JudikaturJustiz15Os88/96

15Os88/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juni 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Spieß als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anton W***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich mit dem Urteil ergangenen Widerrufsbeschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22.März 1996, GZ 26 Vr 3377/95-41, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Schroll, und des Verteidigers Dr.Gabor, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

1.) Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben; es werden das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB (Faktengruppe A.1. bis 3. des Urteilssatzes), demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Entscheidung über die Anrechnung der Vorhaft) sowie der mit dem Strafausspruch untrennbar verbundene Widerrufsbeschluß gemäß § 494 a StPO aufgehoben, und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

2.) Im übrigen wird die vom Verteidiger ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde verworfen; die vom Angeklagten ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung werden zurückgewiesen.

3.) Mit der vom Verteidiger ausgeführten Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte auf die zu 1.) getroffene Entscheidung verwiesen.

4.) Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des durch den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anton W***** der Verbrechen des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er

A. gewerbsmäßig anderen fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. am 3.November 1994 in St.Johann Verfügungsberechtigten der Raika St.Johann ca. 700 S,

2. am 20.November 1995 in Kirchberg Verfügungsberechtigten der Sparkasse der Stadt Kitzbühel, Zweigstelle Kirchberg, ca 700 S und

3. am 20.November 1995 in Kirchberg Verfügungsberechtigten der Bank für Tirol und Vorarlberg, Zweigstelle Kirchberg, ca 140 S sowie

B. in Innsbruck Beamte des Gendarmeriepostens Kirchberg dadurch der Gefahr behördlicher Verfolgung ausgesetzt, daß er sie einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 StGB, falsch verdächtigte, obwohl er wußte, daß die Verdächtigung falsch ist, und zwar durch die in seiner schriftlichen Anzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 14.August 1995 aufgestellte Behauptung, drei "Polizisten" des Gendarmeriepostens Kirchberg hätten ihm bei der im Verfahren 26 Hv 129/93 des Landesgerichtes Innsbruck durchgeführten Hausdurchsuchung präparierte 100-Schilling-Scheine unterschoben und Beweisfotos über eine Hundebißverletzung unterschlagen.

Nach den für den Schuldspruch wegen Diebstahls maßgebenden Urteilsfeststellungen führte der Angeklagte in den Fakten A.1. und 2. jeweils eine 100-DM-Note und im Faktum A.3. eine 20-DM-Note in Geldwechselautomaten der im Urteil bezeichneten Geldinstitute ein, um diese (wie bei vor Jahren verübten erfolgreichen derartigen Manipulationen, hinsichtlich der er bereits rechtskräftig verurteilt worden war und die Strafe verbüßt hatte) nach Auslösen des Geldwechselvorganges mit einem daran befestigten Klebeband, an dem im Faktum (A.1.) auch noch eine tschechische 200-Kronen-Banknote befestigt war, wieder aus dem Automaten herausziehen. Da wegen früherer Manipulationen die Einstellung der drei Geräte geändert worden war, wurde der Geldschein eingezogen, bevor es zu einem Wechselvorgang kam und die Funktion des Automaten außer Betrieb gesetzt.

Beim Diebstahlsversuch am 3.November 1995 (A.1.) wurde der Angeklagte von einer Überwachungskamera aufgenommen (S 259 und 261, je Bd I).

Rechtliche Beurteilung

Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Gründe der Z 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO stützt.

Berechtigung kann der Rechtsrüge (Z 9 lit a) des Angeklagten zur Schuldspruchfaktengruppe A, soweit sie Feststellungsmängel zur Frage eines absolut untauglichen Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB) geltend macht, im Ergebnis nicht abgesprochen werden.

Das Schöffengericht bezog sich zur Frage der Tauglichkeit der drei Diebstahlsversuche auf die im Verfahren AZ 26 Vr 855/94 des Landesgerichtes Innsbruck - in welchem dem Angeklagten gleichartige Manipulationen an Geldwechselautomaten zur Last lagen wie nunmehr, wobei es allerdings nach den damaligen technischen Gegebenheiten tatsächlich teilweise zum Auswurf von Wechselgeld gekommen war - am 28. Juni 1994 abgelegte Aussage des Alfred K*****, eines Prokuristen einer mit Geldwechselautomaten befaßten Computerhandelsgesellschaft, wonach eine Umstellung der Software der Apparate zur Vereitelung derartiger Manipulationen noch nicht bei allen Geräten erfolgt sei und der Hersteller auch bei Neugeräten nur zum Teil und versuchsweise Umstellungen vorgenommen habe (US 11 f).

Das Schöffengericht ließ dabei indes außer acht, daß seither nicht unerhebliche Zeit verstrichen ist, in welcher eine vollständige Umstellung des Programms der Geldwechselautomaten erfolgt und ein Stadium "versuchsweiser Umstellungen" durch ausgereifte Programme abgelöst worden sein könnte, sodaß Manipulationen der vom Angeklagten angestellten Art mittlerweile generell zum Scheitern verurteilt bleiben müßten.

Gemäß § 15 Abs 3 StGB sind der Versuch und die Beteiligung daran nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften und Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt, oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war.

In bezug auf die absolute Untauglichkeit des Versuches wurde nur für den Fall einer - hier nicht aktuellen - Untauglichkeit des Objektes vom Obersten Gerichtshof in einer Entscheidung eines verstärkten Senates (SSt 57/81 = EvBl 1987/5 = RZ 1986/77 = ÖJZ-LSK 1987/2) die sogenannte "Eindruckstheorie" explizit abgelehnt. Zur Frage einer absoluten Untauglichkeit der Handlung besteht demnach kein Präjudiz im Sinn des § 8 Abs 1 Z 1 OGHG (aM ohne nähere Begründung Foregger/Serini StGB5 S 73, wonach sich die Entscheidung des verstärkten Senates auch auf die Untauglichkeit der Handlung bezieht).

Der Senat geht in Ansehung der letztbezeichneten Variante von der Position einer ex-ante-Betrachtung aus der Sicht eines mit Durchschnittswissen - auch über die zur Tatzeit aktuellen technischen Gegebenheiten bei Geldwechselautomaten - ausgestatteten besonnenen Beobachters aus, aus welcher zu beurteilen ist, ob eine tatplangemäße Deliktsvollendung nach der Art der Handlung als geradezu denkunmöglich erschiene oder nicht (RZ 1986/20 mit Glossen von Kienapfel und Pallin = JBl 1986, 129 mit Glosse von Burgstaller = EvBl 1986/95; siehe weiters Hager/Massauer im WK §§ 15, 16 Rz 71, 79 bis 81 und Leukauf/Steininger Komm3 § 15 RN 38 ff mwN).

Ausgehend von diesen Überlegungen wird das Erstgericht demzufolge nach erforderlichen Beweisaufnahmen Feststellungen dahin zu treffen haben, ob es zur Tatzeit bereits durchgehend zu Umstellungen des Software-Programms der Geldwechselautomaten gekommen war (bei den drei verfahrensgegenständlichen Automaten war dies ersichtlich geschehen - vgl S 207, 217, 287/I) und ob diese seinerzeit als "versuchsweise" bezeichnete Umstellung so ausgereift war, daß Manipulationen der vom Angeklagten angestellten Art generell scheitern mußten.

Zum Schuldspruch wegen Verleumdung (B.) macht der Angeklagte als Begründungsmangel (Z 5) geltend, daß im Urteil "unerwähnt bleibt, daß es 1990 offenbar tatsächlich zu einem Hundebiß und einer Verletzung des Angeklagten gekommen war". Für den Schuldspruch wegen Verleumdung dreier Gendarmeriebeamter durch die wissentliche falsche Anzeigebehauptung, sie hätten ihm anläßlich einer Hausdurchsuchung präparierte 100-Schilling-Scheine unterschoben und Beweisfotos über die Hundebißverletzung unterschlagen, ist aber der Umstand, ob der Angeklagte tatsächlich durch einen Hundebiß verletzt wurde, ohne jede Bedeutung.

Entgegen dem unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit a gegen Punkt B. des Schuldspruches gerichteten Beschwerdevorbringen war es zur Prüfung der objektiven Tatbestandsmäßigkeit der vom Erstgericht angenommenen Verleumdung nicht erforderlich, Inhalt und Umfang der von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Erhebungen gegen die in der Strafanzeige fälschlich des Verbrechens des Amtsmißbrauches verdächtigten drei Beamten des Gendarmeriepostens Kirchberg näher zu umschreiben. § 297 StGB verlangt nämlich nicht, daß es wirklich zu einer behördlichen Verfolgung der fälschlich verdächtigten Personen gekommen ist, vielmehr genügt die Herbeiführung der konkreten Gefahr einer solchen. Dabei muß wohl eine Verfolgung nicht bloß möglich, sondern als regelmäßige Folge unmittelbar zu erwarten sein, doch genügt jede, wenn auch bloß der Aufklärung des Verdachtes dienende Erhebung (vgl Leukauf/Steininger aaO § 297 RN 10 bis 12). Die Behauptung des damals in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten in einer an die Staatsanwaltschaft gerichteten schriftlichen Strafanzeige, drei "Polizisten" des Gendarmeriepostens Kirchberg hätten in einem früher gegen ihn geführten Strafverfahren bei einer Hausdurchsuchung tatsächlich nicht nach gestohlenen 100-Schilling-Noten, sondern nach einem Beweisfoto über eine durch einen Polizeihund zugefügte Bißverletzung gesucht, welches seither unauffindbar sei, wogegen die angeblich gefundenen 100-Schilling-Noten nur "fingiert" (gemeint: ihm unterschoben) worden seien, war aber nach den Umständen, unter denen sie vorgebracht wurden, und nach ihrem Inhalt keineswegs derart unglaubwürdig, daß von vornherein ein behördliches Einschreiten gegen die Verdächtigten unwahrscheinlich war, hat der Angeklagte doch in der Anzeige mehrere Zeugen (darunter zwei Rechtsanwälte und einen - in der Folge auch niederschriftlich vernommenen [S 179/I] - Arzt) genannt und ist es im Strafverfahren AZ 26 Vr 2096/93 des Landesgerichtes Innsbruck auch tatsächlich zu einer Hausdurchsuchung gekommen, bei der beim Angeklagten gestohlene Banknoten sichergestellt worden sind (vgl US 12 sowie ON 2 in 26 Vr 2096/93 des Landesgerichtes Innsbruck). Die vorliegende Anzeige des Angeklagten wurde daher von der Staatsanwaltschaft Innsbruck auch nicht sogleich zurückgelegt, sondern das Gendarmeriepostenkommando Kirchberg um Erhebungen (ON 28) und um Stellungnahme zum Inhalt dieser Anzeige (ON 29) ersucht.

Die in Ansehung des Faktums B. unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher insoweit zu verwerfen.

Im Hinblick auf die Teilaufhebung des Schuldspruchs war der Angeklagte mit seiner Berufung und seiner Beschwerde auf die Kassation des Strafausspruches und des damit in unmittelbarem Sachzusammenhang stehenden Widerrufsbeschlusses zu verweisen.

Eine vom Angeklagten selbst zusätzlich zu der vom Verteidiger verfaßten Rechtsmittelschrift eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde (ON 43) war zurückzuweisen, weil nur eine Rechtsmittelausführung zulässig ist (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 285 E 36 f, 40 f).

Rechtssätze
7