JudikaturJustiz1Ob207/01z

1Ob207/01z – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. September 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Zechner und Dr. Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ö***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit- Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Johann K*****, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 4 Mio S sA infolge der außerordentlichen Revisionsrekurse der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Juni 2001, I) GZ 12 R 79/01b-31, womit infolge Rekurses der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. Jänner 2001, GZ 5 Cg 14/01t-4, bestätigt wurde, II) GZ 12 R 80/01z-32, womit infolge der Rekurse beider Streitteile der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 15. März 2001, GZ Cg 14/01t-15, teilweise abgeändert wurde, und III) GZ 12 R 81/01x-33, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. April 2001, GZ 5 Cg 14/01t-19, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Zur einstweiligen Verfügung:

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden nur: Beklagter) setzt sich gegen die in zweiter Instanz bestätigte einstweilige Verfügung mit umfangreichen Rechtsausführungen zur Wehr. Sie haben den seiner Ansicht nach im Verwaltungsrechtsweg durchsetzbaren Anspruch der klagenden und gefährdeten Partei (im Folgenden nur: klagende Partei) gegen den Bund "auf Refundierung (Anerkennung)" der ihm nach dem Erwerb von Zloty-Zerobondanteilen im Nominale von insgesamt 60,000.000 PLN gewährten "Kest-Gutschrift" und die aus einem solchen Anspruch nach seiner Überzeugung herzuleitenden zivilrechtlichen Konsequenzen für das Klagebegehren zum Inhalt. In diesem Zusammenhang wird auch die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof angeregt. Der Beklagte, der als Wertpapierberater viele Jahre Angestellter der klagenden Partei war, verkennt indes, dass die soeben bezeichneten Rechtsfragen angesichts des bescheinigten Sachverhalts nicht zu lösen sind. Danach ist von Bedeutung, dass die Streitteile ihren Vereinbarungen über die maßgebenden Transaktionen beiderseits die Erwartung zugrunde legten, der klagenden Partei werde die dem Beklagten gutgeschriebene KEST entsprechend der bisherigen finanzbehördlichen Praxis bei vergleichbaren Transaktionen refundiert werden. Diese Erwartung ist nicht eingetreten, weil der Bund der klagenden Partei diese Leistung an den Beklagten entgegen seiner vorherigen Praxis nicht refundierte und ohne Erzwingung einer solchen Leistung im Verwaltungsrechtsweg auch künftig nicht refundieren wird. Dieser "Erwartung" der Streitteile bei Geschäftsabschluss zufolge wollte die klagende Partei dem Beklagten die Mittel für den Erwerb der Zloty-Zerobondanteile und die Vorauszahlung auf die den Preis für deren Erwerb noch übersteigende erwartete KEST-Gutschrift nur unter der Voraussetzung zinsenfrei zur Verfügung stellen, dass ihr die Refinanzierung dieses Aufwands nach der bisherigen Praxis der vom Bund gewährten KEST-Gutschriften gelingen werde. Für eine solche Auslegung spricht die Überlegung, dass es einem Bankunternehmen als Vertragspartner wohl kaum als Geschäftswille unterstellt werden kann, es wolle einem Kunden mehrere Millionen Schilling - möglicherweise jahrelang - zinsenfrei als Kredit zur Verfügung stellen, sich aber zu dessen Abdeckung mit der Durchsetzung der KEST-Gutschriften gegen den Bund auf eigene Kosten - mit durchaus ungewissem Ausgang - begnügen. Selbst der Beklagte räumt ein, das Geschäft wäre "ohne die Vorleistung der Bank (sofortige Gutschrift) ... nie zustande gekommen". Auch seiner Auffassung nach hätte er somit aus Mitteln der Bank nicht jenen Kapitalzufluss erlangt, dessen Erstattung er nunmehr trotz der enttäuschten gemeinsamen "Erwartung" im Zusammenhang mit dem eigentlichen Geschäftszweck - der Finanzierung des Erwerbs von Privatvermögen aus Steuermitteln - ablehnt. Soweit der Beklagte darlegt, die klagende Partei habe bereits im Zeitpunkt des Abschlusses seiner "Käufe" gewusst, "dass es mit dem Finanzamt Probleme betreffend die KEST-Gutschrift geben könnte", ist auf die auf diese Behauptung gestützten Rechtsausführungen nicht weiter einzugehen, weil eine solche Tatsache dem bescheinigten Sachverhalt fremd ist.

Diesen Erwägungen zufolge ist nicht erkennbar, dass der gesicherte Anspruch nicht bescheinigt sei. Demnach beruht der angefochtene Beschluss jedenfalls auf keiner gravierenden Fehlbeurteilung der maßgebenden vertraglichen Absprachen. Eine solche Fehlbeurteilung wäre aber die Voraussetzung für die Zulässigkeit des außerderordentlichen Revisionsrekurses.

Das Rechtsmittel des Beklagten ist somit gemäß § 78 und § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

II. Zum Widerspruch:

Im außerordentlichen Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Abweisung seines Widerspruchs gegen die einstweilige Verfügung wiederholt der Beklagte jene Rechtsausführungen, auf die er bereits die Anfechtung der einstweiligen Verfügung im Rechtsmittelverfahren gründete. Soweit ist er auf die voranstehenden Erwägungen zu verweisen. Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Beklagte im Widerspruchsverfahren keinen Sachverhalt bescheinigte, der auf einen atypischen Geschäftswillen der Streitteile im Sinne der Erwägungen unter I. schließen ließe.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, die Beantwortung der Frage, ob eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen sei, hänge so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass dabei regelmäßig keine präjudizielle Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgeworfen werde (ÖBl 2000, 222).

Der Beklagte begründet das Erfordernis einer Sicherheitsleistung damit, dass die wirtschaftliche Existenz der klagenden Partei gefährdet wäre, sollte der Bund gegen sie einen Anspruch auf Erstattung von KEST-Gutschriften in der Größenordnung von rund 700 Mio S haben. Er rügt soweit auch Feststellungsmängel. Die klagende Partei führte in ihrem Rekurs gegen die ihr vom Erstgericht auferlegte Sicherheitsleistung unter anderem aus, ihr Eigenkapital betrage 9 Mrd S, sie habe für das letzte Jahr etwa 310 Mio S an Dividende ausgezahlt und "das EGT" liege knapp unter 1 Mrd S. Angesichts dieser Bonität bestehe kein Grund zur Auferlegung einer Sicherheitsleistung (ON 17). Der Beklagte bestritt die Tatsachenbehauptungen in der Rekursbeantwortung (ON 26) nicht, er zitierte vielmehr bloß Passagen aus den Aussagen von Auskunftspersonen, die seiner Ansicht nach dennoch eine Existenzgefährdung der klagenden Partei nahelegen, wenn dem Bund KEST-Gutschriften von rund 700 Mio S zu erstatten sein sollten. Hätte das Erstgericht festgestellt, dass die Geltendmachung einer solchen Forderung des Bundes gegen die klagende Partei bevorstehe, so wäre angesichts der vom Beklagten nicht bestrittenen Behauptungen der klagenden Partei über ihr Eigenkapital, die Dividendenzahlung und das Geschäftsergebnis selbst bei einer Belastung mit 700 Mio S weder die Vernichtung noch eine ernsthafte Gefährdung deren wirtschaftlichen Existenz zu befürchten. Somit kann auch in der Ansicht des Rekursgerichts, es bestehe keine Notwendigkeit, der klagenden Partei eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen, zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung der für diesen Einzelfall maßgebenden Umstände erblickt werden.

Der Beklagte wendet sich ferner gegen die Auffassung des Rekursgerichts, "allfällige Gegenforderungen" seien "im Bescheinigungsverfahren über das Bestehen des zu sichernden Anspruchs nicht zu prüfen". Er begnügt sich jedoch mit der Behauptung, diese Rechtsansicht sei "falsch". Eine solche, nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge bedarf keiner weiteren Erörterung. Nach den maßgebenden Feststellungen wurde "die letzte Kauforder" am 29. 9. 2000 erteilt und sofort die "KEST-Gutschrift" (offenkundig auf dem Konto des Beklagten) durchgeführt. Erst am 2. 10. 2000 wurde der klagenden Partei "durch einen höheren Beamten" des BMF mitgeteilt, der Bund beabsichtige, "auch für die Zlotyanleihen die Zulässigkeit der linearen Berechnungsmethoden der KEST" abzuändern. Somit ist aber die Behauptung des Beklagten, die klagende Partei habe die Refinanzierungsprobleme "bereits vor Abschluss" seiner "Käufe" gekannt, feststellungsfremd. Daher ist auch auf jene Rechtsausführungen nicht weiter einzugehen, die bloß auf der erörterten Behauptung beruhen.

Gemäß § 78 und § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO ist demnach auch das außerordentliche Rechtsmittel des Beklagten im Widerspruchsverfahren mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

III. Zur Zuständigkeit:

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch von 4 Mio S sA und brachte vor, der Beklagte habe von ihr im Jahr 2000 60.000 "Zloty-Zerobondanteile ... im Nominale von insgesamt (PLN) 60,000.000 gekauft". Der "Kurswert (= Kaufpreis)" habe 3,560.369,84 S betragen. Sie - die klagende Partei - habe dem Verrechnungskonto des Beklagten, der damals als Wertpapierberater ihr Arbeitnehmer gewesen sei, eine erwartete finanzbehördliche "KEST-Gutschrift" von 4,442.623,57 S gutgebracht. Nach Abzug des Kaufpreises der Wertpapiere und der Transaktionsspesen habe das bezeichnete Verrechnungskonto einen Habensaldo von 855.489,39 S aufgewiesen. Die erwartete finanzbehördliche Gutschrift sei in der Folge ausgeblieben. Eine solche Gutschrift werde auch in Zukunft nicht erteilt werden. Der Beklagte habe die erworbenen Wertpapiere "unter (dem) Vorwand billiger(er) Depotgebühren" am 24. 10. 2000 "auf das Depot" einer anderen Bank übertragen und sein Guthaben vom Verrechnungskonto "schrittweise abgezogen". Zum 31. 1. 2001 habe er sein Dienstverhältnis "überraschend" gekündigt. Die Forderung gegen den Beklagten erreiche zumindest den Klagebetrag.

Der Beklagte erhob die Einrede der (sachlichen) Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und brachte vor, die klagende Partei mache einen Anspruch im Zusammenhang mit seinem damaligen Arbeitsverhältnis geltend. Demnach liege eine Streitigkeit nach § 50 Abs 1 Z 1 ASGG vor, die in die Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit falle. Das Klagebegehren sei auch sachlich unberechtigt. Das Erstgericht wies die Klage nach mündlicher Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Nach dessen Ansicht steht der geltend gemachte Anspruch im Zusammenhang mit dem (ehemaligen) Arbeitsverhältnis des Beklagten, habe doch die klagende Partei dem Beklagten als Dienstnehmer besonders günstige Konditionen für den Wertpapiererwerb eingeräumt. Diese Konditionen hätten den Bestand des Dienstverhältnisses vorausgesetzt. Der Rechtsstreit gehöre somit gemäß § 50 Abs 1 Z 1 ASGG vor das Arbeits- und Sozialgericht (Wien).

Das Rekursgericht wies die Einrede der (sachlichen) Unzuständigkeit zurück und sprach ferner aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, dass ein klageweise geltend gemachter Anspruch nur dann mit einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 50 Abs 1 Z 1 ASGG im Zusammenhang stehe, wenn gesagt werden könne, dass dieser Anspruch seine Wurzel im Arbeitsverhältnis selbst habe. Das treffe bei einem Kauf- oder auch bei einem Darlehensvertrag selbst dann nicht zu, wenn ein solcher Vertrag "während eines Dienstverhältnisses abgeschlossen" worden sei. Das Erstgericht habe daher "zu Unrecht seine Unzuständigkeit ausgesprochen". Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht vorlägen. Der "außerordentliche" Revisionsrekurs des Beklagten ist unzulässig.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Rechtsmittelausschluss gemäß § 45 JN auch auf das Verhältnis zwischen dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und den anderen ordentlichen Gerichten anzuwenden (SZ 68/188; RZ 1993/26; JBl 1986, 333). Danach wäre im Anlassfall schon die vom Erstgericht gefällte Entscheidung über seine sachliche Unzuständigkeit unanfechtbar gewesen, wäre doch danach das Arbeits- und Sozialgericht Wien - also ein Gericht in derselben Gemeinde - sachlich zuständig gewesen. Ob vor dem Hintergrund des § 38 Abs 2 ASGG allein die Klagezurückweisung anfechtbar gewesen wäre, weil der Rechtsstreit nach einem Ausspruch des angerufenen Gerichts über seine sachliche Unzuständigkeit, wie die klagende Partei im Rekurs ausführte, allenfalls von Amts wegen an das Arbeits- und Sozialgericht Wien zu überweisen gewesen wäre, ist im hier erörterten Zusammenhang nicht zu beurteilen.

2. Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass es für die Anwendung des § 45 JN keinen Unterschied macht, ob die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch die erste oder - wie im Anlassfall - durch die zweite Instanz und mit welcher Begründung sie erfolgte (1 Ob 149/97m; 1 Ob 136/97z je mN).

Das Rechtsmittel des Beklagten ist somit absolut unzulässig. Dadurch ist der angefochtene Beschluss einer Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Dessen Anrufung ist in einem solchen Fall selbst dann ausgeschlossen, wenn eine Nichtigkeit oder ein ähnlich schwerwiegender Verfahrensverstoß oder die Verletzung zwingenden Rechts ins Treffen geführt wird (1 Ob 149/97m; 1 Ob 136/97z). Der Oberste Gerichtshof kann also aus Anlass des "außerordentlichen" Revisionsrekurses auch nicht eine dem angefochtenen Beschluss allenfalls anhaftende Nichtigkeit wahrnehmen (siehe RZ 1993/26), setzte doch eine derartige Entscheidung ein nach den Verfahrensgesetzen an sich zulässiges Rechtsmittel voraus. Demzufolge ist das absolut unzulässige Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen.