JudikaturJustiz15Os182/96

15Os182/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Jänner 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz Johann C***** wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG und § 15 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 29.August 1996, GZ 35 Vr 1558/96-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tiegs, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Krall zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz Johann C***** zu A des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG (zu ergänzen: zT begangen in der Erscheinungsform des Versuches nach § 15 StGB) sowie zu B des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG schuldig erkannt.

Darnach hat er in Costa Rica, Hamburg, Kufstein, Angath und anderen Orten im November 1995 und am 16.Mai 1996 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 5.400,222 Gramm Kokain mit einer Kokainbase von 4.059,671 Gramm von Costa Rica aus- und über die Bundesrepublik Deutschland nach Österreich eingeführt sowie in weiterer Folge durch Verkauf an einen als Scheinkäufer auftretenden Beamten des Bundesministeriums für Inneres in Verkehr zu setzen versucht, wobei er die Tat in Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das 25-fache der im Abs 1 angeführten Menge ausmachte (A.), und in der Zeit bis zum 16. Mai 1996, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine verbotene Waffe (§ 11 WaffG), nämlich eine "Pfefferspraydose", besessen (B.).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 9 lit a, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der gegen die Beurteilung der Spraydose (Faktum B) als eine verbotene Waffe im Sinn des § 11 Abs 1 Z 6 WaffG gerichteten Rechtsrüge zuwider ist das Erstgericht zutreffend vom Wortlaut dieser Gesetzesstelle in der Fassung der vom Angeklagten außer acht gelassenen 2. Waffengesetznovelle 1994, BGBl 1107, ausgegangen.

Dem Erstgericht ist auch ein Feststellungsmangel betreffend die Funktionsweise und -fähigkeit des Sprays sowie die Zusammensetzung seines Wirkstoffes nicht unterlaufen. Solcher Feststellungen hätte es nur bedurft, wenn - ungeachtet der gutächtlichen (allerdings nur die rechtliche Schlußfolgerung aus den Untersuchungsergebnissen wiedergebenden) Äußerung des kriminaltechnischen Dienstes der Bundespolizeidirektion Innsbruck (S 241) und des Geständnisses des Angeklagten (S 383) - die Aktenlage Hinweise darauf ergeben hätte, daß die Pfefferspraydose von vornherein nicht eine zum Versprühen von Gas bestimmte Waffe im Sinne des § 11 Abs 1 Z 6 WaffG gewesen oder funktionsunfähig geworden sein könnte. Keine dieser Möglichkeiten ist jedoch durch den Akteninhalt indiziert (vgl S 241, 267, 364 und insbesondere das Lichtbild S 365), demzufolge die Sprühdose in ungeöffneter Originalverpackung sichergestellt wurde, laut den auf ihr sowie auf der Verpackung aufgedruckten Hinweisen in englischer Sprache einen unter Druck stehenden, als starkes Reizmittel bezeichneten, zu 10 % aus "Organic Pepper Gas" bestehenden Inhalt aufweist, dem Selbstschutz (sohin der Verteidigung im Sinn des § 1 Z 1 WaffG) gegen Eindringlinge in die Wohnung sowie Auto- und Straßenräuber dienen soll und mit Vorsicht zu handhaben ist, weil der Inhalt unter Druck steht und starke Reizungen hervorruft (wobei die auf eine Umweltsverträglichkeit abstellenden Hinweise, der Inhalt sei nicht toxisch und nicht entzündbar, unerheblich sind).

Der Hinweis des Angeklagten (in seiner Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO) auf die Entscheidung EvBl 1996/139 versagt; handelt es sich doch in jenem Fall um die Notwendigkeit der Prüfung einer Behauptung, die Gasspraydose sei bereits entleert gewesen, was vorliegend - angesichts der ungeöffneten Originalverpackung - durch nichts indiziert war.

Der auf die Z 9 lit b gestützten Rechtsrüge zuwider ist die Annahme (wenigstens) eines vorwerfbaren Irrtums des Nichtigkeitswerbers hinsichtlich des in Österreich geltenden Verbotes des Besitzes solcher Waffen rechtlich unbedenklich. Denn dem Angeklagten, einem österreichischen Staatsbürger, der nach eigenen Angaben in Österreich aufwuchs, dort nach Auslandsaufenthalten immer wieder seinen Wohnsitz nahm (S 25, 27) und nach den insoweit unbekämpften Urteilsfeststellungen als intelligent und in geschäftlichen Dingen erfahren anzusehen ist (US 8), konnte es durchaus zugemutet werden, sich vor Einfuhr der von ihm - allenfalls zulässigerweise - im Ausland gekauften Pfefferspraydose schon im Hinblick auf deren offensichtliche Widmung als (Verteidigungs )Waffe und der Warnung zur Vorsicht in der Handhabung darüber zu informieren, ob dies nach den in Betracht kommenden österreichischen waffengesetzlichen Bestimmungen erlaubt sei (vgl Leukauf/Steininger Komm3 RN 14 zu § 9). Das Erstgericht ist daher zutreffend von einem schuldhaften Verhalten des Nichtigkeitswerbers ausgegangen.

Zu Unrecht sieht der Angeklagte den Nichtigkeitsgrund der Z 11 dadurch verwirklicht, daß das Erstgericht "die große, weit über das 25-fache der in § 12 Abs 1 SGG umschriebenen Menge hinausgehende Suchtgiftquantität (ca 270 x)" sowie die Freiheit des Angeklagten von Drogensucht (iVm der daraus erschlossenen Motivation durch reine Gewinnsucht) als Erschwerungsgründe angenommen hat: Die beträchtliche Überschreitung der "Übermenge" des § 12 Abs 3 Z 3 SGG (um rund 80 %) darf schon im Hinblick auf das Gebot des § 32 Abs 3 StGB, die Strafe auch nach der Größe der Gefährdung zu bemessen, nicht unberücksichtigt bleiben (Mayerhofer/Rieder StGB4 E 25 b zu § 32); Gewinnsucht als einziges Motiv des Suchtgiftverbrechens verwirklicht den besonderen Erschwerungsgrund des § 33 Z 5 StGB, zumal Gewinnsucht kein (notwendiges) Tatbestandselement eines Verbrechens nach § 12 SGG ist.

Mit der Behauptung, das Erstgericht habe Milderungsgründe zwar erkannt, ihnen aber kaum Gewicht beigemessen, wird nicht eine rechtsfehlerhafte Bewertung von Strafzumessungsgründen oder ein Verstoß gegen allgemeine Strafbemessungsgrundsätze, sondern das Vorliegen bloßer Berufungsgründe geltend gemacht (vgl 12 Os 11/94 ua).

Entgegen der weiteren Strafzumessungsrüge hat das Erstgericht aber auch nicht dadurch in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen, daß es bei der Ausmessung der Strafe (nicht nur auf die Schuld des Täters, sondern) auch - sogar mit besonderem Gewicht - auf generalpräventive Erwägungen Bezug nahm. Sind doch nach Auffassung sowohl des überwiegenden Teils der Lehre als auch der neueren Judikatur (Leukauf/Steininger aaO RN 9 f zu § 32) im Rahmen des Tatschuldangemessenen nicht nur die Schuld des Täters, sondern auch Belange der (Spezial- und der) Generalprävention zu berücksichtigen. Keine Rede kann davon sein, daß das Schöffengericht ausschließlich Belange der Generalprävention in Betracht gezogen habe; es stellte vielmehr auch auf das Ausmaß der Gefährdung, somit den Unrechtsgehalt der Tat, und das Verschulden des Täters ab.

Soweit der Angeklagte schließlich mit einer statistischen Berechnung über die Anzahl der Verurteilungen wegen § 12 SGG und die dabei ausgesprochenen Strafen auf die Motivation des Gesetzgebers des StRÄG 1987 verweist, mit dem Nichtigkeitsgrund der neugeschaffenen Z 11 des § 281 Abs 1 StPO - auch - ein Mittel zu Vereinheitlichung der Strafenpraxis in Österreich zur Verfügung zu stellen (vgl 359 BlgNR XVII.GP, 44), vermag er - abermals - den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen (am Einzelfall zu orientierenden) Darstellung zu bringen.

Der ingesamt nicht berechtigten Nichtigkeitsbeschwerde war ein Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 12 Abs 3 SGG unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die große Menge des Suchtgifts, daß der Angeklagte das Suchtgift nicht nur aus- und eingeführt, sondern es auch in Verkehr zu setzen versucht hat sowie daß er die Tat als Nichtsüchtiger aus Gewinnsucht verübt hat; als mildernd wurde das Geständnis, die Unbescholtenheit, die Sicherstellung des Suchtgifts und der Umstand beurteilt, daß die Inverkehrsetzung beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe.

Das Schöffengericht hat die besonderen Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig angeführt; es hat sie aber zum Nachteil des Angeklagten etwas zu schwer gewichtet. Unter Bedachtnahme auf das langjährige Wohlverhalten des Angeklagten entspricht eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Jahren seiner dennoch gravierenden Schuld und dem hohen Unrechtsgehalt des Suchtgiftdeliktes, und zwar auch in Ansehung von Kokain, das nach dem Gutachten des Suchtgiftbeirates vom 10.Mai 1985 die Eignung hat, innerhalb von zehn Tagen psychotische Reaktionen herbeizuführen.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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