JudikaturJustiz15Os122/14a

15Os122/14a – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Einberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Heinz M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Heinz M***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Juli 2014, GZ 41 Hv 40/14x 85, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, jeweils in der Nichtannahme der Privilegierung nach § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG betreffend den Angeklagten Heinz M***** hinsichtlich des zu I./A./ ergangenen Schuldspruchs sowie betreffend den Angeklagten Michael Z***** hinsichtlich des zu  I./B./2./ ergangenen Schuldspruchs, demgemäß auch in den diese beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Strafsache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Heinz M***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem ausschließlich von Heinz M***** angefochtenen überdies einen rechtskräftigen Schuldspruch des Mitangeklagten Wolfgang A***** enthaltenden Urteil wurden Heinz M***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall Abs 2 Z 3 SMG (I./A./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (I./C./1./a./), des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (III./A./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (III./B./) sowie weiters Michael Z***** unbekämpft des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (I./B./2./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (I./C./2./) schuldig erkannt.

Danach haben soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde und die amtswegige Maßnahme relevant in Wien

I. vorschriftswidrig Suchtgift in zumindest durchschnittlicher Straßenqualität

A./ in einer insgesamt das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (großer Menge) anderen überlassen, nämlich Heinz M*****

1. / von Sommer 2012 bis 16. Jänner 2014 in mehrfachen Angriffen Mona L***** insgesamt zumindest 540 Kapseln Substitol à 200 mg mit dem Wirkstoff Morphinsulfatpentahydrat entsprechend 150 mg Morphin pro Kapsel;

2. / von 2011 bis April 2014 Felix P***** in mehrfachen Angriffen gesamt zumindest 624 Stück Substitol à 200 mg mit dem Wirkstoff Morphinsulfatpentrahydrat entsprechend 150 mg Morphin pro Kapsel, 20 Gramm Kokain mit dem Wirkstoff Cocain sowie eine geringfügige Menge Heroin mit dem Wirkstoff Diacetylmorphin;

3. / zwischen März 2012 und April 2014 einem unbekannten Abnehmer ca 1 Gramm Kokain;

4. / von März 2012 bis April 2014 Marihuana mit den Wirkstoffen THC A und Delta 9 THC, und zwar

a. / Wolfgang A***** in zwei Angriffen insgesamt ca 70 Gramm;

b. / einem unbekannten Gast aus dem Lokal „B*****“ ca 10 Gramm;

5. / zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten in mehreren Angriffen Substitol à 200 mg mit dem Wirkstoff Morphinsulfatpentahydrat entsprechend 150 mg Morphin pro Kapsel und zwar

a. / „Daniela“ und „Alex“ insgesamt ca 20 Stück;

b. / „Ani“ insgesamt 3 Stück;

c. / unbekannten weiteren Abnehmern am Karlsplatz und am Praterstern 10 Stück;

B./ in einer insgesamt die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar

2./ Michael Z***** großteils (ausgenommen Punkt d) gewerbsmäßig, obwohl er wegen einer solchen Straftat (§ 28a Abs 1 SMG) schon einmal verurteilt worden war,

a. / von Dezember 2013 bis März 2014 Heinz M***** zumindest 48 Gramm Heroin mit dem Wirkstoff Diacetylmorphin um 50 Euro pro Gramm sowie 1,5 Gramm Marihuana mit den Wirkstoffen THC A und Delta 9 THC;

b. / von September 2013 bis 7. Mai 2014 Gerald W***** zumindest 280 Stück Substitol à 200 mg mit dem Wirkstoff Morphinsulfatpentahydrat entsprechend 150 mg Morphin pro Kapsel um 15 Euro pro Stück;

c. / von Jänner 2014 bis 7. Mai 2014 Thomas R***** und Katja Wa***** zumindest 60 Stück Substitol à 200 mg mit dem Wirkstoff Morphinsulfatpentahydrat entsprechend 150 mg Morphin pro Kapsel um 15 Euro pro Stück;

d. / von 2014 bis 7. Mai 2014 Nicole Ra***** „eine noch festzustellende Menge“ Heroin mit dem Wirkstoff Diacetylmorphin.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus dem Grund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Heinz M***** kritisiert zu Recht das Fehlen von Feststellungen zu privilegierenden Tatbestandsmerkmalen des § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG iVm § 27 Abs 5 SMG.

Denn das Erstgericht ist offenbar von der Gewöhnung (RIS Justiz RS0124621) dieses im Jahr 2003 von einem Methadonprogramm auf Substitol umgestellten Angeklagten und einem Konsum von „nicht mehr feststellbaren Mengen“ an Heroin, Kokain und Marihuana im Zeitraum von 2007 bis April 2014 ausgegangen (US 7 ff), ohne sich mit dessen Verantwortung in der Hauptverhandlung auseinanderzusetzen, er sei süchtig und habe ärztlich verschriebenes Substitol nur zum Teil selbst konsumiert, sich von dem verkauften Rest aber „das finanziert“, was er „noch dazu genommen habe“ (ON 84 S 9 f). Somit hat es trotz in der Hauptverhandlung vorgekommener Indizien nicht durch Feststellungen geklärt (RIS Justiz RS0118580), ob der Angeklagte - an Suchtmittel gewöhnt - die Taten vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen (RIS Justiz RS0125836, RS0124622). Bleibt in diesem Zusammenhang anzumerken, dass für die Frage der von § 27 Abs 5 SMG (§ 28a Abs 3 SMG) verlangten Tatintention unerheblich ist, aus welcher Quelle das anderen überlassene Suchtgift stammt, somit auch, ob verkaufte Substitoltabletten allenfalls zunächst auf Grundlage eines ärztlichen Rezepts erworben worden sind (vgl 11 Os 38/10p).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof überdies, dass ein solcher Feststellungsmangel auch hinsichtlich des Angeklagten Michael Z***** vorliegt, der das Urteil zur Gänze unbekämpft ließ (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 281 Abs 1 Z 10 StPO). Denn auch dieser Angeklagte war den Annahmen der Tatrichter zufolge (nach dem Ausscheiden aus einem Substitutionsprogramm aufgrund des Fehlens einer Versicherung) im Tatzeitraum dem Konsum von Heroin ergeben und nahm zuletzt neben Heroin auch Marihuana und gelegentlich Substitol (US 12, 16). Gleichfalls hatte sich Michael Z***** in der Hauptverhandlung damit verantwortet, die inkriminierten Suchtmittel verkauft zu haben, um seinen Eigenkonsum zu finanzieren (ON 84 S 9).

Somit war das Urteil teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****, teils - betreffend den Mitangeklagten Z***** aus deren Anlass bereits in nichtöffentlicher Sitzung im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte M***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Seine Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Für die amtswegige Maßnahme besteht keine Kostenersatzpflicht ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12).

Rechtssätze
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