JudikaturJustiz1Ob2405/96z

1Ob2405/96z – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred T*****, vertreten durch Dr.Hermann Fina, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Landeskrankenhaus K*****, wegen S 200.000,-- sA und Feststellung (Streitwert S 30.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgerichts vom 30.Oktober 1996, GZ 2 R 192/96-6, womit der Beschluß des Landesgerichts Klagenfurt vom 11. September 1996, GZ 23 Cg 187/96-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

Spruch

gefaßt:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens aufgetragen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei ein Schmerzengeld von S 200.000,-- und ferner die Feststellung, daß diese ihm für "allfällige künftige Ersatzansprüche" aus näher bezeichneten Behandlungsverzögerungen und Operationen hafte. Es sei ihm trotz akuter Schmerzen und des Verdachts auf Bandscheibenvorfall am 31. August 1993 die stationäre Aufnahme ins Krankenhaus verweigert worden. Erst am 19.September 1993 sei diese Aufnahme erfolgt, am 21. September 1993 sei eine Bandscheibenoperation durchgeführt worden. Diese Operation habe ein Orthopäde vorgenommen, obwohl ein Neurochirurg hätte beigezogen werden müssen. Dem Chirurg sei bei der Operation ein Kunstfehler unterlaufen. Deshalb sei es zu neuerlichen Schmerzen und neurologischen Ausfallserscheinungen gekommen, so daß eine zweite Operation erforderlich gewesen sei. Folgeschäden seien zu befürchten. Die beklagte Partei hafte dem Kläger aus dem zwischen ihnen zustande gekommenen Behandlungsvertrag für das schuldhafte Verhalten der für sie tätig gewordenen Personen.

Das Erstgericht wies die Klage wegen mangelnder Parteifähigkeit der beklagten Partei a limine zurück. Rechtsträger der beklagten Krankenanstalt sei die Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft (in der Folge kurz Landesanstalt), eine Anstalt öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Ihr obliege die Führung des beklagten Krankenhauses, die die Verwaltung, den Betrieb und die Erhaltung umfasse. Es sei zwar Landeskrankenanstalten Rechtspersönlichkeit "hinsichtlich" bestimmter Aufgaben eingeräumt, was aber nicht bedeute, daß sie für Behandlungsfehler der in den Krankenanstalten tätigen Personen hafteten. Vielmehr sei die beklagte Partei weder partei- noch prozeßfähig. Dieses Prozeßhindernis sei von Amts wegen wahrzunehmen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nur die Landesanstalt sei eine juristische Person und Rechtsträger der Landeskrankenanstalten.Der Kläger habe mit dem Spitalserhalter, dem Träger der Krankenanstalt, einen Behandlungsvertrag geschlossen. Nur dieser sei deshalb passiv klagslegitimiert. Die Rechtsfähigkeit der beklagten Krankenanstalt auf materiellen Teilgebieten bewirke keine bloß teilweise Parteifähigkeit. Die Kärntner Landeskrankenanstalten seien weder juristische Personen, noch sei ihnen vom Gesetz die Fähigkeit verliehen worden, zu klagen oder geklagt zu werden. Eine Richtigstellung der Parteibezeichnung auf den Rechtsträger der beklagten Partei (= Landesanstalt) sei nicht möglich, weil gegen die Landesanstalt bereits ein Rechtsstreit gleichen Inhalts anhängig gemacht worden sei, weshalb das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit vorliegen würde.

Der Revisionsrekurs des Klägers ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Maßgebliche Rechtsquelle ist das Kärntner Krankenanstalten-Betriebsgesetz, LGBl 1993/44, das im § 1 das Ziel der Betriebsführung der Landeskrankenanstalten durch eine Anstalt öffentlichen Rechts so definiert, daß sie eine zeitgemäße, bedarfsgerechte und patientenorientierte medizinische und pflegerische Versorgung der Bevölkerung im Rahmen eines integrierten Gesundheitssicherungssystems unter Bedachtnahme auf eine effizienzsteigernde Kostensteuerung und langfristige Sicherung der Ressourcen sicherstellen solle. Zur Verwirklichung dieses Ziels wirddie Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft als Anstalt öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet (§ 2 Abs 1). § 4 bestimmt in Abs 1 zwar, daß die Landeskrankenanstalten "Rechtspersönlichkeit hinsichtlich aller von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben (§ 30)" haben, ordnet jedoch in Abs 2 an, daß die von der Landesanstalt für das Land geführten Landeskrankenanstalten Einrichtungen der Landesanstalt sind und diese Rechtsträger dieser Landeskrankenanstalten ist. Demgemäß obliegt der Landesanstalt gemäß § 3 Abs 1 im Rahmen dieses Gesetzes die Führung der Landeskrankenanstalten als öffentliche Krankenanstalten im Sinne der Krankenanstaltenordnung 1992 LGBl 1993/2; § 3 Abs 1 definiert die "Betriebsführung der Krankenanstalten" (richtig wohl die Führung des Betriebs der Krankenanstalten) als deren Verwaltung, Betrieb und Erhaltung. Vor allem obliegt der Landesanstalt dem im § 3 Abs 5 erstellten Aufgabenkatalog zufolge unter anderem auch (lit.j)"die Wahrnehmung der Aufgaben als Rechtsträger nach den krankenanstaltenrechtlichen Vorschriften". Diese Bestimmungen können in ihrer Gesamtheit wohl nur so verstanden werden, daß die aus dem Verhalten der Organe (§ 28) und des Personals (§ 30 Abs 1 lit b) der Landeskrankenanstalten abzuleitenden Rechte und Pflichten deren Rechtsträger - also der Landesanstalt (§ 4 Abs 2) - zuzurechnen sind (vgl dazu auch. RZ 1981/46). Die vom Kläger vertretene Auffassung, die beklagte Landeskrankenanstalt sei bei Inanspruchnahme wegen Behandlungsfehlern selbst Rechtsträger, weil sie gemäß den §§ 4 und 30 des genannten Gesetzes im hier zu Entscheidung anstehenden Fall Rechtspersönlichkeit habe, findet im Gesetz keine Stütze. Behandlungsverträge werden stets zwischen dem Patienten und dem Träger der Krankenanstalten abgeschlossen (JBl 1987, 104; SZ 41/87 ua; Reischauer in Rummel, ABGB2 § 1299 Rz 24); das aber ist nach § 4 Abs 2 - trotz der Ausstattung der Landeskrankenanstalten mit (beträchtlicher) Teilrechtsfähigkeit - die Landesanstalt, die die Landeskrankenanstalten führt und betreibt und daher auch für das Verschulden des in der beklagten Landeskrankenanstalt tätig gewordenen Personals einstehen muß (vgl dazu JBl 1959, 595). Ist die beklagte Landeskrankenanstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit nur für die nach § 30 von ihr wahrzunehmenden Aufgaben ausgestattet und obliegen nach dessen Abs 1 deren geschäftsführendem Organ alle Aufgaben, die nicht dem Land, der Landesanstalt oder dem Aufsichtsrat vorbehalten sind, so ist damit klargestellt, daß die Vorschriften über den Wirkungsbereich der Organe der Landeskrankenanstalten so auszulegen sind, daß dadurch nicht in den Aufgabenbereich der Landesanstalt eingegriffen wird: Diese ist aber als - auch krankenanstaltenrechtlicher - Rechtsträger der Landeskrankenanstalten eingerichtet, der als solcher Vertragspartner der Patienten ist und damit für Behandlungsfehler des Personals einzustehen hat. Daran kann auch die Personalkompetenz der Landeskrankenanstalt nichts ändern, die als solche nur die Rechtsbeziehungen zwischen der Landeskrankenanstalt und deren Personals zum Gegenstand hat. Dennoch ist die Revision im Ergebnis berechtigt, weil der Auffassung der Vorinstanzen, daß der beklagten Landeskrankenanstalt die Parteifähigkeit abzusprechen sei, nicht beigetreten werden kann:

Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist, demnach alle natürlichen und juristischen Personen, aber auch alle jene Gebilde, denen die Rechtsordnung die Fähigkeit, klagen und geklagt zu werden, zubilligt, ohne ihnen im übrigen die Rechtsfähigkeit zu verleihen (SZ 64/17 mwN), und ferner Einrichtungen, denen von deren Organisationsgesetz privatrechtliche Teilrechtsfähigkeit zuerkannt wird (wie etwa gemäß § 3 UOG 1993 der Universität, deren Fakultäten und Instituten). Solche Einrichtungen sind aber nach § 4 Abs 1 und § 30 des Kärntner Krankenanstalten-Betriebsgesetzes auch die Landeskrankenanstalten, weil ihnen dort - mit der Formulierung: Sie "haben eigene Rechtspersönlichkeit hinsichtlich aller von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben" - in diesem Umfang Teilrechtsfähigkeit verliehen ist (JBl 1996, 396 mwN aus dem Schrifttum). Zwar hat die Teilrechtsfähigkeit zur Folge, daß Rechtsgeschäfte außerhalb der gesetzlich vorgegebenen Zwecke oder solche, die den aus derartigen Geschäften erworbenen Deckungsfonds überschreiten, materiell unwirksam sind (Rummel, Zur Privatrechtsfähigkeit von Universitäten [1987], 26 f und 29 f), sofern sie nicht als Rechtsgeschäfte des Rechtsträgers der Einrichtung außerhalb deren Teilrechtsfähigkeit umzudeuten sind, weil die Organe der Einrichtung in Wahrheit mit entsprechender Vertretungsbefugnis für den Rechtsträger eingeschritten sind, doch hat diese Einschränkung auf die - insofern unteilbare - Parteifähigkeit keinen Einfluß. So sprach auch der Verfassungsgerichtshof bereits aus, daß aus § 2 Abs 2 UOG 1975 keineswegs abzuleiten sei, die Legitimation von Universitäten zur Beschwerdeführung gemäß Art 144 Abs 1 B-VG sei bloß im Umfang ihrer Privatrechtsfähigkeit gegeben (JBl 1994, 107). Somit ist die rein verfahrensrechtliche Frage nach der Parteifähigkeit allein danach zu beantworten, ob die Partei im Verfahren überhaupt als solche aufzutreten befähigt ist (Fasching, Komm II 117; derselbe, LB2 Rz 338), wogegen die Frage nach der materiellrechtlichen Sachlegitimation, deren Mangel die Abweisung des Klagebegehrens zur Folge hat, auch davon abhängt, ob der Partei in diesem Belang Rechtsfähigkeit zukommt (JBl 1996, 396 mwN).

Diesen wesentlichen Unterschied haben die Vorinstanzen verkannt: Die beklagte Partei ist nach ihrem Organisationsgesetz teilrechtsfähig. Sie ist deshalb jedenfalls parteifähig; soweit der Kläger gegen sie im Verfahren einen Anspruch verfolgt, der richtigerweise gegen deren Rechtsträger geltend zu machen gewesen wäre, entbehrt sie der Sachlegitimation (passiven Klagslegitimation), worüber jedoch erst nach mündlicher Verhandlung mittels Urteils abzusprechen ist. Zur Zurückweisung der Klage a limine wegen mangelnder Parteifähigkeit der beklagten Partei war das Erstgericht indes nicht berechtigt; es wird deshalb das gesetzmäßige Verfahren einzuleiten haben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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  • RS0075742OGH Rechtssatz

    11. Mai 2006·3 Entscheidungen

    1) Seit dem Inkrafttreten des UOG kommt auch den Instituten einer Universität eine im § 2 Abs 2 UOG inhaltlich in den Verfügungsmöglichkeiten und Verpflichtungsmöglichkeiten umschriebene, eingeschränkte (verbo: insofern) Rechtspersönlichkeit zu. 2) Im Bereich der Verbindlichkeiten findet diese Limitierung ihren Ausdruck in einer zweifachen Schranke: Diese müssen 1. der Erfüllung eines Institutszwecks dienen und 2. im Institutsvermögen Deckung finden. 3) Die im Rahmen des Deckungsfonds namens des Instituts an einen Rechtsanwalt geleisteten Honorarzahlungen stellen rechtsgeschäftliche Verwaltungshandlungen dar, zu denen der Institutsvorstand nach außen hin generell befugt war, mag auch die zugrundeliegende Bevollmächtigung des Anwalts und damit dessen Honorierung oder auch nur dessen Honorierung allein im Einzelfall den im Gesetz oder sonstwie verankerten Verpflichtungen widersprochen haben, was den Befugnismißbrauch ausmacht. 4) Die Vertretungsmacht nach außen ist im § 2 Abs 3 UOG (in Verbindung mit § 51 Abs 2 lit g UOG) geregelt. Schon wegen des unmittelbaren Zusammenhang mit § 2 Abs 2 UOG kann nicht bezweifelt werden, daß die Regelung schlechthin auch für die Privatrechtsfähigkeit (ua auch) der Universitätsinstitute gilt. 5) Selbstverständliche Grenze der Vertretungsmacht ist die Rechtsunfähigkeit der vertretenen Person. Was der Vertretene nicht kann, kann der Vertreter auch nicht an seiner Stelle (in seinem Namen).