JudikaturJustiz1Ob140/22b

1Ob140/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Oktober 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei p* GmbH, *, vertreten durch Dr. Georg Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 1.071.907,42 EUR sA, in eventu wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. Mai 2022, GZ 14 R 163/21z 22, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. September 2021, GZ 31 Cg 37/20v 13, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.364,35 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Finanzmarktaufsichtsbehörde („FMA“) untersagte der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland Aktiengesellschaft („Bank“) am 14. 7. 2020 die weitere Vornahme von Bankgeschäften. In der Folge wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bilanzfälschung und der Untreue gegen Verantwortliche der Bank eingeleitet und das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet.

[2] Die Klägerin begehrt von der beklagten Republik im Wege der Amtshaftung den Ersatz jenes Schadens, der ihr dadurch entstanden sei, dass sie aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Bank einen Forderungsausfall in Höhe ihres zu diesem Zeitpunkt bestehenden Bankguthabens abzüglich einer Zahlung aus der gesetzlichen Einlagensicherung erlitten habe. Hilfsweise erhob sie ein Feststellungsbegehren.

[3] Die Beklagte sei als Rechtsträgerin der FMA, der Österreichischen Nationalbank („OeNB“), der Abschlussprüferaufsichtsbehörde („APAB“), des Bundesministers für Finanzen („BMF“) sowie von Organen der Staatsanwaltschaft den ihr obliegenden Aufgaben im Zusammenhang mit der Kontrolle des Geschäftsbetriebs der Bank sowie der strafrechtlichen Verfolgung der für sie handelnden Personen pflichtwidrig nicht nachgekommen. Wären die gebotenen Aufsichts- und Verfolgungsmaßnahmen erfolgt, wären die „Malversationen“ früher bekannt geworden und die Klägerin hätte kein Geld bei der Bank eingelegt.

[4] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Eine Amtshaftung für Schäden Dritter (sohin auch der Klägerin) durch Organe der FMA in Vollziehung von Aufgaben der Bankenaufsicht sei gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG ausgeschlossen. Die OeNB werde im Rahmen der Bankprüfung als Hilfsorgan der FMA tätig und sei daher ebenfalls vom Haftungsausschluss umfasst. Auch eine Haftung der APAB gegenüber Dritten sei gesetzlich ausgeschlossen. Behauptete Schäden aufgrund der zunächst unterbliebenen Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Organe der Bank seien nicht vom Schutzzweck der diesbezüglichen Bestimmungen der StPO bzw des StAG erfasst.

[5] Das Erstgericht wies die Klage als unschlüssig ab.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu.

[7] Der Bund hafte gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG für von Organen der FMA in Vollziehung der Gesetze über die Bankenaufsicht zugefügte Schäden nur insoweit, als diese Rechtsträgern unmittelbar zugefügt würden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen. Gläubiger des beaufsichtigten Kreditinstituts (wie hier die Klägerin) zählten nicht zu diesen. Die Haftungsbeschränkung sei auch anzuwenden, wenn sich die FMA bei der Bankenaufsicht der Mitwirkung der OeNB bediene. Diese werde dann als Hilfsorgan der FMA tätig, eine eigene behördliche Funktion komme ihr insoweit nicht zu. Selbst wenn die OeNB bei der Bankenaufsicht eigenständige Pflichten getroffen hätten, würde der Bund für ein dabei unterlaufenes Fehlverhalten nicht haften, weil die Anwendung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht vom konkret beteiligten Aufsichtsorgan abhängen könne. Die Klägerin habe auch keine konkreten Gesetzesverstöße der OeNB aufgezeigt.

[8] § 16 Abs 1 Satz 2 Abschlussprüfer-Aufsichtsgesetz (APAG) sehe auch für Schäden Dritter aus einer Verletzung von der APAB nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben einen gesetzlichen Haftungsausschluss vor.

[9] Die Pflicht zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bei Vorliegen eines Anfangsverdachts diene nur der Geltendmachung des staatlichen Strafanspruchs, nicht hingegen dem Schutz des Vermögens potenzieller künftiger Opfer eines Straftäters. Der Amtshaftungsanspruch könne daher nicht auf die Verletzung jener Bestimmungen gestützt werden, welche die Einleitung eines Strafverfahrens regeln. Dies gelte gleichermaßen für die Verpflichtung, den Rechtsschutzbeauftragten in bestimmten Fällen von der Einstellung eines Strafverfahrens zu verständigen.

[10] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Schutzzweck der Bankenaufsicht nach Inkrafttreten des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG, zur Zurechnung der bankenaufsichtsrechtlichen Tätigkeit der OeNB zur FMA, zur Auslegung des § 16 Abs 1 Satz 2 APAG sowie zum Schutzzweck der Bestimmungen über die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bestehe.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist insbesondere zur Klarstellung der Rechtslage zur Amtshaftung für ein Fehlverhalten der APAB bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben zulässig ; sie ist jedoch nicht berechtigt .

1. Zur Haftung für die FMA:

[12] 1.1. § 3 Abs 1 FMABG idF vor der Novelle durch BGBl I 136/2008 sah vor, dass der Bund für von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in § 2 dieses Gesetzes genannten Bundesgesetze zugefügte Schäden nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes haftet. Mit der genannten Novelle wurde in § 3 Abs 1 FMABG folgender zweiter Satz eingefügt: „Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen.“ Damit wurde der Kreis der amtshaftungsrechtlich geschützten Personen beschränkt bzw explizit festgelegt (1 Ob 117/14h). Nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 682 BlgNR 23. GP 6) sollten Schäden, die sich bloß als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken, von einer Ersatzpflicht ausgeschlossen werden.

[13] 1.2. Der Verfassungsgerichtshof verneinte in seinem zu G 224/2021 ergangenen Erkenntnis vom 16. 12. 2021 eine Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG. Der Gesetzgeber habe mit der dort erfolgten (Legal )Definition des ersatzfähigen Schadens der Sache nach eine Regelung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs bzw des Schutzzwecks der Bestimmungen über die (Banken-)Aufsicht durch die FMA vorgenommen. Demnach soll Schadenersatz nur den unmittelbar geschädigten Rechtsträgern, die der Aufsicht der FMA unterliegen, zustehen. Ausgeschlossen seien demgegenüber Ersatzansprüche von Dritten (insbesondere von Einlegern und sonstigen Gläubigern), die durch einen Aufsichtsfehler bei der Vollziehung der in § 2 FMABG genannten Gesetze durch die FMA geschädigt würden.

[14] 1.3. Der erkennende Senat schloss sich dem in seiner jüngst zu 1 Ob 91/22x ergangenen Entscheidung an. Er legte dort – mit eingehender Begründung, auf die hier verwiesen werden kann – dar, dass § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG Amtshaftungsansprüche geschädigter Gläubiger der Bank (wie der Klägerin) aufgrund eines behaupteten Fehlverhaltens der FMA bei der Aufsicht über diese Bank ausschließt. Unionsrechtliche Bedenken an dieser Bestimmung bestünden nicht.

[15] 1.4. Das angefochtene Urteil steht mit dieser Entscheidung des Fachsenats im Einklang.

[16] Soweit die Rechtsmittelwerberin aus verschiedenen Bestimmungen des Bankaufsichtsrechts sowie den dazu vorliegenden Gesetzesmaterialien einen individuellen Schutz einzelner Bankgläubiger abzuleiten versucht, muss dies im Hinblick auf die ausdrückliche Haftungsbeschränkung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG sowie die Auslegung dieser Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof und den Obersten Gerichtshof scheitern.

[17] 1.5. Dass § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG den Haftungsausschluss gegenüber Dritten auf Fälle leichter Fahrlässigkeit beschränken wollte, kann weder dem Wortlaut noch den Gesetzesmaterialien entnommen werden. Demnach ging auch der Verfassungsgerichtshof in seinem zu G 224/2021 ergangenen Erkenntnis davon aus, dass die Bestimmung Ersatzansprüche Dritter (insbesondere von Einlegern und sonstigen Gläubigern), die durch einen Aufsichtsfehler bei Vollziehung der in § 2 FMABG genannten Gesetze durch die FMA geschädigt werden, gänzlich ausschließt.

[18] Dafür, dass der Haftungsausschluss des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG „im Wege einer Gesamtanalogie auf Fälle groben Verschuldens zu beschränken sei“, besteht keine Grundlage. In Wahrheit strebt die Revisionswerberin damit eine teleologische Reduktion dieser Bestimmung an. Eine solche stellt bei zu weit geratenen gesetzlichen Tatbeständen das Gegenstück zur Analogie dar. Sie soll der ratio legis gegenüber einem überschießenden Gesetzeswortlaut zur Durchsetzung verhelfen (RS0008979 ua) und erfordert den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks, an dem sich die den Gesetzeswortlaut korrigierende Auslegung (genau genommen: Rechtsfortbildung) orientieren soll (RS0106113 [T3]).

[19] Der Zweck des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG legt eine Beschränkung des Haftungsausschlusses auf Fälle leichter Fahrlässigkeit nicht nahe. Der Gesetzgeber reagierte mit dieser Bestimmung auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, der den individuellen Vermögensschutz geschädigter Anleger (zuvor) als vom Schutzzweck des Banken- und Finanzmarktaufsichtsrechts umfasst ansah (VfGH G 224/2021 mwN). Eine bloße Beschränkung der betraglich unbegrenzten Amtshaftung auf Fälle groben Verschuldens würde aber auch bei einem solchen (groben) Fehlverhalten ein unabsehbares Haftungsrisiko der öffentlichen Hand gegenüber einem potenziell unbeschränkten Personenkreis bestehen lassen. Dies wollte der Gesetzgeber mit der Beschränkung der Ersatzpflicht auf Schäden jener Rechtsträger, welche der Aufsicht nach dem FMABG unterliegen, gerade ausschließen. Hätte er die Haftung für Schäden Dritter bloß auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Aufsichtsfehler beschränken wollen, hätte er dies klar zum Ausdruck gebracht.

[20] Mit ihrem Hinweis auf bestimmte gesetzliche Haftungsbeschränkungen, die jeweils nur Fälle leichter Fahrlässigkeit erfassen, vermag die Revisionswerberin keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der von ihr angestrebten teleologischen Reduktion des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG aufzuzeigen. Sie übergeht, dass die von ihr ins Treffen geführten Bestimmungen (beispielsweise § 1319a ABGB zur Wegehalterhaftung oder § 430 Abs 3 UBG zur Haftung des Frachtführers) jeweils Sachverhalte betreffen, die mit der hier zu beurteilenden fehlerhaften Finanzmarktaufsicht nicht vergleichbar sind. Warum § 275 Abs 2 Satz 4 UGB, wonach die dort genannten Haftungshöchstbeträge nicht anzuwenden sind, wenn ein Abschlussprüfer in Kenntnis oder in grob fahrlässiger Unkenntnis seiner Befangenheit oder Ausgeschlossenheit handelte, eine teleologische Reduktion des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG erfordern sollte, ist nicht plausibel.

[21] 1.6. Zu den unionsrechtlichen Bedenken der Revisionswerberin gegen den Haftungsausschluss des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG kann auf die Ausführungen zu 1 Ob 91/22x verwiesen werden. Hervorzuheben ist, dass der EuGH bereits zu C 222/02 ( Paul ) klarstellte, dass es dem nationalen Gesetzgeber nicht verwehrt sei, Vorschriften zu erlassen, wonach die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Dies wurde vom EuGH in jüngerer Zeit zu C 501/18 ( Balgarska Narodna Banka , vgl insbesondere Rn 57 ff) bestätigt. Warum diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sein soll, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen. Sie legt insbesondere nicht dar, dass sich die europarechtlichen Rahmenbedingungen seither maßgeblich geändert hätten. Dass ein Staatshaftungsanspruch nicht in Betracht kommt, weil keine europarechtliche Norm ersichtlich ist, aus der die von der Klägerin behaupteten Ersatzansprüche ableitbar wären, wurde bereits zu 1 Ob 91/22x dargelegt. Insgesamt enthält die Revision keine neuen Argumente, die eine Unionsrechtswidrigkeit des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nahelegen würden. Die Anregung, dazu ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, ist daher nicht aufzugreifen.

2. Zur Haftung für die OeNB:

[22] 2.1. Die Klägerin leitet ihren Amtshaftungsanspruch auch aus einem behaupteten Fehlverhalten von Mitarbeitern der OeNB im Rahmen der Bankenaufsicht ab. Der Fachsenat ging aber bereits zu 1 Ob 91/22x – dort wieder unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu G 224/2021 – davon aus, dass die OeNB von der FMA bloß als Hilfsorgan ohne behördliche Funktion beigezogen wurde. Für diese hafte der Bund nur nach § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung könne nicht davon abhängen, welche Organe bei der Bankenaufsicht konkret tätig geworden seien. Eine Amtshaftung sei daher auch für eine allfällige fehlerhafte Aufsicht durch die OeNB ausgeschlossen.

[23] 2.2. Die Revision lässt keinen Grund erkennen, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Soweit die Revisionswerberin auch im Zusammenhang mit der Tätigkeit der OeNB davon ausgeht, dass § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG eine Amtshaftung für Schäden von Kunden des beaufsichtigten Kreditinstituts unberührt lasse, ist sie auf die Ausführungen zum Schutzzweck dieser Bestimmung in Punkt 1 zu verweisen. Dem Argument, die Amtshaftung für die OeNB ergebe sich daraus, dass sie im Rahmen der Einzelbankenanalyse sowie ihrer Vor-Ort-Prüfungen ohne Prüfauftrag der FMA gehandelt habe bzw handeln hätte müssen, schloss sich der Fachsenat bereits zu 1 Ob 91/22x (mit näherer Begründung) nicht an. Die Revisionswerberin ist mit ihren Ausführungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

3. Zur Bankenaufsicht durch den BMF:

[24] Die Klägerin leitete ihren Anspruch in erster Instanz auch aus einem behaupteten rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten des BMF als bis 2002 zuständige Bankaufsichtsbehörde ab. Sie kam auf diese Haftungsgrundlage aber schon in ihrer Berufung nicht mehr zurück. Auch die Revision enthält dazu keine Ausführungen, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

4. Zur Haftung für die APAB:

[25] 4.1. Das APAG (BGBl I 83/2016) regelt die Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften durch die als Anstalt öffentlichen Rechts eingerichtete APAB. § 16 Abs 1 Satz 1 APAG sieht zunächst ganz allgemein eine Amtshaftung des Bundes für die von Organen und Bediensteten der APAB in Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben zugefügten Schäden vor. Satz 2 leg cit enthält dazu folgende Haftungseinschränkung: „Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen.“ Damit wird der Kreis der amtshaftungsrechtlich geschützten Personen bzw der ihnen entstandenen Schäden für den Bereich der Aufsicht über Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften nach dem APAG in gleicher Weise beschränkt, wie dies § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG für die Bankenaufsicht vorsieht. Schäden, die sich bloß als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken, sind daher auch nach § 16 Abs 1 Satz 2 APAG von einem Ersatz ausgeschlossen.

[26] 4.2. Das Berufungsgericht legte diese Bestimmung der angefochtenen Entscheidung zugrunde und verneinte auf deren Basis zutreffend eine Haftung der Beklagten für Schäden der Klägerin aus einem behaupteten rechtswidrigen und schuldhaften Aufsichtsfehlverhalten der APAB. Die Revision vermag an dieser Rechtsansicht keine begründeten Bedenken zu wecken.

[27] 4.3. Dass sich der Schutzzweck des § 16 Abs 1 Satz 2 APAG auch auf Vermögensschäden einzelner Gläubiger des geprüften Unternehmens erstreckt, kann angesichts des klaren Wortlauts dieser Bestimmung sowie der Auslegung des wortgleichen § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG durch den Verfassungsgerichtshof (G 224/2021) sowie den Obersten Gerichtshof (1 Ob 91/22x) nicht angenommen werden. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin unterscheidet sich der Zweck des § 16 Abs 1 Satz 2 APAG auch nicht grundsätzlich von jenem des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG. Mit letztgenannter Bestimmung reagierte der Gesetzgeber – wie dargelegt – auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum (weiten) Schutzbereich des Finanzmarktaufsichtsrechts und die sich daraus ergebenden Amtshaftungsrisiken des Bundes. Dass solche Risiken auch insoweit eingeschränkt werden sollten, als sie sich aus einer fehlerhaften Beaufsichtigung von Abschlussprüfern bzw Prüfungsgesellschaften durch die APAB ergeben, entspricht der erkennbaren gesetzlichen Intention.

[28] 4.4. Das Argument der Revisionswerberin, die Bestimmungen des APAG über die Beaufsichtigung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften seien inhaltlich dem Bankenaufsichtsrecht zuzuordnen, weshalb auch einzelne Gläubiger der geprüften Rechtsträger von deren Schutzzweck erfasst seien, geht schon im Hinblick auf den dargelegten Schutzbereich des Bankenaufsichtsrechts seit Inkrafttreten des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG idgF ins Leere.

[29] 4.5. Dass § 16 Abs 1 APAG Haftungsansprüche Dritter bloß insoweit beschränken wollte, als diese nur gegenüber dem Bund als Rechtsträger der APAB und nicht direkt gegenüber dieser Anstalt oder deren Organen geltend gemacht werden können, vermag zwar Satz 1 und 3 dieser Bestimmung, nicht aber ihren – hier maßgeblichen – Satz 2 zu erklären.

[30] 4.6. Die Gesetzesmaterialien zu § 16 APAG, wonach „diese Bestimmung definiert, dass Haftungsansprüche Dritter den Bestimmungen des AHG unterliegen sollen“ (ErlRV 1012 BlgNR 25. GP 6) scheinen dem Gesetzeswortlaut prima facie zu widersprechen. Stehen die erläuternden Bemerkungen einer Regierungsvorlage im eindeutigen Widerspruch zum Gesetz, können sie zur Auslegung des Gesetzes jedoch nicht herangezogen werden (RS0008892; vgl im Übrigen auch RS0008800). Aus den Gesetzesmaterialien kann daher (soweit sie sich überhaupt auf Satz 2 des § 16 Abs 1 APAG und nicht, was offenkundig zutrifft, nur auf dessen Satz 1 beziehen) nicht geschlossen werden, dass jedem durch ein Aufsichtsfehlverhalten der APAB am Vermögen geschädigten Ein- oder Anleger des geprüften Rechtsträgers – entgegen dem eindeutigen gegenteiligen Gesetzeswortlaut – Schadenersatzansprüche zustehen. Dafür, dass der Gesetzgeber „offensichtlich einfach und wortgleich die Bestimmung des § 3 Abs 1 FMABG in § 16 Abs 1 APAG kopiert habe“ und ihm dabei nur ein „offenkundiges Redaktionsversehen“ bzw ein „Copy Paste-Fehler“ unterlaufen sei, das im Wege der Gesetzesauslegung beseitigt werden könnte (RS0008763), bestehen keine Anhaltspunkte. Ein derartiger Fehler kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

[31] 4.7. Angesichts des eindeutigen Wortsinns des § 16 Abs 1 Satz 2 APAG, der die Grenze jeder Auslegung darstellt (RS0031382; RS0016495; RS0008788), kann somit nicht zweifelhaft sein, dass eine Haftung für ein Fehlverhalten der APAB gegenüber geschädigten Anlegern des geprüften Rechtsträgers ausgeschlossen ist. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, dieser Bestimmung einen anderen Regelungsbereich zu unterstellen als der wortgleichen Bestimmung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG. Auch der Verfassungsgerichtshof ging von (in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich) inhaltsgleichen Regelungen aus, begründete er doch die Ablehnung der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 16 Abs 1 Satz 2 APAG mit einem Hinweis auf seine zu § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG ergangene Entscheidung (G 287/2021).

[32] 4.8. Die Revisionswerberin vermag auch aus den von ihr ins Treffen geführten europarechtlichen Grundlagen des APAG keinen Schutz individueller Vermögensinteressen einzelner Gläubiger der geprüften Unternehmen abzuleiten. Das APAG diente einerseits der Umsetzung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates; andererseits auch der Schaffung der Rahmenbedingungen für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr 537/2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission.

[33] Schon aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr 537/2014 ergibt sich eine im Interesse der Allgemeinheit gelegene Aufsicht, gilt die Verordnung nach ihrem Art 2 doch (nur) für Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften, die bei Unternehmen von öffentlichem Interesse die Abschlussprüfung durchführen, sowie für solche Unternehmen selbst. Die Hinweise der Revisionswerberin auf die Erwägungsgründe 1, 5, 22, 14, 26 und 34 dieser Verordnung lassen nicht erkennen, dass der europäische Gesetzgeber eine zwingende Haftung des Staats für ein Fehlverhalten der nationalen (Abschlussprüfer )Aufsichtsbehörde gegenüber geschädigten An- und Einlegern im Fall einer unzureichenden Aufsicht vorsehen wollte. Wäre ein individueller schadenersatzrechtlicher Schutz einzelner Gläubiger intendiert gewesen, hätte der europäische Gesetzgeber dies klar zum Ausdruck gebracht. Im Übrigen erschiene es nicht sachgerecht, würde ein solcher Schutz nur Vertragspartnern von Unternehmen von öffentlichem Interesse (im Sinn der genannten Verordnung) und nicht jedes geprüften Unternehmens zugute kommen.

[34] Der von der Revisionswerberin ins Treffen geführte neunte Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/43/EG hebt unter anderem die besondere Funktion eines Abschlussprüfers für das öffentliche Interesse hervor und leitet dieses Interesse daraus ab, dass sich „ein breiter Kreis von Personen und Einrichtungen auf die Qualität seiner Arbeit verlässt“. Damit werden keine individuellen Gläubigerinteressen angesprochen. Die Haftung des Abschlussprüfers ist im Übrigen nicht Gegenstand des vorliegenden Amtshaftungsverfahrens.

[35] Da eine Unionsrechtswidrigkeit des § 16 Abs 1 Satz 2 APAG insgesamt nicht erkennbar ist, ist der Anregung der Klägerin, insoweit ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, nicht zu folgen.

5. Zur Haftung für die Staatsanwaltschaft:

[36] 5.1. Die Klägerin stützt ihren Ersatzanspruch auch darauf, dass es Organe staatsanwaltschaftlicher Behörden trotz ihnen vorliegender Hinweise auf Straftaten verantwortlicher Personen der Bank pflichtwidrig unterlassen hätten, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.

[37] 5.2. Der Fachsenat verneinte in seiner zu 1 Ob 91/22x ergangenen Entscheidung eine auf ein solches Fehlverhalten gestützte Amtshaftung der Beklagten. Dies wurde zusammengefasst – unter Hinweis auf die zu 1 Ob 73/16s ergangene Entscheidung – damit begründet, dass der Zweck der Bestimmungen über die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (§ 2 Abs 1 StPO und § 35c StAG) nicht auch darin bestehe, künftige Gläubiger jener Bank, hinsichtlich deren verantwortlicher Personen die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens pflichtwidrig unterblieben sei, davor zu schützen, allenfalls durch weitere Straftaten in Zukunft einen Vermögensschaden zu erleiden. Weder sei zum Zeitpunkt der behaupteten Pflichtverletzung vorhersehbar gewesen, dass gerade der künftige Gläubiger der Bank durch unentdeckt gebliebene Straftaten ihrer gesellschaftsrechtlichen Organe in Zukunft einen Schaden erleiden könnte, noch sei der Kreis allfälliger künftiger Geschädigter zu diesem Zeitpunkt überhaupt absehbar gewesen. Dass der behauptete Schaden durch die frühere Einleitung eines Ermittlungsverfahrens unter Umständen verhindert werden hätte können, könne als bloße Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens keinen Amtshaftungsanspruch begründen.

5.3. Die Revision enthält keine Argumente von dieser Rechtsansicht abzugehen:

[38] Soweit die Revisionswerberin Organen der Staatsanwaltschaft (auch) vorwirft, pflichtwidrig von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG abgesehen statt das Verfahren nach § 190 StPO eingestellt zu haben, ist schon nicht ersichtlich, welchen konkreten Schaden sie aus einem solchen „Formalfehler“ ableiten will.

[39] Dass bei einer Verfahrenseinstellung nach § 190 StPO gemäß § 194 Abs 3 StPO allenfalls der Rechtsschutzbeauftragte zu verständigen gewesen wäre, vermag eine Amtshaftung nicht zu begründen. Auch diese Verständigungspflicht dient nicht dem Schutz künftiger Gläubiger der Bank, deren Organe bestimmter Straftaten bezichtigt wurden, davor, durch weitere Straftaten allenfalls einen Vermögensschaden zu erleiden. Die in § 194 Abs 3 StPO vorgesehene Verständigung des Rechtsschutzbeauftragten soll vielmehr eine objektive Kontrolle der Ermittlungsmaßnahmen und die objektive Ausübung seiner weiteren Befugnisse ermöglichen (vgl idS Reindl-Krauskopf in Fuchs/Ratz , WK StPO § 47a Rz 6). Auch wenn man im Hinblick auf § 194 Abs 3 Z 2 StPO davon ausginge, dass die Pflicht zur Verständigung des Rechtsschutzbeauftragten von einer Verfahrenseinstellung (auch) den Schutz (unbekannter) Opfer einer Straftat bezwecke, wäre jedenfalls der Opferbegriff des § 65 Z 1 lit c StPO zugrundezulegen. Dieser umfasst aber nur Personen, bei denen aufgrund einer Straftat bereits ein Schaden bzw eine in dieser Bestimmung genannte Beeinträchtigung eingetreten ist (vgl 1 Ob 91/22x). Ein durch eine allfällige künftige Straftat möglicherweise in Zukunft eintretender Schaden begründet hingegen keine Opferstellung nach der StPO. Dass solche Schäden durch eine Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens aufgrund eines Antrags des Rechtsschutzbeauftragten unter Umständen verhindert werden hätten können, vermag daher als bloße Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens keine Amtshaftung zu begründen.

[40] 6. Die angefochtene Entscheidung ist somit aus den dargelegten Gründen zu bestätigen.

[41] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die von der Revisionsgegnerin angesprochene Verbindungsgebühr lässt keine Rechtsgrundlage erkennen. Sollte diese für die Stellungnahme zur Anregung der klagenden Partei auf Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs verzeichnet worden sein, steht für eine solche Anregung – und daher auch für eine Stellungnahme des Rechtsmittelgegners dazu – keine Verbindungsgebühr zu (vgl 9 Ob 83/21b; 1 Ob 91/22x).

Rechtssätze
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