JudikaturJustiz1Ob185/98g

1Ob185/98g – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Juliane M*****, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wider die beklagten Parteien 1.) A*****Gesellschaft mbH, ***** und 2.) M***** Aktiengesellschaft, *****beide vertreten durch Dr. Gerhard Richter und Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 341.029 S sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Zwischen- und Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. April 1998, GZ 4 R 26/98w 53, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die erstbeklagte Partei ist Eigentümerin der Wohnungseigentumseinheit top 148 Erdgeschoß (Rezeption, Büro und "Shop") und die zweitbeklagte Partei Eigentümerin der Wohnungseigentumseinheiten top 147 EG und KG (Restaurant) sowie top 153 (Personalunterkünfte) in einem näher genannten "Apparthotel". Die Klägerin löste den Vertrag vom 21. November 1993, mit dem sie von den beklagten Parteien deren in deren Wohnungseigentumseinheiten zuletzt durch Verpachtung genutzten Restaurations- und Fremdenbeherberungsbetrieb (Restauration und Küche, Rezeptionseinheit und "Shop") auf die Dauer von vier Jahren gepachtet hatte, am 14. Februar 1994 und 11. Mai 1994 einseitig auf. Bei Vertragsabschluß hatte weder für das Hotel noch für das Restaurant eine Betriebsanlagengenehmigung bestanden; diese wurde erst am 27. März 1995 für das Restaurant erteilt.

In Ansehung des drittbeklagten Rechtsanwalts, der Geschäftsführer der erstbeklagten Gesellschaft mbH und Direktor der Muttergesellschaft der zweitbeklagten Aktiengesellschaft ist, blieb die Bestätigung der erstinstanzlichen Klageabweisung durch das Berufungsgericht unangefochten. Die zweite Instanz sprach aber in Abänderung des Ersturteils mit Zwischenurteil aus, daß das Klagebegehren gegen die beklagten Parteien dem Grunde nach zu Recht bestehe. Dazu führte es aus, die Klägerin sei gemäß § 1117 ABGB zur vorzeitigen Vertragsauflösung berechtigt gewesen, weil eine Betriebsanlagengenehmigung für das "Apparthotel" nicht nur zur Ausübung des Gastgewerbes nach § 148 Abs 1 Z 2 bis Z 4 GewO, sondern auch nach der Z 1 (Beherbung von Gästen) gefehlt habe. Die von den beklagten Parteien unterlassene Aufklärung der Klägerin darüber und die Vernachlässigung ihrer Pflicht zur Gebrauchsüberlassung in der bedungenen Form machten sie auch für den daraus - aus Verschulden verursachten Schaden der Klägerin ersatzpflichtig. Von den beklagten Parteien sei die Pacht auch mit dem Hinweis angeboten worden, daß ein "Vermietungsservice für etwa 100 Betten in gepflegten Familienappartements" möglich sei. Bei den Verhandlungen sei der Klägerin aber erläutert worden, daß die Pacht der "Hotelbetriebsanlage dann die Grundlage für weitere Vertragsabschlüsse mit den Wohnungseigentümern" sei, mit denen die Klägerin persönlich zu verhandeln habe, in deren Namen die Vermittlung der Vermietung gegen Provision erfolgen sollte.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

a) Die von den Revisionswerbern angegriffene zweitinstanzliche Feststellung, es sei gerichtsbekannt, daß üblicherweise bei der Vermietung von Ferienappartements auch ein Wäsche und Endreinigungsservice angeboten werden müsse, um den heutigen Kundenwünschen gerecht zu werden, ist im Revisionsverfahren unüberprüfbar, mag diese Feststellung auch unter Anwendung des § 269 ZPO getroffen worden sein (7 Ob 8/57; 7 Ob 231/57 zur Feststellung der Angemessenheit eines Benützungsentgelts auf Grund der "üblicherweise bezahlten Sätze"; 2 Ob 50/69 zur Feststellung, daß entsprechende Gebrauchtfahrzeuge leicht aufzutreiben gewesen wären; 8 Ob 266/71 zur Feststellung, daß Personenkraftwagen der Marke "Citroen" gängige Fahrzeuge darstellen und Kraftfahrzeuge des Baujahres 1966 noch häufig vorkommen; RIS Justiz RS0040046). Nur soweit die erste Instanz einen Sachverständigenbeweis abführt und, darauf gestützt, eine Tatsache feststellt, das Berufungsgericht jedoch "auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung" eine gegenteilige Feststellung trifft oder die erstinstanzlichen Feststellungen modifiziert, liegt wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit ein Verfahrensmangel vor, weil die Abweichung nur bei Beweiswiederholung zulässig ist (SZ 28/70, SZ 37/120 ua). Mangels entsprechender Rechtsmittelrüge kann die Frage nach einer Erörterungspflicht der zweiten Instanz dahingestellt bleiben.

Damit entzieht sich der entsprechende Rechtsmittelvorwurf einer Überprüfung durch das Revisionsgericht und kann schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage darstellen.

b) Die zweite Instanz führte aus, daß der Rechtsmangel der fehlenden Bewilligung für das Fremdenbeherbergungsgewerbe - daß ein solches ausgeübt werden sollte und angeboten gewesen sei, ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut des Vertrags, sondern auch daraus, daß auch eine Rezeption und ein Büro mit der Schlüsselaufbewahrung mitverpachtet worden sei - leicht behebbar gewesen wäre, könne nach dem Inhalt der Verhandlungsschrift Beilage E und den Aussagen eines näher genannten Zeugen nicht angenommen werden und sei auch nicht behauptet worden. Vielmehr traf das Berufungsgericht nach Verlesung der Beilage E eine entgegenstehende Feststellung dahin, daß eine Betriebsanlagengenehmigung für die Ausübung des Gewerbes nach § 148 Abs 1 Z 1 GewO im Hinblick auf die Unbestimmbarkeit der einzelnen in das Genehmigungsverfahren einzubeziehenden Appartements nicht, jedenfalls nicht leicht zu erwirken gewesen wäre.

Die Rechtsmittelwerberinnen vertreten dagegen die Auffassung, bei dieser Frage handle es sich um eine von der Berufungsinstanz als Vorfrage zu lösenden Rechtsfrage. Die Frage kann indes auf sich beruhen: Als Feststellung entzöge sich die gerügte berufungsgerichtliche Annahme einer Überprüfung durch das Revisionsgericht, das nicht Tatsacheninstanz ist, bei Beurteilung als Rechtsfrage käme einer Erörterung deshalb nicht in Betracht, weil die beklagten Parteien schon im Verfahren erster Instanz im einzelnen hätten behaupten müssen, aus welchen Erwägungen die Betriebsanlagengenehmigung nach § 148 Abs 1 Z 1 GewO zu erreichen gewesen wäre.

c) Nach Auffassung der zweiten Instanz unterliegt jedenfalls auch das Vermietungsservice im Zusammenhang mit dem Restaurantbetrieb der Genehmigungspflicht nach § 148 Abs 1 Z 1 GewO. Eine bestimmte Interpretation der im Pachtvertrag genannten Begriffe durch die Parteien sei weder behauptet noch festgestellt worden. Der von den beklagten Parteien im Vertrag verwendete Begriff "Fremdenbeherbergungsgewerbe" finde sich in dieser Form in der GewO nicht, sondern nur die synonyme Bezeichnung "Beherbergung von Gästen". Ein Beherbergungsunternehmen biete nach dem objektiven Erklärungswert (§ 863 ABGB) entgeltlich Wohnraum zum Zwecke des vorübergehenden Aufenthalts, verbunden mit den in einem Betrieb der Fremdenbeherbergung üblichen Dienstleistungen, an. Daß hier nicht nur an die Vermietungsvermittlung, sondern an die Ausübung der Fremdenbeherbergung in üblicher Form gedacht gewesen sei, ergebe sich letztlich auch aus dem Marketingkonzept Beilage 10, dessen Erstellung von den beklagten Parteien initiiert worden sei. Wenn auch zwischen den Streitteilen vereinbart gewesen sei, daß die Klägerin selbst eine Gewerbeberechtigung zum Betrieb des (gepachteten) Unternehmens erwerben werde, setze doch der Erwerb der Gewerbeberechtigung die Erteilung der notwendigen Betriebsanlagengenehmigung voraus. Das Unternehmen sei eine Gesamtsache, die auch die für seinen Betrieb erforderlichen Genehmigung in sich begreife. Die Pacht eines Unternehmens sei auch mit einer Betriebspflicht verbunden. Daraus folge, daß das Fehlen der Betriebsanlagengenehmigung von den beklagten Parteien bei Vertragsabschluß darzulegen gewesen wäre. Denn es obliege gemäß § 1096 ABGB dem Verpächter, eine nach dem Vertragszweck erforderliche und nach der Verkehrssitte übliche Brauchbarkeit des Pachtobjekts zu gewährleisten und die zum bedungenen Gebrauch erforderliche fehlende behördliche Bewilligung zu verschaffen.

Das im vorliegenden Fall verpachtete gewerbliche Unternehmen bedurfte einer Genehmigung der Betriebsanlage (§ 74 GewO). Nach § 148 Abs 1 Z 1 GewO idF der insoweit am 1. Juli 1993 in Kraft getretenen Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl 1993/29 (vorher § 189 GewO, nach der Gewerberechtsnovelle 1994, BGBl 1994/194, nun § 142 GewO) bedurfte einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe (§ 126 Z 11) die Beherbergung von Gästen.

Die bloße Überlassung von Wohnräumen zum Gebrauch fiel und fällt nicht unter den Anwendungsbereich der GewO. Für die bloße Vermietung von Appartements ohne sonstige Serviceleistungen oder die bloße Vermittlung der Vermietung ist keine Gewerbeberechtigung erforderlich. Nach stRspr des VwGH (neben den von der zweiten Instanz zitierten Entscheidungen weiters VwSlg 5901A/1962 und Zl. 1758/62 zur GewO 1859, VwSlg 5395F/1979 und 13694A/1992 zur GewO 1973 ua, zuletzt Zl. 98/04/0077) ist die Frage, ob eine gewerbsmäßige Fremdenbeherbergung anzunehmen ist, unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls zu beantworten, im besonderen unter Bedachtnahme auf den Gegenstand des Vertrags (bloß Schlafstelle und Wohnraum und dessen Umfang), die Dauer des Vertrags, die Verabredungen über die Kündigung und die Kündigungsfristen, Nebenabreden über die üblicherweise im Zusammenhang mit der Überlassung von Wohnraum stehenden Dienstleistungen wie Reinigung der Haupt- und der Nebenräume, der Bettwäsche, der Kleider usw des Mieters, Beheizung etc. Das aus dem Zusammenwirken aller Umstände sich ergebende Erscheinungsbild muß ein Verhalten des Vermieters der Räume erkennen lassen, das, wenn auch in beschränkter Form, eine laufende Obsorge für die vermieteten Räume im Sinn einer daraus resultierenden Betreuung des Fremden (Gastes) verrät (VwSlg 13694A/1992). Aber selbst wenn es an Dienstleistungen fehlen sollte, muß die Frage, "ob es sich nicht doch um eine konzessionspflichtige Beherbergung handelt, anhand der sonstigen Merkmale der zu prüfenden Tätigkeit beantwortet werden", und zwar unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls (VwGH Zl. 1758/62), im besonderen angesichts der Art und Weise, wie sich der Betrieb nach außen darstellt (VwSlg 7216A/1967, Zl. 979/74). Vom Verwaltungsgerichtshof wurde auch darauf hingewiesen, daß es auch nach der Art des Beherberungsbetriebs zu beurteilen sei, welche Dienstleistungen üblich sind, also vom Kunden erwartet werden. Diese Kriterien sind auch bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei der Vermietung von Appartements um eine der Konzessionspflicht unterliegende nun dem Gastgewerbe vorbehaltene Beherbergung handelt, zugrundezulegen ( Mache/Kinscher , GewO5, § 189 GewO Anm 4). So werden etwa Appartementhäuser, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild gewisse Merkmale eines Beherbergungsbetriebs aufweisen, zweifellos unter die Konzessionspflicht fallen ( Kinscher/Sedlak , GewO6, § 142 Anm 4 f).

Damit kommt wegen des erforderlichen Abstellens auf den Einzelfall der von den beklagten Parteien aufgestellten Behauptung, die Voraussetzungen des § 148 Abs 1 Z 1 GewO seien nicht vorgelegen, nicht die Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO zu, weil die Kasuistik des Einzelfalls im allgemeinen die Zulässigkeit der Revision ausschließt (stRspr, 1 Ob 58/97d mwN uva). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Erklärungen bzw Verhaltensweisen und die daraus abgeleitete Berechtigung der Klägerin zur vorzeitigen Auflösung des Pachtvertrags könnte nur dann den Gegenstand einer erheblichen Rechtsfrage darstellen, wenn dieses infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage einschließlich der verwaltungsrechtlichen Vorfragen ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hätte, somit eine auffallende Fehlbeurteilung (1 Ob 2380/96y) vorläge.

Die Rechtsfolgen des § 1117 ABGB sind nicht Gegenstand des Rechtsmittels.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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