JudikaturJustiz14Os105/93

14Os105/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. November 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl H***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6.April 1993, GZ 2 a Vr 10.134/92-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Weiß, und des Verteidigers Dr.Schmid, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl H***** (A) des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 "erster (Straf )Satz" StGB und (B) des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in Wien

(zu A) gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert nachgenannten Personen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu beeichern, wegzunehmen versucht, und zwar

1. am 20.August 1992 Verfügungsberechtigten der M***** Filiale *****, ca. 56 Stück Videokassetten im Wert von 7.075,40 S, ca. 10 Stück Audiokassetten im Wert von 649 S sowie einen Haartrockner "Softhair" im Wert von 199 S;

2. am 9.Februar 1993 Verfügungsberechtigten der M***** Markt Filiale*****, 7 Spielkasseten "Super-Nintendo" im Wert von ca. 7.000

S;

3. am 14.Oktober 1992 Verfügungsberechtigten der "C*****" Elektro-Handelsgesellschaft mbH 3 Videospiele im Wert von 2.055 S und

4. am 27.Oktober 1992 Verfügungsberechtigten der "A*****" Warenhandelsgesellschaft mbH 2 Ringbucheinlagen und ein Paar Hausschuhe im Wert von 250 S;

(zu B) am 20.August 1992 versucht, Josef S***** mit Gewalt, indem er ihn von sich wegstieß und sich loszureißen versuchte, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von seiner Anhaltung, zu nötigen.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch wegen (versuchter) Nötigung und die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung beim Diebstahl bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Soweit die Beschwerde einen Widerspruch zwischen dem Urteilsspruch und den Entscheidungsgründen geltend macht, genügt vorweg der Hinweis auf die mittlerweile erfolgte Angleichung der schriftlichen Urteilsausfertigung an das mündlich verkündete Urteil (ON 42).

Zum Schuldspruch wegen Diebstahls (Punkt A/1-4):

Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO haften der erstgerichtlichen Annahme der gewerbsmäßigen Begehung der (versuchten) Ladendiebstähle nicht an. Der Mängelrüge zuwider haben die Tatrichter diese Feststellung nämlich nicht allein auf den aus zahlreichen einschlägigen Vorstrafen abgeleiteten Hang des Angeklagten zur Begehung von Vermögensdelikten (der allerdings in der Regel auch Gewerbsmäßigkeit begründet, vgl. Leukauf-Steininger Komm.3 § 130 RN 2) und auf die (vom Angeklagten zumindest teilweise eingestandene - S 171) auf den Verkauf des Diebsgutes gerichtete Absicht allein, sondern darüber hinaus auch auf die (relativ) rasche Abfolge der Taten und die angespannte finanzielle Lage des Angeklagten gestützt (US 8 f). Damit hat das Erstgericht der Vorschrift des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO zureichend entsprochen, wonach in den Entscheidungsgründen in gedrängter Darstellung, aber mit voller Bestimmtheit anzugeben ist, welche Tatsachen aus welchen Gründen der Gerichtshof als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat. Soweit der Angeklagte eine ausreichende Grundlage für die Feststellungen zu seiner vom Erstgericht angenommenen finanziellen Lage im Tatzeitraum vermißt, ist er auf seine eigene Verantwortung zu verweisen, wonach er in letzter Zeit als Bauhilfsarbeiter bei Sorgepflichten für vier Kinder (nur) 8.000 S netto ins Verdienen brachte (S 170, 173 f).

Mit dem Einwand hinwieder, bei einem Gesamtwert der Diebsbeute von rund 17.000 S wäre nur ein Verkaufserlös von 6.000 S bis 8.000 S zu erzielen gewesen, was verteilt über den gesamten Tatzeitraum nur die theoretische Möglichkeit eines monatlichen Zusatzverdienstes von ca. 1.000 S ergeben hätte und der daraus weiter abgeleiteten Behauptung fehlender Feststellungen über die Relation des sonstigen Einkommens des Angeklagten zu seinem kriminellen Erwerbseinkommen (als wesentliche Voraussetzung der Beurteilung der Frage der Gewerbsmäßigkeit) wird ebenso wie mit der auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO gestützten Rechtsrüge in Wahrheit ein Rechtsirrtum (Z 10) geltend gemacht.

Dabei geht der Angeklagte von der irrigen Rechtsansicht aus, daß gewerbsmäßige Tatbegehung nur dann vorliege, wenn der Täter Straftaten gleichsam als Berufsverbrecher mit der Absicht verübe, ausschließlich oder überwiegend aus der Wiederholung der Taten ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen. Dies sei bei ihm zu verneinen, weil er sich, wenn auch nicht ständig, in einem Arbeitsverhältnis befunden habe und aus der unregelmäßigen Begehung der in größeren Abständen aufeinanderfolgenden Straftaten ein regelmäßiges Einkommen nicht zu erzielen gewesen sei.

Der Angeklagte übersieht jedoch, daß nach Lehre und Rechtsprechung der Begriff der Gewerbsmäßigkeit zwar die (vom Erstgericht mängelfrei festgestellte) manifeste Absicht des Täters voraussetzt, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat ein fortlaufendes Einkommen, also eine ständige oder doch für längere Zeit wirkende Einnahmsquelle zu verschaffen. Hiebei ist es aber - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - keineswegs erforderlich, daß die Tat bzw. der daraus erzielte Erlös die einzige oder auch nur die vornehmliche Einnahmsquelle des Täters bilde. Vielmehr genügt es, wenn der Täter durch seine Handlung die Erlangung eines (ständigen) Einkommens oder auch nur eines solchen Zuschusses zu seinem Einkommen anstrebt, seine Absicht also überhaupt auf Gewinn und Einkommen gerichtet ist; das Verhältnis zwischen den sonstigen Einkünften des Täters und dem aus Straftaten erstrebten Einkommen ist sohin irrelevant, sofern das angestrebte kriminelle Nebeneinkommen nur - wie hier - die Bagatellgrenze übersteigt (vgl. NRsp 1991/107; EvBl. 1991/103 uva).

Ebensowenig setzt der Begriff der Gewerbsmäßigkeit voraus, daß die fortlaufende Einnahme, deren Erzielung durch die wiederholte Tatbegehung beabsichtigt ist, im strengen Wortsinn regelmäßig oder dauernd fließen soll. Von einer fortlaufenden Einnahme könnte nur dann nicht gesprochen werden, wenn der Täter bloß gelegentlich und fallweise gleichartige Taten zwecks Gewinnung einer Einnahme zu begehen beabsichtigte (NRSp 1991/108 ua). Entscheidend ist die - vom Erstgericht mängelfrei festgestellte - gewerbsmäßige Tendenz, die als Tatfrage unter Umständen auch schon aus einer einzigen Straftat erschlossen werden kann (vgl. Leukauf-Steininger aaO § 70 RN 4 und 6).

Beim Einwand schließlich, wonach es sich beim Angeklagten bloß um einen Gelegenheitstäter handle, der einigemale günstige Umstände zum Stehlen ausgenützt habe, negiert die Beschwerde den vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt; in diesem Umfang wird daher die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Zum Schuldspruch wegen Nötigung (Punkt B):

Zu Unrecht macht der Angeklagte in der darauf Bezug habenden Mängelrüge (Z 5) geltend, daß der (im Spruch festgestellte und neben dem Versetzen von Stößen als weitere Gewaltanwendung genannte) Versuch, sich von dem Zeugen S***** - der ihn nach dem Diebstahlsversuch (laut Punkt A) festzuhalten versuchte - loszureißen, in den Entscheidungsgründen keine Deckung finde. Damit übergeht der Angeklagte jedoch jene Urteilsausführungen, wonach der Zeuge S***** mehrmals versuchte, den Angeklagten festzuhalten und der wegstrebende Angeklagte andererseits immer wieder dem Zeugen Stöße gegen den Körper versetzte, um sein Festhalten zu unterbinden (US 6), wobei es dem Zeugen S***** letztlich aber doch - trotz der vom Angeklagten angewendeten Gewalt - gelungen ist, den Angeklagten festzuhalten (US 9).

Dem weiteren Vorbringen zur Mängelrüge, wonach die gegen den Zeugen S***** gerichteten Stöße wirkungslos geblieben und demgemäß für die Anwendung einer nicht unerheblichen physischen Kraft keine Gründe angegeben worden seien, sowie dem das Vorliegen von Gewalt im Sinne des § 105 Abs. 1 StGB bestreitenden Vorbringen in der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) ist folgendes zu erwidern: Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers setzt (etwa durch Stöße, Anrempeln, Beinstellen oder Wegschieben ausgeübte) Gewalt im Sinn des § 105 Abs. 1 StGB nicht ein dadurch bewirktes Taumeln oder Hinfallen oder sonstige Labilitätszustände des Tatopfers unabdingbar voraus. Ob nämlich die vom Täter zur Überwindung eines wirklichen oder erwarteten Widerstandes eingesetzte physische Kraft nicht ganz unerheblich ist, ist eine vom Erstgericht zu lösende Tatfrage. Dabei entscheidet nicht allein der Erfolg, sondern das Maß der generellen Eignung, unter den gegebenen Umständen den fremden Willen zu beugen. Damit ist ein normativer Maßstab im Sinn einer von den Gesamtumständen der Tat und der Verkehrsauffassung abhängigen Erheblichkeits- bzw. Bagatellschwelle gemeint. Demzufolge kann auch bloßes Stoßen bereits Gewalt sein (vgl. Kienapfel, BT I3, RN 22 zu § 105 StGB mwN). Näherer Feststellungen über die Intensität der vom Angeklagten dem Zeugen S***** versetzten Stöße bedurfte es daher nicht; genug daran, daß die in Rede stehende Tathandlung, wie den mängelfreien Urteilsannahmen zufolge feststeht, nach dem Willen des Angeklagten darauf gerichtet war, seine Flucht nach dem mißlungenen Diebstahlsversuch zu ermöglichen, wobei seine Anhaltung durch den ihm nacheilenden S***** auf Grund der vom Angeklagten gegen den Zeugen gerichteten Stöße auch tatsächlich nicht sogleich gelungen ist. Damit ist klargestellt, daß die wiederholten Stöße, wodurch der tatsächliche Widerstand des Zeugen S***** überwunden werden sollte, jedenfalls das Ausmaß einer nicht unerheblichen physischen Kraftanwendung erreicht haben. Der Schuldspruch wegen versuchter Nötigung erfolgte sohin frei von Rechtsirrtum.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zur Berufung:

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 130 erster Strafsatz StGB zu zwanzig Monaten Freiheitsstrafe. Dabei wertete es die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, hingegen das Geständnis und den Umstand, daß die Straftaten nur bis zum Versuch gediehen, als mildernd.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt. Daß dem Angeklagten "nur vier (Diebstahls )Angriffe innerhalb eines Zeitraumes von sieben Monaten" zur Last liegen, schlägt nicht zu seinen Gunsten aus, zumal gewerbsmäßige Tatbegehung nicht erfordert, daß der Täter die Straftat auch tatsächlich wiederholt hat, sofern aus dieser (wenn auch erst einmaligen) Tat die bezügliche Absicht erkennbar ist (vgl. abermals Leukauf-Steininger aaO § 70 RN 6). Die Wiederholung der diebischen Angriffe aber wurde ohnehin nicht als Erschwerungsgrund herangezogen. Der Wert des Diebsgutes, auf den der Vorsatz des Berufungswerbers gerichtet war, und die hinsichtlich der Nötigung ins Treffen geführte "äußerst geringe Intensität" der angewendeten Gewalt kommen vorliegend als Milderungsgründe gleichfalls nicht in Betracht; insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen bei Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen werden.

Die über den Angeklagten - der nach seiner letzten Haftentlassung (am 17. April 1992) wieder rasch rückfällig wurde und bereits die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall erfüllt - verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten ist angesichts des keineswegs unbeträchtlichen Schuld- und Unrechtsgehaltes der Straftaten jedenfalls nicht überhöht. Eine Herabsetzung konnte daher nicht in Erwägung gezogen werden.

Es war sohin spruchgemäß zu erkennen.

Rechtssätze
8