JudikaturJustiz17Os30/14m

17Os30/14m – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2014 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Ernst S***** wegen des Verbrechens der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. März 2014, GZ 123 Hv 11/12g 450, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Kralik zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt.

Ein Ausspruch nach § 266 Abs 1 StPO unterbleibt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Ernst S***** im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten Rechtsgang GZ 17 Os 20/13i 11 [ON 435]) des Verbrechens der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er „in tatbestandlicher Handlungseinheit am 11. November 2010 in Brüssel und am 3. Dezember 2010 in London als Mitglied des Europäischen Parlaments, sohin als Amtsträger, für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäftes einen Vorteil für sich oder einen Dritten gefordert, indem er von vermeintlichen Mitarbeitern der Lobbying-Agentur B***** ein in Form einer Jahrespauschale an ihn zu entrichtendes Honorar in der Höhe von 100.000 Euro dafür verlangte, dass er auf die Gestaltung, die tatsächliche Einbringung und die Behandlung von Anträgen auf Abänderung der von der Europäischen Kommission dem Europäischen Parlament vorgelegten, nachstehend angeführten Gesetzesvorhaben in den mit der Erstellung der Berichte betrauten Ausschüssen, und somit auf den legislativen Prozess (Abstimmungsinhalte und -ergebnisse) im Europäischen Parlament, gezielt und auf ausschließlich von den Auftraggebern vorgegebenen Inhalten und sachfremden Motiven beruhend, durch Einflussnahme auf in diesen Ausschüssen tätige Abgeordnete im Sinne der Wünsche von B***** Einfluss nimmt, um den Wünschen der vermeintlichen Klienten von B***** in Bezug auf Gesetzesvorhaben zum Durchbruch zu verhelfen, und zwar indem er diese Summe am 11. November 2010 als Gegenleistung für die oben dargestellten pflichtwidrigen Amtsgeschäfte bezogen auf die RoHS-Richtlinie (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten Nr 2011/65/EU) und die GMO Legislation (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie Nr 2001/18/EG; Freisetzungsrichtlinie) forderte und diese Forderung am 3. Dezember 2010 als Gegenleistung für die oben dargestellten pflichtwidrigen Amtsgeschäfte in Bezug auf die WEEE- bzw 'Elektroschrottrichtlinie' (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Elektro- und Elektronikaltgeräte Nr 2002/96/EC Neufassung) wiederholte, wobei er die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils beging.“

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Die Tatrichter stützten die Urteilsannahmen zur Forderung von 100.000 Euro für die im Urteil näher geschilderte pflichtwidrige Einflussnahme des Angeklagten auf den legislativen Prozess im Europäischen Parlament (US 7 ff) im Wesentlichen auf (aufgezeichnete) Gespräche, die Dr. Ernst S***** am 11. November und am 3. Dezember 2010 mit den vorgeblichen Lobbyistenvertretern geführt hatte (US 13 ff), sowie auf dessen Nachtatverhalten (US 24 ff).

Die (einleitende) pauschale Kritik, das Erstgericht habe im zweiten Rechtsgang ein „sehr verkümmertes Verfahren“ durchgeführt, lediglich die vorhandenen Beweise „gewürdigt“ (vgl dazu RIS Justiz RS0099419) und die entscheidenden Feststellungen im Wesentlichen auf die erwähnten Gesprächsaufzeichnungen gestützt, wobei es den Mitschnitten einen sich daraus nicht ergebenden Sinngehalt zuerkannt habe, lässt keinen Bezugspunkt zu den Anfechtungskategorien einer Mängelrüge (Z 5) erkennen.

Voranzustellen ist, dass der Beschwerdeführer (nominell aus Z 5 erster bis fünfter Fall) im Wesentlichen einzelne Elemente der tatrichterlichen Argumentationskette zum Bedeutungsinhalt seiner gegenüber den Journalisten abgegebenen Äußerungen isoliert herausgreift und daran die Kritik knüpft, dass jene die diesbezüglichen Feststellungen nicht zu tragen vermöchten. Solcherart verlässt das Rechtsmittel die insoweit gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370).

Im Übrigen hat das Erstgericht die erwähnten Urteilsannahmen nicht unter Heranziehung „freihändiger Zusatzannahmen“ getroffen, sondern logisch und empirisch einwandfrei aus vernetzter Betrachtung der mit den getarnten Journalisten geführten Gespräche und der schriftlichen Korrespondenz (E-Mails) abgeleitet (US 13 ff). Soweit die Beschwerde diesen Schlussfolgerungen eigene Beweiswerterwägungen nach Maßgabe der leugnenden Verantwortung des Angeklagten entgegen stellt, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die aus diesen Gesprächen weiters abgeleitete Konstatierung, der Angeklagte habe „die mit 100.000 Euro von ihm selbst bezifferte Forderung ungeachtet allfälliger weiterer Leistungen jedenfalls zur Gänze als Gegenleistung für die konkret aufgezählten Amtsgeschäfte und auch für jedes einzelne von ihnen“ verstanden (US 14), ist weder undeutlich (Z 5 erster Fall) noch offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall; vgl die auf US 9 zitierte Gesprächspassage sowie US 14 f, US 22 f).

Der Vorwurf „unklarer und willkürlicher“ Bezugnahme auf das vorliegende Gesprächsmaterial setzt sich über die jeweils im Feststellungsteil des Urteils angeführten Fundstellennachweise hinweg (US 3 ff) und legt außerdem nicht dar, weshalb die tatrichterlichen Schlussfolgerungen den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen sollten (RIS Justiz RS0099413, RS0116732).

Gleiches gilt für die Kritik an den „Beweiswürdigungsüberlegungen“ des Erstgerichts zu den „Dialogen“ vom 11. November 2010 und vom 3. Dezember 2010 (vgl die auf US 5 angeführten Fundstellen und die auf US 9 wiedergegebene Gesprächspassage). Aus welchem Grund es sich insoweit um ein „Musterbeispiel einer Scheinbegründung“ handeln soll, wird nicht klar.

Die vermisste Begründung für die Annahme eines „fiktiven“ (zwecks Verschleierung aufgesetzten) Beratervertrags findet sich auf US 29 f.

Weshalb die Zusage, „sofort“ beginnen zu wollen (US 16), angesichts dessen, dass der Angeklagte das in Aussicht gestellte Tätigwerden nicht näher präzisierte, kein begründungstaugliches Beweissubstrat für die konstatierte Vorteilsforderung sein soll, wird nicht deutlich gemacht. Auf welchen genauen Zeitpunkt sich die genannte Angabe („sofort“) bezog, ist nicht entscheidend, sodass der diesbezüglich erhobene Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) ins Leere geht.

Der erwähnte Nichtigkeitsgrund liegt im Übrigen nur bei erheblich unrichtiger Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels in den Entscheidungsgründen vor. Aus Beweisergebnissen gezogene Schlussfolgerungen der Tatrichter scheiden insoweit als Anfechtungsbasis aus (zum Ganzen vgl RIS-Justiz RS0099431 [insb T15, T16]). Daher wird Aktenwidrigkeit mit dem Einwand, die (eine Richtlinie betreffende) Urteilsannahme zum geplanten Einsatz eines (Schatten-)Berichterstatters (US 16) stehe im Widerspruch zu den diesbezüglichen Äußerungen des Angeklagten gegenüber den getarnten Journalisten, nicht geltend gemacht.

Die Kritik an den tatrichterlichen Erwägungen zur jeweiligen Interventionszusage hinsichtlich der „RoHS Richtlinie“ (US 18 f), der „GMO-Legislation“ (US 20 f) und der „WEEE-Richtlinie“ erschöpft sich neuerlich in eigenständigen Beweiswerterwägungen zum Bedeutungsgehalt der Äußerungen des Angeklagten und damit in einem unzulässigen Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung. Ob die Ankündigung der „RoHs-Richtlinie“ als „konkretes Projekt“ in unmittelbarem Anschluss an die Gespräche betreffend die Bezahlung des Angeklagten erfolgte, ist der Beschwerde (Z 5 fünfter Fall) zuwider zudem nicht entscheidend.

Entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war der Schöffensenat nicht verpflichtet, den gesamten Inhalt der Gespräche und Aussagen des Angeklagten im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen. Dass aus den vom Angeklagten geführten Gesprächen auch für diesen günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, die Tatrichter sich aber (wie hier mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung) für eine dem Angeklagten ungünstigere Variante entschieden haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (vgl RIS Justiz RS0098377). Die Kritik (Z 5 zweiter Fall) an unterbliebener Erörterung einzelner (vom Beschwerdeführer eigenständig zu seinen Gunsten gewürdigter) Gesprächsdetails geht daher ins Leere.

Soweit die Beschwerde die Konstatierungen zur Forderung von 100.000 Euro für die dem Angeklagten angelastete Einflussnahme (US 10) nach Maßgabe eigenständiger Interpretation der Verfahrensergebnisse in Frage stellt, begibt sie sich erneut auf die Ebene einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Der Erfahrungssatz, wonach eine Pauschalhonorarvereinbarung der „Natur der Bezahlung korrupter Tätigkeit entspricht“ (US 14), ist als bloß beweiswürdigende Erwägung der Anfechtung mit Mängelrüge entrückt.

Unerfindlich bleibt, aus welchem Grund die konstatierte Jahrespauschale (US 10 f) im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) dazu stehen soll, dass der Angeklagte Zahlung in Quartalsraten verlangte (US 7, 14).

Der Einwand, das Urteil habe in Bezug auf zwei Gesetzesvorhaben („RoHS-Richtlinie“, „GMO-Legislation“) die Anklage überschritten (Z 8), trifft schon deshalb nicht zu, weil diese Rechtsakte bereits in der Anklageschrift erwähnt wurden (ON 338 S 16 f). Im Übrigen wäre in der (nach Ansicht des Beschwerdeführers erst im zweiten Rechtsgang erfolgten und daher verspäteten) Erwähnung von weiteren Richtlinien als Bezugspunkt der in Aussicht gestellten Amtsgeschäfte die Beschuldigung wegen einer „anderen Tat“ (dh eines anderen als des unter Anklage gestellten historischen Lebenssachverhalts; vgl Lewisch , WK-StPO § 263 Rz 2) gar nicht zu erblicken.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zur Pflichtwidrigkeit des Amtsgeschäfts vermisst, geht sie prozessordnungswidrig an den Konstatierungen (US 10, vgl auch US 7 und 9) vorbei, wonach der Angeklagte den Vorteil für die auf „unsachlichen finanziellen Beweggründen beruhende, nämlich ausschließlich von diesem Vermögensvorteil motivierte und beeinflusste parteiliche Erledigung von Amtsgeschäften“ forderte (vgl dazu bereits 17 Os 20/13i, EvBl 2014/28, 181).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zur Strafberufung des Angeklagten:

Das Schöffengericht verhängte über Dr. Ernst S***** nach Abzug von sechs Monaten Freiheitsstrafe als Ausgleich für überlange Verfahrensdauer eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und sprach gemäß § 266 Abs 1 StPO aus, dass eine Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest (§ 156b StVG) bis zum Vorliegen der zeitlichen Voraussetzungen des § 46 Abs 1 StGB nicht in Betracht kommt (US 3).

In seiner dagegen gerichteten Berufung begehrt der Angeklagte die Verhängung einer geringeren, bedingt nachzusehenden Freiheitsstrafe sowie die Ausschaltung des Ausspruchs nach § 266 Abs 1 StPO.

Der Erledigung des Rechtsmittels ist vorauszuschicken, dass wie das Erstgericht bereits zutreffend erkannt hat (US 36) § 64 StGB nicht zur Anwendung gelangt. § 64 Abs 1 Z 2 StGB erfasst nur strafbare Handlungen österreichischer (für einen österreichischen Rechtsträger tätige) Amtsträger (vgl dazu Jerabek in WK 2 StGB § 74 Rz 17a ff) und § 64 Abs 1 Z 2a StGB (idF BGBl I 2012/61) galt zu den Tatzeiten noch nicht. Auch bestand keine völkerrechtliche Verpflichtung, Straftaten unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts zu verfolgen (§ 64 Abs 1 Z 6 StGB). Denn die Republik Österreich hatte zum „Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind“ (EU-Bestechungsübereinkommen, BGBl III 2000/38) den Vorbehalt erklärt, im Hinblick auf Auslandstaten eigener Staatsbürger nur dann gebunden zu sein, wenn die Tat auch in dem Land strafbar ist, in dem sie begangen wurde. Weitere relevante Rechtsakte, nämlich das OECD-Bestechungsübereinkommen (BGBl III 1999/176) sowie das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (BGBl III 2006/47), regeln nur die aktive Abgeordnetenbestechung.

Die österreichischen Strafgesetze kommen somit nur nach Maßgabe von Strafbarkeit nach ausländischem Recht im Sinn des § 65 Abs 1 StGB zur Anwendung. Mit Blick darauf, dass der Angeklagte nach den Urteilsannahmen den Vorteil in tatbestandlicher Handlungseinheit (zum Begriff und den Auswirkungen vgl RIS-Justiz RS0122006) in Brüssel und London forderte (US 2, 5 ff), liegen an sich mehrere Bezugspunkte zu ausländischem Recht vor. In einem solchen Fall genügt es, wenn die Tat nur nach einem der in Betracht kommenden Tatortgesetze mit Strafe bedroht ist, weil § 65 Abs 1 StGB ansonsten den paradoxen Fall von Straflosigkeit trotz Vorliegens beiderseitiger Strafbarkeit regeln würde. Die dem Gesetz somit zugrunde liegende Bevorzugung strengeren Rechts schlägt auch auf die Günstigkeitsklausel nach § 65 Abs 2 StGB durch. Demnach darf der Täter bei der Bestimmung der Strafe (nur) nicht ungünstiger gestellt werden als nach dem strengeren (im Verhältnis zu österreichischem Recht dennoch günstigeren) Tatortrecht.

Vorliegend waren die Taten nach beiden für die Tatzeit in Betracht kommenden ausländischen Gesetzen mit Strafe bedroht. Sowohl Art 247 belgischer Code Pénal (vgl auch die Bezugnahme des Art 250 belgischer Code Pénal auf ausländische Amtsträger) als auch der englische „Public Bodies Corrupt Practices Act 1889“ (vgl dazu McKenna , A guide to existing bribery and corruption offences in England and Wales [2010], 6 mit Hinweis [aaO, 4] auf die nach dem Common Law erfassten „members of parliament“) kannten § 304 Abs 1 StGB vergleichbare Strafnormen. Nach dem Gesagten bezieht sich die Günstigkeitsklausel des § 65 Abs 2 StGB auf englisches Recht, sodass sich abweichend vom Strafrahmen des § 304 Abs 2 letzter Halbsatz StGB eine Strafbefugnis von bis zu sieben Jahren Freiheitsstrafe ergibt. Demnach bleiben die vergleichsweise niedrigeren Höchststrafdrohungen nach dem belgischen Code Pénal dem Berufungsvorbringen zuwider außer Betracht.

Als mildernd wertete der Oberste Gerichtshof, dass der Angeklagte einen bisher ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), als erschwerend keinen Umstand.

Unter dem Aspekt des § 32 StGB war zudem das planmäßige und von Gewinnsucht geprägte Vorgehen (US 13) des über ausreichende finanzielle Mittel verfügenden Angeklagten als schulderhöhend zu berücksichtigen.

Dem Berufungsstandpunkt zuwider kommt dem Angeklagten nicht zugute, dass er aus der Tat keinen Vorteil erlangt hat. Denn insoweit spricht das Rechtsmittel bloß an, dass der Angeklagte die gegebenenfalls als aggravierend zu wertende (vgl RIS Justiz RS0118774, RS0126145; Ebner in WK 2 StGB § 33 Rz 2) alternative Tatbegehungsvariante ( Fabrizy , StGB 11 § 304 Rz 3) des „Annehmens“ (§ 304 Abs 1 zweiter Fall StGB) nicht verwirklicht hat.

Die Tatprovokation durch Journalisten ist nicht mildernd, weil sie nicht staatlich veranlasst war (vgl 11 Os 126/04; Ebner in WK 2 StGB § 34 Rz 67). In diesem Zusammenhang ist vielmehr an § 34 Abs 1 Z 4 StGB zu denken, welcher Milderungsgrund allerdings dadurch bedeutend an Gewicht verliert, dass nach den Urteilsannahmen keine besonderen Anstrengungen erforderlich waren, den Angeklagten, der im Übrigen selbst die an ihn zu entrichtende Jahrespauschale von 100.000 Euro bezifferte (US 14), zur Tatausführung zu veranlassen (US 37).

Dem Vorbringen, wonach der Angeklagte angesichts der Publizität seiner Tat gravierende Nachteile in seinem beruflichen und privaten Fortkommen hinnehmen musste (§ 34 Abs 1 Z 19 StGB), kann zwar gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. Doch auch dieser Aspekt kommt nur eingeschränkt zum Tragen. Denn besonderes öffentliches Aufsehen erregte der vorliegende Fall vor allem deshalb, weil der Angeklagte seine (exponierte) berufliche Position als Mitglied des Europäischen Parlaments zur Verwirklichung seines kriminellen Vorhabens benutzte.

Der Einwand geringfügiger Pflichtwidrigkeit trifft schon deshalb nicht zu, weil die (aus Sicht des Angeklagten geschlossene) Unrechtsvereinbarung auf mehrere Gesetzgebungsakte abzielte.

Mit dem Vergleich zur Sanktionsfindung in anderen Straffällen (aus dem Bereich des Vermögensstrafrechts) spricht der Beschwerdeführer keinen Aspekt personaler Täterschuld (§ 32 Abs 1 StGB) an.

Auf Grund dieser Erwägungen erschien dem Senat ausgehend von der (wie eingangs dargestellt) Höchststrafdrohung von sieben Jahren eine Freiheitsstrafe von drei Jahren tat- und schuldangemessen sowie der Täterpersönlichkeit entsprechend. Dabei war einerseits in Anschlag zu bringen, dass es zur Stärkung des Vertrauens in demokratische Institutionen erforderlich ist, potentiellen Straftätern im Bereich der Korruptionsdelikte deutlich vor Augen zu führen, dass diesbezügliche Verfehlungen entsprechende Sanktionen nach sich ziehen (vgl 13 Os 88/11g). Andererseits dürfen generalpräventive Aspekte nicht Anlass dafür geben, die Strafe jenseits der schuldangemessenen Höhe zu verhängen (RIS Justiz RS0090600; vgl auch RS0090592).

Der Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB war bei der vorliegenden Strafbemessung entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht ins Kalkül zu ziehen. Die bei Beurteilung der (Un )Verhältnismäßigkeit relevante Verfahrensdauer beträgt hier gerechnet vom Zeitpunkt der ersten Kenntnisnahme des Beschuldigten von der Tatsache, dass gegen ihn wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung ermittelt wird, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens etwa dreieinhalb Jahre, was angesichts des Verfahrensumfangs und der umfangreichen Ermittlungen im In- und Ausland nicht unverhältnismäßig ist. Längere Phasen behördlicher Inaktivität liegen ebenfalls nicht vor (zum Ganzen vgl RIS Justiz RS0124901; Grabenwarter/Pabel , EMRK 5 § 24 Rz 69).

Zur bedingten Nachsicht eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe nach § 43a Abs 4 StGB sah sich der Oberste Gerichtshof nicht bestimmt. Denn die erwähnte Vorschrift kommt nur in extremen Ausnahmefällen zum Tragen (RIS-Justiz RS0092050; Fabrizy , StGB 11 § 43a Rz 5 mit Verweis auf Konflikt- oder Krisensituationen). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

Hingegen konnte ein Ausspruch nach § 266 Abs 1 StPO unterbleiben. Bestimmte Tatsachen, die aus spezial- oder (im Übrigen nur ausnahmsweise beachtlichen) generalpräventiven Gründen die Strafvollstreckung in einer Anstalt erfordern, sind nicht zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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  • RS0122006OGH Rechtssatz

    28. Juni 2023·3 Entscheidungen

    Soweit in früherer Rechtsprechung unter dem Begriff des „fortgesetzten Delikts" (nach Maßgabe zuweilen geforderter, indes uneinheitlich gehandhabter weiterer Erfordernisse) mehrere den gleichen Tatbestand (ob versucht oder vollendet) erfüllende, mit einem „Gesamtvorsatz" begangene Handlungen zu einer dem Gesetz nicht bekannten rechtlichen Handlungseinheit mit der Konsequenz zusammengefasst wurden, dass durch die je für sich selbständigen gleichartigen Straftaten doch nur eine einzige strafbare Handlung begründet würde, hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsfigur der Sache nach bereits mit der Bejahung ihrer prozessualen Teilbarkeit durch die Grundsatzentscheidung SSt 56/88 = EvBl 1986/123 aufgegeben. Seither reduziert er deren Bedeutung auf den unverzichtbaren Kernbereich der der Rechtsfigur zugrunde liegenden Vorstellung, den er als tatbestandliche Handlungseinheit bezeichnet. In der Anerkennung des Fortsetzungszusammenhangs bloß nach Maßgabe tatbestandlicher Handlungseinheiten liegt gezielte Ablehnung einer absoluten Sicht des fortgesetzten Delikts und ein Bekenntnis zur deliktsspezifischen Konzeption. Denn der Unterschied zwischen der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts und der tatbestandlichen Handlungseinheit besteht darin, dass die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aus dem allgemeinen Teil des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, die der tatbestandlichen Handlungseinheit aber gleichartige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammenfasst. Die Kriterien einer Zusammenfassung können demnach durchaus deliktsspezifisch verschieden sein, ohne dass daraus das ganze Strafrechtssystem erfassende Widersprüche auftreten. Von einer tatbestandlichen Handlungseinheit spricht man im Anschluss an Jescheck/Weigend5 (711ff) bei einfacher Tatbestandsverwirklichung, also der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten (tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn) und dort, wo es nur um die Intensität der einheitlichen Tatausführung geht (SSt 56/88), demnach bei wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung, also der Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, etwa beim Übergang vom Versuch zur Vollendung oder bei einem Einbruchsdiebstahl in zwei Etappen (tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinn).