JudikaturJustiz15Os47/13w

15Os47/13w – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. März 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günter K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Günter K***** und Eckart P***** gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 6. November 2012, GZ 19 Hv 127/11h 74, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die österreichischen Staatsbürger Günter K***** und Eckart P***** jeweils des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 (zweiter Fall) StGB, Eckart P***** als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben „in S*****, Italien, und anderen Orten“ in der Zeit von 27. bis 31. Mai 2011

1) Günter K***** als alleiniger Geschäftsführer der L***** (US 5: mit Sitz in Italien) die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, dadurch wissentlich missbraucht und der L***** „und ihren Kunden“ dadurch einen Vermögensnachteil zugefügt, dass er Vermögen der Gesellschaft, und zwar (US 8: „eingezahlte“) „Kundengelder“ in der Höhe von insgesamt 1.463.494 Euro „sich zueignete“ und (US 7 f: vom in Italien geführten Bankkonto Nr ***** der Gesellschaft bei der Bank für T***** und B*****) auf (US 7 f: in K***** und L***** geführte österreichische) Bankkonten von ihm und Eckart P***** überwies;

2) Eckart P***** Günter K***** zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Mai 2011 dazu bestimmt, die diesem als Geschäftsführer der L***** eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen und einen anderen zu verpflichten, wissentlich zu missbrauchen und dadurch „dem Unternehmen und seinen Kunden“ einen Vermögensnachteil zuzufügen, indem er ihn durch die Aufforderung auf Auszahlung „der Gelder“ dazu veranlasste, an ihn widerrechtlich aus Firmenvermögen der L***** einen Betrag von 731.747 Euro zu überweisen, die er sich zueignete.

Aus Anlass der dagegen von beiden Angeklagten aus Z 4, 5 und 9 lit a, von Eckart P***** darüber hinaus auch aus Z 5a jeweils des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass die Schuldsprüche mit in den Rechtsmitteln ungerügt gebliebener, in den Äußerungen der Angeklagten zur Stellungnahme der Generalprokuratur allerdings aufgezeigter, den Angeklagten zum Nachteil gereichender Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO; § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) behaftet sind:

Rechtliche Beurteilung

Für die Reichweite der österreichischen Strafgerichtsbarkeit kommt es darauf an, ob es sich um eine Inlandstat oder um eine Auslandstat handelt. Für Inlandstaten gilt § 62 StGB, der die uneingeschränkte Geltung des Territorialitätsprinzips normiert und demzufolge die österreichischen Strafgesetze für alle Straftaten gelten, die im Inland von wem immer an wem immer begangen worden sind. Ob der Täter Inländer oder Ausländer ist, spielt ebensowenig eine Rolle wie die Nationalität des Opfers; maßgebend ist allein der inländische Tatort. Ein solcher liegt gemäß § 67 Abs 2 StGB vor, wenn der Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder ein dem Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen, im Inland liegt. Dabei genügt es, wenn im Inland bloß ein Zwischenerfolg eingetreten ist oder nach den Vorstellungen des Täters hier hätte eintreten sollen oder der Täter eine Phase der Ausführung in Österreich gesetzt hat (RIS-Justiz RS0092073). Nur an eine solche Inlandstat des unmittelbaren Täters wiederum knüpft § 64 Abs 1 Z 8 StGB in Bezug auf eine im Ausland begangene Beteiligungshandlung (§ 12 StGB) an.

Die Urteilsfeststellungen lassen nicht erkennen, dass es sich bei den inkriminierten Handlungen um Inlandstaten im Sinn der obigen Ausführungen handelt, dass nämlich die im Überweisungsauftrag an die kontoführende Bank des geschädigten Unternehmens gelegene Ausführungshandlung des Angeklagten K***** oder die Beteiligungshandlung des Angeklagten P***** (etwa per Telefon, e-Mail, Telebanking oder Post) oder zumindest eine jeweils in das nach § 15 Abs 2 StGB strafbare Stadium eines ausführungsnahen Versuchs gediehene Handlung (vgl 12 Os 13/82) eines dieser Angeklagten in Österreich verübt worden wäre. Da bei missbräuchlichem Entzug von Vermögen des Machthabers der Untreueschaden mit dem Wirksamwerden der rechtswidrigen Disposition (hier also mit dem Abfluss des Geldes vom [italienischen] Bankkonto des Unternehmens) und nicht erst mit der Zueignung des Vermögens durch den Machthaber eintritt (vgl RIS-Justiz RS0094187 [T2]; 12 Os 84/89), wurde der tatbestandsspezifische Erfolg (Eintritt eines Vermögensnachteils) nach den Urteilsfeststellungen jedenfalls im Ausland effektuiert.

Bei Auslandstaten ist zu unterscheiden, ob sie unter den Voraussetzungen des § 64 StGB unabhängig von den Gesetzen des Tatorts nach österreichischem Strafrecht zu ahnden sind oder ob die Anwendbarkeit der österreichischen Strafgesetze davon abhängt, dass die Tat auch nach den Gesetzen des Tatorts mit Strafe bedroht ist, wobei in diesem Fall (nur) bei Erledigung des Strafanspruchs im Ausland auch der inländische Strafanspruch erloschen ist (§ 65 StGB).

Lagen - außer in einem der in § 64 StGB bezeichneten Fälle - sowohl die Handlung des Täters als auch der Eintritt des Erfolgs zur Gänze im Ausland, bedarf es entsprechender Feststellungen zur Strafbarkeit der vorgeworfenen Handlung im Tatortstaat und deren allfälliger Verjährung (RIS-Justiz RS0092377; 15 Os 106/11v).

Das Fehlen solcher Feststellungen war vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen zu Gunsten der Angeklagten aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO; vgl RIS Justiz RS0092267 [T1]; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 634).

Das angefochtene Urteil war daher aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten bereits bei nichtöffentlicher Beratung zur Gänze aufzuheben (§ 285e StPO).

Mit ihren Rechtsmitteln waren die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Zufolge gänzlicher Urteilsaufhebung hatte kein Ausspruch nach § 390a Abs 1 StPO zu erfolgen ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 7 und 12).

Im zweiten Rechtsgang werden im Falle eines neuerlichen Schuldspruchs deutliche Feststellungen (vgl RIS Justiz RS0117228) zum jeweils erforderlichen Vorsatz bezogen (auch) auf den Zeitpunkt der jeweils zur Last liegenden Ausführungs- oder Beteiligungshandlung zu treffen und mängelfrei zu begründen sein. Im Hinblick auf missverständliche Passagen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (US 13 f) sei auch angemerkt, dass eine allfällige (tatsächliche) Annahme des Täters, der Missbrauch werde nachträglich vom Geschäftsherrn bewilligt, oder ein allfälliger (tatsächlicher) Glaube an das Bestehen von (berechtigten) „kompensablen Gegenforderungen“ (hier: fälligen vertraglichen Provisions- und Abfertigungsansprüchen) bei Beurteilung des Schädigungsvorsatzes zu beleuchten wäre (vgl RIS-Justiz RS0094393 [T15]; RS0088858; 12 Os 101/02; Kirchbacher/Presslauer in WK 2 § 153 Rz 40 und 43).

Rechtssätze
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