JudikaturJustiz1Ob297/98b

1Ob297/98b – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Oktober 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen Walter H*****, zuletzt wohnhaft in ***** infolge Revisionrekurses der Edith S*****, vertreten durch Dr. Rudolf Gürtler und Mag. Erich Rebasso, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 14. Juli 1998, GZ 22 R 65/98h 194, womit infolge Rekurses der Edith S***** der Beschluß des Bezirksgerichts Mistelbach vom 20. April 1998, GZ 1 A 285/94k 189, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und wird dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit Schriftsatz vom 13. 11. 1996 beantragte der Verlassenschaftskurator die Sperre eines nach seinen Behauptungen zum Nachlaß gehörigen Überbringersparbuchs, sodaß eine Verfügung darüber nur mit Zustimmung des Verlassenschaftsgerichts möglich sei. Die Lebensgefährtin des Verstorbenen, die Revisionsrekurswerberin, habe die Bank, von der das Sparbuch ausgestellt sei, auf Zahlung des Realisats aus dem Einlagebuch geklagt, doch stelle das Sparbuch „nach allen, den erblasserischen Kindern bekannten Umständen“ einen Nachlaßbestandteil dar.

Das Erstgericht verfügte die beantragte Sperre des Überbringersparbuchs.

Es stellte fest, daß das Sparbuch am 12. 9. 1990 mit einem Guthaben von S 180.000 eröffnet worden sei. In der Folge seien bis etwa Ende 1994 laufend Beträge eingezahlt worden. Zum 22. 2. 1996 habe das Guthaben S 978.451,17 betragen. Seither seien weder Gut noch Lastschriften erfolgt. Das Sparbuch befinde sich derzeit im Besitz der Revisionsrekurswerberin. Ob es sich auch zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers am 1. 11. 1994 in deren Besitz befunden habe, könne nicht festgestellt werden. Ebensowenig sei feststellbar, daß dieses Sparbuch von der Revisionsrekurswerberin noch vor dem Ableben des Erblassers gutgläubig erworben worden sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, eine Spareinlage könne gesperrt werden, wenn feststehe, daß sie in die Abhandlung einzubeziehen sei. Ungeachtet des Besitzstands im Todeszeitpunkt fielen jene Sparbücher in die Verlassenschaft, deren Sparguthaben als Forderung dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zugestanden seien. Es komme nur darauf an, daß der Erblasser Gläubiger der Sparbuchforderung gewesen sei. Solange nicht ersichtlich sei, daß ein dem Erblasser als Eigentümer abhanden gekommenes Inhabersparbuch noch vor dem Ableben von einem Dritten gutgläubig erworben worden sei, sei das Sparbuch in die Abhandlung einzubeziehen. Da ein gutgläubiger Erwerb der Sparbuchforderung durch die Revisionsrekurswerberin nicht ersichtlich sei, sei die gerichtliche Sperre anzuordnen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 260.000 übersteige; der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Das Gericht erster Instanz habe Feststellungen aufgrund einer umfangreichen, nachvollziehbaren und lebensnahen Beweiswürdigung getroffen. Insbesondere habe es die Aussagen der einvernommenen Personen auch im Hinblick auf den übrigen Akteninhalt ohne Widersprüche gewürdigt. In richtiger Beweiswürdigung sei es zur Ansicht gelangt, daß eine Feststellung, wonach sich das Sparbuch zum Todeszeitpunkt des Erblassers im Besitz der Revisionsrekurswerberin befunden habe bzw daß letztere dieses Sparbuch noch vor dem Ableben des Erblassers gutgläubig erworben habe, nicht getroffen werden könne. Die rechtliche Beurteilung sei in Anbetracht der in der Entscheidung EvBl 1997/123 dargelegten Grundsätze einwandfrei. Im wesentlichen wiederholte es in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Erstgerichts.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Das Verfahren vor den Vorinstanzen ist mangelhaft geblieben:

Unter anderem aus § 104 AußStrG ist abzuleiten, daß Gegenstand des Verlassenschaftsverfahrens jene Sachen sind, in deren Besitz sich der Erblasser zum Todeszeitpunkt befunden hat. Nur der Besitz und nicht das Eigentum ist wesentlich dafür, ob eine Sache in das Inventar aufzunehmen ist (6 Ob 374/97m mwN). Sparbücher sind dann in das Inventar aufzunehmen, wenn sie sich im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zumindest in dessen Besitz befanden und nicht erkennbar Eigentumsrechte dritter Personen daran gegeben waren. Ungeachtet des Besitzstands im Todeszeitpunkt fallen jene Sparbücher in die Verlassenschaft, deren Sparguthaben als Forderungen dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zustanden. Es kommt nur darauf an, daß der Erblasser Gläubiger der Sparbuchforderung war. Solange nicht ersichtlich ist, daß ein dem Erblasser als Eigentümer abhanden gekommenes Inhabersparbuch noch vor dem Ableben von einem Dritten gutgläubig erworben worden ist, ist das Sparbuch in die Abhandlung einzubeziehen (SZ 70/46; 6 Ob 374/97m). Eine Sicherung des Nachlasses gemäß § 43 AußStrG setzt voraus, daß die Vermögensgegenstände zum Nachlaß gehören und sich zumindest am Todestag im Besitz des Erblassers befunden haben. Bei Überbringersparbüchern, die Teil des Verlassenschaftsvermögens sind, kann eine Sperre des Sparguthabens durchaus zweckmäßig sein. Die Sperre der Spareinlage kann vom Verlassenschaftsgericht aber erst dann verfügt werden, wenn feststeht, daß sie in die Abhandlung einzubeziehen ist (SZ 70/46). Mit den Sicherungsmaßnahmen des Verlassenschaftsgerichts nach § 43 AußStrG wird nicht über die materielle Berechtigung an den Nachlaßgegenständen abgesprochen, es soll nur die Verlassenschaftsmasse vorläufig sichergestellt werden (6 Ob 374/97m).

Ausgehend von diesen Grundsätzen reichen die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht aus, um die Frage, ob eine Sicherung des Überbringersparbuchs durch Sperre anzuordnen ist, verläßlich beurteilen zu können. Es steht nämlich nicht fest, ob dieses Sparbuch tatsächlich in die Abhandlung einzubeziehen ist. Das Erstgericht hat nur die (Negativ )Feststellung getroffen, daß nicht festgestellt werden könne, ob sich das Sparbuch im Todeszeitpunkt des Erblassers im Besitz der Revisionsrekurswerberin befunden bzw ob diese das Sparbuch noch vor dem Ableben des Erblassers gutgläubig erworben habe. Damit wurde nicht festgestellt, wer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers tatsächlich im Besitz des Sparbuchs war und wem das Sparguthaben als Forderung im Todeszeitpunkt des Erblassers zustand, wer also damals Gläubiger der Sparbuchforderung war. Es mag sein, daß die Vorinstanzen stillschweigend unterstellten, das Sparbuch sei im Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers in seinem Besitz gestanden, doch fehlt eine entsprechende Feststellung. Eine rechtliche Beurteilung, die auf keine entsprechenden Feststellungen aufbaut, ist als abstrakte Darlegung ohne Fallbezogenheit ohne Relevanz.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren ausreichende und nachvollziehbare Feststellungen im aufgezeigten Sinn zu treffen haben. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung die tatsächlich aufgenommenen Beweise einer Bewertung zu unterziehen hat; das Vorbringen eines Beteiligten für sich allein stellt gewiß keinen Beweis dar. Es ist aber dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, verwehrt, im einzelnen auf die Argumente der Revisionsrekurswerberin zur Beweiswürdigungsfrage einzugehen; die Überprüfung der Beweiswürdigung ist dem gefertigten Gericht entzogen ( Kodek in Rechberger , ZPO, Rz 1 zu § 503).

In Stattgebung des Revisionsrekurses sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

Rechtssätze
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