JudikaturJustiz25Os6/14s

25Os6/14s – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Mai 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 6. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Fink und Dr. Niederleitner sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weitere Richter in der Disziplinarsache gegen Mag. Friedrich P*****, Rechtsanwalt in St. Paul im Lavanttal, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 28. Juni 2012, GZ D 18/11 45, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Wachberger und Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Vertreters der Kammeranwaltschaft Dr. Tautschnig, des Disziplinarbeschuldigten und seines Verteidigers Mag. Peter Poppmeier zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung wegen Strafe Folge gegeben und der Strafausspruch dahin abgeändert, dass über den Disziplinarbeschuldigten die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt wird.

Ihm fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen auch einen rechtskräftigen Freispruch von weiteren Vorwürfen enthaltenden Erkenntnis wurde Mag. Friedrich P***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (§ 1 erster und zweiter Fall DSt) schuldig erkannt.

Danach hat er (zu ergänzen: von 22. Juli 2010 bis 9. März 2011 in St. Paul im Lavanttal) dadurch gegen das Verbot der Doppelvertretung verstoßen, dass er „massiv gegen die L***** KG vorgegangen ist, obwohl er sie in bestimmten Abverkaufsverträgen rechtsfreundlich vertreten hat, (indem er) „insbesondere in Vertretung der Lo***** GmbH Co KG gegen die L***** KG aufgetreten ist“.

Er wurde gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 1.500 Euro und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.

Nach den wesentlichen Feststellungen schloss der Disziplinarbeschuldigte als Rechtsvertreter der Lo***** GmbH Co KG am 27. Juli 2009, 11. März und 27. August 2010 drei Kaufverträge mit der L***** KG über die Veräußerung von Lofts auf der Liegenschaft EZ ***** KG ***** F***** an Letztere, wobei vertraglich vereinbart wurde, dass er im Fall der Weiterveräußerung einzelner Loftanteile vor Begründung von Wohnungseigentum auch mit der Errichtung dieser Verträge als Rechtsvertreter der L***** KG als Verkäuferin beauftragt werden solle. In diesem Sinn errichtete der Disziplinarbeschuldigte am 8. Jänner und 19. Oktober 2010 zwei Verträge mit den Käufern Dr. Ruth W*****/DI Georg S***** sowie Rudolf B*****. Weil die Lo***** GmbH Co KG mit den Modalitäten anderer von der L***** KG geplanter Weiterveräußerungen von Loftanteilen nicht einverstanden war, richtete der Disziplinarbeschuldigte als Vertreter der Lo***** GmbH Co KG Schreiben an Hermann Wi***** als unbeschränkt haftenden Gesellschafter der L***** KG sowie an die Rechtsanwaltskanzlei Wo***** als ständige Rechtsvertreterin dieser Gesellschaft, in denen er ihnen ua mitteilte, dass die Weiterveräußerung von Loftanteilen durch die L***** KG in der geplanten Weise unzulässig sei und zu Haftungsansprüchen führe (E Mails vom 22. Juli und 4. August 2010 sowie Schreiben vom 9. März 2011).

Gegen das Erkenntnis richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Schuld und Strafe.

Der Schuldberufung kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Verzicht des DSt auf die in der StPO vorgesehene Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe bedeutet, dass der von den Kategorien der (die Schuldfrage betreffenden) Nichtigkeitsgründe erfasste Fehlerbereich von der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erfasst wird (§ 49 DSt), die demnach im DSt die Berufungspunkte des § 464 Z 1 und 2 erster Fall StPO meint (RIS Justiz RS0128656).

Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO berührt mit der Behauptung, die Schreiben des Disziplinarbeschuldigten an die L***** KG stellten kein „massives Vorgehen“ dar, keine für die Beurteilung des Vorliegens einer Doppelvertretung entscheidende Frage. Ohne Bedeutung ist es auch, ob das in ihnen vertretene Anliegen gerechtfertigt oder zielführend war.

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen liegt der Rechtsrüge zuwider eine unzulässige Doppelvertretung vor:

Aus der Treuepflicht zum eigenen Mandanten (§ 9 RAO, § 10 RL BA) resultiert für den Anwalt unter anderem das Verbot der Doppelvertretung, wobei zwischen der echten (materiellen) (§ 10 RAO) und der unechten (formellen) Doppelvertretung zu unterscheiden ist.

Erstere liegt nach § 10 RAO ua vor, wenn ein Anwalt gegen die Verbote verstößt, eine Vertretung zu übernehmen oder auch nur einen Rat zu erteilen, sofern er die Gegenparteien in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat (RIS Justiz RS0054995). Schon allein die bloße Gefahr einer Interessenkollision, insbesondere aber eines Vertrauensbruchs, begründet das Vorliegen von „zusammenhängenden Sachen“ iSd § 10 Abs 1 RAO (RIS Justiz RS0055534 [T2]; vgl auch 24 Os 1/14y), der Begriff ist also dem Regelungszweck entsprechend weit auszulegen.

Aus dieser Sicht erfolgten die festgestellten Vertretungshandlungen des Disziplinarbeschuldigten für die L***** KG einerseits und jene für die Lo***** GmbH Co KG gegen die L***** KG andererseits betreffend gleichartige Rechtsgeschäfte mit der Grundlage gemeinsamer Kaufverträge zwischen den beiden Parteien in „zusammenhängenden Sachen“, in denen der Disziplinarbeschuldigte Vertretungshandlungen zum einen für, zum anderen gegen die L***** KG setzte, wodurch er gegen das Verbot der materiellen Doppelvertretung verstieß und schuldhaft die Pflichten seines Berufs verletzte sowie durch sein Verhalten das Ansehen des Standes beeinträchtigte (§ 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt).

Der Behauptung (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) mangelnder Strafwürdigkeit der Tat (§ 3 DSt) zuwider ist das Verschulden des Disziplinarbeschuldigten nicht bloß als geringfügig im Sinn von erheblich hinter den typischen Fällen solcher Verstöße zurückbleibend anzusehen (vgl RIS Justiz RS0054998 [T1]), sodass die begehrte Privilegierung des grundsätzlich ein schweres Disziplinardelikt darstellenden (RIS Justiz RS0054993) Verstoßes gegen das Doppelvertretungsverbot nicht in Frage kam.

Hingegen kommt der Strafberufung Berechtigung zu.

Der Disziplinarrat wertete bei der Strafbemessung die „zweifache disziplinäre Qualifikation“ als erschwerend, als mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit. Unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass die L***** KG im Zuge der gegen sie gerichteten Vertretungshandlungen des Disziplinarbeschuldigten anwaltlich vertreten war, erschien eine Reduktion der Geldbuße auf 1.000 Euro gerechtfertigt. Im Hinblick auf die dem Disziplinarbeschuldigten überdies zugute zu haltende, von ihm nicht zu vertretende insgesamt unverhältnismäßig lange Dauer des Verfahrens (§ 34 Abs 2 StGB) war zum Ausgleich für die dadurch bewirkte Grundrechtsverletzung anstelle der Geldbuße auf die mindestschwere Sanktion des schriftlichen Verweises (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) zu erkennen (vgl RIS Justiz RS0114926).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

Rechtssätze
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