JudikaturJustiz15Os50/12k

15Os50/12k – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Mai 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schöfmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang S***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB, AZ 36 Hv 52/11w des Landesgerichts St. Pölten, über die Grundrechtsbeschwerde des Wolfgang S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 12. März 2012, AZ 17 Bs 98/12d (ON 95 der Hv Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Wolfgang S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 5. Jänner 2012 wurde Wolfgang S***** nicht rechtskräftig des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Wolfgang S***** gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 17. Februar 2012 (ON 90), womit die über ihn am 1. Mai 2011 (ON 31) nach seiner aufgrund des europäischen Haftbefehls vom 15. Februar 2011 (ON 13) am 28. Februar 2011 in Albanien erfolgten Festnahme und Auslieferung nach Österreich (ON 27) verhängte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO fortgesetzt wurde, nicht Folge und setzte die Haft aus denselben Haftgründen fort.

Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

In Betreff der Sachverhaltsannahmen für die Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachts ist von denjenigen des wenngleich angefochtenen Urteils auszugehen (RIS Justiz RS0108486). Die Beurteilung, ob das angefochtene Urteil mit formellen und (oder) materiellen Mängeln behaftet ist, bleibt dem Nichtigkeitsverfahren vorbehalten, weswegen sich alle Einwände gegen das Urteil einer Erörterung im Grundrechtsbeschwerdeverfahren entziehen (RIS Justiz RS0061107).

Die rechtliche Annahme der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren überprüft der Oberste Gerichtshof dahin, ob sie aus den angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durften, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS Justiz RS0117806 [T16]).

Entgegen der Beschwerdeauffassung wurde der Haftgrund der Fluchtgefahr keineswegs bloß auf die deutsche Staatsangehörigkeit des Angeklagten gestützt, sondern aus seiner mangelnden sozialen Integration in Österreich und dem Umstand, dass er nach den Tathandlungen das Land verließ und „seine Festnahme erst aufgrund eines internationalen Haftbefehls durch die albanischen Behörden mit nachfolgender Auslieferung realisiert werden konnte“, abgeleitet (BS 4 f). Diese vom Oberlandesgericht ins Treffen geführten Tatsachen lassen einen formal einwandfreien Schluss auf die nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO begründete Gefahr zu. Der Verweis des Beschwerdeführers „auf die Bestimmungen des EU JZG“ ist in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar.

Da bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt, erübrigt es sich, im Rahmen der Behandlung der Grundrechtsbeschwerde auf das Vorbringen zum Haftgrund der Tatbegehungsgefahr (hier nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO) einzugehen (RIS Justiz RS0061196).

Der bloße Hinweis auf das Fehlen der Rechtskraft von Schuld und Strafausspruch allein vermag keine Unverhältnismäßigkeit der Haft zur Darstellung zu bringen. Auch das Vorliegen zeitlicher Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung wie hier führt nicht notwendig zur Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft (RIS Justiz RS0123343). Ausgehend von der vom Erstgericht ausgesprochenen Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten kann nämlich von einer Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft unter Einschluss der bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit (§ 177 Abs 2 StPO) zu berücksichtigenden ( Fabrizy , StPO11 § 178 Rz 2) Auslieferungshaft nicht gesprochen werden.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider sind die Zeiten der Auslieferungshaft ( Kirchbacher/Rami , WK StPO § 178 Rz 2) sowie die nach dem Beginn der Hauptverhandlung liegenden Zeiträume nicht zu der von § 178 StPO festgelegten Höchstdauer der Untersuchungshaft zu zählen (RIS Justiz RS0098035; Kirchbacher/Rami WK StPO § 178 Rz 7).

Wolfgang S***** wurde daher im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, die Grundrechtsbeschwerde war ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Rechtssätze
6