweis auf konkrete Arbeitsbelastung oder Umstände, warum für den Beschuldigten ein gegen ihn anhängiges Disziplinarverfahren im Vergleich zu anderen Richtern besonders belastend gewesen sein soll. Zudem blieb offen, was aus einer „belastenden“ Situation für die Lösung der Schuldfrage zu gewinnen wäre, sodass der Antrag zu Recht abgewiesen wurde (zur Eignungseinschränkung aufgrund psychischer Belastung vgl Ds 5/07 = RIS-Justiz RS0122949). Die Begründung der abweislichen Entscheidung ist unter dem Aspekt eines Verfahrensmangels ohne Bedeutung (RIS-Justiz RS0121628, RS0116749). Im Rechtsmittelverfahren gestellt Beweisanträge lässt das Gesetz schließlich nicht zu (Ds 26/13, EvBl LS 2014/80, 472 = RIS Justiz RS0129296).

Dass dem Beschuldigten gegen seinen Antrag keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu einem Teil des gegen ihn erhobenen Vorwurfs gegeben worden wäre, behauptet er nicht, sodass die Verfahrensrüge auch insoweit versagt.

An der ganz besonderen Dringlichkeit von Entscheidungen nach § 107a Abs 1 AußStrG besteht angesichts des Gesetzeswortlauts („ unverzüglich , tunlichst binnen vier Wochen“) der Materialien (ErläutRV [zum KindNamRÄG 2013] 2004 BlgNR 24. GP 40 [„Bedeutung und Dringlichkeit dieser Verfahren“]) und nach der Rechtsprechung (vgl 1 Ob 97/14t) kein Zweifel; in der Lehre wird die gesetzliche Regelung sogar gerade wegen der nicht zwingend angeordneten und auch als zu lange empfundenen Frist kritisiert (vgl Beck in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 107a Rz 13; Höllwerth, Gerichtliche Kontrolle der Interimskompetenz des Jugendwohlfahrtsträgers, in Gitschthaler , Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013, 227 [233 f]). Die Frist von vier Wochen muss daher in aller Regel eingehalten werden und der Beschuldigte zeigt im Rahmen der („wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe“) behaupteten „sekundären Feststellungsmängel“ nicht auf, welche Umstände im maßgeblichen Tatzeitraum ihn an der vordringlichen Erledigung der fraglichen Entscheidungen in der bezeichneten Pflegschaftssache – wirklich konkret – gehindert haben sollen.

Angesichts der Bedeutung des Kontaktrechts für die Eltern-Kind-Beziehung kann auch an der Dringlichkeit der Erledigung der darauf gerichteten Anträge kein Zweifel bestehen. Gerade wenn diese Anträge – wie der Beschuldigte betont – einer Verbesserung bedurften, entspricht deren zögerliche Behandlung nicht den Anforderungen des § 57 Abs 1 RStDG. Umstände die den Beschuldigten insoweit exkulpieren könnten, sind nicht zu erkennen.

Für die Strafbemessung ist die Art und Schwere der Pflichtverletzung maßgebend und es ist auch auf Erwägungen der Spezial- und Generalprävention Rücksicht zu nehmen (Ds 9/09; Ds 27/13). Das Disziplinargericht erster Instanz hat die Strafzumessungsgründe im Wesentlichen zutreffend dargestellt. Dem Beschuldigten liegt eine disziplinäre Vorverurteilung zur Last, das Dienstvergehen hatte mit der Aktenabnahme wegen Befangenheit nicht bloß geringe Folgen und überdies betrafen die Verfahrensverzögerungen einen grundrechtlich besonders sensiblen Rechtsbereich, weshalb auch unter generalpräventiven Erwägungen ein Vorgehen nach § 101 Abs 3 RStDG nicht in Betracht kam.

Die Kosten des Disziplinarverfahrens sind die gesamten Kosten, die dem Bund durch die Durchführung des Disziplinarverfahrens entstanden sind, und zwar einschließlich jener des Arbeitsaufwands der befassten Richter und Staatsanwälte. Zulässig ist es, diese insgesamt mit einem dem Verfahrensaufwand angemessen Rechnung tragenden Pauschalbetrag festzusetzen. Dieser wurde im konkreten Fall mit 500 Euro den gesetzlich vorgegebenen Kriterien gerecht ausgemessen, sodass die Berufung auch in diesem Punkt fehlschlägt.

Die Kostenersatzpflicht für das Berufungsverfahren folgt aus § 137 Abs 2 iVm § 140 Abs 3 letzter Satz RStDG. Die Höhe entspricht dem Verfahrensaufwand.

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