JudikaturJustiz13Os9/22f

13Os9/22f – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Fischer in der Strafsache gegen Mag. Jo* und eine Angeklagte wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mag. Jo* und B* gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 6. Juli 2021, GZ 79 Hv 10/21h 108b, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wehofer, der Angeklagten Mag. Jo* und B* und ihres Verteidigers Mag. Marsch sowie des Vertreters der Privatbeteiligten, Dr. Cernusca, zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,

in den Schuldsprüchen A IV 2 des Mag. Jo* und B II der B*, soweit sie sich auf jeweils eine der davon umfassten Taten beziehen, wegen jeweils eines Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und 3 erster Fall StGB, weiters

im Schuldspruch A V des Mag. Jo*, soweit er sich auf eine der vom Schuldspruch A IV 2 (im Umfang dessen Aufhebung) und auf die vom Schuldspruch A II umfassten Taten bezieht, wegen jeweils eines Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB sowie

im Schuldspruch B III der B*, soweit er sich auf die vom Schuldspruch B II (im Umfang dessen Aufhebung) umfasste Tat bezieht, wegen eines Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB,

demzufolge auch in den Strafaussprüchen und im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche, aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Es haben Mag. Jo* zu A IV 2 und B* zu B II jeweils das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 sowie Mag. Jo* zu A V auch mehrere und B* zu B III auch ein Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 begangen und werden hiefür sowie für die ihnen weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich jeweils mehrere Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2004/15, des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und jeweils ein solches Verbrechen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB sowie jeweils mehrere Vergehen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB, jeweils unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 206 Abs 3 StGB

Mag. Jo* zu einer

Freiheitsstrafe von zehn Jahren und

B* zu einer

Freiheitsstrafe von acht Jahren

verurteilt.

Gemäß § 369 Abs 1 StPO sind die Angeklagten zur ungeteilten Hand schuldig, jeder der Privatbeteiligten S* und J* binnen 14 Tagen 25.000 Euro zu zahlen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden verworfen.

Mit ihren Berufungen wegen der Aussprüche über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden (die Ehegatten) Mag. Jo* und B* jeweils (zum Nachteil der am 25. Jänner 1992 geborenen Zwillingstöchter der Letzteren und Stieftöchter des Ersteren, S* und J*, begangener strafbarer Handlungen, und zwar) mehrerer Vergehen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB (A I und B I), Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (gemeint) idF vor BGBl I 2004/15 (A II und B IV) sowie Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und eines solchen Verbrechens nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (A III und B IV), ferner jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und eines solchen Verbrechens nach § 207 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (A IV und B II) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (A V und B III) schuldig erkannt.

[2] Danach haben in S * und G *

(A) Mag. Jo*

(I) vom Jahresanfang 1999 bis zum Mai 2009 S* und J*, die seiner Obhut unterstanden und die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, körperliche und seelische Qualen zugefügt, indem er sie regelmäßig ohrfeigte, ihnen Schläge auf den Kopf und auf das Gesäß versetzte, sie an den Haaren riss und zu Boden schleuderte, ihre Handgelenke festhielt, sie anschrie und erniedrigte, weiters

(II) „zwischen“ Herbst 1998 „bis spätestens“ Herbst 2002 S* außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 2004/15) mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung teils des Beischlafs, teils einer diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er

(1) zumindest zweimal mit einer Hand ihren Mund aufzwängte und seinen Penis in ihren Mund drückte sowie

(2) sie zumindest dreimal an den Oberarmen und den Schultern festhielt, sie nach unten drückte und seinen Penis in ihre Scheide einführte, ferner

(III) „zwischen“ Herbst 1998 „bis spätestens“ Jahresanfang 2004 mit S*, somit einer unmündigen Person, den Beischlaf oder eine diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, und zwar durch die zu A II beschriebenen Tathandlungen sowie in mehreren weiteren Angriffen, indem er jeweils mit seinen Fingern in ihre Scheide eindrang, ihre Hand auf seinen Penis legte und sie Handonanie an sich vornehmen ließ, wobei „eine“ dieser Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten, nämlich eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung, eine rezidivierende depressive Störung mit leicht- bis mittelgradig depressiven Episoden, eine Panikstörung und eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte, weiters

(IV) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen mit unmündigen Personen vorgenommen, und zwar

(1) vom Jahr 1996 bis zum Jahresanfang 2004 mit S*, indem er in einer Vielzahl von Angriffen seine Hand zwischen ihre Schamlippen führte, ihre Scheide abtastete, seine Finger dort hin und her bewegte, teils auch ihre Hand ergriff und auf seinen Penis legte, und

(2) „zwischen“ Herbst 1998 „bis spätestens“ Herbst 2002 mit J*, indem er sie in einer Vielzahl von Angriffen mit den Fingern an ihren Schamlippen und an ihrer Klitoris berührte und leicht daran rieb, wobei „eine“ dieser Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten, nämlich eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, eine rezidivierende depressive Störung mit mittelgradig depressiven Episoden, eine Panikstörung und eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte sowie

(V) vom Herbst 1998 bis zum Herbst 2004 durch die zu A II bis IV beschriebenen Tathandlungen jeweils mit einem seiner minderjährigen Stiefkinder eine geschlechtliche Handlung vorgenommen oder von diesem an sich vornehmen lassen, ferner

(B) B*

(I) vom Beginn des Jahres 1999 bis zum Mai 2009 S* und J*, die ihrer Fürsorge unterstanden und die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, körperliche und seelische Qualen zugefügt, indem sie sie regelmäßig ohrfeigte, ihnen Schläge auf den Kopf und auf das Gesäß versetzte, sie an den Haaren riss, trat, fest anpackte, anschrie und erniedrigte, weiters

„zwischen“ Herbst 1998 „bis spätestens“ Herbst 2002 mit J*, somit

(II) einer unmündigen und

(III) mit ihr in absteigender Linie verwandten minderjährigen

Person (außer dem Fall des § 206 StGB) geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem sie in einer Vielzahl von Angriffen mit den Fingern ihre Schamlippen und ihre Klitoris berührte und leicht daran rieb,

wobei „eine“ dieser Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten, nämlich eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, eine rezidivierende depressive Störung mit mittelgradig depressiven Episoden, eine Panikstörung und eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte, sowie

(IV) „zwischen“ Herbst 1998 „bis spätestens“ Herbst 2002 zu strafbaren Handlungen des Mag. Jo* beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem sie die Ausführung dessen zu A II 2 und „III“ beschriebener Taten teils durch Unterlassen deren Verhinderung entgegen der ihr als Mutter des Opfers S* zukommenden Erfolgsabwendungspflicht (§ 2 StGB), teils durch aktives Heranführen des Opfers an den Genannten förderte, wobei „eine“ dieser Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der S*, nämlich eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung, eine rezidivierende depressive Störung mit leicht- bis mittelgradig depressiven Episoden, eine Panikstörung und eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO erhobenen, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten.

[4] Zur Klärung von Art und Ausmaß sowie der Kausalität für – als schwere Tatfolgen (im Sinn des § 84 Abs 1 StGB) in Betracht kommende – krankheitswertige psychische Störungen der S* und der J* wurde vom Gericht eine medizinische Sachverständige aus den Fachgebieten der Neurologie und der Psychiatrie beigezogen, die in der Hauptverhandlung am 29. April 2021 ihr Gutachten erstattete (ON 91a S 22 ff).

[5] Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2021 (ON 99) stellten die Beschwerdeführer die wissenschaftliche Fundiertheit der Ausführungen der Sachverständigen zu möglichen Ursachen einer Persönlichkeitsstörung infrage, wonach eine solche „nie endogene Gründe“ habe, sondern „immer in den Entwicklungsdefiziten“ begründet läge (ON 91a S 25). Entgegen den Ausführungen der Expertin würden Studien belegen, dass bei 40 bis 60 % der Borderline-Patienten keine nennenswerten Belastungs oder Traumaerfahrungen in der Kindheit nachzuweisen seien.

[6] Im Hinblick darauf ersuchte der Vorsitzende – im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO – zunächst die Sachverständige um diesbezügliche „gutachterliche Stellungnahme“ (ON 99 und 104). In der fortgesetzten Hauptverhandlung am 6. Juli 2021 wurde den Beschwerdeführern sodann die – mittels Ausübung des Fragerechts durch eine Person mit besonderem Fachwissen (§ 249 Abs 3 StPO) genützte – Gelegenheit eingeräumt, die Sachverständige mit den im Schriftsatz geäußerten Bedenken zu konfrontieren. Über Nachfragen erläuterte die Sachverständige, dass genetische Voraussetzungen gewisse Charaktereigenschaften prädisponieren würden. Wie sich aus diesen eine Persönlichkeit und auch, ob sich eine Störung derselben entwickle, hänge von exogenen Faktoren, vorrangig von den Sozialisationsbedingungen, ab. Es sei nicht möglich, aus einer vorliegenden Persönlichkeitsstörung deren Ursache zu erschließen, insbesondere auch nicht den Rückschluss auf sexuellen Missbrauch zu ziehen, wenngleich ein solcher eine häufige Ursache sei. Fallbezogen hätten die Zeuginnen den sexuellen Missbrauch, die Misshandlungen und sonstige Fehlhandlungen in der Erziehung als äußerst belastend geschildert. Informationen hingegen, dass weitere schwere Traumatisierungen stattgefunden hätten, lägen nicht vor (ON 108c S 2 ff).

[7] Ebenfalls in der Hauptverhandlung am 6. Juli 2021 stellten daraufhin beide Beschwerdeführer den Antrag auf „Einholung eines weiteren Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie mit Lehrbefugnis an einer in- oder ausländischen Universität“ zum Beweis dafür, dass „sämtliche verfahrens- und anklagegegenständlichen Krankheitsfolgen der beiden Zeuginnen nicht aus den mutmaßlich von der Staatsanwaltschaft behaupteten Tathandlungen herrühren“. Die Sachverständige habe – ohne „auch nur einen einzigen Verweis auf wissenschaftliches Schrifttum oder konkrete Forschungsergebnisse“ – (erneut) die Behauptung aufgestellt, dass „eine Persönlichkeitsstörung nie endogene Gründe“ habe, sondern „sich für ihre Entstehung zu anlagebedingten charakterlichen Prädispositionen in jedem Fall pathogen wirkende Sozialisationsbedingungen hinzu gesellen“ müssten, dies entspräche „der psychiatrischen Erfahrung und dem aktuellen Forschungsstand“. Diese Ansicht decke sich nicht mit den „heute vorgelegten gesicherten Erkenntnissen der aktuellen Wissenschaft“. Die einzige von der Sachverständigen „vorgetragene Belegstelle“ behandle die „einzig relevante Frage nicht“. Das Gutachten sei insofern begründungslos und damit mangelhaft im Sinn des § 127 Abs 3 StPO geblieben (ON 108c S 9 f).

[8] Den Verfahrensrügen (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung dieses Antrags (ON 108c S 11) Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

[9] Denn das Antragsvorbringen erschöpfte sich in der bloßen Wiederholung bis dahin vorgetragener Bedenken, ohne im Einzelnen darzutun, worin die „gesicherten Erkenntnisse der aktuellen Wissenschaft“ bestehen und inwiefern die Sachverständige – nach dem Dafürhalten der Beschwerdeführer – davon (weiterhin) abweiche. Ausführungen dazu, warum jene angeblich gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse das vom Antragsteller behauptete Ergebnis, nämlich, dass sämtliche „verfahrens- und anklagegegenständlichen“ Krankheitsfolgen der beiden Opfer nicht aus den „mutmaßlich von der Staatsanwaltschaft behaupteten“ Tathandlungen herrühren würden, erwarten lasse, enthielt es hingegen nicht.

[10] Solcherart wurde aber kein – nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens bestehen gebliebener – Mangel von Befund und Gutachten im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO substantiiert aufgezeigt, sondern bloß eine Überprüfung der Beurteilung der beigezogenen Expertin in der nicht indizierten Erwartung eines für die Antragsteller günstigeren Ergebnisses begehrt. Damit zielte der Antrag – im Hauptverfahren unzulässig – auf Erkundungsbeweisführung ab ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 351; RIS Justiz RS0117263 [insbesondere T17] und RS0102833).

[11] Die Mängelrügen (Z 5) bekämpfen die Schuldsprüche A I und B I tragende Feststellungen, wonach die Beschwerdeführer S* „ab Jahresbeginn 1999 bis längstens Mai 2009 “ regelmäßig geohrfeigt und geschlagen haben (US 6).

[12] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider steht die Aussage der Zeugin Ju*, (erst) „[i]n den Jahren 2015/16 […] mit S* gut befreundet“ gewesen zu sein, dieser Feststellung nicht erörterungsbedürftig entgegen.

[13] Mit dem Vorwurf, die Tatrichter hätten sie (dennoch) auf Aussagen der genannten Zeugin gestützt, (solcherart außerhalb des festgestellten Tatzeitraums) mehrmals blaue Flecken am Körper der S* wahrgenommen zu haben (US 19), werden jene Feststellungen – der Sache nach – als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert.

[14] Insoweit versäumen es die Rügen prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0119370), an der Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe Maß zu nehmen. Hat doch das Schöffengericht die bekämpften Feststellungen auch (und vor allem) aus Angaben der Zeuginnen S* und J* (US 12) im Zusammenhalt mit den Zeugenaussagen A*, Si*, So* und Jul* (US 21 ff) abgeleitet.

[15] Das Schöffengericht ging – wie eine Gesamtschau der Urteilsausfertigung (US 3 f, 8 und 10) unmissverständlich erkennen lässt – (zu B IV) davon aus, dass B* zu den vom Schuldspruch A (III und) II 2, nicht aber zu den vom Schuldspruch A (III und) II 1 umfassten Handlungen des Mitangeklagten beigetragen hat.

[16] Hiervon ausgehend erweist sich die (insoweit undifferenzierte) Verweisung des Referats der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis zu B IV auf die vom Schuldspruch A „III“ umfassten Verhaltensweisen (US 3) als offenkundiger Schreibfehler, der – von vornherein – keinen Widerspruch in der Bedeutung der Z 5 dritter Fall herstellt (RIS Justiz RS0106295 [T14] und RS0117402 [T17]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 440).

[17] Der diesbezügliche Rechtsmitteleinwand der B* geht schon deshalb ins Leere. Mag. Jo* mangelt es insoweit (bereits) an der Legitimation zur Anfechtung des – nur die Mitangeklagte betreffenden – Schuldspruchs B IV.

[18] Letzteres gilt (mutatis mutandis) für die Rechts- (Z 9 lit a) und die Subsumtionsrüge (Z 10) der B*, soweit sie sich – ohne Bezugnahme auf deren Schuldspruch – gegen den Schuldspruch A III, A V sowie A V „iVm“ A II des Mag. Jo* wendet.

[19] Dessen Rechtsrüge (Z 9 lit a) beanstandet insoweit zum einen, die Tatrichter hätten Feststellungen zur subjektiven Tatseite ausdrücklich (vgl US 8) nur in Ansehung einer Teilmenge der vom Schuldspruch A III (§ 206 StGB) umfassten Taten, nämlich jener getroffen, die (ideal konkurrierend) auch vom Schuldspruch A II (§ 201 StGB) umfasst sind. Damit wird bloß eine Reduktion der – vorliegend gar nicht konkret bestimmten – Anzahl der § 206 StGB subsumierten Übergriffe angestrebt und solcherart weder ein Schuldspruch noch die Subsumtion einer davon umfassten Tat infrage gestellt (vgl RIS Justiz RS0116736 [insbesondere T7] und RS0117436, jüngst 13 Os 77/21d).

[20] Zum anderen behauptet die Rüge (der Sache nach Z 10), mangels Feststellungen zu einem „Einsatz von Autorität als zusätzlichem Mittel der Willensbrechung“ habe das Erstgericht in Bezug auf jene Taten des Mag. Jo*, die vom Schuldspruch A II (§ 201 StGB) umfasst sind, (neben § 206 StGB [Schuldspruch A III]) verfehlt auch § 212 Abs 1 Z 1 StGB (Schuldspruch A V ) als (damit in echter Idealkonkurrenz) begründet erachtet. Damit übergeht sie – prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0099810) – die Urteilskonstatierungen, wonach Mag. Jo* seine „Stellung als Aufsichtsperson bewusst und gewollt aus[nützte], um die unter Faktum A.) II.) bis IV.) festgestellten [...] Handlungen“ zu begehen (US 10).

[21] Im Übrigen stellt die Ausnützung des Autoritätsverhältnisses kein eigenständiges Element des Tatbestands des § 212 Abs 1 Z 1 StGB dar. Der Missbrauch der besonderen Stellung des Täters zum Opfer wird in den dort genannten Konstellationen vielmehr als typisch vorausgesetzt (RIS Justiz RS0108363 [T6]).

[22] Das weitere, gegen die Schuldsprüche A V und B III (wegen jeweils mehrerer Vergehen nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB) gerichtete Vorbringen (Z 9 lit a, der Sache nach teils Z 10) vermisst Feststellungen zu einem auf die Minderjährigkeit der Opfer gerichteten Vorsatz beider Beschwerdeführer. Solche finden sich jedoch – von diesen abermals missachtet (erneut RIS Justiz RS0099810) – auf US 7, 9 und 10.

[23] Gleiches gilt, soweit die Subsumtionsrügen (Z 10) mit der Behauptung eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen zu einem auf fehlendes Einverständnis des Opfers – als implizitem Tatbestandsmerkmal des § 201 StGB – gerichteten Vorsatz der Beschwerdeführer den jeweiligen Schuldspruch nach § 201 StGB ( A II und B IV) bekämpfen. Entsprechende Feststellungen trafen die Tatrichter nämlich mit hinreichender Deutlichkeit (jeweils) auf US 9 („um den für ihn erkennbaren Widerstand des Opfers [...] zu überwinden“).

[24] Ebenfalls gegen die Schuldsprüche A II und B IV richtet sich der Vorwurf (Z 10) unzutreffender Annahme jeweils mehrerer Verbrechen nach § 201 StGB (anstelle jeweils bloß eines solchen Verbrechens), weil insoweit (jeweils) eine tatbestandliche Handlungseinheit, also bloß eine Tat im materiellen Sinn, festgestellt worden sei. Auch dieser Einwand wird nicht auf der Basis der Gesamtheit des diesbezüglichen Feststellungssubstrats entwickelt, das gerade keine wiederholte Tatbestandsverwirklichung in kurzer zeitlicher Abfolge bei gleicher Motivationslage (vgl RIS Justiz RS0120233), sondern (jedenfalls) eine Mehrzahl zeitlich und örtlich voneinander getrennter (gleichartiger) Übergriffe zum Ausdruck bringt (US 8: „zumindest zwei Mal […] zwischen Herbst 1998 bis spätestens Herbst 2002 […] im Badezimmer“ und „drei bis vier Mal [...] während der Volksschulzeit […] im großen Ehebett im Schlafzimmer der Eltern“).

[25] Der weiteren Erledigung sei vorangestellt, dass

die von den Schuldsprüchen A III des Mag. Jo* und B IV der B* umfassten, zum Nachteil der S* gesetzten und (ua) § 206 StGB subsumierten Verhaltensweisen sowie

die von den Schuldsprüchen A IV 2 des Mag. Jo* und B II der B* umfassten, zum Nachteil der J* gesetzten und (ua) § 207 StGB subsumierten Verhaltensweisen

jedes der beiden Beschwerdeführer nach den insoweit eindeutigen Urteilsfeststellungen jeweils eine Tatmehrheit bilden (US 8 ff).

[26] Sowohl die Beschwerdeführer als auch die Generalprokuratur gehen davon aus, das Schöffengericht habe mit der mehrfach verwendeten Urteilsformulierung, jeweils „ eine Tat“ habe die in tatsächlicher Hinsicht konstatierte schwere Folge (§ 84 Abs 1 StGB) bei S* (US 2, 4 und 9 f) und bei J* (US 3 und 10) verursacht, insoweit alternative Kausalität festgestellt.

[27] In der dennoch erfolgten Subsumtion des zum Nachteil der J* gesetzten Verhaltens jedes der Beschwerdeführer (ua) als ein nach § 207 Abs 3 erster Fall StGB qualifiziertes Verbrechen ( A IV 2 und B II ) erblickt die Generalprokuratur einen (zum Vorteil der Angeklagten nicht geltend gemachten, jedoch gemäß § 290 Abs 1 erster Satz erster Fall StPO von Amts wegen wahrzunehmenden) Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 10). Sei doch in tatsächlicher Hinsicht ungeklärt geblieben, welcher von beiden Beschwerdeführern die – eine – für den qualifizierenden Erfolg (bei J*) kausale Tat begangen habe. Auf dieser Sachverhaltsbasis sei die betreffende Qualifikation daher jeweils zu Unrecht angenommen worden.

[28] Die gegen die Schuldsprüche „A.) II.) und V.)“ (gemeint A III ) und B IV gerichteten Subsumtionsrügen (Z 10) wiederum streben – gleichfalls unter der Prämisse alternativer Kausalität – eine rechtliche Unterstellung der zum Nachteil der S* begangenen Taten beider Beschwerdeführer nach § 207 Abs 1 und 2 erster Fall StGB idF vor BGBl I 1998/153 (anstelle des § 206 Abs 1, teils auch Abs 3 erster Fall StGB idgF) an. Dies mit Blick auf den zum (ihrer Ansicht nach) festgestellten Beginn des Tatzeitraums („Herbst 1998“) noch in Geltung gestandenen § 206 StGB idF vor BGBl I 1998/153, der dem Beischlaf (bloß) gleichzusetzende Handlungen an Unmündigen (vgl US 8 f) noch nicht erfasste und mit Ablauf des 30. September 1998 außer Kraft trat (vgl RIS Justiz RS0098557 [T16] und RS0131758 zur [ausnahmsweise] rechtlichen Relevanz der Tatzeit, wenn dies für die Frage des anzuwendenden materiellen Rechts entscheidend ist).

[29] Eine – auch die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung in den Blick nehmende – Analyse des Urteils zeigt allerdings mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Tatrichter von kumulativer Kausalität aller (zum Nachteil des jeweiligen Opfers gesetzten) „sexuellen Übergriffe“ der Beschwerdeführer ausgingen, die (jeweils) „hauptursächlich für die Entstehung des psychischen Leidens“ gewesen seien (US 30 f und 31 f; vgl auch US 35: auf RIS Justiz RS0128224 und RS0120828 gestützte Annahme [jeweils] scheinbarer Real konkurrenz in Bezug auf die Erfolgsqualifikation). Dies lässt – selbst bei für Dritte insoweit allenfalls bestehender Unklarheit – aus der Sicht des Obersten Gerichtshofs die (Text )Beurteilung zu, dass die Tatrichter mittels der gewählten Formulierung („als Folge einer Tat“) die Mitursächlichkeit jeder einzelnen der zum Nachteil des jeweiligen Opfers begangenen Sexualstraftaten jedes der beiden Beschwerdeführer für die konstatierte schwere Verletzung (§ 84 Abs 1 StGB) des jeweiligen Opfers feststellen wollten (RIS Justiz RS0117228; Ratz , WK StPO § 281 Rz 19).

[30] Hiervon ausgehend aber liegt weder der von der Generalprokuratur ausgemachte Subsumtionsfehler (zu den Schuldsprüchen A IV 2 und B II ) vor noch entwickeln die Subsumtionsrügen ihre dargestellte Argumentation (zu den Schuldsprüchen A III und B IV) auf der Basis des Urteilssachverhalts (abermals RIS-Justiz RS0099810).

[31] In diesem Umfang waren die Nichtigkeitsbeschwerden daher zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).

[32] Im Recht ist jedoch die Subsumtionsrüge (Z 10) des Mag. Jo*, soweit sie eine verfehlte rechtliche Unterstellung jener vom Schuldspruch A V (§ 212 Abs 1 Z 1 StGB) umfassten Taten dieses Beschwerdeführers einwendet, die das Erstgericht – ideal konkurrierend – auch § 201 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2004/15 (Schuldspruch A II) subsumierte:

[33] Der in § 61 zweiter Satz StGB angeordnete Günstigkeitsvergleich ist für jede Tat (im materiellen Sinn) gesondert vorzunehmen (RIS-Justiz RS0089011). Das Ergebnis dieser Prüfung ist entweder, dass – streng fallbezogen in einer konkreten Gesamtschau der möglichen Unrechtsfolgen (RIS-Justiz RS0119085 [insbesondere T1] – die Strafgesetze zur Tatzeit günstiger oder jene zum Urteilszeitpunkt zumindest gleichgünstig für den Täter sind (RIS Justiz RS0112939; zur Auslegung des Begriffs „Strafgesetze“ in § 61 StGB Ratz , WK StPO § 288 Rz 36). Je nachdem ist die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) der einzelnen Tat – in vollem Umfang (RIS Justiz RS0091798) – entweder nach den Tatzeit- oder nach den Urteilszeitgesetzen vorzunehmen. Eine Mischung der verschiedenen Rechtsschichten ist insoweit also unzulässig (RIS Justiz RS0119085 [T4, T5] und RS0088953).

[34] Jedenfalls verfehlt ist demnach die Annahme von Idealkonkurrenz mehrerer strafbarer Handlungen teils nach Tatzeit-, teils nach (von diesem abweichendem) Urteilszeitrecht.

[35] Die in Rede stehenden Taten sind vom Schuldspruch A II (§ 201 StGB), A III (§ 206 StGB) und A V (§ 212 Abs 1 StGB) gleichermaßen umfasst. Seit 1. Oktober 1998 (BGBl I 1998/153) blieb § 206 Abs 1 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren) zur Gänze und § 206 Abs 3 StGB im hier relevanten Umfang (Abs 3 erster Fall: Freiheitsstrafe von fünf bis zu 15 Jahren) unverändert. Der (nach den Feststellungen ebenfalls verwirklichte) Grundtatbestand des § 201 StGB sah zur Tatzeit (§ 201 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2004/15) eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, zum Urteilszeitpunkt (§ 201 Abs 1 StGB idgF) aber eine solche von zwei bis zu zehn Jahren vor. Darüber hinaus erfüllen diese Taten – nach dem Urteilssachverhalt – die Tatbestandselemente sowohl (der ersten Tatbegehungsvariante) des § 212 Abs 1 StGB in der zur Tatzeit geltenden Stammfassung (BGBl 1974/60 [= vor BGBl I 2004/15]) als auch des § 212 Abs 1 Z 1 StGB idgF, welche beiden Strafsätze jeweils eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren androhen.

[36] Hiervon ausgehend sind zwar, soweit § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (Schuldspruch A III) – einmal – begründet wird, die Urteilszeitgesetze in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung (vgl § 28 StGB) nicht ungünstiger als das Tatzeitrecht. Im Übrigen, nämlich soweit § 206 Abs 3 erster Fall StGB (oder die entsprechende Erfolgsqualifikation des § 201 StGB) infolge materieller Subsidiarität (RIS Justiz RS0120828 und RS0128224) nicht (nochmals) begründet wurde, erweisen sich jedoch die Tatzeitgesetze als günstiger. Betrug doch insoweit – bei gleichbleibender Höchststrafe – die jeweilige Mindeststrafe nicht (aus § 201 Abs 1 StGB idgF resultierend) zwei Jahre, sondern (aus § 201 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2004/15 und aus § 206 Abs 1 StGB resultierend) ein Jahr Freiheitsstrafe (zum Günstigkeitsvergleich hinsichtlich der [infolge Subsidiarität] bei bloß einer Tat angerechneten Erfolgsqualifikation [und damit echt ideal konkurrierender strafbarer Handlungen] einerseits und des damit – mehrere weitere Male – echt real konkurrierenden Grundtatbestands [sowie damit jeweils echt ideal konkurrierender strafbarer Handlungen] andererseits bei kumulativ kausalen Tatmehrheiten vgl 11 Os 12/21f [Rz 16] und 11 Os 125/21y [Rz 9]).

[37] Richtigerweise sind die betreffenden Taten daher – neben § 201 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2004/15 (A II) und § 206 Abs 1 StGB in der (auch schon zur Tatzeit) geltenden Fassung (A III) – § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 zu unterstellen.

[38] In gleicher Weise zu Recht machen die Subsumtionsrügen (Z 10) eine verfehlte rechtliche Unterstellung von den Schuldsprüchen A IV 2 (des Mag. Jo*) und B II (der B*) umfasster Taten geltend:

[39] Der nach den Feststellungen jeweils einmal begründete (abermals RIS Justiz RS0120828) Strafsatz des § 207 Abs 3 erster Fall StGB drohte im festgestellten Tatzeitraum (idF BGBl I 1998/153) eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren , zum Urteilszeitpunkt (idF BGBl I 2013/116) jedoch eine solche von fünf bis zu 15 Jahren an.

[40] Deshalb – und weil der (jeweils idealkonkurrierend verwirklichte) Strafsatz des § 212 Abs 1 StGB (Schuldsprüche A V und B III) stets in jeder Hinsicht milder war als § 207 StGB (vgl § 28 StGB) – sind insoweit die Strafgesetze zur Tatzeit in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung günstiger als jene zum Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz. Demzufolge sind die betreffenden (gleichartigen) Taten jedes von beiden Beschwerdeführern (unter anderem) jeweils einem Verbrechen nach § 207 Abs 1 und 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 zu subsumieren.

[41] Infolge des Verbots der Mischung von Rechtsschichten (erneut RIS Justiz RS0119085 [T4, T5] und RS0088953) schlägt dieser Subsumtionsfehler, wie die Rüge des Mag. Jo* ebenfalls zutreffend aufzeigt, auch auf den Schuldspruch A V dieses Beschwerdeführers durch: Soweit er sich (ideal konkurrierend) auf eine vom Schuldspruch A IV 2 (wegen eines nach § 207 Abs 3 erster Fall StGB qualifizierten Verbrechens) umfasste Tat bezieht, wäre diese § 212 Abs 1 StGB in der (zur Tatzeit geltenden) Fassung BGBl 1974/60 zu subsumieren gewesen.

[42] Wenngleich von B* in Bezug auf deren Schuldspruch B III (wegen mehrerer Vergehen nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB) nicht geltend gemacht, kommen ihr, soweit sich dieser (ideal konkurrierend) auf eine vom Schuldspruch B II (wegen eines nach § 207 Abs 3 erster Fall StGB qualifizierten Verbrechens) umfasste Tat bezieht, dieselben Gründe zustatten (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO).

[43] Die – von den Rügen ohnedies nicht deutlich und bestimmt bekämpfte – Subsumtion der von den Schuldsprüchen A IV und B II (jeweils) umfassten Tatmehrheit im Übrigen wurde hingegen zu Recht nach den zum Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz geltenden Strafsätzen (als jeweils mehrere Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB und Vergehen nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB jeweils in Idealkonkurrenz) vorgenommen, weil insoweit die Strafdrohungen zwischen Tat- und Urteilszeitpunkt unverändert blieben.

[44] Die – teils vom jeweiligen Beschwerdeführer zutreffend geltend gemachten, teils gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO von Amts wegen wahrzunehmenden – dargestellten Subsumtionsfehler führten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 288 Abs 2, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[45] Unter Zugrundelegung der vom Schöffengericht festgestellten Tatsachen war vom Obersten Gerichtshof in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 1 Z 3 erster Satz StPO).

[46] Bei der Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof hinsichtlich beider Angeklagter die Begehung einer Vielzahl strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art durch längere Zeit (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) als erschwerend , als mildernd hingegen jeweils den bisher ordentlichen Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) sowie, dass die Taten bereits vor längerer Zeit begangen wurden und sich die Angeklagten seither wohlverhalten haben (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB), bei B* überdies den Umstand, dass sie sich (zu B IV) teils lediglich dadurch strafbar gemacht hat, dass sie es in einem Fall, in dem das Gesetz die Herbeiführung eines Erfolges mit Strafe bedroht, unterlassen hat, den Erfolg abzuwenden (§ 34 Abs 1 Z 5 StGB).

[47] Im Rahmen der Gewichtung der Schuld nach § 32 StGB war zum Nachteil der Angeklagten das teils geringe Alter der beiden Opfer (vgl RIS Justiz RS0090958) und der Umstand in Rechnung zu stellen, dass diese an den psychischen Tatfolgen weiterhin zu leiden haben (vgl US 10), deren Schwere somit über das zur Erfüllung der jeweiligen (auf § 84 Abs 1 StGB abstellenden) Erfolgsqualifikation Erforderliche (vgl § 32 Abs 2 erster Satz StGB) weit hinausgeht.

[48] Dass die relevante (vgl RIS Justiz RS0124901) Dauer des gegen die Angeklagten geführten Verfahrens von rund dreieinhalb Jahren – gesamthaft betrachtet – als unverhältnismäßig (vgl § 34 Abs 2 StGB) anzusehen wäre, kann mit Blick auf Umfang und Komplexität der zu klärenden Tatfragen, auch angesichts von Verfahrenserschwernissen infolge der seit März 2020 herrschenden Covid-19-Pandemie, vorliegend nicht gesagt werden.

[49] Wie die Angeklagten an sich zutreffend argumentieren, kann sich zwar eine Verletzung des Grundrechts auf Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist (Art 6 Abs 1 MRK) – davon unabhängig – auch aus einer einzelnen längeren Phase behördlicher Inaktivität ergeben (RIS Justiz RS0124901 [T3]; Grabenwarter/Pabel , EMRK 7 § 24 Rz 82 f). Die behauptete Säumigkeit der im Ermittlungsverfahren am 10. Dezember 2019 (ON 1 S 29) mit der Erstattung zweier Gutachten beauftragten Sachverständigen begründet aber keinen solchen Vorwurf, weil die Staatsanwaltschaft ihrer diesbezüglichen Überwachungspflicht (vgl Kier , WK StPO § 9 Rz 58) – durch regelmäßige Urgenzen nach Ablauf der zunächst gesetzten Erstellungsfrist im März 2020 (ON 1 S 35 ff) – fallkonkret ausreichend nachkam. Ein Absehen von einer Enthebung der (dennoch weiterhin) säumigen Sachverständigen (§ 127 Abs 5 StPO), deren schriftliche Gutachten letztlich am 10. Dezember 2020 bei der Staatsanwaltschaft einlangten (ON 65 und 66), war – im Sinn der diesbezüglichen Amtsvermerke der befassten Staatsanwältin vom 20. November 2020 und vom 4. Dezember 2020 (ON 1 S 41 verso f) – vorliegend gerechtfertigt.

[50] Auch der Umstand, dass zum Zeitpunkt der am 30. November 2021 verfügten (ON 1 S 55 verso) Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteils an den Verteidiger die Urteilsverkündung (ON 108c S 13 ff) schon fast fünf Monate zurücklag, ist vorliegend auf keine länger währende Inaktivität des Gerichts zurückzuführen, die einen Verstoß gegen Art 6 Abs 1 MRK begründet hätte. Vielmehr handelte es sich dabei um die neuerliche Zustellung einer Urteilsausfertigung, die gemäß § 271 Abs 7 letzter Satz StPO geboten war, weil der Vorsitzende über Antrag der Angeklagten (ON 114) eine Berichtigung des – dem Verteidiger bereits mit Wirksamkeit (§ 89d Abs 2 GOG) vom 28. September 2022 samt einer Ausfertigung des Urteils zugestellten (RS an US 2) – Protokolls über die Hauptverhandlung beschlossen (ON 116) hatte.

[51] Ausgehend vom Dargelegten erweisen sich die verhängten Strafen als dem jeweils außergewöhnlich hohen Schuldgehalt (vgl § 32 Abs 3 StGB) jedenfalls angemessen. Ein höheres als dieses – bereits vom Erstgericht gefundene (und nicht zum Nachteil des jeweiligen Angeklagten bekämpfte) – Strafmaß kam aufgrund des Verbots der reformatio in peius (§ 290 Abs 2 StPO) jeweils nicht in Betracht.

[52] Jene Verfahrensergebnisse, wonach jede von beiden Privatbeteiligten durch die von den Schuldsprüchen umfassten sexuellen Übergriffe beider Angeklagter multiple psychische Störungen erlitt (vgl US 9 ff und 30 ff), tragen auch den (erneuten) Zuspruch eines Schadenersatzbetrags in Höhe von jeweils 25.000 Euro.

[53] Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

[54] Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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