JudikaturJustiz1Ob26/93

1Ob26/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Oktober 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Nikolaus Topic-Matutin, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien

1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, und 2. Dr.Rudolf ***** L*****, vertreten durch Dr.Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 347.612,21 s. A., infolge von Rekursen der klagenden und der erstbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 13.Juli 1993, GZ Nc 112/93-2, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Rekurskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht Linz zur weiteren Verhandlung und Entscheidung der vorliegenden, zwischen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei anhängigen Rechtssache gemäß § 9 Abs.4 AHG das Landesgericht Linz bestimmt. Der wider die Erstbeklagte geltend gemachte Amtshaftungsanspruch beruhe auf einer angeblichen Gesetzesverletzung des Konkursrichters des Landesgerichtes Salzburg im dg. Verfahren AZ S 24/85. § 9 Abs.4 AHG sei dahin zu ergänzen, daß die Bestimmung eines anderen Gerichtes nicht nur dann zu erfolgen habe, wenn aus einem kollegialen Beschluß eines Gerichtshofes erster Instanz oder eines Oberlandesgerichtes Ersatzansprüche abgeleitet werden, sondern auch wenn dies aufgrund einer Verfügung eines Einzelrichters des Gerichtshofes erster Instanz erfolgt ist.

Die Rekurse der Klägerin und der Erstbeklagten sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 9 Abs.4 AHG soll gewährleisten, daß auch nur der Anschein der Befangenheit von Richtern nicht entstehen kann, wenn der Anspruch aus der Verfügung des Präsidenten eines Landesgerichtes oder eines Oberlandesgerichtes oder aus einem kollegialen Beschluß eines dieser Gerichtshöfe abgeleitet wird, die nach § 1 Abs.1 AHG unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wären. Der rechtspolitische Grund des § 9 Abs.4 AHG liegt darin, daß alle betroffenen Gerichte, aus deren Verhalten ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werden soll, von der Entscheidung über den Anspruch ausgeschlossen sein sollen; Richter eines Gerichtshofes sollen nicht über Amtshaftungsansprüche erkennen, die ein Verhalten irgendeines Mitglieds desselben Gerichtshofes zum Gegenstand haben (Schragel, Amtshaftungsgesetz2, Rz 261; Vrba-Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht, 232 f; EvBl. 1963/211). Die im wesentlichen gleichlautenden Ausführungen der Klägerin und der Erstbeklagten bieten keinen Anlaß, von dieser vom Obersten Gerichtshof bereits mehrmals geäußerten Ansicht (1 Nd 8/91; 1 Nd 5/89; 1 Nd 1/88) abzugehen. Tatsächlich ist ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers zu vermuten (Schragel, aaO). Es wäre zwar - wie die Rekurswerber richtig aufzeigen - dem Gesetzgeber im Zuge der Novellierungen des AHG mehrmals möglich gewesen, den Gesetzeswortlaut im Sinne der aufgezeigten Judikatur des Obersten Gerichtshofes neu zu fassen. Der Umstand, daß der Gesetzgeber keine Neufassung vornahm, besagt aber nicht, daß von einem Versehen des Gesetzgebers bei der ursprünglichen Fassung des Gesetzes keine Rede sein könne. Gerade der Umstand, daß trotz Kenntnis der schon erwähnten oberstgerichtlichen Rechtsprechung seitens des Gesetzgebers im Zuge der Novellierungen keine positive Klarstellung dahin erfolgte, daß tatsächlich nur auf kollegiale Beschlüsse eines Landes- oder Oberlandesgerichtes abzustellen sei und Beschlüsse eines Einzelrichters eines solchen Gerichtshofes von der Regelung des § 9 Abs.4 AHG nicht erfaßt werden sollten, deutet darauf hin, daß der Gesetzgeber unter Anerkennung der oberstgerichtlichen Judikatur eine Änderung des § 9 Abs.4 AHG nicht für nötig erachtete. Ein weiteres Indiz dafür ist, daß der Gesetzgeber im § 8 Abs.3 StEG der oberstgerichtlichen Judikatur bezüglich § 9 Abs.4 AHG insoweit Rechnung getragen hat, daß die genannte Bestimmung des StEG nicht von kollegialen Beschlüssen spricht, das StEG und das AHG aber - wie die Erstbeklagte in ihrem Rekurs selbst aufzeigt - sehr verwandte Materien regeln.

Es geht nicht darum, ob einem "Amtshaftungsrichter" die Möglichkeit offensteht, sich für befangen zu erklären, sondern es soll - wie schon ausgeführt - gewährleistet werden, daß auch nur der Anschein der Befangenheit von Richtern nicht entstehen kann. Daß dies - wie zB im vorliegenden Fall - dazu führen kann, daß Verfahren aufgesplittert werden (einerseits gegen die Erstbeklagte, andererseits gegen den Zweitbeklagten), ist deshalb nicht von besonderer Bedeutung, weil § 31 JN vorsieht, daß aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung (der gegen den Zweitbeklagten gerichteten Klage) bestimmt werden könnte.

Den Rekursen ist der Erfolg zu versagen.

Das Begehren der Klägerin auf Zuspruch von Rekurskosten war abzuweisen, da ein Kostenersatz dem ohne Beteiligung der Gegenpartei durchgeführten amtswegigen Delegierungsverfahren fremd ist (1 Ob 6/90).