JudikaturJustiz1Ob153/15d

1Ob153/15d – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. August 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der beim Landesgericht St. Pölten zu AZ 4 Nc 6/15x anhängigen Verfahrenshilfesache des Antragstellers A***** R***** G*****, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 13. Mai 2015, GZ 14 Nc 7/15h 2, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag, soweit darin die Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG begehrt wird, zurückgewiesen wird.

Text

Begründung:

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich (Bund), wobei er seine Ansprüche unter anderem aus dem Verhalten von Justizwachebeamten im Zuge seiner Bewachung während eines Aufenthalts im Krankenhaus St. Pölten ableitet.

In seinem an das Landesgericht St. Pölten als dem gemäß § 9 Abs 1 AHG zuständigen Gericht gerichteten Antrag begehrte er die Delegierung der Verfahrenshilfesache an das Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien. Dazu stützte er sich auf § 9 Abs 4 AHG und auf § 31 JN und brachte dazu vor, sämtliche Richterinnen und Richter des Landesgerichts St. Pölten seien befangen; er stehe kurz vor seiner Entlassung aus der Strafhaft und werde in Wien seinen Aufenthalt nehmen, wohin ihm bereits zur Entlassungsvorbereitung Ausgang gewährt werde. Die Delegierung der Sache an das Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien sei daher zweckmäßig.

Das Oberlandesgericht Wien wies den Antrag ab. Der Antragsteller leite seine Ansprüche nicht aus einer Entscheidung des Landesgerichts St. Pölten als dem zuständigen Amtshaftungsgericht ab, weswegen kein Anwendungsfall des § 9 Abs 4 AHG vorliege. Nach § 31 Abs 1 JN könne aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei von dem Oberlandesgericht, in dessen Sprengel das zuständige Gericht gelegen sei, an Stelle desselben ein anderes im Sprengel des Oberlandesgerichts gelegenes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Dass der Antragsteller nach seiner angeblich bevorstehenden Entlassung beabsichtige, nach Wien zu ziehen, sei noch kein ausreichender Grund für eine Delegierung der Sache gemäß § 31 Abs 1 JN. Solange der Antragsteller noch nicht entlassen sei, sei der Gerichtsort St. Pölten sogar als zweckmäßiger anzusehen. Auch die Ablehnung sämtlicher Richterinnen und Richter des Landesgerichts St. Pölten wegen Befangenheit könne eine Delegierung nach dieser Gesetzesstelle nicht rechtfertigen. Im Übrigen sei sein darauf gerichteter Antrag bereits rechtskräftig zurückgewiesen worden (1 Ob 185/14h).

Rechtliche Beurteilung

Der vom Antragsteller gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien erhobene Rekurs ist zulässig, er ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Das Oberlandesgericht wird bei Entscheidungen über einen Delegierungsantrag als Erstgericht tätig (RIS Justiz RS0046243). Damit im Zusammenhang stehende Beschlüsse sind ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO mit Rekurs bekämpfbar (RIS Justiz RS0046269 [T2]) . Das gilt auch im Fall des § 9 Abs 4 AHG (vgl 1 Ob 2194/96w = RIS Justiz RS0046269 [T1] ).

I. Zum Antrag auf Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG:

Nach der Judikatur sind die Fälle des § 9 Abs 4 AHG solche notwendiger und der Parteiendisposition entzogener Delegierung (vgl nur die Nachweise bei Schragel , AHG³ Rz 255). Ein Antragsrecht kommt den Parteien insoweit nicht zu (RIS Justiz RS0056449 [T27]). Ein förmlicher Delegierungsantrag einer Partei gemäß § 9 Abs 4 AHG ist daher als unzulässig zurückzuweisen (1 Nc 12/14a; 1 Nc 17/14m; 1 Nc 35/14h).

Die Voraussetzungen für eine Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG von Amts wegen sind nicht gegeben:

Der Delegierungstatbestand des § 9 Abs 4 AHG, der auch ein der Klageführung vorangehendes Verfahrenshilfeverfahren erfasst (vgl RIS Justiz RS0050123 [T1]; Schragel AHG³ Rz 255), liegt nur vor, wenn Richter eines Gerichtshofs über einen Amtshaftungsanspruch zu erkennen hätten, der ein Verhalten auch nur irgendeines Mitglieds desselben Gerichtshofs oder auch des im Instanzenzug übergeordneten Gerichtshofs zum Gegenstand hat (vgl RIS Justiz RS0056449 [T32]; Schragel , AHG² Rz 261). Dass das nicht der Fall ist, räumt der Antragsteller in seinem Rekurs selbst ein, sodass eine Delegierung gemäß § 9 Abs 4 AHG nicht in Betracht kommt.

Damit ist dem Rekurs, soweit er sich auf die Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG bezieht, nicht Folge zu geben und die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der darauf gerichtete förmliche Antrag des Verfahrenshilfewerbers zurückgewiesen wird.

II. Zu § 31 Abs 1 JN:

Die Beurteilung einer Delegation nach § 31 Abs 1 JN hat sich auf die Frage der Zweckmäßigkeit aus den Gesichtspunkten der Verfahrensbeschleunigung, Kostenverringerung und Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu beschränken (RIS Justiz RS0046333). Dazu hat der erkennende Senat bereits in der Endscheidung 1 Ob 152/14f ausgesprochen, dass diese Voraussetzungen bei der Entscheidung über einen Verfahrenshilfeantrag nur selten vorliegen werden, wird dieses Verfahren doch einerseits einseitig und andererseits in aller Regel schriftlich abgeführt, womit es für den Verfahrensaufwand des Verfahrenshilfewerbers keinen Unterschied macht, ob die Entscheidung durch das zuständige Gericht erfolgt oder einem anderen Gericht übertragen wird. Aber auch wenn es im Einzelfall erforderlich sein sollte, den Antragsteller zum persönlichen Erscheinen zu veranlassen, um Unklarheiten oder Unvollständigkeiten im Verfahrenshilfeantrag zu beseitigen, wird die Anreise zum an sich zuständigen Gericht in aller Regel zu keinem erheblichen Mehraufwand der Partei führen, der eine Delegation rechtfertigen würde. Die vom Antragsteller in seinem Rekurs vorgetragenen Argumente erlauben keine andere Beurteilung, ist im derzeitigen Verfahrensstadium doch noch keinesfalls klar, ob eine Ergänzung des Verfahrenshilfeantrags erforderlich sein wird und ob diese nicht ohnehin auf schriftlichem Wege erfolgen kann.

Damit vermag der Rekurswerber der Begründung des Oberlandesgerichts Wien insgesamt nichts Entscheidendes entgegenzusetzen, sodass seinem Rechtsmittel auch insoweit nicht Folge zu geben ist, als es sich gegen die Abweisung seines auf § 31 Abs 1 JN gestützten Antrags richtet.