JudikaturJustiz1Ob112/01d

1Ob112/01d – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Christian Weimann, Rechtsanwalt, Wien 1., Schwarzenbergstraße 8, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Ing. Gottfried H*****, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wien 10, Wienerbergstraße 15 19, vertreten durch Dr. Amhof Dr. Damian Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen 242.289 S sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2001, GZ 3 R 156/00h 11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 19. Mai 2000, GZ 26 Cg 269/99b 7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 13.771,80 S (darin 2.295,30 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen einer Baugesellschaft mbH (im Folgenden Gemeinschuldnerin) wurde über deren Antrag mit Beschluss vom 22. Oktober 1998 der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die beklagte Gebietskrankenkasse betrieb seit Juni 1996 gegen die Gemeinschuldnerin Fahrnisexekutionen, wobei alle Forderungen noch jeweils vor Pfändung bezahlt wurden. Der beklagten Partei war daher weder ein Pfändungsprotokoll noch ein Versteigerungsedikt bekannt. Im Rahmen einer von der beklagten Partei gegen die Gemeinschuldnerin geführten Fahrnisexekution übergab die Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin dem Gerichtsvollzieher anlässlich einer Pfändung am 21. September 1998 einen auf ihre Hausbank gezogenen Inhaber Scheck (§ 5 SchG) über 242.289 S. Der Gerichtsvollzieher löste den Scheck am selben Tag bar ein und überwies der beklagten Partei 239.680 S.

Der Kläger begehrte - neben einer in dritter Instanz nicht mehr relevanten Zahlung von 233.892,21 S aufgrund einer weiteren Zahlung der Gemeinschuldnerin -, die Begebung und Einlösung des Schecks den Konkursgläubigern gegenüber für unwirksam zu erklären und die beklagte Partei zur Zahlung von 242.289 S sA an die Masse zu verhalten.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Die außerordentliche Revision des Klägers, der nur die vorinstanzliche Rechtsansicht, die Begebung des Inhaberschecks an den Gerichtsvollzieher, der zwar nicht nach der EO "Vertreter" der betreibenden Partei, jedoch aus anfechtungsrechtlicher Sicht deren Sphäre im Zuge der Fahrnisexekution zuzurechnen sei, sei eine kongruente Deckung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO, in Frage stellt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 30 Abs 1 Z 1 KO (Anfechtungstatbestand der objektiven Begünstigung) ist u.a. eine in den letzten 60 Tagen vor Konkurseröffnung vorgenommene Befriedigung eines Gläubigers anfechtbar, wenn der Gläubiger eine solche erlangt hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen hatte, es sei denn, dass er durch diese Rechtshandlungen vor den anderen Gläubigern nicht begünstigt worden ist. Der Anfechtungstatbestand setzt eine inkongruente (nicht gebührende) Befriedigung eines Gläubigers des Gemeinschuldners voraus, dass er also eine Leistung aus dem Vermögen des Schuldners erhält, die er in der gleichen Art nach materiellem Recht nicht zu beanspruchen hatte. Bei einer Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO kommt es nur auf die objektive Tatsache der Begünstigung an. Der Beklagte muss nicht wissen, dass er etwas erhält, was ihm nicht oder doch nicht so, wie er es erhielt, gebührte (EvBl 1985/92; 6 Ob 665/95 = ÖBA 1997, 208 = RdW 1997, 404 = ZIK 1997, 223; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österr. Insolvenzrecht 369). "Gebührende", eine Anfechtung ausschließende Deckung liegt vor, wenn sie in einer Art gewährt wurde, auf die der Gläubiger durch Vertrag oder Gesetz schon vor Beginn der Frist des § 30 Abs 1 KO Anspruch erworben hatte. Bei Beurteilung, ob dies der Fall ist, müssen die maßgeblichen Vereinbarungen und Vorgänge nach ihrem wirtschaftlichen Zweck betrachtet werden (König, Die Anfechtung nach der KO2 Rz 52). Um kongruent zu sein, darf sich die bewirkte Befriedigung nicht wesentlich oder in unüblichem Maß von der tatsächlich zustehenden entfernen. Unter "unwesentlichen Abweichungen" können auch Leistungen durch Dritte verstanden werden, wenn der Leistungsinhalt dadurch keine Änderung erfährt (was bei Zahlung mittels Wechsels, Schecks oder Anweisung bejaht wird) und die Abweichung verkehrsüblich oder unter den Parteien nicht ungewöhnlich ist (ÖBA 1997, 208; Bartsch/Pollak, KO3 § 30 Anm 26; Petschek/Reimer/Schiemer aaO 327; König aaO Rz 241; vgl auch Kojiol/Bollenberger in Buchegger, KO, § 30 Rz 26 mwN in FN 70).

Eine im Zuge einer Exekution vorgenommene zwangsweise Abnahme vorgefundenen Bargelds nach § 261 EO und dessen Zuweisung mit rechtskräftigem Verteilungsbeschluss oder eine - dem vorliegenden Fall vergleichbare - aus Anlass einer Pfändung geleistete Zahlung des Verpflichteten an den Gerichtsvollzieher ist - unabhängig vom Zeitpunkt der daraufhin vorgenommenen Ausfolgung des Betrags an den Gläubiger kongruent und nicht nach § 30 Abs 1 Z 1 KO anfechtbar, denn der Gläubiger erhält nur das, was ihm nach den materiellen Verhältnissen gebührt (vstSenat SZ 45/12 = JBl 1972, 374 = EvBl 1972/115 = RZ 1972, 151; SZ 45/57; 6 Ob 508/93 = ÖBA 1993, 734 = ecolex 1993, 595; 4 Ob 2328/96y = ÖBA 1997, 489 = ZIK 1997, 63 = ecolex 1997, 360 u.a.; RIS Justiz RS0003845; König aaO Rz 249 mwN; Feil, KO3, § 30 Rz 9 f).

Im vorliegenden Fall erfolgte die angefochtene Zahlung der Verpflichteten mittels eines auf die Hausbank gezogenen Inhaberschecks. Der Scheck ist zwar kein gesetzliches Zahlungsmittel (SZ 61/59 mwN), aber gängiges Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz21, Einleitung SchG Rz 20); durch die Begebung des Schecks ermächtigt der Aussteller die bezogene Bank, zu Lasten seines Guthabens an den Schecknehmer einen bestimmte Geldsumme zu zahlen (Baumbach/Hefermehl aaO Rz 18). Die Zahlungsfunktion kommt im Besonderen durch das Akzeptverbot (Art 4 SchG), die Zahlbarkeit bei Sicht (Art 28 Abs 1 SchG), die kurze Vorlegungsfrist von nur acht Tagen beim Inlandsscheck (Art 29 Abs 1 SchG) und die Tatsache zum Ausdruck, dass der Scheck nur auf einen Bankier gezogen werden darf, bei dem der Aussteller ein Guthaben hat (Art 3 SchG). Der Scheck wird im Zweifel nur zahlungshalber gegeben (Avancini in Avancini/Koziol/Iro, Bankvertragsrecht I Rz 7/2). Auch Vollstreckungsorgane sind gemäß § 25 Abs 3 EO idFd EO Novelle 1995 berechtigt, Schecks zahlungshalber entgegenzunehmen. Der Vollstrecker hat dabei trotz Übergabe des Schecks zu pfänden, jedoch von der Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses gemäß § 253a Abs 2 EO idFd EO Novelle 1995 bis zur Einlösung des Schecks Abstand zu nehmen (Jakusch in Angst, Kommentar zur EO, § 25 Rz 4; Mohr in Angst aaO § 253a EO Rz 7); die Wirkungen der Zahlung treten erst mit der Einlösung des Schecks ein (RV zur EO Novelle 1995, 195 BlgNR 19.GP, 27 und 46). Der Gerichtsvollzieher handelt dabei weder im Auftrag noch im Namen des betreibenden Gläubigers, er ist vielmehr Organ der Rechtspflege (Jakusch aaO § 25 Rz 2). Daraus folgt:

Die Begebung eines Inhaberschecks durch den Verpflichteten anlässlich einer Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher ist bei Prüfung der Anfechtungsvoraussetzungen nach § 30 Abs 1 Z 1 KO einer Barzahlung gleichzuhalten, ist doch die Zahlung mittels eigenen Barschecks heute verkehrsüblich (vgl. Jaeger/Henckel9, § 30 dKO Rz 211 mwN aus deutscher Rsp) und damit die Scheckbegebung zur Tilgung einer Geldschuld nicht als eine "Befriedigung in anderer Art" anzusehen. Das muss umso mehr gelten als selbst die Zahlung im Wege einer nicht angenommenen Anweisung, die im Valutaverhältnis eine Schuld des Anweisenden gegenüber dem Anweisungsempfänger zur Grundlage hat, als verkehrsüblich und deshalb als kongruent beurteilt wurde (ÖBA 1997, 208; RIS Justiz RS0105268).

Die bei König (aaO Rz 243 mwN) aufgezählten Fälle inkongruenter Deckung (Hingabe eines Wechsels, Rückstellung unbezahlter Warenlieferungen statt Zahlung des Kaufpreises u.a.) sind unter Heranziehung der maßgebenden Verkehrsanschauung (SZ 58/213) mit einer Zahlung mittels Schecks nicht vergleichbar. Dass die Zession zahlungshalber erfolgt und die durch sie erlangte Zahlung eine inkongruente Deckung darstellt (7 Ob 315/98v = ÖBA 2000, 90 = ecolex 1999, 691), ist der Scheckbegebung durch den Schuldner nicht vergleichbar, verschafft doch die Zession - anders als ein Inhaberscheck dem Schuldner des Abtretenden gegenüber eine Gläubigerstellung und führt somit zwangsläufig zu einer anderen Art der Befriedigung.

Der Anfechtungstatbestand des § 30 Abs 1 Z 1 KO ist daher, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, im vorliegenden Fall nicht verwirklicht. Der Revision kann demnach kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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