JudikaturJustiz15Os42/12h

15Os42/12h – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Medienrechtssache der Antragstellerin Dipl. Kff. Ines M***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH Co KG wegen § 7a MedienG, AZ 95 Hv 180/10a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 22. März 2011 (ON 12) und gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2011, AZ 17 Bs 220/11v, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über den Antrag der K***** GmbH Co KG gemäß § 363a StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, sowie der Vertreterin der Antragstellerin Mag. Raabe Schuppnig und des Vertreters der Antragsgegnerin Dr. Katary, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Medienrechtssache der Antragstellerin Dipl. Kff. Ines M***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH Co KG wegen § 7a MedienG, AZ 95 Hv 180/10a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, verletzen

1./ das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. März 2011 und

2./ das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2011, AZ 17 Bs 220/11v,

jeweils § 7a Abs 1 Z 2 MedienG iVm Art 10 Abs 1 MRK.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in dem die Zuerkennung einer Entschädigung nach § 7a Abs 1 MedienG betreffenden Teil sowie im Kostenausspruch aufgehoben und es wird der Antrag der Dipl. Kff. Ines M***** auf Zuspruch einer Entschädigung nach § 7a Abs 1 MedienG abgewiesen.

Der Antragstellerin fallen die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Mit ihrem Erneuerungsantrag wird die Antragsgegnerin auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der Medienrechtssache der Antragstellerin Dipl. Kff. Ines M***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH Co KG wegen §§ 6, 7a MedienG, AZ 95 Hv 180/10a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, lag ein in der Mutationsausgabe Kärnten der Tageszeitung „K*****“ am 18. Dezember 2010 auf S 16 unter der Überschrift „ Die K***** Chefin anonym bei Staatsanwaltschaft angezeigt “ erschienener Artikel zu Grunde; er weist folgenden Fließtext auf:

Der Machtkampf in und um die Krankenhaus Gesellschaft ‚K*****’ ist jetzt ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Freitag erreichte die Anklagebehörde eine anonyme Anzeige gegen K***** Chefin Ines M*****. Es geht um den Verdacht der Untreue bei Auftragsvergaben. M***** selbst nahm dazu nicht Stellung.

Die Verfasser der Anzeige bezeichnen sich als ‚Mitarbeiter der K *****’, verdecken aber ihre Identität. Die Begründung: ‚… da wir alle unter schärfster Bedrohung und Beobachtung stehen.’

Inhaltlich erheben die offensichtlichen Insider massive Vorwürfe gegen die K ***** Chefin. Sie erteile laufend teure Aufträge an Anwaltskanzleien, obwohl es in der K***** eine Rechtsabteilung gibt. 100.000 Euro hätte eine Anwaltsrechnung ausgemacht. Weitere 24.000 Euro seien an eine deutsche Personalberaterin für die Suche nach einem Finanzchef mit internationaler Erfahrung geflossen. ‚Geworden ist es ein stellvertretender Klubdirektor aus dem Landtag ohne geringste Erfahrung.’ Auch die teure Sanierung eines Kunstwerkes, das nicht der K***** gehört, sei überprüfungswürdig.

Staatsanwalt Helmut J ***** bestätigte das Vorliegen der Untreue Anzeige: ‚Wir prüfen, ob wir zuständig sind oder ob die Korruptionsstaatsanwaltschaft das übernehmen muss.’

M***** selbst gab keine Stellungnahme dazu ab.

Dem Beitrag waren Lichtbilder von Helmut J***** und Ines M***** mit folgenden Bildbegleittexten beigefügt: „ Überprüft: Helmut J***** “ bzw „ Angezeigt: Ines M***** “.

Mit Urteil vom 22. März 2011 (ON 12) verpflichtete die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien die Antragsgegnerin als Medieninhaberin der Tageszeitung „K*****“ gemäß §§ 6, 7a MedienG zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags an die Antragstellerin sowie zur Urteilsveröffentlichung.

Zum Bedeutungsinhalt der Veröffentlichung traf das Erstgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Der durchschnittliche Leser der Tageszeitung „K*****“ versteht den inkriminierten Artikel dahin, dass ein mutmaßlicher Insider strafrechtlich relevante Vorgänge bei der Krankenanstaltenbetriebsgesellschaft in einer anonymen Anzeige an die Staatsanwaltschaft aufgedeckt habe. Die Vorstandsdirektorin Ines M***** habe teure Aufträge an Anwaltskanzleien vergeben, obwohl diese Aufgaben von der internen Rechtsabteilung hätten erledigt werden können. Zudem habe man um teures Geld Dienste einer deutschen Personalberaterin in Anspruch genommen, obwohl schlussendlich bei einer konkreten Stellenausschreibung ohnehin ein Lokalpolitiker zum Zug gekommen sei. Diese Vorgänge würden zeigen, dass M***** im Verdacht stehe, bei Auftragsvergaben Untreue begangen zu haben. Dieser Verdacht sei überprüfungswürdig und werde auch derzeit von der Staatsanwaltschaft überprüft. Es sei lediglich noch zu klären, ob die Staatsanwaltschaft Klagenfurt oder die Korruptionsstaatsanwaltschaft zuständig sei. Die Anzeige sei zwar anonym eingebracht worden, die Anzeiger würden sich aber als Mitarbeiter der K***** bezeichnen und hätten offenbar fundierte Kenntnisse über die Vorgänge bei der K***** (US 4 f).

Darüber hinaus stellte die Erstrichterin Folgendes fest:

Die Antragstellerin ist die Vorstandsdirektorin der Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft und hat als solche die Personalverantwortung für rund 7.500 Mitarbeiter.

Am 17. Dezember 2010 langte bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien ein Schreiben ein, welches in Kopie auch an diverse Medien, darunter die Antragsgegnerin und den Landesrechnungshof Kärnten geschickt wurde.

Dieses Schreiben ist als anonyme Anzeige zu werten, in der konkrete Verdachtsmomente gegen M***** wegen § 153 StGB erhoben werden. Inhaltlich des Schreibens erteile die Antragstellerin laufend Aufträge an teure Rechtsanwaltskanzleien, obwohl in der K***** eine zahlenmäßig und sachlich starke Rechtsabteilung existiere. Zudem erteile sie laufend Ausschreibungsaufträge an ein teures Personalberatungsbüro, obwohl alle Ausschreibungen auch von der K***** Personalabteilung erledigt werden können. Zudem verwende sie K***** Geld zweckfremd und habe zB 22.000 Euro für die Restaurierung eines Kunstwerks ausgegeben, das gar nicht im Eigentum der K***** stehe. Die Absender würden angeben, dass sie Mitarbeiter der K***** seien, aber aufgrund schärfster Bedrohung und Beobachtung nur in anonymer Weise Missstände aufzeigen könnten.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft stellte das Verfahren am 21. Dezember 2010 mangels Anfangsverdachts strafrechtlichen Fehlverhaltens ein.

Die Antragstellerin musste sich aufgrund des Artikels vor den Aufsichtsgremien ausführlich rechtfertigen und wurde auch im privaten Umfeld auf den Artikel angesprochen (US 5).

In rechtlicher Hinsicht führte die Einzelrichterin soweit in Bezug auf die Anspruchsgrundlage nach § 7a Abs 1 MedienG von Relevanz aus, dass die Antragstellerin zwar Vorstandsdirektorin einer sehr großen Anstalt öffentlichen Rechts sei; in die (nach § 7a Abs 1 MedienG) anzustellende Interessenabwägung sei jedoch auch der Verfahrensstand miteinzubeziehen. Im konkreten Fall sei lediglich ein anonymes Schreiben eingegangen; da es darüber hinaus keine weitergehenden Verdachtsmomente gegeben habe, sei noch nicht einmal ein Anfangsverdacht vorgelegen. In einem solchen Verfahrensstadium würden jedenfalls die persönlichen Interessen der Antragstellerin auf Schutz ihrer Reputation überwiegen (US 7).

Mit Urteil vom 28. September 2011, AZ 17 Bs 220/11v (ON 22 der Hv-Akten), gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht der Berufung der Antragsgegnerin dahin Folge, dass die im angefochtenen Urteil das in der Unterstellung der Veröffentlichung unter § 7a MedienG unberührt blieb erfolgte Subsumtion der in Rede stehenden Veröffentlichung auch unter § 6 MedienG und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Antragsgegnerin schuldig erkannt wurde, der Antragstellerin (nur) nach § 7a MedienG eine Entschädigung zu bezahlen; im Übrigen wurde der Nichtigkeitsberufung ebenso wie der Schuldberufung nicht Folge gegeben. Mit ihrer Strafberufung wurde die Berufungswerberin auf die Neubemessung der Entschädigung verwiesen, der Auftrag zur Urteilsveröffentlichung wurde ersatzlos aufgehoben.

Das Berufungsgericht führte in Bezug auf die von der Erstrichterin vorgenommene und von ihm bestätigte Zuerkennung einer Entschädigung nach § 7a MedienG aus:

Das Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über eine allfällige Verschwendung öffentlicher Gelder sei fraglos als grundsätzlich hoch einzustufen. Die Identität der Antragstellerin sei preisgegeben worden, indem sie mit einem lediglich anonym erhobenen, in keiner Weise überprüften oder gar verifizierten Vorwurf der strafrechtlich relevanten Verschwendung von Steuergeldern in Verbindung gebracht wurde. Unter Berücksichtigung des besonders frühen Stadiums des Verfahrens die Veröffentlichung sei unmittelbar nach der Übermittlung der anonymen Anzeige und sogar noch vor einer inhaltlichen Stellungnahme der als verdächtig Angesehenen erfolgt sei nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien auch bei sonst bestehendem grundsätzlichem Informationsinteresse der Öffentlichkeit den schutzwürdigen Interessen der von der Berichterstattung Betroffenen der Vorrang zu geben. Die grundsätzlich unverzichtbare Warn und Schutzfunktion der Medien komme in concreto deshalb nicht zum Tragen (und könne daher nicht exkulpieren), weil sich einerseits der Anzeiger nicht zu erkennen gab, sodass eine allfällige Verfolgung wegen Verleumdung gar nicht möglich wäre, und andererseits die Vorwürfe pauschal erhoben und nicht ausreichend konkretisiert, sondern lediglich in sehr oberflächlicher Weise zur Darstellung gebracht wurden. Es wäre geboten gewesen, mit einer Veröffentlichung des Inhalts dieser anonymen Anzeige zumindest einige Tage zuzuwarten, um erste Ermittlungsergebnisse der Anklagebehörde mitberücksichtigen zu können. Dann wäre klar geworden, dass die Staatsanwaltschaft nicht einmal von einem Anfangsverdacht ausgegangen ist.

Durch die inkriminierte identifizierende Berichterstattung sei eine Verletzung des § 7a MedienG bewirkt worden, sodass in diesem Umfang dem Rechtsmittel ein Erfolg zu versagen gewesen sei (ON 22 S 8 f).

Rechtliche Beurteilung

Die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht stehen wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt in Bezug auf den Ausspruch nach § 7a Abs 1 MedienG mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Der im Fall konfligierender Grundrechte von der MRK geforderte faire Ausgleich (vgl Art 10 Abs 2 MRK) zwischen hier dem (auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten gerichteten) Anspruch auf Achtung des Privat und Familienlebens (Art 8 MRK) und dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK) wird im hier interessierenden Zusammenhang auf innerstaatlicher Ebene durch die von § 7a Abs 1 MedienG für den Bereich des Schutzes „vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen“ geforderte Abwägung schutzwürdiger Interessen des von der Berichterstattung Betroffenen gegenüber spezifischen Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung von zur Identifizierung geeigneten Angaben gewährleistet (RIS Justiz RS0125776).

Der Entschädigungsanspruch nach § 7a Abs 1 (hier: Z 2) MedienG setzt voraus, dass durch eine identifizierende Berichterstattung über eine Person, die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist, schutzwürdige Interessen derselben verletzt werden, ohne dass wegen deren Stellung in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hat.

Damit wird klargestellt, dass sich die durch die bezeichneten spezifischen Sachzusammenhänge begründeten Veröffentlichungsinteressen gerade auch auf die Identität des Betroffenen beziehen müssen. Zum einen ist daher das allgemeine öffentliche Interesse an einer sachgerechten Kriminalberichterstattung für sich nicht ausreichend, zum anderen ist demnach eine identifizierende Berichterstattung dann zulässig, wenn und soweit dem Namen oder sonstigen Identitätsmerkmalen der (hier:) Verdächtigen ein eigenständiger Informations oder Nachrichtenwert zukommt. Dieser Wert muss, um die Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung zu begründen, das schutzwürdige Anonymitätsinteresse des Betroffenen überwiegen (RIS Justiz RS0125775 [T1]; Berka in Berka/HeindlHöhne/Noll , MedienG 3 § 7a Rz 26 f).

Die Rechtsfrage, ob das öffentliche Interesse an der Identitätsbekanntgabe bei wertender Betrachtung als überwiegend anzusehen sei, ist nach den in § 7a Abs 1 zweiter Halbsatz MedienG genannten Gründen („Stellung der Person in der Öffentlichkeit“ „sonstiger Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben“ „andere Gründe“) in ihrer Gesamtschau einzelfallbezogen zu prüfen (15 Os 161/10f).

Dabei ist im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR zunächst von entscheidender Bedeutung, ob der Artikel einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinen Interesse leistet. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Rolle oder Funktion, die die von der Veröffentlichung betroffene Person („public figure“) innehat (U EGMR 7. 2. 2012 [Große Kammer] Axel Springer AG gg Deutschland, NL MR 2012, 42; U EGMR 10. 1. 2012 Standard Verlags GmbH gg Österreich [Nr 3], MR 2012, 7; U EGMR 19. 6. 2012 Kurier Zeitungsverlag und Druckerei GmbH [Nr 2] gg Österreich, ÖJZ-MRK 2012/9, 928; zum unterschiedlichen Identitätsschutz des Opfers einer Straftat s U EGMR 17. 1. 2012 Krone Verlag GmbH Co KG und Krone Multimedia GmbH Co KG gg Österreich, MR 2012, 118).

Als weitere Faktoren berücksichtigt der EGMR das Thema des Berichts (ob die Presse darin ihre Funktion als „public watchdog“ ausübt), das Verhalten der Person vor der Veröffentlichung des Berichts, die Methode der Informationsbeschaffung sowie den Wahrheitsgehalt und schließlich Inhalt, Form und Folgen der Veröffentlichung (U EGMR 7. 2. 2012 [Große Kammer] Axel Springer AG gg Deutschland, NL-MR 2012, 42; U EGMR 7. 2. 2012 [Große Kammer] Von Hannover gg Deutschland [Nr 2], NL MR 2012, 45).

Bei einer Berichterstattung über Fragen von öffentlichem Interesse gibt es nur wenig Spielraum für Einschränkungen der politischen Rede oder von Diskussionen über solche Angelegenheiten (zuletzt U EGMR 10. 1. 2012, Standard Verlags GmbH gg Österreich [Nr 3], MR 2012, 7; vgl Rami in WK 2 Präambel Rz 8 unter Hinweis auf die dort wiedergegebene Rechtsprechung des EGMR). Darunter fallen regelmäßig zB die Berichterstattung über strafrechtlich relevante Missstände in der staatlichen Verwaltung, mutmaßliche Wirtschaftsskandale und politische Delikte. Bei solchen Sachverhalten mit Öffentlichkeitsbezug besteht demgemäß auch ein geringerer Identitätsschutz (EBRV 503 BlgNR 18. GP 13; Berka in Berka/HeindlHöhne/Noll MedienG³ § 7a Rz 29; Rami in WK 2 MedienG § 7a Rz 9a; Zöchbauer in Röggla/Wittmann/Zöchbauer , Medienrecht MedienG, § 7a Rz 8).

Auf den vorliegenden Fall angewandt bedeutet dies, dass sich der in einem lokalen Massenmedium, nämlich der Kärntner „K*****“ geäußerte Verdacht des in mehrfachen Angriffen insbesondere im Zusammenhang mit Auftragsvergaben begangenen Verbrechens der Untreue gegen eine Person richtete, die Vorstandsdirektorin der Krankenanstalten Betriebsgesellschaft, einer „sehr großen“ Anstalt öffentlichen Rechts (mit rund 7.500 Mitarbeitern) war, sodass deren Handeln von vornherein erhöhter Aufmerksamkeit und Kritik unterworfen war. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung von Identifikationsmerkmalen der Antragstellerin lag wegen des Bestehens eines „sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben“ vor, weil durch die inkriminierte Berichterstattung strafrechtlich relevante Missstände bzw Korruptionsvorwürfe (mit möglicherweise sogar politischen Implikationen: Inanspruchnahme einer deutschen Personalberaterin „um teures Geld“ [S 4 des Ersturteils], obwohl schlussendlich bei einer konkreten Stellenausschreibung ohnehin ein Lokalpolitiker zum Zug gekommen sei) im Nahebereich der staatlichen Verwaltung (im weiteren Sinn) aufgezeigt wurden; solcherart steht im vorliegenden Fall außer Streit, dass der Artikel ein Thema von öffentlichem Interesse zum Gegenstand hatte. Zudem enthielt wovon die vorbefassten Gerichte ausgingen die anonyme Strafanzeige „konkrete Verdachtsmomente gegen die Vorstandsdirektorin Ines M***** wegen § 153 StGB“ (S 5 des Ersturteils), über die distanziert und sachlich berichtet wurde (S 7 der OLG-Entscheidung).

Dabei wird nicht verkannt, dass worauf das Oberlandesgericht Wien treffend hinweist die Nennung von Identifikationsmerkmalen einer Verdächtigen in einem wie hier sehr frühen Stadium des Strafverfahrens problematisch sein kann (U EGMR 10. 1. 2012 Standard Verlags GmbH gg Österreich [Nr 3] Rz 42, MR 2012, 7). Doch ist im gegebenen Zusammenhang ausschlaggebend, dass die Antragsgegnerin in concreto nicht über die vorliegende Anzeige in sinnvoller Weise hätte berichten können, ohne die Antragstellerin identifizierende Angaben zu machen (aaO Rz 44).

Anders als im Fall Wirtschafts-Trend Zeitschriften VerlagsGmbH gg Österreich (U EGMR 14. 11. 2002 ÖJZ-MRK 2003/6, 155), bei dem die Offenlegung der Identität des beschuldigten Polizeibeamten den im Artikel enthaltenen Informationen über die Abschiebemodalitäten und der Kritik daran nichts von öffentlichem Interesse hinzufügte, war hier die (exponierte) berufliche Stellung der Betroffenen von entscheidender Bedeutung und die bereits durch deren Bekanntgabe bewirkte Offenlegung der Identität der Antragstellerin somit wesentlich für das Verständnis der Einzelheiten des Falls. Wenngleich die weiteren Identifikationsmerkmale des Namens und des Bildes der Antragstellerin für dieses Verständnis per se entbehrlich waren, änderte deren Publikation nichts daran, dass die Bekanntgabe der Identität insgesamt gerechtfertigt war (zur „Unteilbarkeit des Identitätsschutzes“ vgl Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll , MedienG³ § 7a Rz 14).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass an der die Antragstellerin Dipl. Kff. Ines M***** identifizierenden Berichterstattung über die gegen sie eingebrachte Strafanzeige ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit bestanden hat, sodass der Antrag der Genannten auf Zuerkennung einer Entschädigung nach § 7a Abs 1 MedienG hätte abgewiesen werden müssen.

Das in Rede stehende Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht gereicht der Antragsgegnerin, der in diesem Verfahren nach dem Mediengesetz gemäß § 41 Abs 6 zweiter Satz MedienG die Rechte der Angeklagten zukommen, zum Nachteil, sodass sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah (§ 292 letzter Satz StPO), es aufzuheben und den Antrag abzuweisen (vgl RIS Justiz RS0124838, RS0124798). Dass die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erst außerhalb der Sechsmonatsfrist des Art 35 Abs 1 MRK erhoben wurde, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang (RIS Justiz RS0124838 [T4]).

Rechtssätze
5