JudikaturJustiz1Ob41/16k

1Ob41/16k – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Land N*****, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG, St. Pölten, wegen 27.720,17 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2016, GZ 14 R 138/15i 68, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 1. Juli 2015, GZ 2 Cg 130/12x 61, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revisionswerberin verweist auf jene Rechtsprechung, nach der sich die Beweislast für das (Nicht )Vorliegen der Kausalität zugunsten des Patienten umkehrt, wenn ein ärztlicher Behandlungsfehler feststeht und es unzweifelhaft ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts durch den ärztlichen Kunstfehler nicht bloß unwesentlich erhöht wurde (RIS Justiz RS0038222 [T7, T11]). Ein derartiger Fall liegt aber nicht vor. Wenn die Revisionswerberin meint, es sei möglich, dass sich der Blinddarmdurchbruch bei der gebotenen Kontrolluntersuchung (am 9. 12. 2011) noch nicht vollzogen hätte und durch eine Akutoperation vermeidbar gewesen wäre, übersieht sie, dass für einen solchen Kausalverlauf keine Indizien vorliegen und dass sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen vielmehr ergibt, dass auch die Durchführung einer Kontrolluntersuchung an diesem Tag an den bei der Klägerin eingetretenen nachteiligen Gesundheitsfolgen nichts geändert hätte. Dies folgt vor allem aus der (zusammenfassenden) Feststellung, dass die Behandlung der Klägerin im Zeitraum vom 5. 12. 2011 bis 16. 1. 2012 aus chirurgischer Sicht entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgte. Diese Feststellung wird im Rahmen der Ausführungen zur Beweiswürdigung unter Hinweis auf entsprechende Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens dahin konkretisiert, dass eine Kontrolle am 9. 12. 2011 den Verlauf nicht verändert hätte und sogar später noch eine akute Operationsindikation nicht gegeben bzw erkennbar gewesen ist. Wäre aber auch bei Durchführung der Kontrolluntersuchung am 9. 12. 2011 die richtige Diagnose nicht möglich gewesen und wäre daher auch die Operation nicht früher erfolgt, kann das Unterlassen dieser Untersuchung für die späteren Gesundheitsnachteile der Klägerin nicht ursächlich sein.

2. Zur (weiterhin geltend gemachten) Aufklärungspflichtverletzung hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin vermisste Aufklärung sich auf mögliche Gefahren bezog, die von einer bei der Erstuntersuchung festgestellten Zyste ausgingen, sich dieses Risiko aber bei der Klägerin gar nicht verwirklicht hat. Auch im Fall einer Aufklärungspflichtverletzung haftet der Aufklärungspflichtige nur für die Verwirklichung jenes Risikos, auf welches hinzuweisen gewesen wäre (RIS Justiz RS0026783 [T9]).

3. Wie die Revisionswerberin selbst zutreffend darlegt, begründet die unterlassene Dokumentation einer Maßnahme nach der einschlägigen Rechtsprechung (lediglich) die Vermutung, dass diese Maßnahme vom Arzt nicht getroffen wurde (RIS Justiz RS0026236 [T3, T6]). Eine solche Konstellation macht die Klägerin allerdings nicht geltend, wenn sie die Auffassung vertritt, die behandelnde Ärztin wäre bei der Erstuntersuchung verpflichtet gewesen, die vorgenommene Ultraschalluntersuchung durch Ausdruck und Archivierung eines Ultraschallbildes festzuhalten; wäre das Ultraschallbild über die Untersuchung, bei der die Eierstockzyste festgestellt worden ist, archiviert worden, hätte die Klägerin „möglicherweise“ den Beweis dafür erbringen können, dass schon damals ein entzündlicher Prozess im Bereich des Blinddarms erkennbar war.

Wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt, bestand zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung kein Grund dafür, ein entzündliches Geschehen im Bereich des Blinddarms zu vermuten. Unter diesen Umständen stellte es auch keine Dokumentationspflichtverletzung dar, die bei der gynäkologischen Ultraschalluntersuchung gewonnenen Ergebnisse (Vorliegen einer Eierstockzyste) durch Ausdrucke von Ultraschallbildern mit dem Ziel zu dokumentieren, daraus allenfalls später Erkenntnisse über mögliche andere Schmerzursachen zu gewinnen. Im Übrigen behauptet die Revisionswerberin auch gar nicht, dass auf Ultraschallbildern der Eierstockzyste notwendigerweise auch der Bereich des Blinddarms erkennbar gewesen wäre. Schließlich steht ohnehin fest, dass bei der Erstuntersuchung einer allfälligen Veränderung im Bereich des Blinddarms nicht nachgegangen wurde, was allerdings nach den bereits zitierten erstgerichtlichen Feststellungen auch nicht indiziert war. Die von der Revisionswerberin durch Verweis auf die Rechtsprechung angesprochene Beweislastfrage stellt sich somit schon deshalb nicht, weil ohnehin feststeht, dass von der gynäkologischen Untersuchung der Bereich des Blinddarms nicht erfasst war.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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