JudikaturJustiz14Os138/02

14Os138/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Jänner 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Viktor Emeka O***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 5. September 2002, GZ 7 Hv 9/02z-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Erkenntnis über die Einziehung von SIM-Cards aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an den Jugendgerichtshof Wien verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten (vorerst) dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagte hat auch die durch seine erfolglos gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Viktor Emeka O***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (I.) sowie des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (II.) schuldig erkannt. Danach hat er - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung - (zu I.) in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in großer Menge (§ 28 Abs 6 SMG) gewerbsmäßig nach Österreich eingeführt bzw Suchtgift in einer insgesamt das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge in mehreren Angriffen gewerbsmäßig durch Verkauf in Verkehr gesetzt, indem er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Emeka Chidi Julius U***** und mit dem in Brasilien lebenden Mbaefo D***** in zwei Angriffen insgesamt 75 g Kokain dadurch einführte, dass er B***** damit beauftragte, jeweils 25 g Kokain in Grußkarten zu verpacken und diese per Post nach Innsbruck zu Emeka Chidi Julius U***** zu schicken, wo er das Suchtgift in weiterer Folge abholte, und zwar am 29. September 2001 50 g Kokain brutto und am 10. Oktober 2001 25 g Kokain brutto, sowie von Juni bis zum 24. November 2001 insgesamt zumindest 3 kg Kokain brutto, 555 g Heroin/Kokain brutto und die (eingeführten) 75 g Kokain brutto an die gesondert verfolgten Konsumenten Jürgen F*****, Daniel M*****, Christoph S***** und Senat N*****, den gesondert verfolgten Subhändler Paul U***** sowie an weitere unbekannt gebliebene Subhändler und Konsumenten verkaufte.

Zugleich wurden - allerdings nur mit dem Hinweis auf die im Erkenntnis "genannte Gesetzesstelle" (US 14 iVm 5) begründet - die "sichergestellten SIM-Cards" gemäß § 26 StGB eingezogen. Ungeachtet des Rechtsmittelantrages (S 212/VI:, "das angefochtene Urteil" aufzuheben ...) bekämpft der Angeklagte ausschließlich nur Punkt I. des Schuldspruchs (ausgenommen die gewerbsmäßige Einfuhr von 75 g Kokain aus Brasilien) mit Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist offenbar unbegründet.

Die vom Angeklagten unter Z 5 als fehlend gerügte Begründung der festgestellten Absicht zum Additionseffekt (US 8) und zum gewerbsmäßigen Inverkehrsetzen der in Spruch und Gründen genannten Suchtgiftmengen (US 6, 13) findet sich in den ausführlichen, Grundsätzen logischen Denkens nicht widersprechenden Erwägungen der Tatrichter (US 8 bis 13). Daraus ist deutlich zu ersehen, dass sie die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (zutreffend) aus dem objektiven Tatgeschehen ableiteten.

Der Beschwerdeeinwand, das Gericht setze sich mit der finanziellen Situation des Angeklagten, seinen Einkünften, seinem Vermögen, der staatlichen Unterstützung als bundesbetreuter Flüchtling und der Unterstützung durch Familienangehörige sowie mit dem eigenen Drogenkonsum nicht auseinander, entbehrt der erforderlichen deutlichen und bestimmten Bezeichnung (§ 285a Z 2 StPO) des relevierten Nichtigkeitsgrundes. Dieser hat als Unvollständigkeit der Urteilsgründe (Z 5 zweiter Fall) die unterbliebene Erörterung konkreter Beweisergebnisse zum Gegenstand.

Nach Inhalt und Zielrichtung bekämpft der Beschwerdeführer damit ebenso wie mit weiteren unsubstantiierten Ausführungen lediglich unzulässig nach Art einer Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Nach Prüfung des Beschwerdevorbringens anhand der Akten weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der zum Schuldspruch I. getroffenen, auf der teilweise geständigen Verantwortung des Angeklagten sowie auf anderen subjektiven und objektiven Beweisen gegründeten entscheidenden Feststellungen.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Aus deren Anlass hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, dass das gemäß § 26 StGB ergangene Einziehungserkenntnis aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO nichtig ist.

Nach § 26 Abs 1 StGB unterliegen nur solche Gegenstände der Einziehung, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind.

Zu keiner dieser Sanktionsbefugnisalternativen enthält das Urteil tatsächliche Feststellungen, sodass der Ausspruch schon deshalb aus Z 11 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO nichtig ist. Dazu kommt, dass die Entscheidung jeden sachverhaltsmäßigen Anhaltspunkt dafür vermissen lässt, warum die Einziehung von SIM-Cards nach der besonderen Beschaffenheit dieser Gegenstände geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken (Z 11 zweiter Fall; Ratz in WK2 § 26 Rz 18 und WK-StPO § 281 Rz 22, 674, 696). Aus den dargelegten Gründen war daher das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in amtswegiger Wahrnehmung des genannten materiellen Nichtigkeitsgrundes im Erkenntnis über die Einziehung von SIM-Cards aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen.

Zur Entscheidung über die Berufung waren die Akten (vorerst) dem Oberlandesgericht zu übermitteln.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO. Zum Schuldspruch I. wegen "des Verbrechens nach § 28 Abs 2 (2. und 4. Fall), Abs 3 (1. Fall) und Abs 4 Z 3 SMG" ist klarzustellen:

§ 28 Abs 2 SMG beinhaltet als sogenanntes kumulatives Mischdelikt drei verschiedene - jeweils auf ein Suchtgift in einer großen Menge bezogene - Tatbestände, nämlich die Erzeugung (erster Fall), ferner die vertauschbaren Alternativen der Ein- oder Ausfuhr (zweiter und dritter Fall) sowie das Inverkehrsetzen (vierter Fall; Foregger/Litzka/Matzka SMG § 27 Erl. VI. 2. mwN; 14 Os 110/99, 13 Os 60/00).

Unmittelbarer (Mit )Täter hinwieder ist nur derjenige, welcher eine dem Tatbild entsprechende Ausführungshandlung setzt. Wird also ein anderer erfolgreich dazu veranlasst, ein Suchtgift in einer großen Menge durch Versenden nach Österreich einzuführen, wird solcherart das Verbrechen nach §§ 12 zweiter Fall StGB, 28 Abs 2 zweiter Fall SMG begründet. Dieses Verbrechen kann mit dem Inverkehrsetzen einer (hier: das nach Österreich eingeführte Suchtgift beinhaltenden übergroßen) Suchtgiftmenge tatmehrheitlich - also realkonkurrierend - zusammentreffen, wogegen die (vorliegend erfolgte) bloße Abholung des Suchtgifts beim inländischen Adressaten mit Blick auf das nachfolgende Inverkehrsetzen zufolge Scheinkonkurrenz außer Betracht bleibt (Ratz in WK2 Vorbem § 28-31 Rz 82).

Wegen der rechtlichen Gleichwertigkeit aller Täterschaftsformen des § 12 StGB (vgl Fabrizy in WK2 § 12 Rz 12 f, 16, 119 ff) widerfuhr dem Angeklagten jedoch durch die rechtsirrige Verurteilung, als unmittelbarer Täter Suchtgift eingeführt zu haben, kein Nachteil, weshalb eine Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 StPO nicht in Frage kommt. Bleibt noch anzumerken, dass jene besonderen Gründe, welche den Ausspruch über die Abschöpfung von 2.180,19 Euro (im Ergebnis) tragen (vgl § 20a Abs 2 Z 1 StGB), in tatsächlicher Hinsicht den Entscheidungsgründen entnommen werden können, weshalb sich dieser Ausspruch nicht bloß auf "die genannte Gesetzesstelle" gründet (vgl WK-StPO § 281 Rz 684).

Rechtssätze
6
  • RS0113820OGH Rechtssatz

    14. März 2023·3 Entscheidungen

    1. Ein Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG hat zur Voraussetzung, dass der Täter ein Suchtgift in einer großen Menge (Abs 6) mit dem Vorsatz erwirbt, dass es in Verkehr gesetzt werde. Dies stellt eine zum Inverkehrsetzen des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG selbständig vertypte Vorbereitungshandlung dar. Versucht der Täter das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG, indem er beginnt, diesen Suchtgiftvorrat tatsächlich in Verkehr zu setzen, ist das Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG hinsichtlich derselben Suchtgiftmenge nicht selbständig strafbar, weil es gegenüber dem Verbrechen nach Abs 2 subsidiär ist. 2. Überlässt (verkauft) der Täter, der eine große Suchtgiftmenge mit dem Vorsatz erworben hat oder besitzt, dass diese in Verkehr gesetzt werde, davon kleine Mengen einem anderen, stellt dies keine straflose "typische Begleittat" dar. 3. Beschließt der Täter, nachdem er eine große Menge Suchtgift mit dem Vorsatz erworben hat und besitzt, dass es in Verkehr gesetzt werde, nur einen die große Menge nach § 28 Abs 6 SMG nicht erreichenden Teil hievon anderen zu überlassen (zu veräußern), den Rest aber selbst zu konsumieren oder zu vernichten, hat er ab diesem Zeitpunkt für den Besitz (auch einer großen Menge) nur das Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG zu vertreten. Da nämlich durch den fortgesetzten Besitz kein weiteres Rechtsgut verletzt wird und die dadurch bewirkte Rechtsgutverletzung über jene des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG nicht hinausgeht, stellt diesfalls das Vergehen nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG eine straflose Nachtat zum Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG dar. 4. Überlässt der Täter ab dem Zeitpunkt des geänderten Vorsatzes kleine Mengen von Suchtgiftstoffen anderen Personen, wird die zunächst auf den Erwerb oder Besitz beschränkte Rechtsgutverletzung erweitert. Die Grenzen von straflosen (besser "mitbestraften") Nachtaten sind eng zu ziehen. Durch das Privileg der Nachtat werden nur durch die Vortaten bereits persönlich und sachlich individualisierte Rechtsgüter gedeckt. Nur dann, wenn das Angriffsobjekt der Nachtat mit dem der Vortat entweder übereinstimmt oder diesem gegenüber ein quantitatives Minus darstellt, und wenn durch die Nachtat nicht neue Träger des individualisierten Rechtsgutes, also neue Inhaber des konkreten Angriffsobjektes, in Mitleidenschaft gezogen werden, liegt eine mitbestrafte Nachtat vor. Wird somit zunächst eine große Suchtgiftmenge mit auf deren Inverkehrsetzen gerichtetem Vorsatz erworben oder besessen, werden danach aber unter Änderung des Vorsatzes kleine Mengen davon anderen Personen überlassen, ändert sich auch das Angriffsobjekt der konkreten Nachtat. Der Täter hat daher unter diesen Prämissen das Vergehen nach § 27 SMG (in allen seinen Formen) zusätzlich zu vertreten.