JudikaturJustiz1Ob198/19b

1Ob198/19b – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Mag. Korn und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Mag. Franz Müller, Rechtsanwalt in Kirchberg am Wagram, gegen die beklagten Parteien 1. R***** und 2. A*****, beide *****, vertreten durch Dr. Frank Riel und andere, Rechtsanwälte in Krems an der Donau, wegen Unterlassung (Streitwert 6.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 17. Mai 2019, GZ 1 R 216/18x 34, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 26. September 2018, GZ 3 C 871/15i 30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision und die

Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Unterlassung von vom Grundstück der Beklagten ausgehenden „Geruchsemissionen“, insbesondere jenen, die von der Küchenabluftanlage des gastgewerblichen Betriebs der Beklagten herrühren, soweit diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und dadurch die ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Klägerin beeinträchtigen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging was in dritter Instanz nicht mehr strittig ist davon aus, dass die Geruchsimmissionen von keiner behördlich genehmigten Anlage iSd § 364a ABGB ausgehen. Das auf § 364 Abs 2 ABGB gestützte Unterlassungsbegehren sei jedoch nicht berechtigt, weil das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß der zu beurteilenden Immission durch Küchendunst nicht überschritten war.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Begründung, dass die Nutzung des von Weingärten umgebenen Grundstücks der Klägerin durch den Heurigenbetrieb der Beklagten – aufgrund der festgestellten Art und des Umfangs der Einwirkungen – unabhängig davon nicht wesentlich beeinträchtigt werde, ob man von einer ortsüblichen Nutzung als Weingarten oder (entsprechend der tatsächlichen Nutzung) zu Wohnzwecken ausgehe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil in der bisherigen Rechtsprechung ungeklärt sei, ob eine Geruchsbelastung (auch) unter Heranziehung der „Geruchsstundenhäufigkeit pro Jahr“ beurteilt werden könne, und „nach welchen Kriterien sich Immissionsabwehransprüche zwischen Streitteilen richten, von deren Grundstücken nicht ortsübliche Immissionen aufeinander einwirken, die aber die ortsübliche Nutzung der umliegenden Grundstücke (hier Weingärten) nicht wesentlich beeinträchtigen“.

Rechtliche Beurteilung

Die

Revision der Klägerin ist entgegen diesem – für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.

1. Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen, weshalb auch übermäßige Immissionen zu dulden sind, wenn sie die ortsübliche Nutzung nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks dadurch wesentlich beeinträchtigt wird (vgl

RS0010587 [T4]).

2. Für die – sowohl hinsichtlich des Ausmaßes der Immissionen als auch der Beeinträchtigung des dadurch betroffenen Grundstücks – zu berücksichtigenden örtlichen Verhältnisse kommt es neben Dauer und Intensität unter anderem auch auf die Art der Einwirkung, den Grad ihrer Störungseignung sowie auf den

„Charakter der Gegend“ an (vgl RS0010678 [„zB Betrieb von Buschenschanken“]). Die Ortsüblichkeit ist nach den tatsächlichen Verhältnissen in der maßgebenden Umgebung zu beurteilen (RS0010653 [T22]), die sich im Regelfall nicht auf das emittierende und das beeinträchtigte Grundstück reduzieren lässt, sondern Gebietsteile mit

annähernd gleichen Lebens- und Umweltbedingungen umfasst (RS0010653 [T14]). Erforderlich ist ein Vergleich der Benützung des störenden (nicht des betroffenen) Grundstücks mit anderen Grundstücken des betreffenden Gebiets, wobei die Ortsüblichkeit einer Immission im zu betrachtenden Raum in der Regel davon abhängt, ob schon eine größere Anzahl von dort gelegenen Grundstücken so genutzt wird, dass von ihnen den zu beurteilenden Immissionen entsprechende Einwirkungen ausgehen (vgl RS0010653 [T17]).

3. Ob eine Einwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt und die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0014685; RS0010558). Die Beurteilung dieser Frage würde nur dann eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen, wenn das Berufungsgericht von einem unrichtigen Verständnis der bisherigen Rechtsprechung ausgegangen wäre oder seinen der Natur der Sache nach bestehenden Ermessensspielraum überschritten hätte (RS0010558 [T4]).

4. Im vorliegenden Fall wurden was die Revisionswerberin übergeht in dem auf dem Grundstück der Beklagten geführten Betrieb bereits seit 1996 warme Speisen angeboten und zubereitet (also auch – täglich – gebraten), wobei die Art der angebotenen Speisen seitdem nicht verändert wurde. Die Grundstücke der Parteien sind was die Revision ebenfalls unberücksichtigt lässt umgeben von Weingärten und liegen in einem Weinanbaugebiet mit den dafür typischen Heurigenbetrieben, von denen sich sechs „in der Umgebung“ befinden, wobei auch bei diesen Heurigen auch wenn sie bloß kalte Speisen verabreichen bestimmte Gerichte im Vorhinein gebraten werden müssen. Hinzu kommt, dass die von der Klägerin beanstandete Geruchsbeeinträchtigung auf ihrem Grundstück im Schnitt nur weniger als eine Stunde pro Tag auftritt und es sich dabei (nur) um „typischen Küchendunst, als hätte die Klägerin selbst gekocht“ handelt. Damit erscheint es bei einer auch anhand normativer Wertungen (vgl RS0010577 [T7]) vorzunehmenden Gesamtbetrachtung (vgl dazu 1 Ob 47/15s; 1 Ob 62/07k) unabhängig davon, ob eine Benutzung des Grundstücks der Klägerin zu Wohnzwecken oder nur als Weingarten ortsüblich iSd § 364 Abs 2 ABGB ist nicht korrekturbedürftig, wenn die Vorinstanzen eine das gewöhnliche Maß überschreitende bzw die ortsübliche Nutzung wesentlich beeinträchtigende Geruchsbelästigung verneinten.

5. Dass die Vorinstanzen den ihnen bei dieser Beurteilung zustehenden Ermessensspielraum überschritten hätten, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Soweit sie auf ihr subjektives Empfinden der Gerüche (sowie das Empfinden ihres Ehemanns) abstellt, ist ihr zu entgegnen, dass der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ein objektiver ist und es auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen ankommt, der sich in der Lage des Gestörten befindet (vgl RS0010607). Soweit die Revisionswerberin ins Treffen führt, dass es nach der Rechtsprechung bei Lärmemissionen nicht bloß auf die messbare Lautstärke, sondern auch auf die durch Tonhöhe, Dauer und Eigenart der Geräusche charakterisierte „subjektive Lästigkeit“ ankomme (dazu RS0110281 [T6]), ist wollte man diesen Grundsatz auch auf Geruchsimmissionen anwenden darauf hinzuweisen, dass auch dabei auf das Empfinden eines „Durschnittsmenschen“ abzustellen ist (vgl RS0010557).

Soweit die Revisionswerberin meint, dass sich die Feststellung der Gerüche als „typischer Küchendunst, als hätte die Klägerin selbst gekocht“ nur auf die Wahrnehmung des Geruchs im Inneren ihres Hauses beziehe, sodass im Garten zwingend eine höhere „Geruchsintensität“ bestehe, ist dem entgegenzuhalten, dass das Erstgericht damit nicht eine (allenfalls messbare) „Geruchsintensität“, sondern bloß die „Art“ des Geruchs, der im Übrigen als „weder ekelerregend noch extrem unangenehm“ bezeichnet wird, beschreiben wollte.

Dass sich der Küchengeruch (auch) durch geöffnete Fenster der Küche der Beklagten ausbreite, wurde in erster Instanz wo nur auf Immissionen durch die Abluftanlage abgestellt wurde nicht behauptet, weshalb das diesbezügliche Revisionsvorbringen gegen das Neuerungsverbot verstößt.

Auf die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage, ob die Geruchsbelastung auch unter Heranziehung der „Geruchsstundenhäufigkeit pro Jahr“ beurteilt werden kann, geht die Revisionswerberin soweit erkennbar nur insoweit ein, als sie behauptet, die Besucherzahl des auf dem Grundstück der Beklagten betriebenen Heurigen würde sich im Sommer jeweils verdoppeln. Dies findet im Sachverhalt, wo nur ganz allgemein von einem nicht näher quantifizierten „stärkeren Besuch“ die Rede ist, aber keine Deckung.

Ob eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des Grundstücks der Klägerin bereits deshalb ausgeschlossen werden kann, weil was die Revisionswerberin bestreitet dessen (Sonder )Nutzung zu Wohnzwecken in der von Weingärten geprägten Umgebung ortsunüblich sei, wohingegen die ortsübliche Nutzung als Weingarten durch Küchengerüche nicht tangiert werde, muss nicht näher beurteilt werden, weil das Berufungsgericht eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks der Klägerin auch für den Fall verneinte, dass dessen Nutzung zu Wohnzwecken als ortsüblich anzusehen sei, was wie dargestellt keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf.

6. Die Revisionsbeantwortung ist nach § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Berufungsgericht einzubringen, wenn dieses (wie hier) den Revisionsgegnern nach § 508 Abs 5 ZPO freigestellt hat, eine solche einzubringen. Die Mitteilung des Berufungsgerichts, dass die Beantwortung der Revision freigestellt werde (§ 508 Abs 5 ZPO), wurde den Beklagtenvertretern am 25. 9. 2019 zugestellt. Damit wurde die Frist zur Rechtsmittelbeantwortung ausgelöst (§ 507a Abs 2 Z 2 ZPO). Die am letzten Tag der Rechtsmittelfrist (23. 10. 2019) beim Erstgericht eingebrachte Revisionsbeantwortung langte beim Berufungsgericht erst nach Fristablauf ein. Wenn eine Rechtsmittelschrift beim unzuständigen Gericht eingebracht und erst von diesem dem zuständigen Gericht übersendet wird, ist die Zeit dieser Übersendung in die Rechtsmittelfrist einzurechnen (RS0041584). Die erst nach Fristende beim Berufungsgericht eingelangte Revisionsbeantwortung ist somit als

verspätet zurückzuweisen.

Rechtssätze
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