JudikaturJustiz1Ob216/17x

1Ob216/17x – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Mag. Korn als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Josef Kunzenmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. J***** H*****, vertreten durch Dr. Rüdiger Hanifle, Rechtsanwalt in Zell am See, 2. F***** H*****, 3. G***** K*****, Deutschland, 4. H***** K*****, Zweit- bis Viertantragsgegner vertreten durch Mag. Max Fankhauser, Rechtsanwalt in Zell am Ziller und 5. A***** H*****, vertreten durch Dr. Rüdiger Hanifle, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen Einräumung eines Notwegs, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 20. September 2017, GZ 22 R 314/17f 90, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 28. Juli 2017, GZ 43 Nc 7/10y 85, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 9 Abs 3 NWG zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung des Erstantragsgegners und der Fünftantragsgegnerin wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Bestimmungen des Notwegegesetzes sind nach ständiger Rechtsprechung restriktiv zu handhaben (vgl RIS Justiz RS0070966). Die Nachlässigkeit der Parteien soll durch dieses Gesetz nicht gefördert werden, lediglich der schuldlose und damit schutzwürdige Erwerber einer Liegenschaft soll geschützt werden (RIS-Justiz RS0071074). Ob der beanspruchte Notweg für die Zwecke einer ordentlichen Bewirtschaftung oder Benützung notwendig ist und ob auffallende Sorglosigkeit iSd § 2 NWG vorliegt, lässt sich nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilen und kann daher eine erhebliche Rechtsfrage nicht darstellen (RIS Justiz RS0052715; RS0071051 [T1]; RS0071136 insb [T2, T5, T7]). Für die Beurteilung einer solchen auffallenden Sorglosigkeit kommt es überdies ausschließlich auf das Verhalten vor Einleitung des Notwegeverfahrens an. Eine bereits verwirklichte auffallende Sorglosigkeit fällt daher durch erst im Verfahren gestellte „nachgebesserte“ Anbote nicht weg (8 Ob 15/08a = RIS-Justiz RS0123330).

Eine zu korrigierende Fehlbeurteilung dieser Fragen durch das Rekursgericht oder sonst eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 9 Abs 3 NWG) vermag die Antragstellerin in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen:

2. Sie verweist in ihrem Rechtmittel auf einzelne Aussagen von Zeugen, bekämpft Feststellungen und behauptet die Beweiswürdigung des Erstgerichts sei unrichtig. Überdies soll sowohl dem Erst- als auch dem Rekursgericht eine Aktenwidrigkeit unterlaufen sein. Der Oberste Gerichtshof ist aber auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz (RIS Justiz RS0007236). Von jeder Partei, die schon in erster Instanz verloren hat, wird verlangt, dass sie schon im Rekurs alle ihr unter Umständen nachteiligen Feststellungen – sei es mit der Beweisrüge, sei es als aktenwidrig – bekämpft (RIS Justiz RS0041773 [T6]). Die Unterlassung der Bemängelung der nun behaupteten Aktenwidrigkeit als Rekurswerberin kann die Antragstellerin auch im Revisionsrekursverfahren nicht mehr nachtragen (vgl RIS Justiz RS0041773). Generell kann der Revisionsrekursgrund der Aktenwidrigkeit nicht als Ersatz für eine im Revisionsrekursverfahren unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (vgl RIS Justiz RS0117019, zuletzt zum Außerstreitgesetz 16 Ok 2/15b), sind doch Fragen der Beweiswürdigung nicht revisibel (RIS Justiz RS0043125 [besonders T12, T13]). Ebensowenig kann ein vom Rekursgericht verneinter Verfahrensmangel erster Instanz (hier die unterbliebene Einholung eines Sachverständigengutachtens) im Revisionsrekurs nochmals geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0050037; RS0030748; zuletzt im Verfahren über die Einräumung eines Notwegs: 8 Ob 91/14m).

Soweit die Antragstellerin darüber hinaus nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS Justiz RS0043312 [T12, T14]; RS0043603 [T2, T8]).

3. Zu einer von ihr behaupteten Unzumutbarkeit des „beschwerliche(n) Antransport(s) der Waren in den Wintermonaten zur ca 1 km entfernten Bergstation“ beruft sie sich allein auf die Entscheidung 3 Ob 183/03p, in der ausgesprochen worden sei, dass es nicht zeitgemäß sei, wenn Lebensmittel, Haushaltsgegenstände, Brennstoffe, Baumaterialien, etc. vom Ende der öffentlichen Straße zur Liegenschaft zu tragen“ seien. Die damals beurteilten Verhältnisse sind aber mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, handelte es sich doch in jenem Fall um ein in einem Gartensiedlungsgebiet in Wien Dornbach gelegenes Wohnhaus, während es nun um die Versorgung eines in einem Skigebiet im alpinen Gelände gelegenen Selbstbedienungsrestaurants geht. Den von ihr eingenommenen Standpunkt „laut der einschlägigen Judikatur“ sei „die Erschließung einer Alm über einen Lift keine dem Gesetz entsprechende ordnungsgemäße Wegeanbindung an das öffentliche Wegenetz“ kann sie weder durch weitere Ausführungen untermauern noch mit einem einzigen Judikat belegen. Damit bedarf die Beurteilung der Vorinstanzen, der Bedarf nach einem Notweg sei zu verneinen, weil die mittlerweile gegebene Versorgung über die moderne Gondelbahn samt eingeräumter Zufahrt über Fremdgrund in einer Strecke von ca 1 km zur Bewirtschaftung des im alpinen Gelände gelegenen Selbstbedienungsrestaurants nicht unzulänglich erscheine und jener vor der Verlegung des (alten Sessel-)Lifts im Wesentlichen entspreche, keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof. Auf die der Antragstellerin zur Last gelegte Sorglosigkeit gemäß § 2 NWG muss damit gar nicht mehr eingegangen werden.

4. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

5. Der Oberste Gerichtshof hat den Antragsgegnern die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung nicht freigestellt. Die dennoch erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist daher nicht iSd § 78 Abs 2 AußStrG (hier iVm § 9 Abs 3 NWG) zur Rechtsverteidigung notwendig (§ 508a Abs 2 Satz 2 ZPO analog; RIS-Justiz RS0124792 [T2] ua).

Rechtssätze
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