JudikaturJustiz15Os48/06g

15Os48/06g – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin W***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 2. Dezember 2005, GZ 418 Hv 1/05w-156, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Martin W***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. September 2004 in Wien Mag. Gudrun P***** durch längeres Würgen am Hals, wodurch es zu einem Sauerstoffmangel des Gehirns, zu Brüchen des Zungenbeins, der Kehlkopfhörner und des Ringknorpels sowie zur Zerreißung von Blutgefässen kam, vorsätzlich getötet.

Die Geschworenen bejahten die anklagekonform auf das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gerichtete Hauptfrage. Die Eventualfragen nach den Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB sowie der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83, 86 StGB blieben demzufolge unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 1, 5, 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl. Aus Z 1 rügt der Angeklagte, die Geschworenenbank sei nicht gehörig besetzt gewesen, weil die Geschworenen nicht in der Reihenfolge der Dienstlisten zu ihrem Amt berufen worden seien. So ergebe sich aus der Hauptgeschworenen-Dienstliste für Dezember 2005, dass elf Geschworene bei der Auswahl übergangen wurden, weshalb die Auswahl der Geschworenen willkürlich getroffen worden sei.

Nichtig nach § 345 Abs 1 Z 1 StPO ist ein Urteil unter anderem dann, wenn die Geschworenenbank nicht gehörig besetzt war. Da das Gesetz den Begriff der gehörigen Besetzung nicht näher definiert, ist dieser durch verfassungskonforme Interpretation zu ermitteln, die sich am verfassungsgesetzlich garantierten Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) und am Grundrecht auf ein faires Verfahrens (Art 6 MRK) auszurichten hat.

Dabei ist vorweg grundsätzlich zu beachten, dass Geschworene (und Schöffen) formell nicht dem Begriff des Richters im Sinne der Artikel 83 Abs 2, 87 Abs 3 B-VG unterfallen (vgl Korinek in Holoubek/Korinek Komm zum B-VG Art 91/1 Rz 9; Burgstaller aaO Art 91/2-3 Rz 12), sodass die Bestimmungen über die feste Geschäftsverteilung auf diese nicht unmittelbar anwendbar sind. So hat die Rechtsprechung bis vor wenigen Jahren der Nichteinhaltung der Geschworenen-(bzw Schöffen-)dienstliste Nichtigkeitsrelevanz abgesprochen (SSt 59/16; RIS-Justiz RS0099093). Seit Geltung des durch BGBl 1994/507 eingefügten § 28a GOG, wonach zwar die Gültigkeit von Amtshandlungen durch einen Verstoß gegen die Geschäftsverteilung nicht beeinträchtigt wird, § 281 Abs 1 Z 1 und § 345 Abs 1 Z 1 StPO jedoch unberührt bleiben, lässt sich die potentielle Bedeutung eines Verstoßes gegen die Geschäftsverteilung für das Nichtigkeitsverfahren nicht bestreiten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 105; 14 Os 72/04). Eine am Zweck des Grundrechtes auf den gesetzlichen Richter orientierte Auslegung wird daher - Art 83 Abs 2 B-VG im Zusammenhang mit Art 6 Abs 1 MRK lesend - Verstöße gegen die Regelungen über die Berufung der Geschworenen jedenfalls dann beachten, wenn sie eine Unfairness gegenüber dem Beschwerdeführer erkennen lassen (WK-StPO § 281 Rz 106).

Entsprechend dem im Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Prinzip der festen Geschäftsverteilung zum Ausdruck kommenden Grundsatz der objektiven Vorhersehbarkeit der Richter-(Geschworenen-)bank (vgl K. Korinek aaO Art 91/1 Rz 9) bewirkt ein Verstoß gegen die in der Geschworenendienstliste vorgegebene Reihenfolge daher dann Nichtigkeit im Sinne des § 345 Abs 1 Z 1 StPO, wenn vom gesetzlich determinierten Prinzip der nach dem Zufall zu erfolgenden Besetzung der Geschworenenbank (vgl Philipp, WK-StPO § 304 Rz 3) willkürlich, mithin in sachlich unvertretbarer Weise (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 109) abgewichen wird. Gemäß § 14 Abs 1 erster Satz GschG sind die Geschworenen in der Reihenfolge der - entsprechend § 13 Abs 1 GSchG durch Auslosung aus den Jahreslisten (§ 12 Abs 2 leg cit) beim Gerichtshof erster Instanz gebildeten - Dienstlisten mit der Ladung zur ersten Hauptverhandlung zu ihrem Amt zu berufen. Nach § 14 Abs 4 GSchG tritt ein Ergänzungsgeschworener an die Stelle eines Hauptgeschworenen, wenn dieser der Ladung keine Folge leistet oder sonst an der Verhandlung nicht teilnehmen kann, ohne dass ein anderer Hauptgeschworener rechtzeitig (Abs 2) verständigt werden könnte. Diese Regelungen betreffend den Einsatz der Geschworenen in der durch das Los bestimmten Reihenfolge der Dienstliste bei Vorsorge für Verhinderungsfälle sind hinsichtlich der Laienrichter als Äquivalent für die in Art 87 Abs 3 B-VG verankerte feste Geschäftsverteilung anzusehen (Burgstaller aaO Art 91/2-3 Rz 12; ähnlich K. Korinek aaO Art 91/1 Rz 9; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 107).

Vorliegend wurden nach dem Ergebnis der gemäß § 285f StPO angeordneten Aufklärung von der für die Geschäfte der Geschworenensenate zuständigen Geschäftsabteilung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien aus der gesetzeskonform erstellten Dienstliste hundert Geschworene an einem bestimmten Tag vorgeladen und die tatsächlich Erschienenen entsprechend der in der Dienstliste vorgegebenen Reihenfolge, jedoch unter Berücksichtigung ihrer Ortsanwesenheit in Wien und individuellen Abkömmlichkeit zum Dienst für die nachfolgenden, bereits terminisierten Hauptverhandlungen eingeteilt. Diese Art der Diensteinteilung der Geschworenen unter Bedachtnahme auf deren tatsächliche Abkömmlichkeit zu den bereits angeordneten Hauptverhandlungen ist zur Gewährleistung der verzögerungsfreien Durchführung der bereits terminisierten Hauptverhandlungen (in Haftsachen vgl § 193 Abs 1 StPO) sachgerecht und trägt dem Prinzip der zufallsbedingten Heranziehung der in der Dienstliste eingetragenen Geschworenen durchaus Rechnung. Sie ist nachvollziehbar und lässt keine Willkür im Sinne einer nicht sachlich motivierten Einteilung der Laienrichter erkennen.

Der Beschwerdestandpunkt, die bei der erwähnten Diensteinteilung ausgebliebenen Geschworenen sowie jene, bei denen die Ladung als nicht behoben bzw unzustellbar retourniert wurde, wären „neuerlich, allenfalls unter ihrer neuen Adresse (offenbar nach Durchführung entsprechender Aufenthaltsermittlungen) vorzuladen gewesen", findet in der bereits genannten, das Nichtbefolgen der Ladung regelnden Bestimmung des § 14 Abs 4 GSchG keine Stütze; ebensowenig in jener des § 16 Abs 1 GSchG, derzufolge ein der Verhandlung ferngebliebener Geschworener ua seines Amtes zu entheben und von der Dienstliste zu streichen ist. Solch weitgehende Anforderungen lassen sich auch aus der Rsp des EGMR nicht ableiten (vgl Frowein/Peukert2 Art 6 Rz 123; Grabenwarter EMRK2 § 24 Rz 31).

Nach dem Gesagten kann fallbezogen von der behaupteten, Nichtigkeit im Sinne des § 345 Abs 1 Z 1 StPO bewirkenden willkürlichen Auswahl der Geschworenen keine Rede sein. Da an der Hauptverhandlung die nach der gültigen Dienstliste geladenen (S 29/IV) Geschworenen - nach vorschriftsgemäßer Beeidigung (S 71/IV) - teilnahmen, war die Geschworenenbank gehörig besetzt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 5) wurden durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 1. und 2. Dezember 2005 gestellten Beweisanträge keine Verteidigungsrechte beeinträchtigt. Vorweg ist festzuhalten, dass im Rahmen der Verfahrensrüge nur der Antrag und dessen Berechtigung den Bezugspunkt der Prüfung bilden, nicht aber die Begründung des den Antrag abweisenden erstgerichtlichen Beschlusses, sodass die die „Nichtigkeit" der Beschlussbegründung relevierenden Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel verfehlen. Die Beurteilung des Antrages durch den Obersten Gerichtshof ist dabei stets auf den Antragszeitpunkt bezogen, nachträgliches und ergänzendes Vorbringen im Rechtsmittel sind daher unbeachtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325). Der Antrag auf Einholung eines (weiteren) gerichtsmedizinischen Gutachtens von einem Sachverständigen, der nicht dem Institut für Gerichtsmedizin der Universität Wien angehört, zum Beweis dafür, „dass

1./ bereits das von Herrn W***** geschilderte anfängliche Würgen (Herziehen und Einsetzen eines Unterarmwürgegriffes) in der Dauer von ca 30 Sekunden die an der Leiche festgestellten Stauungen herbeiführte;

2./ der vom Angeklagten geschilderte Einsatz eines Unterarmwürgegriffes mit Widerlager in der Dauer von ca 15 Sekunden (im Anschluss an das anfängliche Würgen laut Punkt 1./) zu einer Bewusstlosigkeit des Opfers führte und in der Folge einen Sturz - wie vom Angeklagten geschildert - herbeiführte;

3./ der vom Angeklagten geschilderte Sturz eine Zugbelastung der Halsorgane bzw der Karotisgabel bewirkte und weiters einen tödlichen Kreislaufzusammenbruch der Frau Mag. P***** beim Sturz;

4./ beim (der) Sturz bzw beim (das) Anschlagen auf den Boden - in der vom Angeklagten geschilderten Weise - die an der Verstorbenen festgestellten (sämtlichen) Kehlkopfbrüche bewirkte;

5./ die von den heute anwesenden Angehörigen der Gerichtsmedizin Wien vertretenen Auffassungen, dass die bei Auffinden der Leiche festgestellten Spuren (Stauungen, Hämatome an der rechten Schläfe auf einen Sturz hinweisend, Kehlkopfbrüche) eine Untersuchung und zwar eine histologische Untersuchung der Karotisgabel und eine neuropathologische Untersuchung des Gehirns indizierten bzw die Auffassung der beiden Sachverständigen, dass dies nicht indiziert war, mit der im führenden Standardwerk der Gerichtsmedizin von Brinkmann vertretenen Auffassung nicht übereinstimmt" (S 351 f/IV), wurde zu Recht abgewiesen.

Im Verfahren wurden aus dem Fachgebiet der Gerichtsmedizin von den Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Manfred H***** und Univ. Ass. Prof. Dr. Johann M***** Gutachten zur Klärung der Todesursache eingeholt. Die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen käme nur dann in Frage, wenn der aufgenommene Befund dunkel, unbestimmt, im Widerspruch mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen ist (§ 125 StPO) oder wenn sich solche Widersprüche oder Mängel im Bezug auf das Gutachten ergeben oder dieses Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind (§ 126 StPO), und ein Verbesserungsversuch durch nochmalige Vernehmung der bereits beigezogenen Sachverständigen keine Aufklärung bringt. Ein aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO garantiertes Überprüfungsrecht hinsichtlich eines bereits durchgeführten Sachverständigenbeweises steht dem Beschwerdeführer demnach nur dann zu, wenn er in der Lage ist, einen in §§ 125 f StPO angeführten Befund- oder Gutachtensmangel aufzuzeigen und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos geblieben ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351; RIS-Justiz RS0117263, zuletzt 15 Os 53/06t). Einen solchen Mangel vermochte der Antrag nicht darzulegen.

Soweit der Rechtsmittelwerber in der Antragsbegründung (und in der Beschwerde) eine Gutachtensdivergenz erblickt, weil Dr. M***** für das Entstehen der im Gesicht der Getöteten dokumentierten Stauungsblutungen eine Mindestdauer von dreißig Sekunden veranschlagte (S 347/III), Dr. H***** hingegen aus den erwähnten massiven Blutungen auf einen einige Minuten dauernden Todeskampf schloss (S 13/II), übergeht er die weiteren Ausführungen Dris. M*****. Dieser stellte über Verteidigerbefragung mehrmals klar, dass er mit der vorerwähnten Zeitspanne (Mindestdauer) lediglich die nach der wissenschaftlichen Literatur absolute Untergrenze angeben wollte, die für das generelle Entstehen von Stauungsblutungen erforderlich ist (insbesondere S 211/IV). Weil die Getötete aber im Gesicht nicht bloß beginnende (initiale), sondern bereits deutlich ausgeprägte Stauungsblutungen aufwies, gelangte er im Zusammenhang mit den spezifischen Verletzungen des Opfers im Halsbereich (Brüche des Zungenbeins, der Kehlkopfhörner und des Ringknorpels) zu der mit der Expertise Dris. H***** durchaus übereinstimmenden (insbesondere S 219 f/IV) Ansicht, dass von einer länger dauernden Halskompression in der Größenordnung von (zumindest) drei Minuten auszugehen ist (S 347 f/III; 215 f/IV).

Zu der dem Beweisantrag zugrundeliegenden Annahme, Mag. Gudrun P***** sei aufgrund des anfänglichen Würgens bewusstlos geworden, wobei der vom Angeklagten geschilderte Sturz infolge Zugbelastung der Halsorgane bzw der Karotisgabel einen tödlichen Kreislaufzusammenbruch bewirkt habe, nahmen beide Sachverständige ausführlich Stellung und gelangten einhellig zur Ansicht, dass der in der Praxis sehr selten vorkommende Reflextot aufgrund der fallspezifisch für einen Erstickungstod typischen Befundkonstellation, nämlich des Alters des Opfers unter 40 Jahren, des Fehlens von spezifischen Vorerkrankungen sowie des negativen Befundes hinsichtlich Beeinträchtigungen des Opfers durch Alkohol, Drogen oder Arzneimittel nicht in Betracht kommt. Die Beschwerdebehauptung, Dr. M***** habe im Gegensatz zu Dr. H***** einen Reflextod nicht dezidiert ausgeschlossen, findet im Akteninhalt keine Deckung. Die in der Beschwerde zitierte Textpassage „in der Medizin kann man gar nichts ausschließen, man operiert immer nur mit hohen Wahrscheinlichkeiten" (S 229/IV) bezog sich evidenter Maßen ausschließlich auf die vom Verteidiger thematisierte Möglichkeit, ob bei Vorliegen eines Reflextodes durch neuropathologische Untersuchungen eine Differenzialdiagnose gezogen werden könne. Da beide Sachverständige übereinstimmend davon ausgingen, dass kein Reflextod, sondern ein Erstickungstod vorliege (vgl die diese Kongruenz bestätigenden Aussagen Dris. M***** S 233 f/IV), bestand kein inhaltlicher Widerspruch, sondern lediglich eine semantische Divergenz in der Beschreibung des Grades der Unwahrscheinlichkeit eines Reflextodes.

Einen dritten Widerspruch erblickte der Antrag „in den unterschiedlichen miteinander im Widerspruch stehenden Aussagen der beiden Sachverständigen" zur Frage der neuropathologischen Untersuchung des Gehirns, unterließ es aber, diese behaupteten Widersprüche zu konkretisieren. Die unter einem geforderte histologische Untersuchung der Karotisgabel sowie die neuropathologische Untersuchung (vgl auch S 383 f/IV) des Gehirns erachteten Dr. H***** (S 179/IV) und Dr. M***** (S 245/IV) übereinstimmend für nicht zielführend, weil die Karotis laut Dris. H***** bei der Obduktion unverändert war (S 193 f/IV) und man sowohl bei einem negativen als auch positivem Befund betreffend deren Beschädigung für einen Reflextod argumentieren könnte, der aber im konkreten Fall der Expertenmeinung zufolge aufgrund der gesamten, für einen Erstickungstod typischen Befundkonstellation nicht vorlag. Dabei nahmen sie zu dem von der Verteidigung isoliert aus dem Lehrbuch Dris. Brinkmann herausgegriffenen Zitat, wonach in allen Fällen der Gewaltanwendung gegen den Hals eine histologische Untersuchung der Karotisgabel unumgänglich sei, mehrmals fachkompetent Stellung und deponierten einhellig, dass die postulierte histologische Untersuchung angesichts des aktuell vorliegenden Erstickungstodes nicht indiziert war und diese Fachmeinung keineswegs im Gegensatz zu jener Dris. Brinkmann stehe, zumal auch dieser bei der gebotenen kontextorientierten Betrachtung seiner gesamten Ausführungen zum Komplex Reflextod die Auffassung vertrete, dass der Ausschluss anderer Todesursachen zu fordern sei, bevor die Diagnose Reflextod gestellt werden könne (S 185 f, 197, 225/IV).

Eine neuropathologische Untersuchung des Gehirns erachteten die beigezogenen Experten deswegen für nicht zielführend, weil sowohl beim Reflextod als auch beim Erstickungstod ein infolge Sauerstoffmangel des Gehirns bewirkter Gehirntod vorliegt und demzufolge die begehrte Untersuchung nur einen unspezifischen Befund erbringen könnte, aus dem keine positiven Ergebnisse für den behaupteten Reflextod gewinnbar wären (S 177 f, 199 f, 227 f, 245). Ergänzend fügte Dr. M***** an, dass ein neuropathologischer Unterschied lediglich im hier nicht aktuellen Fall einer protrahierten Erstickung über zehn bis dreißig Minuten vorstellbar wäre (S 227/IV). Angesichts dieser fundierten Ausführungen zur Beweismitteleignung und der bereits dargelegten, einhelligen Auffassung der beigezogenen Experten zum Vorliegen eines Erstickungstodes wäre zur Tauglichkeitsbeurteilung eine - hier nicht von selbst einsichtige - Begründung erforderlich gewesen, warum die begehrten Untersuchungen zur einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen zugunsten des Angeklagten beitragen könnten und ein Neuropathologe trotzdem zum gegenteiligen Ergebnis, nämlich zum erstrebten Nachweis des Vorliegens eines Reflextodes gelangen sollte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327 ff). Mangels der gebotenen Konkretisierung der Erfolgsaussicht wurden durch die Ablehnung des Beweisbegehrens keine Verteidigungsrechte verkürzt. Die beantragte Vernehmung des Zeugen Christian F***** zum Beweis dafür, „dass es bei der Familienaufstellung in der Woche vor dem tragischen Tod zu an der Grenze zu psychischen Ausnahmezuständen angesiedelten Übersensibilisierungen und Emotionalisierungen von zahlreichen Teilnehmern dieses Familienaufstellungsseminars gekommen ist und konkret auch der Angeklagte im Zuge seiner Familienaufstellung in einen sehr seelisch aufgewühlten Zustand geraten ist" (S 357/IV), unterblieb zu Recht.

Denn angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte das erwähnte Seminar vom 20. bis 24. September 2004 besuchte, Tatzeitpunkt aber erst der 27. September 2004 war, die mit ihm befreundeten Zeugen Manfred H***** und Christoph W***** von einer stabilen Gemütsverfassung (S 297/IV) und von einer positiven, glücklichen Stimmung (S 311/IV) des Angeklagten nach dem Seminar berichteten, und auch der Gerichtssachverständige Univ. Doz. Dr. Kurt M***** eine seminarbedingte psychoseähnliche Situation bzw einen psychischen Ausnahmezustand zur Tatzeit verneinte (S 373/IV), wäre zur Tauglichkeitsbeurteilung eine - hier ebenfalls von selbst nicht einsichtige - Begründung erforderlich gewesen, inwiefern der beantragte Zeuge aus eigener Wahrnehmung zum beschriebenen Beweisthema zweckdienliche Angaben machen könnte und dem erstrebten Nachweis von seelischer „Aufgewühltheit" des Angeklagten während des in der Woche vor der Tat besuchten Seminars schuld - oder subsumtionsrelevante Bedeutung zukommen soll. Mangels der fallspezifisch gebotenen Darlegung von Beweisrelevanz und Erfolgsaussicht zielte der Antrag auf - in der Hauptverhandlung unzulässige - Erkundungsbeweisführung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Die Interrogationsrüge (Z 6) verfehlt eine gesetzmäßige Ausführung, weil sie mit dem Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten, der zwar den Tötungsvorsatz in Abrede stellte, jedoch eingestand, er habe Mag. Gudrun P***** zu sich hergezogen, hierauf mit (zumindest bedingtem) Verletzungsvorsatz ca eine Minute mit dem im Verfahren demonstrierten Griff gewürgt, diesen Griff beim nachfolgenden Sturz auf den Boden nicht gelockert und die Genannte anschließend ca zehn Minuten in dieser Position fest gehalten (insbesondere S 103 ff, 145 ff, 159 f/IV) und sich „der Körperverletzung mit Todesfolge" schuldig bekannte (S 77, 149/IV), keine in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweisergebnisse aufzeigt, welche ein bloßes Fahrlässigkeitsunrecht und damit die reklamierte Eventualfrage nach fahrlässiger Tötung, allenfalls unter besonders gefährlichen Verhältnissen gemäß §§ 80, 81 StGB, indizieren könnten (vgl 13 Os 92/06p). Die der zuvor beschriebenen Einlassung des Angeklagten entsprechenden und nach dem Tatsachensubstrat in der Hauptverhandlung indizierten Eventualfragen nach den Verbrechen des Totschlags gemäß § 76 StGB sowie der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang gemäß §§ 83, 86 StGB wurden ohnehin gestellt, blieben aber infolge (stimmenmehrheitlicher) Bejahung der Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes gemäß § 75 StGB unbeantwortet.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag mit der Behauptung, sowohl die - bereits in der Erledigung der Fragenrüge dargestellte - aktenkundige Verantwortung des Angeklagten als auch der Leichenöffnungsbefund seien außer Acht geblieben, mit der auf eigenständiger Interpretation von Verfahrensergebnissen beruhenden Beschwerdeprämisse, dass der zweifache Bruch des Zungenbeines und die Brüche der Schildknorpelhörner sowie des Ringknorpels durch einen kurzfristig ausgeübten sehr hohen Druck entstanden sind, und der darauf (allerdings unter Vernachlässigung der gebotenen Gesamtbetrachtung der entscheidungsrelevanten Verfahrensergebnisse, insbesondere der Expertisen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen Dr. H***** und Dr. M*****) gestützten Schlussfolgerung, wonach als Todesursache keinesfalls längeres Würgen, sondern die durch Einsatz eines kurzfristigen hohen Druckes bedingte massive Verletzung des Kehlkopfskelettes in Betracht komme, auf Aktenbasis keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen - auch in subjektiver Hinsicht - zu wecken. Vielmehr erschöpft sich das Beschwerdevorbringen in einer Bekämpfung der den Geschworenen obliegenden Beweiswürdigung (Art 91 Abs 2 B-VG) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Soweit der Nichtigkeitswerber zur Fundierung seiner zuvor dargestellten Beschwerdethese zur vermeintlichen Todesursache auf das nachträglich erstattete, mit der Rechtsmittelschrift vorgelegte Privatgutachten des Univ. Prof. Dr. E. P. L***** verweist, erübrigt sich im Hinblick auf das im Nichtigkeitsverfahren geltende Neuerungsverbot eine inhaltliche Erwiderung.

Auch unter dem Aspekt des - von der Beschwerde angeregten - § 362 StPO hat der Oberste Gerichtshof aus den obig angeführten Gründen keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteile zugrunde gelegten Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der die Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde im Wesentlichen wiederholenden Äußerung des Verteidigers (§ 35 Abs 2 StPO) - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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