JudikaturJustiz1Ob114/07g

1Ob114/07g – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****versicherung AG, *****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Hermann F***** KEG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1) Theresia H*****, vertreten durch Dr. Michael Mohn, Rechtsanwalt in Wien, und 2) Stadt Wien, vertreten durch Dr. Kostelka Reimer Dr. Fassl Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 362.777,53 sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Februar 2007, GZ 15 R 179/06p 60, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 1. Juni 2006, GZ 4 Cg 54/06z 50, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Hat das Rekursgericht in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung eine Prozesseinrede verworfen und liegt kein anderer, die Zulässigkeit ausschließender Grund des § 528 ZPO vor, kann der Oberste Gerichtshof zur Überprüfung der rekursgerichtlichen Entscheidung mit Revisionsrekurs angerufen werden. In einem solchen Fall kommt mangels vergleichbarer Ausgangssituation eine analoge Anwendung der Anfechtungsbeschränkungen des § 519 ZPO nicht in Betracht (RIS Justiz RS0121604; 9 Ob 25/07b mwN).

2. Wenn eine einheitliche Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist, werden auch alle damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen als in Vollziehung der Gesetze (§ 1 Abs 1 AHG) erfolgt angesehen, auch wenn die Handlung nur die Ausübung hoheitlicher Gewalt vorbereitet oder abschließt (SZ 60/156).

Die dem Rauchfangkehrer gemäß § 15e Abs 2 des Wiener Feuerpolizei- und Luftreinhaltegesetzes bei Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr obliegenden Verpflichtungen, nämlich die Inkenntnissetzung des Benützers der Anlage vom gesetzlichen Heizverbot und die Anzeigeerstattung an die Behörde, welche auf Grund dieser Anzeige das Heizverbot mit schriftlichem Bescheid festzustellen hat, sind daher Aufgaben hoheitlicher Natur (vgl auch 1 Ob 52/00d zu § 20 NÖFGG) und der Rauchfangkehrer ist daher insoweit als Organ im Sinne des § 1 Abs 2 AHG zu qualifizieren. Gegen dieses kann der Geschädigte den Ersatz des vom ihm in Vollziehung des Gesetzes zugefügten Schadens im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen (§ 9 Abs 5 AHG).

3. Der als „Berichtigung der Parteienbezeichnung" auf der Beklagtenseite vorgenommene Parteiwechsel von einer physischen Person zu einer Personengesellschaft führt dazu, dass die Rechtswegunzulässigkeit nicht - mehr - gegeben ist. Nur in dem Fall, dass eine physische Person als Organ in Anspruch genommen wird, ist gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg unzulässig. Wird jedoch nicht eine physische Person, sondern etwa ein beliehenes Unternehmen vom Geschädigten in Anspruch genommen, so stellt sich nicht die Frage nach der Rechtswegzulässigkeit, sondern jene nach der Passivlegitimation (1 Ob 2047/96b = SZ 69/188 mwN). Eine ausdehnende Auslegung des § 9 Abs 5 AHG auf juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln in die Pflicht genommen oder beliehen sind (so Schragel , AHG 3 , Rz 258) kommt im vorliegenden Fall keinesfalls in Betracht, weil die nunmehr beklagte Personengesellschaft kein beliehenes Unternehmen, sondern schlicht (seit 2003) Rechtsnachfolgerin des ursprünglich Beklagten, im Jahr 2000 als Organ für die Stadt Wien tätig gewordenen Rauchfangkehrers ist. Als Rechtsnachfolgerin des Einzelunternehmens erwarb sie zwar verschiedenste Rechte und Pflichten, eine Nachfolge in der Organstellung fand aber durch diesen Vorgang gewiss nicht statt. Die nunmehr beklagte juristische Person ist im Jahr 2000 gerade nicht als Organ eines Rechtsträgers tätig geworden, zumal sie damals noch gar nicht existierte.

Die immunisierende Wirkung des § 9 Abs 5 AHG ist nicht auf Personen, die nicht als Organe von Rechtsträgern tätig wurden, auszudehnen. Die Argumente der Revisionsrekurswerberin, wonach die amtshaftungsrechtliche Immunität des § 9 Abs 5 AHG auch auf den Rechtsnachfolger des Organs zu erstrecken sei, gehen insofern ins Leere, als sie von der - unrichtigen (siehe hiezu Schragel aaO) - Annahme ausgehen, dass die Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs zwingend die (Vertrags )Haftung der Beklagten begründe. Dies ist aber nicht Gegenstand dieser Entscheidung, die nur die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs zu lösen hat.

Mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ist das außerordentliche Rechtsmittel zurückzuweisen.

Rechtssätze
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